Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 09.04.2008, Az.: L 3 KA 145/06
Drittschützende Wirkung des § 72a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V); Schutz subjektiver Rechte betroffener Vertrags(zahn)ärzte durch § 72a SGB V
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 09.04.2008
- Aktenzeichen
- L 3 KA 145/06
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2008, 29706
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2008:0409.L3KA145.06.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Hannover - 21.06.2006 - AZ: S 43 KA 582/04
- nachfolgend
- LSG Niedersachsen-Bremen - 09.04.2008 - AZ: L 3 KA 145/06
- BSG - 17.06.2009 - AZ: B 6 KA 18/08 R
Rechtsgrundlagen
- § 54 Abs. 1 S. 1 SGG
- § 72a SGB V
- § 95b Abs. 2 SGB V
Fundstelle
- NZS 2008, 556-558
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG Hannover vom 21. Juni 2006 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen. Die Revision wird zugelassen. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 5.000,00 EUR fest- gesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die aufsichtsbehördliche Feststellung, dass die vertragszahnärztliche Versorgung im Landkreis F. nicht mehr sichergestellt sei.
Die Klägerin ist Fachzahnärztin für Kieferorthopädie und war seit Dezember 1994 zur vertragszahnärztlichen Tätigkeit mit Praxissitz in G. (Landkreis H.) zugelassen. Mit Schreiben vom 20. März 2004 teilte sie dem Zulassungsausschuss mit, sie gebe zum 30. Juni 2004 ihre Kassenzulassung zurück. Dies sei die Quintessenz umfangreicher, zum Teil auch langjähriger betriebswirtschaftlicher, fachlich-berufsethischer und persönlicher Überlegungen. Sie betrachte die Entwicklungen im Gesundheitswesen, insbesondere die neuen Gesetzesänderungen, mit größter Sorge. Der Zulassungsausschuss Niedersachsen für die Zulassung zur vertragszahnärztlichen Tätigkeit stellte mit Beschluss vom 28. April 2004 fest, dass ihre Zulassung zur vertragszahnärztlichen Tätigkeit mit dem 30. Juni 2004 ende.
Mit Bescheid vom 03. Juni 2004 stellte der Beklagte durch sein Ministerium für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit (im Folgenden: Sozialministerium) fest, dass in den drei niedersächsischen Planungsbereichen Landkreis I., Landkreis J. und Landkreis F. insgesamt 23 und damit jeweils mehr als 50 v.H. aller dort niedergelassenen Vertragszahnärzte, die kieferorthopädische Leistungen erbringen, in einem mit anderen Zahnärzten aufeinander abgestimmten Verfahren oder Verhalten auf ihre Zulassung zum 30. Juni 2004 nach § 95 b Abs. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) verzichtet hätten und dadurch die vertragszahnärztliche kieferorthopädische Versorgung ab 01. Juli 2004 nicht mehr sichergestellt sei. Die Annahme eines aufeinander abgestimmten Verhaltens ergebe sich aus dem zeitlichen und inhaltsgleichen Zusammentreffen der Zulassungsverzichte sowie der zahlreichen gemeinsamen von den Kieferorthopäden und den zahnärztlichen und fachzahnärztlichen Berufsvertretungen öffentlichkeitswirksam erkennbar gewordenen Erklärungen und Meinungsäußerungen. Im Landkreis F. hätten 8 von 11 Vertragszahnärzten auf ihre Zulassung verzichtet, darunter die Klägerin. Der Bescheid war an die zu 1. beigeladene Kassenzahnärztliche Vereinigung (KZV) sowie an die zu 2. bis 8. beigeladenen Krankenkassen- bzw. Kassenverbände gerichtet. Die Beigeladene zu 1. erhob hiergegen zunächst Klage, nahm diese jedoch im November 2004 zurück.
