Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 18.04.2008, Az.: L 12 AL 273/05

Anspruch auf Insolvenzgeld; Ausschluss von Urlaubsabgeltungsansprüchen; Zulässigkeit von Schätzungen durch die Bundesagentur für Arbeit bei Überstundenvergütung; Anrechnung älterer Forderungen des Arbeitnehmers

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
18.04.2008
Aktenzeichen
L 12 AL 273/05
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2008, 33296
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2008:0418.L12AL273.05.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Oldenburg, S 41 AL 158/05 vom 26.05.2005

Fundstelle

  • ZInsO 2009, 1128

Redaktioneller Leitsatz

1. Der Anspruch auf Urlaubsabgeltung, der erst wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach dem BUrlG entsteht, wird vom Anspruch auf Insolvenzgeld nicht umfasst.

2. Die Bundesagentur für Arbeit darf bei einem Beschäftigungsverhältnis, das 8 Monate und 12 Tage angedauert hat und an dessen Ende 96,25 Überstunden zugunsten des Arbeitnehmers ohne zeitlichen Bezug dokumentiert sind, eine Schätzung vornehmen, nach der 30 der dokumentierten Überstunden auf den Insolvenzgeldzeitraum entfallen.

3. Der gemeinschaftsrechtliche Schutz von Arbeitnehmern bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitsgebers gebietet es, dass Teilzahlungen des Arbeitgebers vorrangig auf ältere Forderungen des Arbeitnehmers angerechnet werden, wenn sie als Zahlungsansprüche des Arbeitnehmers im Insolvenzgeldzeitraum bereits fällig waren. [Amtlich veröffentlichte Entscheidung]

Tenor:

Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 26. Mai 2005 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Höhe des dem Kläger zu zahlenden Insolvenzgeldes (Insg).

2

Der 1973 geborene Kläger war seit dem 20. Januar 2003 als Elektroinstallateur bei der Firma I. Elektrotechnik, J., beschäftigt, die ab dem 1. Juni 2003 als GmbH fortgeführt wurde (im Folgenden: Fa. I.). Am 15. September 2003 wurde das Arbeitsverhältnis vom Arbeitgeber aus betrieblichen Gründen zum 30. September 2003 gekündigt. Eine Kündigungsschutzklage erhob der Kläger nicht.

3

Am 17. März 2004 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Zahlung von Insg. Die Fa. I. stellte ihre Betriebstätigkeit am 31. März 2004 ein. Am 9. Juni 2004 erwirkte der Kläger vor dem Arbeitsgericht (ArbG) J. - 1 Ca 589/03 - ein Versäumnisurteil, wonach sein früherer Arbeitgeber zur Zahlung von 1.939,70 EUR ausstehenden Arbeitsentgelts für den Monat September 2003, 1.372,76 EUR Überstundenvergütung für 96,25 geleistete Überstunden und 500,02 EUR Urlaubsabgeltung für 4 Tage Urlaub - mithin insgesamt 3.812,48 EUR (brutto) - abzüglich 800,00 EUR geleisteten Vorschusses (netto) nebst Zinsen an den Kläger verurteilt wurde. Der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über die Fa. I. wurde am 14. Juni 2004 mangels Masse abgelehnt. Nach der vom früheren Arbeitgeber zum Insg-Antrag ausgestellten Insg-Bescheinigung vom 30. September 2004 hatte der Kläger für September 2003 noch Anspruch auf 1.066,79 EUR Netto-Arbeitsentgelt, das ihm noch nicht ausgezahlt worden sei; bei der Berechnung berücksichtigte der Arbeitgeber u.a. auch einen Betrag in Höhe von 314,60 EUR (brutto) für die Abgeltung ausstehenden Urlaubs sowie 1.349,91 EUR (brutto) für noch nicht vergütete Überstunden.

