Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 10.10.2019, Az.: 15 A 1980/17
Ausnahmegenehmigung; Straßenausbaubeiträge; vorläufig gesichertes Überschwemmungs-gebiet
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 10.10.2019
- Aktenzeichen
- 15 A 1980/17
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2019, 69551
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 6 KAG ND
- § 78 Abs 4 WHG
- § 78 Abs 5 WHG
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Vollstreckungsgläubigerin zuvor Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Heranziehung zu einem Straßenausbaubeitrag für den Ausbau der Beleuchtungsanlage an der Straße „C.“ in D..
Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks mit der Flurstücksbezeichnung 39/40 der Flur 19. Das Grundstück mit einer Größe von 15.442 m² liegt im Geltungsbereich des seit dem Jahr 1997 rechtskräftigen Bebauungsplans Nr. 308 „C. und E.“, der das Grundstück als „Dauerkleingartengebiet“ ausweist. Das Grundstück liegt mit seiner gesamten Fläche in einem vorläufig gesicherten Überschwemmungsgebiet der Leine. Das Grundstück grenzt an die Anlage „C.“ an.
Die Beklagte ersetzte in der Straße „C.“ im Rahmen der Umsetzung eines Beleuchtungskonzeptes die Aufsatzleuchten von „Quecksilberdampf“ auf „LED“. Zugleich wurden die Masten verlängert, um eine bessere Ausleuchtung zu erreichen. Die Beklagte sieht darin eine Verbesserung. Die Kostenspaltung beschloss der Rat der Beklagten am 17.03.2016.
Mit Bescheid vom 06.02.2017 zog die Beklagte den Kläger zu einem Straßenausbaubeitrag in Höhe von 1.589,79 € heran. Die Beklagte stufte die Straße als sog. Anliegerstraße ein, woraus sich ein Anliegeranteil von 75% ergab.
Der Kläger hat am 01.03.2017 Klage erhoben.
Zur Begründung macht er geltend:
Es sei nicht dargelegt, inwiefern die Umrüstung auf LED-Leuchten beitragsfähig sei. Die bloße Ersparnis von Stromkosten bedeute keinen Vorteil für die Anlieger.
Die vollständige Belegenheit des Grundstücks in einem vorläufig gesicherten Überschwemmungsgebiet hindere das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht. Die planerische Festsetzung als Dauerkleingartengebiet lasse sich jedenfalls nicht realisieren. Die unverbindliche Inaussichtstellung einer Ausnahmegenehmigung nach § 78 Abs. 5 WHG, auf die die Beklagte sich berufe, beseitige nicht das generell in § 78 Abs. 4 WHG normierte Bauverbot.
Es komme daher auf die tatsächliche Nutzung an. Das Grundstück werde zurzeit landwirtschaftlich genutzt. Die Straße „C.“ könne dem Grundstück aber nicht die für die bestimmungsgemäße Nutzung erforderliche Zufahrt gewährleisten. Die als Spielstraße ausgestaltete Straße sei schon nicht geeignet, mit landwirtschaftlichen Maschinen befahren zu werden. Zudem grenze das Grundstück an die Straße „C.“ auch nur über einen ca. 4 m breiten Stichweg, der zudem als Stellfläche genutzt werde.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 06.02.2017 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der angefochtene Bescheid sei rechtmäßig.
Die Maßnahme sei beitragsfähig. Durch das LED-Licht und die Mastverlängerungen ergebe sich eine gleichmäßige und bessere Ausleuchtung. Das Beleuchtungsniveau werde von dem Faktor 3 auf 5 erhöht.
Das Grundstück sei auch als Dauerkleingartengebiet heranzuziehen. Seine Lage in einem vorläufig gesicherten Überschwemmungsgebiet schränke die Nutzbarkeit nicht ein. Eine Nutzbarkeit sei realisierbar, wenn eine Ausnahme gemäß § 78 Abs. 5 WHG erteilt werde. Auf Anfrage der Beklagten habe die hierfür zuständige Region Hannover die Erteilung einer solchen Ausnahme in Aussicht gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Gemäß § 6 Abs. 1 NKAG können die Gemeinden zur Deckung ihres Aufwandes für die Herstellung, Anschaffung, Erweiterung, Verbesserung und Erneuerung ihrer öffentlichen Einrichtungen Beiträge von den Grundstückseigentümern erheben, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser öffentlichen Einrichtungen besondere wirtschaftliche Vorteile bietet. Beiträge können auch für nutzbare Teile einer Einrichtung erhoben werden (§ 6 Abs. 2 NKAG), gemäß § 7 Nr. 9 der Straßenausbaubeitragssatzung der Beklagten (ABS) auch für die Beleuchtung der öffentlichen Einrichtung.