Am 29. Oktober 2004 hat die Klägerin gegen diesen Bescheid Klage vor dem Sozialgericht (SG) Hannover erhoben. Ihren bereits am 17. August 2004 gestellten Antrag, sie erneut als Fachzahnärztin für Kieferorthopädie K. zur Teilnahme an der vertragszahnärztlichen Versorgung zuzulassen, ist von den Zulassungsgremien abgelehnt worden (Beschluss des Zulassungsausschusses vom 22. September 2004, des Berufungsausschusses vom 08. Dezember 2004). Die hiergegen gerichtete Klage ist erstinstanzlich erfolglos geblieben (Urteil des SG Hannover vom 21. Juni 2006); hiergegen hat die Klägerin Berufung eingelegt (Aktenzeichen L 3 KA 139/06), die der Senat mit Urteil vom heutigen Tag zurück gewiesen hat.
Zur Begründung der vorliegenden Klage hat die Klägerin ausgeführt, sie sei befugt, den Bescheid des Sozialministeriums anzufechten. Dieser habe Tatbestandswirkung in der Weise, dass er die negative Voraussetzung des § 95 b Abs. 2 SGB V (sechsjährige Wiederzulassungssperre) für ihren Anspruch auf Wiederzulassung als Vertragszahnärztin vorgebe. Denn die in dem Bescheid getroffene Feststellung, dass auch die Klägerin eine Pflichtverletzung nach § 95 b Abs. 1 SGB V begangen habe, führe ohne weiteren Umsetzungsakt zur Begrenzung ihres Vergütungsanspruchs gegen die Krankenkasse auf den 1,0fachen Gebührensatz der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ). Außerdem werde mit Wirksamkeit des Bescheides durch die Nichtigkeitsanordnung des § 95 b Abs. 3 Satz 4 SGB V unmittelbar durch das Gesetz in die Rechte der Klägerin eingegriffen, ohne dass es eines Vollzugsaktes bedürfe. Im Falle der Tatbestandswirkung eines Bescheides bestehe auch ein Rechtsschutzbedürfnis daran, unmittelbar gegen den Bescheid des Beklagten vorzugehen. Der Bescheid sei weiterhin formell rechtswidrig, weil die Klägerin keine Gelegenheit zur Stellungnahme im Rahmen ihres Anhörungsrechts nach § 24 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) erhalten habe. Er sei materiell rechtswidrig, weil er eine Pauschalverurteilung der Klägerin treffe, ohne den Nachweis zu führen, dass die Klägerin ihren Verzicht in einem mit anderen Kieferorthopäden aufeinander abgestimmten Verfahren oder Verhalten erklärt habe; dieser beruhe vielmehr auf einer völlig autonomen und individuellen Entscheidung. Schließlich sei auch das im Gesetz vorgesehen Quorum von 50% aller in einem Zulassungsbezirk niedergelassener Vertragsärzte nicht erfüllt, weil im Landkreis F. lediglich 8 von knapp 200 Vertragszahnärzten - rund 4% - auf ihre Zulassung verzichtet hätten. Die Auslegung des Beklagten, es komme lediglich auf 50% der fachzahnärztlich tätigen Vertragszahnärzte an, sei eine unzulässige Analogie zu Lasten der Klägerin.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 21. Juni 2006 abgewiesen. Die Klage sei unzulässig, weil die Voraussetzungen einer Drittanfechtung nicht vorlägen; die Feststellung des Beklagten, dass die vertragszahnärztliche Versorgung in Folge eines zahlenmäßig beachtlichen abgestimmten Verzichts von Vertragszahnärzten nicht mehr sichergestellt sei, diene einer ordnungsgemäßen Versorgung der Versicherten und damit allein öffentlichen Interessen. Etwas anders ergebe sich auch nicht vor dem Hintergrund der behaupteten Tatbestandswirkung der Aufsichtsanordnung vom 03. Juni 2004. Denn mit der Rechtsprechung des erkennenden Senats sei davon auszugehen, dass die Frage, ob die Voraussetzungen des § 72 a Abs. 1 SGB V gegeben seien, im Rahmen des von der betroffenen Vertragszahnärztin gestellten erneuten Zulassungsantrags und der dabei zu prüfenden Wiederzulassungssperre nach § 95 b Abs. 2 SGB V zu untersuchen sei.