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Mit Bescheid vom 11. Februar 2005 bewilligte die Beklagte Insg für September 2003 in Höhe von 603,15 EUR (Auszahlungsbetrag nach Abzug einer Vorschusszahlung in Höhe von 470,00 EUR: 133,15 EUR). Dabei berücksichtigte die Beklagte die Lohnansprüche für September 2003 in Höhe von 1.939,70 EUR (brutto) sowie einen Überstundenanteil von 30 Stunden (11,41 EUR/Stunde (brutto) zuzüglich 25 % Überstundenzuschlag). Weitere Überstunden könnten nicht berücksichtigt werden, da keine verwertbaren Unterlagen über die tatsächlich geleisteten Überstunden vorgelegt worden seien. Auch der nicht genommene Urlaub sei für die Insg-Berechnung nicht zu berücksichtigen. Der Kläger erhob dagegen Widerspruch, soweit die Urlaubsabgeltung und die Vergütung für die übrigen Überstunden in Höhe von 944,88 EUR (brutto) nicht berücksichtigt wurden. Der Urlaubsabgeltungsanspruch bestehe für die ihm noch zustehenden 4 Tage in Höhe eines Tagessatzes (89,29 EUR), wie er seinem Bruttoverdienst an den 66 Arbeitstagen der Monate Juli bis September 2003 entspreche (4 x 89,29 EUR = 357,16 EUR). Zuzüglich habe er einen Anspruch auf ein zusätzliches Urlaubsgeld in Höhe von 40 % des Urlaubsentgelts, so dass insgesamt 500,02 EUR zu zahlen gewesen wären. Dieser Urlaubsabgeltungsanspruch sei auch dem Insg-Zeitraum zuzurechnen. Ferner habe er Anspruch auf Berücksichtigung des gesamten Betrages für die noch nicht vergüteten 96,25) Überstunden. Die Arbeitsvertragsparteien hätten insoweit eine Abrede getroffen, dass die Mehrarbeit eines jeden Monats dem Saldo des vorhergehenden Monats zugeschlagen würde; bei Minderarbeit sei das Stundenguthaben entsprechend vermindert worden. Dieses Verfahren sei über die gesamte Dauer des Arbeitsverhältnisses so praktiziert worden, so dass eine Zuordnung der geleisteten Überstunden zu einem Zeitraum, in dem sie erarbeitet wurden, nicht möglich sei. Grundsätzlich sei zwar eine Auszahlung der Überstunden nicht vorgesehen gewesen, sondern die Verwertung des Zeitguthabens durch Freistellung in weniger arbeitsintensiven Zeiten. Weil aber diese Freistellung wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr habe erfolgen können, sei das Wertguthaben auszuzahlen. Insoweit gälten die gleichen Grundsätze wie bei der Urlaubsabgeltung, sodass auch dieses Zeitguthaben in vollem Umfang in den Insg-Zeitraum falle.

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Mit Widerspruchsbescheid vom 17. März 2005 wies die Beklagte den Widerspruch aus den Gründen des Ausgangsbescheides zurück. Die Urlaubsabgeltung begründe keinen Anspruch auf Insg: Der Kläger habe bereits für alle Tage des Monats September 2003 Lohn für Arbeitsleistung erhalten und könne nicht zusätzlich für diese Tage "Urlaubslohn/Urlaubsgeld" als Insg erhalten. Die Urlaubsabgeltung sei vielmehr rechtlich der Zeit nach Ende des Arbeitsverhältnisses zuzuordnen. Dementsprechend sei für diese Tage (1. - 4.10.2003) der nachgehende Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld (Alg) auch ruhend gestellt gewesen (bestandskräftiger Bescheid der Beklagten vom 15. Oktober 2003). Hinsichtlich der Überstunden seien die Abreden zwischen dem Kläger und seinem ehemaligen Arbeitgeber nicht relevant, zumal von keiner Seite hierüber Nachweise vorgelegt werden konnten. Maßgeblich sei vielmehr, in welchem Zeitraum der Anspruch erarbeitet wurde. Dafür sei eine eindeutige Zuordnung dieser Arbeitsleistung zu bestimmten Kalendertagen erforderlich. Die vom Kläger vorgenommene pauschale Zuordnung zu den letzten 12 Arbeitstagen des Arbeitsverhältnisses sei insolvenzgeldrechtlich ausgeschlossen. Lediglich bei einer vertraglich vereinbarten Flexibilisierung der Arbeitszeit wäre die angeführte Mehrarbeit berücksichtigungsfähig. Allerdings sei ein Nachweis insoweit nicht erbracht worden. Zur Vermeidung von Nachteilen für den Kläger sei jedoch zu seinen Gunsten unterstellt worden, dass ein Drittel der Überstunden (genau: 30 Stunden) im Insg-Zeitraum geleistet worden sei. Hiergegen hat der Kläger am 30. März 2005 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Oldenburg erhoben. Er hat zur Begründung im Wesentlichen sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren bekräftigt. Ebenso wie der Urlaubsabgeltungsanspruch sei der im Verlaufe des Arbeitsverhältnisses erwachsene Überstundensaldo ein Anspruch, der bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig geworden sei, weil ein Abschmelzen (durch Inanspruchnahme) naturgemäß wegen der Beendigung nicht mehr möglich gewesen sei. Da die Arbeitsvertragsparteien zudem selbst davon ausgegangen seien, dass Ausschlussfristen für den Überstundensaldo nicht anzuwenden seien, ergebe sich hieraus, dass der Anspruch zumindest den letzten drei Monaten des Arbeitsverhältnisses zuzuordnen sei.