Danach durfte die Beklagte vom Kläger für den Ausbau der Beleuchtung der Anlage „C.“ Straßenausbaubeiträge in Höhe von 1.589,79 € verlangen.
Das Grundstück des Klägers grenzt unmittelbar an die ausgebaute Straße an und ist durch den Ausbau bevorteilt, weil der Kläger die Straße als Anlieger in Anspruch nehmen kann.
Das Grundstück liegt im Geltungsbereich des seit dem Jahr 1997 rechtskräftigen Bebauungsplans Nr.308 „C. und E.“, der es als Dauerkleingartengebiet ausweist. Als solches hat es die Beklagte zu Recht gemäß § 6 IV Abs. 1 Nr. 1 ABS mit einem Nutzungsfaktor von 0,5 herangezogen.
Der Bebauungsplan ist wirksam und nicht funktionslos geworden. Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, sie halte an der planerischen Festsetzung fest, auch wenn sie im Moment keine Möglichkeit sehe, die Festsetzung gegen den Willen des Klägers als Grundstückseigentümer zu verwirklichen. Dass der Kläger die Festsetzung nicht verwirklichen will, weil er dies für nicht realistisch hält, führt nicht zur Funktionslosigkeit des Bebauungsplans. Gleiches gilt für den Umstand, dass das Grundstück nach Inkrafttreten des Bebauungsplans als Überschwemmungsgebiet vorläufig gesichert wurde. Die Festsetzung eines vorläufig gesicherten Überschwemmungsgebietes steht der Bebauung eines Grundstücks nicht zwingend entgegen. Zwar ist gemäß § 78 Abs. 4 WHG in festgesetzten Überschwemmungsgebieten die Errichtung baulicher Anlagen nach § 30 BauGB untersagt. Dies gilt auch für vorläufig gesicherte Überschwemmungsgebiete (§ 78 Abs. 8 WHG). Die zuständige Wasserbehörde kann aber gemäß § 78 Abs. 5 WHG abweichend von § 78 Abs. 4 WHG die Errichtung von baulichen Anlagen im Einzelfall unter bestimmten im Einzelnen beschriebenen Voraussetzungen genehmigen.
Im vorliegenden Fall hindert die Belegenheit des Grundstücks in dem vorläufig gesicherten Überschwemmungsgebiet auch nicht die Entstehung einer Vorteilslage. Die wasserrechtlichen Vorschriften schränken die Nutzungsmöglichkeiten möglicherweise ein, die Fläche ist aber nach gegenwärtigem Erkenntnisstand nicht schon allein wegen ihrer Lage in einem Überschwemmungsgebiet einer Nutzung als Kleingartenfläche entzogen (a.A. offenbar VG Magdeburg, Urt. vom 12.09.2013, 9 A 178/12, Juris, für die Frage, ob ein im unbeplanten Innenbereich belegenes Grundstück der Anschlussbeitragspflicht unterliegt). Dem Kläger ist zuzugeben, dass er für die Nutzung des Grundstücks einer wasserrechtlichen Ausnahmegenehmigung bedarf, über die er (bisher) schon deswegen nicht verfügt, weil er eine solche nicht beantragt hat und offenbar auch nicht beabsichtigt, eine solche zu beantragen. Die Beklagte hat daher die zuständige Wasserbehörde um eine Einschätzung gebeten. In ihrer Stellungnahme sieht diese die Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung als erfüllbar an und begründet dies:
„Die Kleingartenfläche liegt im Strömungsschatten oberhalb des hochwasserfreien Baugebiets und des Leinewegs, so dass der Hochwasserabfluss durch Gartenlauben nicht nennenswert beeinträchtigt werden wird. Der Verlust an Retentionsvolumen ist bei den für Kleingartenlauben üblicherweise nur dünnen Wänden gering und kann auf der Fläche durch Abgrabungen ausgeglichen werden. Sohlplatten dürfen nicht höher liegen als das vorhandene Gelände. Ein gewisser Mehraufwand wird für die Verankerung gegen Auftrieb erforderlich sein. Eine hochwertige Ausstattung, die im Hochwasserfall geschädigt würde, ist nicht erforderlich.