Gegen das ihr am 20. Oktober 2006 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 31. Oktober 2006 Berufung eingelegt. Entgegen der Auffassung des SG handle es sich bei der Aufsichtsverfügung des Sozialministeriums um einen Verwaltungsakt mit Drittwirkung. Die dort enthaltene Feststellung, dass die Klägerin sich an einem mit anderen Vertragsärzten aufeinander abgestimmten Verfahren oder Verhalten beteiligt habe, entfalte tatbestandsfeststellende Wirkung. Dies ergebe sich bereits daraus, dass sich die Zulassungsausschüsse und das SG in seinen Entscheidungen bezüglich der Wiederzulassung auf die Feststellungen des Ministeriums gestützt hätten. Neben den bereits genannten Folgen bewirke die Aufsichtsverfügung auch, dass die Klägerin keine Einzelverträge nach § 72 a Abs. 3 SGB V abschließen und keine neuen Patienten zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung behandeln dürfe; außerdem sei sie nicht berechtigt, gemäß § 13 Abs. 2 Satz 6 SGB V Patienten zu behandeln, die auf ihren Sachleistungsanspruch verzichtet hätten. Schließlich seien sowohl § 72 a als auch § 95 b Abs. 1 SGB V verfassungswidrig, weil sie in hohem Maße gegen das Bestimmtheitsgebot verstießen und in Verbindung mit § 95 b Abs. 2 SGB V unangemessen in die Berufsfreiheit eingriffen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 21. Juni 2006 und den Bescheid des Beklagten vom 03. Juni 2004 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Das SG habe zu Recht erkannt, dass eine Klagebefugnis unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ersichtlich sei. Die Aufsichtsverfügung vom 03. Juni 2004 sei im Übrigen bestandskräftig geworden und auch rechtmäßig. Die Klägerin überziehe die Anforderungen, die an den Nachweis der Feststellungen des Kollektivverzichts im Sinne des § 95 b Abs. 1 SGB V zu stellen seien, weil der vom Gesetzgeber vorgesehene Regelfall gerade darin liegen dürfe, dass die Vertrags(zahn)ärzte im Fall kollektiven Vorgehens die Rechtsfolge des § 95 b Abs. 2 SGB V umgehen wollten, um sich für den Fall des Scheiterns ihres Sabotageversuchs am System der gesetzlichen Krankenversicherung eine Rückkehroption offen zu halten.
Die Beigeladene zu 1. schließt sich dem Antrag der Klägerin an. Die übrigen Beigeladenen stellen keine Anträge.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs des Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Die Klage gegen den Bescheid des Beklagten vom 03. Juni 2004 ist als isolierte Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die Klägerin war insbesondere klagebefugt. Da sich der angefochtene Bescheid nicht an sie und andere Kieferorthopäden, sondern an die Beigeladenen richtet, hängt die Klagebefugnis davon ab, ob die Möglichkeit besteht, dass im Fall der Rechtswidrigkeit des Bescheids (auch) Rechte der Klägerin verletzt werden, weil der dem Bescheid zu Grunde liegenden Norm (hier: § 72 a SGB V) drittschützende Wirkung zukommt (vgl. § 54 Abs. 1 Satz 2 SGG; sog. Möglichkeitstheorie, vgl. z.B. BVerwGE 60, 123, 125) [BVerwG 30.04.1980 - 7 C 91/79]. Die Klagebefugnis ist nur zu verneinen, wenn durch den angefochtenen Verwaltungsakt offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise Rechte des jeweiligen Klägers verletzt werden können; ob der einschlägigen Regelung tatsächlich drittschützende Wirkung zukommt, ist demgegenüber im Rahmen der Begründetheit des Rechtsmittels zu prüfen (BSG SozR 4-1500 § 54 Nr. 10 m.w.N.). Die Möglichkeit einer Verletzung der Rechte der Klägerin durch den angefochtenen Bescheid ist hier gegeben. Nach dem Vortrag der Klägerin erscheint es zumindest möglich, dass die nach § 72 a Abs. 1 SGB V durchzuführende Sach- und Rechtsprüfung auch ihre Rechte betrifft, insbesondere einen eventuellen Anspruch auf Wiederzulassung zur vertragszahnärztlichen Tätigkeit vor Ablauf der Sechsjahresfrist nach § 95 b Abs. 2 SGB V. Denn diese Norm sieht vor, dass die dort geregelte Wiederzulassungssperre vom Erlass der Feststellung nach § 72 a Abs. 1 SGB V abhängig ist.