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Die Beklagte hat zur Klageerwiderung auf die von ihr bereits im Widerspruchsbescheid genannten Gründe Bezug genommen. Ergänzend hat sie hinsichtlich der Urlaubsabgeltung auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 20. Februar 2002 - B 11 AL 71/01 R - verwiesen.

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Mit Urteil vom 26. Mai 2005 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es auf den Widerspruchsbescheid und ebenfalls auf das von der Beklagten angeführte Urteil des BSG verwiesen. Danach werde die Urlaubsabgeltung von der Ausschlussvorschrift des § 184 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung - (SGB III) erfasst. Der Kläger habe auch keine Einwände gegen dieses Urteil des BSG vorgetragen. Schließlich habe er - insofern zu Recht - auch selbst geltend gemacht, dass für das Zeitkontoguthaben (wegen der Überstunden) nichts anderes gelten könne.

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Gegen dieses ihm am 14. Juni 2005 zugestellte Urteil hat der Kläger am 13. Juli 2005 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Zur Begründung hat er zunächst gerügt, dass das Urteil des SG nicht mit Gründen versehen sei. Der Verweis auf das Urteil des BSG ersetze eine Begründung nicht, zumal das SG ihm dieses Urteil nicht übersandt habe. Darüber hinaus überzeuge aber auch die Ansicht des BSG nicht, denn die Urlaubsabgeltung werde nicht wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlt, sondern nur aus ihrem Anlass. Der Rechtsgrund für den Urlaubsabgeltungsanspruch sei nicht die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, sondern die Dauer des Arbeitsverhältnisses im jeweiligen Urlaubsjahr. Er sei ein Surrogat des Urlaubsanspruchs und rechtlich gleich zu behandeln. Hinsichtlich des Zeitkontoguthabens gebe das vom SG zitierte Urteil des BSG nichts her. Der Anspruch auf das Überstundenguthaben entstehe nach der Vereinbarung der Arbeitsvertragsparteien in jedem Monat mit dem neuen Saldo neu. Es sei nicht ersichtlich, warum nicht jede der Arbeitsvertragsparteien den Ausgleich dieses Saldos jederzeit habe verlangen können. Daher sei sein Zeitkontoguthaben auch nicht mit seinem Urlaubsabgeltungsanspruch vergleichbar. Weder der Arbeitsvertrag noch der auf das Arbeitsverhältnis anwendbare "Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer in den Elektrohandwerken von Niedersachsen" treffe eine diese Handhabung ausschließende Regelung. Die Abrechnung der Überstunden im letzten Monat des Arbeitsverhältnisses stehe daher nicht in rechtlicher Kausalität zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses, sondern falle mit dieser lediglich zeitlich zusammen. Im Übrigen habe auch der Europäische Gerichtshof (EuGHE 1998 I, 4493, 4518) entschieden, das vom Arbeitgeber noch während des Insg-Zeitraums geleistete Zahlungen nicht auf die während dieses Zeitraums entstandenen Ansprüche angerechnet werden dürften, wenn der Arbeitnehmer noch Ansprüche für vor dem Bezugszeitraum (Insg-Zeitraum) liegende Beschäftigungszeiten habe. Da der Arbeitgeber aber im Insg-Zeitraum noch den einer Arbeitszeit von 38,5 Wochenstunden entsprechenden Lohn für die Monate Juli und August 2003 gezahlt habe, seien diese Zahlungen zunächst auf die außerhalb des Insg-Zeitraums erarbeiteten Ansprüche anzurechnen. Im Ergebnis sei es daher ohne Bedeutung, in welchem Umfang die Überstunden vor oder im Insg-Zeitraum erarbeitet worden seien: Seien sie im Insg-Zeitraum erarbeitet, seien sie ohnehin bei der Berechnung des Insg zu berücksichtigen; seien sie vor dem Insg-Zeitraum erarbeitet worden, so seien die später vom Arbeitgeber geleisteten Zahlungen so damit zu verrechnen, dass entsprechend weniger als für die im Insg-Zeitraum geleistete Arbeit gezahlt gelten müsse.