Solange die Stadt F. den B-Plan an dieser Stelle nicht ändert, wird daher die Wasserbehörde der planerischen Vorgabe und der Kommentierung § 78 Abs. 5 entsprechend für Kleingartennutzung typische bauliche Anlagen bei Berücksichtigung der obigen Anforderungen zulassen müssen.“
Nach Auffassung der Kammer ist dies erheblich mehr als eine - so der Kläger - lediglich „vage Stellungnahme“. Es ist unter Berücksichtigung dieser Stellungnahme vielmehr sicher davon auszugehen, dass der Kläger die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung für eine Nutzung als Kleingartengebiet erlangen könnte. Selbst wenn die Nutzung durch die Lage im Überschwemmungsgebiet mit Einschränkungen verbunden sein sollte, hinderte dies nicht die Entstehung der Vorteilslage. Die Auffassung des Klägers, die Vorteilslage trete erst ein, wenn die Ausnahmegenehmigung erteilt worden sei, überzeugt nicht. Der Kläger hätte es dann selbst in der Hand, darüber zu entscheiden, ob eine Vorteilslage eintritt oder nicht. Er könnte etwa den Ausbau einer Straße abwarten und erst nach Entstehung der Beitragspflicht einen entsprechenden Antrag auf Erteilung einer Ausnahme stellen. In dieser Hinsicht unterscheidet sich die vorliegende Fallkonstellation auch von dem vom VG Magdeburg entschiedenen Fall, in dem es um den Anschluss an die Schmutzwasserversorgung ging. Das VG Magdeburg führt - zu einem überdies nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplans liegenden Grundstück - aus, es unterliege erst mit der Erteilung einer Baugenehmigung und dem Anschluss an die öffentliche Einrichtung der Beitragspflicht. Eine solche Konstellation ist im Ausbaubeitragsrecht nicht denkbar. Maßgeblich ist daher nach Auffassung der Kammer, ob eine Bebauung mit Kleingärten möglich ist. Daran bestehen unter Würdigung der Stellungnahme der Wasserbehörde keine Zweifel. Diese hat erklärt, die für Kleingartennutzung typischen Anlagen zulassen zu müssen, und dies nachvollziehbar begründet. Ob eine Vorteilslage auch dann anzunehmen wäre, wenn die Stellungnahme der Wasserbehörde nicht so eindeutig ausgefallen wäre, die Frage der baulichen Nutzbarkeit also offen wäre, bedarf keiner Entscheidung.
Der Ausbau der Beleuchtungseinrichtung ist abrechnungsfähig, da der Rat der Beklagten am 17.03.2016 die Kostenspaltung beschlossen hat. Die Maßnahme ist als Verbesserung schon deswegen beitragsfähig, da nach unwidersprochen gebliebener Darlegung der Beklagten das Beleuchtungsniveau von dem Faktor 3 auf den Faktor 5 erhöht wurde, was zu einer besseren Ausleuchtung der Straße führt. Da nicht nur die Quecksilberdampfleuchten durch LED-Leuchtköpfe ersetzt wurden, sondern die Masten eine Verlängerung erhalten haben, muss sich die Kammer nicht mit der Frage auseinandersetzen, ob der bloße Austausch von Leuchtköpfen als bloße - nicht beitragsfähige - Instandhaltungsmaßnahme anzusehen sein könnte.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 und § 711 Satz 1 und 2 ZPO. Die Kammer hat die Berufung gemäß § 124 a Abs. 1 Satz 1, § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zugelassen, weil sie der Frage, ob eine Vorteilslage auch dann angenommen werden kann, wenn die für eine Bebauung erforderliche wasserrechtliche Ausnahmegenehmigung noch nicht vorliegt, grundsätzliche Bedeutung zumisst.