Die Durchführung des Vorverfahrens war vorliegend entbehrlich, weil der angefochtene Verwaltungsakt von einer obersten Landesbehörde erlassen worden ist (§ 78 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGG). Die in § 87 Abs. 1 Satz 1 SGG geregelte einmonatige Klagefrist greift vorliegend nicht ein, weil der Verwaltungsakt vom 03. Juni 2004 der Klägerin nicht bekannt gegeben worden ist. Denn die Bekanntgabe setzt voraus, dass die erlassene Behörde dem Adressaten oder sonstigen Betroffenen willentlich von dessen Inhalt Kenntnis verschafft (Engelmann in: von Wulffen, SGB X, 5. Auflage, § 37 Rdnr. 3 m.w.N.). Dies hat das Sozialministerium in Hinblick auf die Klägerin nicht getan.
Die Klage ist jedoch unbegründet. § 72 a Abs. 1 SGB V als der dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liegende Rechtssatz verletzt keine Rechte der Klägerin.
Ob ein Rechtssatz einem Dritten ein subjektiv-öffentliches Recht einräumt, hängt nach der in Rechtsprechung und Schrifttum herrschenden Schutznormtheorie (vgl. Sodan in: Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Auflage, § 42 Rdnr. 388 m.w.N.) davon ab, ob dieser nicht (nur) den Interessen der Allgemeinheit, sondern - zumindest auch - den Individualinteressen des Dritten derart zu dienen bestimmt ist, dass der Dritte die Einhaltung des Rechtssatzes beanspruchen kann. § 72 a Abs. 1 SGB V ist jedoch nicht in dieser Weise auszulegen.
§ 72 a Abs. 1 SGB V sieht vor, dass die Krankenkassen und ihre Verbände den Sicherstellungsauftrag erfüllen, wenn mehr als 50 v.H. aller in einem Zulassungsbezirk oder einem regionalen Planungsbereich niedergelassenen Vertragsärzte auf ihre Zulassung nach § 95 b Abs. 1 SGB V verzichtet oder die vertragsärztliche Versorgung verweigert und die Aufsichtsbehörde nach Anhörung der Landesverbände der Krankenkassen, der Verbände der Ersatzkassen und der Kassenärztlichen Vereinigung festgestellt hat, dass dadurch die vertragsärztliche Versorgung nicht mehr sichergestellt ist. Nach dem Wortlaut der Vorschrift ist nicht ersichtlich, dass hierdurch subjektive Rechte der betroffenen Vertrags(zahn)ärzte begründet werden sollen, zumal sie ausdrücklich auch nur die Anhörung der Kassen(verbände) und der Kassenärztlichen Vereinigung voraussetzt.
Auch aus den Materialien zu § 72 a Abs. 1 SGB V ergibt sich, dass der Übergang des Sicherstellungsauftrags von den Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen auf die Krankenkassen und die im Zusammenhang hiermit anzustellende Prüfung nur zu dem Zweck erfolgt, eine durch den kollektiven Zulassungsverzicht von Vertrags(zahn)ärzten eintretende Gefährdung der vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung der Versicherten abzuwehren (Gesetzentwurf des Gesundheits-Strukturgesetzes (GSG) in BT-Drs. 12/3608, Seite 83). Dem entspricht auch die systematische Stellung der Vorschrift am Beginn des das Vertragsarztrecht regelnden zweiten Abschnitts des vierten Kapitels des SGB V, in dem die Grundlagen der Sicherstellung der Versorgung der Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung geregelt sind. Daraus folgt, dass es sich allein um eine organisationsrechtliche Norm handelt, ohne dass dadurch individuelle Rechte Einzelner begründet oder geschützt werden sollen.
Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass die in § 72 a Abs. 1 SGB V angesprochenen Fragen auch für gesetzliche Vorschriften von vorentscheidender Bedeutung sind, die unzweifelhaft individuelle Rechtspositionen der Klägerin betreffen, nämlich einen gegebenenfalls bestehenden Anspruch auf Wiederzulassung zur vertragszahnärztlichen Versorgung (§ 95 b Abs. 2 SGB V), die Berechtigung zum Abschluss von Versorgungsverträgen mit den Krankenkassen gemäß § 72 a Abs. 3 SGB V (vgl. dort Satz 3) oder die Regelung der Vergütung bei Inanspruchnahme durch einen Versicherten nach § 95 b Abs. 3 SGB V.