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Der Kläger beantragt,

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das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 26. Mai 2005 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 11. Februar 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. März 2005 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger weiteres Insolvenzgeld unter ergänzender Berücksichtigung einer Urlaubsabgeltung und anteiligen Urlaubsgeldes in Höhe von 500,02 EUR brutto und einer ergänzenden Überstundenvergütung in Höhe von 944,88 EUR brutto zu zahlen.

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Die Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Sie hält die angefochtenen Entscheidungen für rechtmäßig und hat insoweit u.a. erneut darauf hingewiesen, dass zugunsten des Klägers bereits unterstellt worden sei, dass ein Drittel der Überstunden (genau: 30 Stunden) im Insg-Zeitraum geleistet wurde.

14

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf das Sitzungsprotokoll vom 18. April 2008 sowie den sonstigen Inhalt der Prozessakte und der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und haben der Entscheidungsfindung des Senats zugrunde gelegen.

Entscheidungsgründe

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Die gemäß § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist auch im Übrigen zulässig. Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Berücksichtigung seiner Ansprüche auf Urlaubsabgeltung und Überstundenvergütung bei der Berechnung des Insg über das von der Beklagten bereits angerechnete Maß hinaus. Das Urteil des SG und die angefochtenen Entscheidungen der Beklagten sind nicht zu beanstanden.

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Anspruch auf Insg hat nach § 183 Abs. 1 Satz 1 SGB III in der auf den Fall anwendbaren, bis zum 11. Dezember 2006 geltenden Fassung (SGB III a.F.) ein Arbeitnehmer, der bei Eintritt des Insolvenzereignisses für die vorausgegangenen drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt hat. Zu diesen Ansprüchen auf Arbeitsentgelt gehören alle Ansprüche auf Bezüge aus dem Arbeitsverhältnis (§ 183 Abs. 1 Satz 2 SGB III a.F.). Hierzu kann - grundsätzlich - auch der Anspruch auf eine Urlaubsabgeltung zählen, da diese in unlösbarem Zusammenhang mit der Beschäftigung steht (vgl. BSG SozR 3-4100 § 141b Nr. 13 m.w.N.). Allerdings besteht kein Anspruch auf Insg für die nach § 184 Abs. 1 SGB III ausdrücklich ausgeschlossenen Ansprüche auf Arbeitsentgelt. Hierzu zählt nach der bereits benannten, ausdrücklichen Rechtsprechung des BSG im Urteil vom 20. Februar 2002 (SozR 3-4300 § 184 Nr. 1) im Rahmen von § 184 Abs. 1 Nr. 1 SGB III u.a. auch der Anspruch auf Urlaubsabgeltung, da dieser - wegen § 7 Abs. 4 des Bundesurlaubsgesetzes (BUrlG) - erst "wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses" entsteht. Der Senat sieht insoweit ebenfalls von einer (erneuten) Wiederholung der tragenden Entscheidungsgründe des BSG ab und verweist auf die den Beteiligten bekannte Entscheidung. Das BSG hat diese Rechtsprechung auch auf Überprüfung (Beschl. v. 19.10.2004 - B 11 AL 179/04 B) ausdrücklich aufrecht erhalten; auch das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat sich ihr zwischenzeitlich angeschlossen (BAGE 105, 345 [BAG 25.03.2003 - 9 AZR 174/02]). Der vorliegende Fall gibt dem Senat keinen Anlass, insoweit zu einer anderen Bewertung zu gelangen. Auch vom Kläger sind gegen diese Rechtsprechung keine bislang noch unberücksichtigt gebliebenen Argumente vorgetragen worden. Auch die Einbeziehung der von der Beklagten bei ihrer Insg-Berechnung bislang nicht berücksichtigten Ansprüche auf Überstundenvergütung (verbliebene 66,25 Stunden) kann der Kläger nicht verlangen. Nach den eigenen Darstellungen des Klägers, an deren Richtigkeit sich für den Senat keine Zweifel ergeben, wurden die von ihm geleisteten Überstunden während der gesamten Dauer des - bereits seit dem 20. Januar 2003 bestehenden und nach Umwandlung der Fa. I. in eine GmbH ab dem 1. Juni 2003 auf diese übergangenen (§ 613a Bürgerliches Gesetzbuch) - Arbeitsverhältnisses jeweils "saldiert". Dabei wurden Stunden, die über die monatliche Soll-Arbeitszeit hinausgingen, diesem "Saldo" zugeschrieben und bei Unterschreitung der monatlichen Soll-Arbeitszeit vom "Saldo" wieder abgezogen. Auf diesem Wege haben die Arbeitsvertragsparteien flexible Einsatzmöglichkeiten des Klägers einerseits und jeweils gleich hohe monatliche Lohnansprüche andererseits sichergestellt. In der Praxis bedeutete die Handhabung der Arbeitsvertragsparteien damit die Vereinbarung eines Arbeitszeitkontos, ohne dass insoweit eine ausdrückliche (schriftliche) arbeitsvertragliche bzw. tarifvertragliche Regelung ersichtlich wäre. Auch diese Vergütungsansprüche für geleistete Überstunden stellen Arbeitsentgelt im Sinne von § 183 Abs. 1 Satz 2 SGB III a.F. dar (vgl. u.a. BSG SozR 4100 § 141b Nr. 26; SozR 3-4100 § 141b Nr. 1). Allerdings begründen nach ständiger Rechtsprechung des BSG grundsätzlich nur solche Ansprüche auf Arbeitsentgelt einen Anspruch auf Insg, die für den Insg-Zeitraum zu erbringen sind. Offene Ansprüche auf Zahlung des laufenden Arbeitsentgelts sind daher grundsätzlich dem Zeitraum zuzuordnen, in dem die Arbeit als Gegenleistung für den Entgeltanspruch erbracht worden ist - mit anderen Worten: in dem der Lohn- und Gehaltsanspruch (hier: Vergütungsanspruch für Überstunden) erarbeitet worden ist (vgl. bereits BSGE 43, 49 sowie BSG SozR 4100 § 141b Nr. 8, 29; SozR 3-4100 § 141b Nrn. 11, 24 jew. m.w.N.). Demgegenüber kommt es nicht darauf an, ob der im Insg-Zeitraum erarbeitete Anspruch hierin auch fällig oder bezifferbar geworden ist (BSG aaO.; "Grundsatz des Erarbeitens"). Eine abweichende Zuordnung kommt allenfalls in Betracht, wenn mit den offenen, nicht im Insg-Zeitraum "erarbeiteten" Ansprüchen ein Zweck verfolgt wird, der eine zeitliche Zuordnung gerade zum Insg-Zeitraum erlaubt - etwa weil der Lohnanspruch des Arbeitnehmers trotz (absehbarer) Minderarbeit durch den Ausgleich früherer Überstunden auch im Insg-Zeitraum in gleicher Höhe gewährleistet bleiben sollte.