Grundsätzlich sind allerdings Fälle in so genannten "gestuften Verwaltungsverfahren" (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 15. Auflage, § 42 Rdnr. 73 f. m.w.N., v.a. zum Planungsrecht) anerkannt, in denen zunächst in einem vorangehenden Verfahren für ein Vorhaben grundsätzliche Punkte verbindlich geklärt werden, die dann erst in einem späteren Verwaltungsakt mit unmittelbarer Wirkung gegenüber Dritten umgesetzt werden. Wegen der rechtlichen oder tatsächlichen Vorwirkungen des ersten Verwaltungsakts wird dem Dritten in derartigen Konstellationen u.U. bereits ein Klagerecht hiergegen eingeräumt (Kopp/Schenke a.a.O.).
Ein vergleichbarer Fall liegt hier indes nicht vor. Für § 95 b Abs. 2 SGB V ergibt sich dies zunächst daraus, dass die dort geregelte Wiederzulassungssperre für Kollektivverzichtler nach Wortlaut und Konzeption des Gesetzes nur den Erlass eines Feststellungsbescheids nach § 72 a Abs. 1 SGB V voraussetzt, ohne dass es auf dessen Rechtmäßigkeit ankommt. Mit Urteilen vom heutigen Tag in den Verfahren L 3 KA 139/06 und L 3 KA 149/06 hat der Senat hierzu dargelegt, dass die Wiederzulassungssperre u.a. das Ziel verfolgt, den durch die Feststellung nach § 72 a Abs. 1 SGB V eingeleiteten Aufbau eines alternativen Versorgungssystems unter der Regie der Kassen(verbände) abzusichern. Es wäre aber schon zweifelhaft, ob sich überhaupt Neubehandler in entsprechender Zahl und zeitnah zum Abschluss entsprechender Verträge mit den Kassen nach § 72 a Abs. 3 SGB V bereit finden würden, wenn sie damit rechnen müssten, (zumindest) einen Teil ihrer Patienten vor Ablauf einer angemessenen Frist zur Amortisation ihrer anfänglichen Unkosten wieder an zurückkehrende Kollektivverzichtler zu verlieren. Damit wäre das Ziel des Gesetzes gefährdet, eine ausreichende (zahn)medizinische Versorgung der gesetzlich Krankenversicherten nach dem Kollektivverzicht zu sichern. Neubehandler, die sich zum Abschluss von Verträgen nach § 72 a Abs. 3 SGB V bereit gefunden haben, müssen außerdem vor der Beeinträchtigung ihrer Berufsausübung durch die Konkurrenz der Kollektivverzichtler geschützt werden, die danach streben werden, ihren alten Patientenstamm wieder an sich zu binden. Dies macht es erforderlich, die Rechtsfolge des § 95 b Abs. 2 SGB V - dem Wortlaut der Vorschrift entsprechend - allein daran zu knüpfen, dass eine Feststellung nach § 72 a Abs. 1 SGB V erfolgt und damit der Sicherstellungsauftrag auf die Kassen bzw. Kassenverbände übergegangen ist. Den Kollektivverzichtlern ist es deshalb nicht nur im Rahmen eines Wiederzulassungsantrags versagt, die Rechtmäßigkeit der Feststellung nach § 72 a SGG geltend zu machen. Sie sind auch nicht befugt, Einwendungen unmittelbar gegen den Feststellungsbescheid zu erheben. Dies gilt umso mehr, als die Anfechtbarkeit dieses Bescheides durch kollektiv ausgeschiedene Vertrags(zahn)ärzte zu einer Vielzahl von Klageverfahren führen könnte - insbesondere beim Kollektivverzicht aller Zahnärzte oder großer Arztgruppen (z.B. der Hausärzte) - und damit noch Jahre später unklar wäre, ob zu Recht Verträge mit Neubehandlern abgeschlossen werden konnten bzw. können.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht, wenn man ergänzend die Bedeutung der Grundrechte der Klägerin heranzieht (zur norminternen oder normexternen Wirkung der Grundrechte im Rahmen der Schutznormtheorie vgl. Sodan a.a.O., RdNrn. 