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Der Senat hat allerdings nach den vorliegenden Unterlagen keine Anhaltspunkte dafür, dass vom Kläger im Insg-Zeitraum mehr als die von der Beklagten bereits berücksichtigten 30 Überstunden erarbeitet wurden. Auch aus der Stellungnahme des früheren Arbeitgebers vom 8. Februar 2005 ergibt sich nicht anderes. Dort ist lediglich ausgeführt, dass der Kläger die in der Gehaltsabrechnung für September 2003 ausgewiesenen 96,25 Überstunden "natürlich nicht alle im September geleistet" hat. Genauere Aufzeichnungen führten die Arbeitsvertragsparteien nicht. Ein Nachweis für mehr als die bereits berücksichtigten 30 Überstunden kann darin daher nicht gesehen werden. Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass der Kläger im Insg-Zeitraum tatsächlich weniger als die vereinbarte Soll-Arbeitszeit gearbeitet hätte. Die von ihm ergänzend vorgelegten Gehaltsabrechnungen weisen vielmehr für Juli 2003 bei 23 Arbeitstagen 178 Stunden, für August 2003 bei 21 Arbeitstagen 160,5 Stunden und für September 2003 bei 22 Arbeitstagen 170 Stunden aus - mithin nahezu genau die vereinbarte Soll-Arbeitszeit (38,5 Stunden/Woche). Selbst wenn aber eine entsprechende Minderarbeit für den Kläger dokumentiert wäre, ließe sich daraus kein Anspruch auf höheres Insg begründen: Die Beklagte hat vielmehr ihrer Berechnung des Insg bereits den dem Kläger für die volle Soll-Arbeitszeit zustehenden Lohnanspruch zugrunde gelegt. Auch ein Ausgleich etwaiger Minderarbeit aus dem "Überstundensaldo" bis zur Höhe der Soll-Arbeitszeit könnte daher keine höheren Ansprüche gegen die Beklagte rechtfertigen.

18

Steht damit lediglich fest, dass die Ansprüche aus bis Ende des Arbeitsverhältnisses noch nicht "verrechneten" 96,25 Überstunden insgesamt in der Zeit vom 20. Januar bis 30. September 2003 erarbeitet wurden, so hat die Beklagte diese bei einer Gesamt-Beschäftigungsdauer von acht Monaten und zwölf Tagen und bei Berücksichtigung eines dreimonatigen Insg-Zeitraums mit 30 Stunden - entsprechend einem Anteil von knapp einem Drittel aller Überstunden - sachgemäß geschätzt (§ 329 SGB III). Die angefochtenen Entscheidungen berücksichtigen damit auch zu Recht, dass der durch das Insg vermittelte Schutz keine "Vollversicherung" aller bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch offenen Ansprüche des Arbeitnehmers umfasst, sondern auf die durch Arbeitsleistung in bzw. "für" die letzten drei Monate des Arbeitsverhältnisses entstandenen Ansprüche begrenzt ist (vgl. erneut BSG SozR 3-4100 § 141b Nr. 24 m.w.N.).

19

Ein weitergehender Anspruch des Klägers ergibt sich auch nicht aus Verfassungs- oder europäischem Gemeinschaftsrecht (vgl. dazu auch BSG SozR 3-4100 § 141b Nr. 23 m.w.N.). Insbesondere kann der Kläger auch aus der Richtlinie 80/987/EWG des Europäischen Rates vom 20. Oktober 1980 über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers (ABl. L 283, 23) in der auf den Fall anwendbaren, durch die Richtlinie 2002/74/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 (Abl. L 270, 10) geänderten Fassung und der insoweit ergangenen Rechtsprechung des EuGH (insb. Urt. v. 14.7.1998 - Rs. C-125/97 ("Regeling") - = EuGHE 1998 I, 4493, 4510) keine andere Beurteilung mit Erfolg herleiten. Nach der genannten Rechtsprechung des EuGH stellt zwar die Anrechnung von vom Arbeitgeber während des Bezugzeitraums (Insg-Zeitraums) geleisteten Zahlungen trotz Bestehens nicht erfüllter älterer Ansprüche auf die während des Bezugszeitraums (Insg-Zeitraums) entstandenen Ansprüche durch den Träger der Garantieeinrichtung (hier: die Beklagte als Träger des Insg) eine Verletzung des gemeinschaftsrechtlich gewährleisteten Mindestschutzes für Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitsgebers dar. Das würde bedeuten, dass die noch im Insg-Zeitraum erfolgten Zahlungen der Fa. I. vorrangig auf ältere, also vor dem Insg-Zeitraum erworbene Entgeltansprüche anzurechnen wären und zusätzliches Insg in Höhe des aufgrund dieser Anrechnung als nicht im Insg-Zeitraum gezahlt geltenden - regulären - Lohnes zu zahlen wäre. Selbst wenn diese Rechtsprechung des EuGH nicht nur auf ältere (reguläre) Lohnansprüche - so der der Entscheidung "Regeling" zugrunde liegende Sachverhalt -, sondern auch auf Vergütungsansprüche für Überstunden anzuwenden wäre, könnte eine vorrangige Anrechnung der arbeitgeberseitig geleisteten Zahlungen auf diese (älteren) Ansprüche nur erfolgen, wenn sie überhaupt bereits fällig waren. Daran aber mangelt es hier: Der Anspruch auf Bezahlung der Überstunden ist erst mit dem Ausscheiden des Kläges aus dem Arbeitsverhältnis als Zahlungsanspruch fällig geworden; zuvor galt zwischen den Arbeitsvertragsparteien eine andere Regelung. Denn der Kläger selbst hat bereits mit seiner Widerspruchsbegründung darauf hingewiesen, dass - bei Fehlen einer ausdrücklichen vertraglichen Regelung - nach der Praxis zwischen den Arbeitsvertragsparteien eine Auszahlung der Überstunden grundsätzlich nicht vorgesehen war, "sondern die Verwertung des Zeitguthabens durch Freistellung in weniger arbeitsintensiven Zeiten des Jahres". Er hat auch zu keinem Zeitpunkt behauptet, vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses jemals eine Auszahlung seines Überstundensaldos gegenüber dem Arbeitgeber geltend gemacht zu haben. Hätte er dies, ist nicht ersichtlich, weshalb er sich in Anbetracht der zwischen den Arbeitsvertragsparteien offenbar geübten Praxis nicht vom Arbeitgeber auf einen Ausgleich durch Minderarbeitsstunden in den Folgemonaten hätte verweisen lassen müssen. Dass "jede der Arbeitsvertragsparteien den Ausgleich dieses Saldos jederzeit verlangen" konnte, wie er erstmals im Berufungsverfahren vorgetragen hat, widerspricht seinem ursprünglichen Vorbringen. Es ist auch nichts dafür erkennbar, dass eine solche Handhabung je geschehen wäre oder vom Kläger bzw. seinem früheren Arbeitgeber ohne Weiteres eingefordert hätte werden können. Auch aus dem vom Kläger mit dem Arbeitsvertrag vorgelegten einschlägigen Tarifvertrag ergibt sich nichts anderes: Wenn dort in § 7 Abs. 3, 4 geregelt ist, dass alle variablen Entgeltbestandteile jeweils nachträglich für einen Zeitraum von längstens drei Monaten mit der Abrechnung des Folgemonats abzurechnen sind, wird damit keine Regelung über den Eintritt der Fälligkeit bestimmter Ansprüche getroffen. Sie setzt vielmehr die Fälligkeit der abzurechnenden Ansprüche als Entgeltansprüche bereits voraus. Nach der konkludenten Vereinbarung und der Praxis der Arbeitsvertragsparteien trat die Fälligkeit der Überstundenansprüche als Entgeltansprüche aber weder zeitgleich mit den regulären Lohnansprüchen noch zu einem sonstigen bestimmbaren Zeitpunkt während des Arbeitsverhältnisses ein, sondern augenscheinlich erst mit dessen Beendigung. Damit aber ist nicht ersichtlich, dass etwaige ältere Ansprüche des Klägers auf Überstundenvergütung bereits vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig geworden sind und die noch im Insg-Zeitraum geleisteten Zahlungen des Arbeitsgebers hierauf vorrangig anrechenbar sein könnten. Die für die Insg-Monate Juli und August 2003 erfolgten Zahlungen waren deshalb auch unter Berücksichtigung der aufgezeigten gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben nicht etwa - entgegen ihrer Bezeichnung als Abrechnung des jeweils regulären Monatslohns - vorrangig als Leistungen für die vor dem Insg-Zeitraum geleisteten Überstunden anzusehen. Auch die für September 2003 erfolgte Abschlags- bzw. Vorschusszahlung von 800,00 EUR kann nicht anders bewertet werden. Der Anspruch auf Vergütung der Überstunden ist vielmehr insgesamt nicht vor dem Ende des Arbeitsverhältnisses, also mit Ablauf des 30. September 2003, als Zahlungsanspruch fällig geworden. Es gibt daher (über die von der Beklagten berücksichtigten Entgeltansprüche hinaus) keine weiteren Ansprüche des Klägers für die Monate Juli bis September 2003, die als noch nicht beglichen angesehen werden und zur Zahlung von weiterem Insg führen könnten.

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Auch aus dem Versäumnisurteil des ArbG J. vom 9. Juni 2004 kann der Kläger schließlich keine weitergehenden Ansprüche gegen die Beklagte des hiesigen Verfahrens herleiten. Eine Bindungswirkung gegenüber der Beklagten (oder dem erkennenden Gericht) geht von der Entscheidung des ArbG J. ohnehin nicht aus (vgl. § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG i.V.m. § 325 Abs. 1 ZPO). Gegenstand des dortigen Rechtsstreits waren zudem ersichtlich "lediglich" die bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses insgesamt noch zugunsten des Klägers bestehenden Ansprüche, ohne Begrenzung auf den Insg-Zeitraum und ohne Berücksichtigung der spezifischen Beurteilung dieser Ansprüche nach Maßgabe des Arbeitsförderungsrechts. Dem Versäumnisurteil ist auch nicht zu entnehmen, dass mehr als die von der Beklagten bereits berücksichtigten 30 Überstunden auf Arbeitsleistungen des Klägers im Insg-Zeitraum zurückzuführen wären.

21

Das klagabweisende Urteil des SG ist mithin in der Sache zu Recht ergangen. Der Senat hatte aber auch keinen Anlass, von der ihm nach Ermessen (§ 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG) eingeräumten Möglichkeit zur Zurückverweisung wegen des vom Kläger behaupteten Begründungsmangels des sozialgerichtlichen Urteils Gebrauch zu machen, da die Sache entscheidungsreif war. Der behauptete Verfahrensmangel ist im Übrigen auch nicht feststellbar: Das SG hat in zulässiger Anwendung der ihm eingeräumten Möglichkeiten zur Abkürzung der Entscheidungsgründe und zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Gründe im Widerspruchsbescheid der Beklagten Bezug genommen (§ 136 Abs. 2 SGG). Auch der Bezug des SG auf die Entscheidung des BSG vom 20. Februar 2002 - B 11 AL 71/01 R - zur Abkürzung der Entscheidungsgründe ist, zumal bei dem anwaltlich vertretenen Kläger, nicht zu beanstanden. Eine Abschrift der Entscheidung ist dem Prozessbevollmächtigten des Klägers entgegen dem Berufungsvorbringen darüber hinaus auch mit Verfügung des SG vom 20. April 2005 übersandt worden.

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Demnach musste die Berufung erfolglos bleiben.

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Die Kostenentscheidung beruht auf den Vorschriften der §§ 183, 193 SGG.

24

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, § 160 Abs. 2 SGG.