393 ff m.w.N.). Die Berufsausübungsfreiheit der Kollektivverzichtler (Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz (GG)) ist bei der Versagung der Wiederzulassung nach § 95 b Abs. 2 SGB V zwar in einem der Berufswahl nahe kommenden Maße betroffen, weil 80 - 90% der Bevölkerung gesetzlich krankenversichert sind (vgl. hierzu die Senatsentscheidung vom heutigen Tag in dem die Klägerin betreffenden Verfahren L 3 KA 139/06, m.w.N.). Dieser Eingriff ist jedoch durch das Ziel des § 72 a SGB V gerechtfertigt, eine funktionierende und finanzierbare gesetzliche Krankenversicherung als besonders wichtiges Gemeingut (BVerfGE 70, 1, 30; 82, 209, 230) [BVerfG 12.06.1990 - 1 BvR 355/86]aufrechtzuerhalten und zu schützen, wie der Senat in dem der Klägerin gegenüber ergangenen Urteil vom heutigen Tag im Verfahren L 3 KA 139/06 näher dargelegt hat. Daneben ist zu berücksichtigen, dass auch die Berufsausübung der Neubehandler durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützt ist und diese durch eine faktische Rückabwicklung des nach § 72 a SGB V installierten alternativen Versorgungssystems betroffen wäre, die als Folge der Aufhebung des Feststellungsbescheids nach § 72 a Abs. 1 SGB V eintreten würde. Im Konflikt zwischen dem Grundrechtsschutz der Neubehandler einerseits und dem der Kollektivverzichtler andererseits ist aber nicht zu beanstanden, wenn den sich rechtstreu verhaltenden Neubehandlern der Vorrang eingeräumt wird.
Des Weiteren kann sich die Klägerin nicht darauf berufen, dem Bescheid vom 03. Juni 2004 komme insoweit Feststellungswirkung zu, als sie dort namentlich als Kollektivverzichtlerin genannt ist. Es ist kein Grund ersichtlich, warum Zulassungsausschüsse (im Rahmen des § 95 b Abs. 2 SGB V), Kassen (nach § 72 a Abs. 3 SGB V oder nach § 95 b Abs. 3 SGB V) oder Gerichte rechtlich an diese Elemente der Begründung des Bescheids nach § 72 a Abs. 1 SGB V gebunden sein sollten. Ein entsprechende bindende Feststellungsbefugnis steht dem Beklagten weder nach dem Wortlaut noch nach Sinn und Zweck der §§ 72 a, 95 b SGB V zu. Aufgabe der Aufsichtsbehörde ist es nicht, über individuelle Rechtsverhältnisse zu entscheiden, sondern nur die notwendigen organisations-rechtlichen Maßnahmen zur Sicherstellung der (zahn)ärztlichen Versorgung zu treffen. In diesem Zusammenhang sieht § 72 a Abs. 1 SGB V auch gar nicht zwingend vor, dass hierfür die Namen der Kollektivverzichtler genannt werden. Wenn die Aufsichtsbehörde dies gleichwohl tut und Behörden und Gerichte den entsprechenden Passagen der Bescheidbegründung folgen, weil sie sie für überzeugend halten, stellt dies lediglich eine tatsächliche Auswirkung des Bescheids, aber keine Befolgung einer Feststellungswirkung dar.
Nach alledem besteht kein subjektives Recht der Klägerin darauf, das Vorliegen der in § 72 a Abs. 1 SGB V genannten Voraussetzungen gerichtlich überprüfen zu lassen. Eine Verletzung des Art. 19 Abs. 4 GG scheidet insoweit aus, weil dieses Grundrecht subjektive Rechte voraussetzt, sie aber nicht begründet (Jarass in: Jarass/Pieroth, GG, 9. Aufl., Art 19 RdNr. 36 m.w.N.).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 und §§ 162 Abs. 3, 154 Abs. 2 und 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Der Senat hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache die Revision zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Die Streitwertbemessung beruht auf § 197 a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. §§ 52 Abs. 2 und 47 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG).