Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 08.10.2019, Az.: 12 A 78/18

Abweichung; Bauaufsichtsverfügung; Dacheindeckung; Dachfarbe; Ehegatten; Eheleute; gesonderte Ausfertigung; Gestaltungssatzung; Heilung; Konzept; reine Förmelei; verfristet; Vorverfahren; Widerspruchsverfahren; örtliche

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
08.10.2019
Aktenzeichen
12 A 78/18
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2019, 69529
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger.

Dass Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand:

Die Kläger begehren die Zulassung einer Abweichung von einer örtlichen Bauvorschrift zur Dachziegelfarbe und wenden sich zugleich gegen eine Bauaufsichtsverfügung des Beklagten, die Dacheindeckung ihres Einfamilienhauses betreffend.

Die Kläger sind Eheleute. Der Kläger zu 2) ist Eigentümer des mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücks A-Straße in A-Stadt, Flurstück 598, Flur 18 der Gemarkung A-Stadt. Das Grundstück liegt im Geltungsbereich des am 16.02.2005 in Kraft getretenen Bebauungsplans Nr. 51 „C.“ und in dem Baugebiet „D.“. Inhalt des Bebauungsplans ist auch eine örtliche Bauvorschrift, welche unter II. „Wohn- und Mischgebiete“ Nr. 4 Folgendes vorsieht:

„Als Material für die Dacheindeckung der Hauptgebäude sind nur Dachpfannen oder Dachziegel in den Farbtönen rot bis rotbraun zulässig. Als rot bis rotbraun i.S. dieser Vorschrift gelten folgende Farben laut Farbregister RAL 840 HR:

 2001 (Rotorange)

 3009 (Oxidrot)

 3000 (Feuerrot)

 3011 (Braunrot)

 3001 (Signalrot)

 3013 (Tomatenrot)

 3002 (Kaminrot)

 3016 (Korallenrot)

 3003 (Rubinrot)

 8012 (Rotbraun)

 Zwischentöne sind zulässig.“

Zur Begründung der örtlichen Bauvorschrift ist unter III. 5. Folgendes ausgeführt:

„Die bereits erwähnte Schaffung von Aufenthalts- und Gestaltungsqualität gilt noch stärker bei den neu zu schaffenden Wohnbauflächen. Hierdurch soll zum einen eine sogenannte „Quartiersbildung“ und damit auch die Identifikationsmöglichkeit für die Bewohner erreicht werden, zum anderen muss aufgrund der Fernwirkung dieser exponierten Baugebiete ein harmonisches und verträgliches Einfügen in das Landschaftsbild gewährleistet sein. Die ÖBV trifft daher Festsetzungen zu […] den Dachfarben […]. Aufgrund der Fernwirkung des Baugebietes ist eine traditionelle Dacheindeckung mit Tonpfannen in roten bis rotbraunen Farbtönen angestrebt. Die Farbe Rot, wie mit den RAL-Nummern genannt, muss in der Farbwirkung vorherrschen. Als Ausnahme von dieser Festsetzung sind auch begrünte Dächer sowie die Installation von Solaranlagen zulässig.“

Mit der 5. Änderung des Bebauungsplans, in Kraft getreten am 03.04.2013, setzte die Gemeinde A-Stadt für eine Fläche innerhalb des Plangebietes ein Mischgebiet fest, für das auch anthrazitfarbene Dacheindeckungen zugelassen sind. Zur Begründung führt die örtliche Bauvorschrift Folgendes aus:

„Lediglich die Bestimmung der Dachfarbe Rot bis Rotbraun wird ergänzt, weil das hier vorhandene Denkmal ein anthrazitfarbenes Dach hat und somit ein rotes Dach ohnehin nicht durchzusetzen ist.“

Am 10.04.2017 beantragten die Kläger als gemeinsame Bauherren bei dem Beklagten die Zulassung einer Abweichung von der örtlichen Bauvorschrift insoweit, als sie planten, ihr Einfamilienhaus im Farbton anthrazit einzudecken. Zur Begründung gaben die Kläger an, dass die nach Süden ausgerichtete Dachfläche zu 80 % mit Modulen einer Photovoltaikanlage bedeckt werden solle. Zusätzlich seien zwei Dachflächenfenster auf der Dachfläche geplant. Um ein harmonisches Gesamtbild bei der Dachfarbe zu erreichen, solle das Dach mit Tonziegeln in einem schwarzen Farbton gedeckt werden. Auch würden die nach Norden ausgerichteten Dächer im Baugebiet im Laufe der Zeit witterungsbedingt bis in einen Schwarzton nachdunkeln. Der örtlichen Bauvorschrift fehle es an einer hinreichenden sachlichen Rechtfertigung, weshalb sie ihre Baufreiheit, die der Kläger, verletze. Nach der Homepage der Stadt würden noch immer die idyllischen Fachwerkhäuser aus dem 17. Jahrhundert das Erscheinungsbild des Stadtbildes prägen. Das Baugebiet „D.“ sei aber weder vom Ortskern einsehbar noch weise es einen Fachwerkstil auf, vielmehr sei es ein typisches Neubaugebiet mit unterschiedlichen Dachformen und Hausfassaden, das kein städtebaulich homogenes Erscheinungsbild erreiche. Zudem fehle es für die Farbgestaltung der Dächer an einem städtebaulich begründeten Konzept. Schließlich sei von der Rechtsprechung entschieden, dass eine örtliche Bauvorschrift widersprüchlich sei, wenn sie Photovoltaikanlagen auf den Dächern eines Baugebietes zulasse, die nur in schwarz, schwarz-grau oder schwarz-blau erhältlich seien und dennoch eine rote bis rotbraune Dacheindeckung fordere.

Bei einer Ortsbesichtigung am 30.05.2017 stellten Mitarbeiter der Gemeinde fest, dass das Dach des Einfamilienhauses der Kläger mit Ziegeln im Farbton schwarzgrau eingedeckt war.

Nach entsprechender Anhörung lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 28.08.2017 den Antrag der Kläger auf Zulassung einer Abweichung von der örtlichen Bauvorschrift ab. Zur Begründung führte der Beklagte aus, die örtliche Bauvorschrift sei auszulegen, um festzustellen, welche konkreten öffentlichen Belange mit ihr im Sinne eines Schutzzieles verfolgt würden. Schutzziel sei hier das harmonische und verträgliche Einfügen des Baugebietes und somit des einzelnen Wohnhauses in das Landschaftsbild, welches in der Begründung zu der örtlichen Bauvorschrift festgelegt worden sei. Dieses Schutzziel solle insbesondere aufgrund der Fernwirkung der Baugebiete gewährleistet sein. In der Begründung des Bebauungsplans sei das genannte Schutzziel ausdrücklich aufgeführt. Die Zulassung einer Abweichung wie von den Klägern beantragt würde das harmonische Gesamtbild des Baugebietes massiv stören. Auch würde die Abweichung nachhaltig das Landschaftsbild beeinträchtigen, da schwarze Ziegel völlig außerhalb des Farbspektrums lägen. Sie stünden auch im Widerspruch zu der in der Umgebung vorhandenen Dachfarbe. Mit ihrer Zulassung wäre das baugestalterische Ziel der Gemeinde, nämlich die Harmonisierung und Einfügung neuer Baugebiete in das Landschaftsbild, nachhaltig gestört. Abschließend führte der Beklagte aus, dass er beabsichtige, den Rückbau der unzulässigen Dacheindeckung zu fordern und gab den Klägern Gelegenheit zur Stellungnahme.

Mit Schreiben vom 11.09.2017 legte der Kläger zu 2) Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid vom 28.08.2017 ein. Zur Begründung führte er aus, bei der Fernwirkung, auf die der Beklagte abstelle, handele es sich nur um ein subjektives Empfinden, welches die Vorgabe der Farben für die Dacheindeckung nicht rechtfertige. Werde ihr Haus von der E. aus betrachtet, sehe man nur die schwarze PV-Anlage. Von der Straße D. sei das schwarze Dach zwar zu erkennen, dann sehe man aber auch zugleich das schwarze Dach des Maschinenhauses sowie das Haus Ecke F., welches ebenfalls im Geltungsbereich des Bebauungsplans liege.

Mit Bescheid vom 25.09.2017 forderte der Beklagte die Kläger auf, unverzüglich, spätestens bis zum 10.11.2017, bei Ausschöpfung des Verwaltungsrechtsweges spätestens 6 Wochen nach Unanfechtbarkeit der Verfügung, die anthrazitfarbene Dacheindeckung ihres Wohnhauses vollständig zu entfernen und gegen eine Dacheindeckung in den zugelassenen Farbtönen zu ersetzen. Für den Fall der Nichtbefolgung oder nur teilweisen Befolgung der Verfügung drohte der Beklagte den Klägern ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000,00 € an. Durch die bereits ausgeführte anthrazitfarbene Dacheindeckung bestehe ein Widerspruch zum öffentlichen Baurecht, nämlich zu der örtlichen Bauvorschrift des Bebauungsplans Nr. 51, die Dachfarbe betreffend. Die Zulassung einer Abweichung habe er, der Beklagte, abgelehnt. Der Rückbau sei geeignet und erforderlich, um einen baurechtmäßigen Zustand herzustellen und stehe zu den wirtschaftlichen Nachteilen für die Kläger nicht außer Verhältnis. Der Bescheid wurde den Klägern mittels einer Postzustellungsurkunde zugestellt. Er war zunächst an eine Adresse der Kläger in Hannover adressiert, die Adresse war auf der Urkunde allerdings von der Post unter dem 26.09.2017 in die Adresse A-Straße in A-Stadt geändert worden. Ausweislich der Urkunde war der Bescheid am 27.09.2017 in den Briefkasten des Hauses der Kläger eingeworfen worden.

Am 16.11.2017 legte ein Verfahrensbevollmächtigter namens und im Auftrag des Klägers zu 2) Widerspruch gegen die Bauaufsichtsverfügung vom 25.09.2017 ein und beantragte zugleich die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags führte er aus, der Bescheid vom 25.09.2017 sei fälschlich an die frühere Adresse des Klägers zu 2) in Hannover versandt und ihm deshalb erst bekannt geworden, als der Beklagte in einem Schreiben vom 03.11.2017 darauf hingewiesen habe. Zugleich führte der Verfahrensbevollmächtigte ergänzend zum Widerspruch gegen den Bescheid vom 28.08.2017 aus, dass die örtliche Bauvorschrift hinsichtlich der Farbe und des Materials für Dacheindeckungen zwar ausführlich begründet sei, jedoch den tatsächlichen Sachverhalt nicht vollständig berücksichtige. Das Baugebiet werde geprägt von dem Maschinenhaus der Schachtanlage, das kein rotes, sondern ein schwarz gedecktes Dach habe. Dieses Haus überrage alle anderen in der Umgebung stehenden Häuser und bilde im Hinblick auf die Dacheindeckung einen deutlichen Kontrast zu den rot eingedeckten Häusern des Neubaugebietes. Besondere Bedeutung habe auch die 5. Änderung des Bebauungsplans. Durch diese sei auf einer Fläche innerhalb des Plangebietes und in unmittelbarer Nähe des Hauses des Klägers zu 2) ein Mischgebiet festgesetzt worden, für das auch Dacheindeckungen in grauen und schwarzen Farbtönen zugelassen seien. Allein aufgrund der räumlichen Nähe zu dem Maschinenhaus werde ohne gestalterische oder sonstige inhaltliche Begründung für einen Teil des Plangebietes auch eine andersfarbige Eindeckung zugelassen. Die dafür angeführte Begründung einer fehlenden Durchsetzbarkeit sei kein hinreichendes Kriterium, das eine Ungleichbehandlung rechtfertigen könne. Zwar seien die Regelungen der örtlichen Bauvorschrift wirksam geworden, bei Ausübung pflichtgemäßen Ermessens bei Entscheidungen über Abweichungen von der örtlichen Bauvorschrift müssten die aufgezeigten Zweifel an der korrekten Ausübung des planerischen Ermessens aber berücksichtigt werden. Schließlich dürfte das Gebäude Ecke F. erst nach Erlass der örtlichen Bauvorschrift ein schwarzes Dach bekommen haben. Dann sei auch dies bei der Entscheidung über den Widerspruch des Klägers zu 2) zu berücksichtigen. Sollte das Dach älter sein, hätte es bei der Begründung der örtlichen Bauvorschrift berücksichtigt werden müssen.

Mit Bescheid vom 08.12.2017 lehnte der Beklagte den Wiedereinsetzungsantrag des Klägers zu 2) ab und wies den Widerspruch des Klägers zu 2) gegen die Bauaufsichtsverfügung vom 25.09.2017 als unzulässig zurück. Er führte aus, dass der Widerspruch erst nach Ablauf der Widerspruchsfrist eingegangen und Wiedereinsetzung hinsichtlich der versäumten Frist nicht zu gewähren sei. Der Bescheid vom 25.09.2017 sei dem Kläger zu 2) an seiner Adresse in A-Stadt durch Einwurf in den Briefkasten zugestellt worden. Der Kläger zu 2) habe den Bescheid auch erhalten, denn er habe bereits am 09.10.2017 entsprechend des mitübersandten Gebührenbescheides die Gebühren eingezahlt (in dem Bescheid heißt es fälschlich 09.11.2017, die Überweisung datiert aber vom Oktober).

Die Kläger haben am 07.01.2018 Klage erhoben und sich sowohl gegen den Bescheid vom 28.08.2017 als auch gegen die Bauaufsichtsverfügung vom 25.09.2017 gewandt.

Mit Bescheid vom 26.01.2018 hat der Beklagte den Widerspruch des Klägers zu 2) gegen den Bescheid vom 28.08.2017 zurückgewiesen. Zur Begründung hat der Beklagte in Ergänzung der Begründung des Ausgangsbescheides ausgeführt, bei dem Begriff der „Fernwirkung“ handele es sich um eine objektive Wahrnehmung. Dazu seien Ortsbesichtigungen durchgeführt und das Haus der Kläger aus verschiedenen Ansichtspositionen betrachtet worden. In allen Fällen sei die anthrazitfarbene Dacheindeckung weithin sichtbar gewesen. Das Dach des Hauses der Kläger steche aus der ansonsten hinsichtlich der Dachfarbe einheitlichen Ansicht des Baugebiets „D.“ hervor und das angestrebte harmonische Gesamtbild des Neubaugebiets werde objektiv gestört. Die Kläger hätten ihr Dach auch nicht vor der Entscheidung über ihren Antrag auf Zulassung einer Abweichung anthrazitfarben decken dürfen. Sie seien mit Schreiben vom 10.04.2017 darauf hingewiesen worden, dass die Prüfung des Antrags einige Zeit in Anspruch nehmen werde, weshalb sie nicht damit hätten rechnen dürfen, eine positive Entscheidung zu erhalten. Soweit die Kläger angeben würden, dass das im Plangebiet liegende Maschinenhaus mit seinem schwarzgedeckten Dach das Baugebiet präge, ließe sich gerade diese Dachfarbe nicht als vergleichbare Tatsache heranziehen, da das Maschinenhaus unter Denkmalschutz stehe. Auch würde das Maschinenhaus nicht das Neubaugebiet prägen, denn es befinde sich südlich davon, abgetrennt durch ein Feld, Baumbestand und die E.. Soweit sich die Kläger auf die 5. Änderung des Bebauungsplans beriefen, müsse diese schon deshalb unberücksichtigt bleiben, weil sie ein Mischgebiet innerhalb des Plangebiets betreffe, das sich nicht direkt neben dem Neubaugebiet befinde und deshalb nicht mit ihm verschmelzen könne. Die Festsetzungen für das Mischgebiet seien nicht relevant, weil das Mischgebiet nicht mit einem reinen Wohngebiet und schon gar nicht mit dem in Rede stehenden Baugebiet „D.“ vergleichbar sei. Bei dem angeführten Gebäude Ecke Griesbergstraße/Süllbergstraße handele es sich um ein räumlich entfernt vom Neubaugebiet liegendes Gebäude, das von diesem durch die Umgehungsstraße und Baumbestand getrennt werde. Für das Gebäude sei eine Abweichung von der Dachfarbe zugelassen worden, weil die schwarzen Ziegel, mit denen es im Jahr 1999 eingedeckt worden sei, nachweislich bereits vor dem Eintreten der Rechtsverbindlichkeit des Bebauungsplans bestellt gewesen seien. Das Ermessen sei fehlerfrei ausgeübt worden, denn es sei nicht ersichtlich gewesen, dass es den Klägern nicht möglich gewesen wäre, die Dacheindeckung in der vorgeschriebenen Dachfarbe auszuführen. Den entstehenden wirtschaftlichen Nachteil durch eine Neueindeckung des Daches hätten die Kläger selbst verursacht. Sie hätten wider besseren Wissen vollendete Tatsachen geschaffen. Außerdem würde im Falle der Zulassung der Abweichung möglicherweise ein Berufungsfall für nachfolgende Anträge geschaffen.

Die Kläger haben den Widerspruchsbescheid am 08.02.2018 in das Verfahren eingeführt.

Sie wiederholen im Wesentlichen ihren Vortrag aus den Vorverfahren und weisen ergänzend darauf hin, dass die Dächer in dem Baugebiet „D.“ überwiegend mit Dachsteinen aus Beton gedeckt seien, was nicht der örtlichen Bauvorschrift entspreche, die ausschließlich Dachpfannen oder Dachziegel aus Ton vorsehe.

Sie beantragen,

den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 28.08.2017 und des Widerspruchsbescheides vom 26.01.2018 zu verpflichten, auf ihren Antrag vom 10.04.2017 eine Abweichung von den Festsetzungen der örtlichen Bauvorschrift zu den Dachfarben zuzulassen,

sowie,

die Bauaufsichtsverfügung des Beklagten vom 25.09.2017 und den Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 08.12.2017 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er trägt vor, soweit sich die Kläger gegen die örtliche Bauvorschrift wenden würden, könnten sie nicht gehört werden, da Mängel der Bauvorschrift innerhalb eines Jahres nach der Bekanntmachung des Bebauungsplans hätten geltend gemacht werden müssen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen. Sämtlicher Akteninhalt war Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe

Die Klage bleibt insgesamt ohne Erfolg.

1. Soweit die Kläger die Verpflichtung des Beklagten begehren, auf ihren Antrag eine Abweichung von den Festsetzungen der örtlichen Bauvorschrift zu den Dachfarben zuzulassen, ist die Klage als Verpflichtungsklage zulässig, aber unbegründet. Der ablehnende Bescheid des Beklagten vom 28.08.2017 in der Fassung des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 26.01.2018 ist rechtmäßig, § 113 Abs. 5 VwGO.

Die Zulässigkeit der Klage der Klägerin zu 1) scheitert insbesondere nicht an einem fehlenden Vorverfahren.

Gemäß §§ 68 ff. VwGO, § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4a) NJG bedarf es im Baurecht in Niedersachsen noch der Durchführung eines Widerspruchsverfahrens.

Gegen den Ablehnungsbescheid vom 28.08.2017, der an beide Kläger gerichtet war, hatte allerdings nur der Kläger zu 2) mit Schreiben vom 11.09.2017 Widerspruch erhoben. Ausschließlich er hatte das Widerspruchsschreiben unterschrieben, ein Prozessbevollmächtigter, der lediglich vom Kläger zu 2) bevollmächtigt war, hatte den Widerspruch mit Schreiben vom 16.11.2017 ergänzend begründet. Daraufhin hatte der Beklagte den Widerspruchsbescheid vom 26.01.2018 ausschließlich an den Kläger zu 2) adressiert.

Nach der Rechtsprechung ist dennoch für beide Kläger von der Durchführung eines Vorverfahrens auszugehen, da in Bezug auf den Kläger zu 2) ein Widerspruchsverfahren durchgeführt worden ist und es in Bezug auf die Klägerin zu 1) „reine Förmelei“ wäre, auf ein Vorverfahren zu bestehen, weil keine Umstände erkennbar sind, die mit Blick auf die Eheleute eine unterschiedliche Beurteilung rechtfertigen könnten (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.02.1976 - IV C 44.74 -, juris Rdnr. 21; OVG NRW, Urteil vom 11.07.1991 - 2 A 1950/89 -, juris 1. Leitsatz; VG Dresden, Urteil vom 03.02.2010 - 2 K 1595/08 -, juris 1. Leitsatz; vgl. auch Geis in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 68 Rdnr. 165, der die Ehegattenkonstellation allerdings über § 14 VwVfG und § 177 Abs. 1 BGB analog löst).

Die Klage ist aber unbegründet, da die Kläger keinen Anspruch auf die von ihnen begehrte Zulassung einer Abweichung von den Festsetzungen der örtlichen Bauvorschrift zu den Dachfarben haben.

Nach § 66 Abs. 1 NBauO kann die Bauaufsichtsbehörde allerdings Abweichungen von aufgrund der Niedersächsischen Bauordnung erlassenen Vorschriften zulassen, wenn diese unter Berücksichtigung des Zwecks der jeweiligen Anforderung und unter Würdigung der öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange mit den öffentlichen Belangen, insbesondere den Anforderungen nach § 3 Abs. 1 NBauO vereinbar sind.

Nach der Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts sind dabei sämtliche Gesichtspunkte, die auf der Tatbestandsebene eingestellt werden, auch noch auf der Rechtsfolgenseite bei der Überprüfung der Ermessensentscheidung zu berücksichtigen, weil sie nicht „verbraucht“ werden. So kann im Ergebnis offenbleiben, ob die Vorschrift als Norm mit Tatbestand und Ermessensrechtsfolge zu verstehen ist oder als einheitliche Ermessensvorschrift, die lediglich einen Antrag auf Zulassung einer Abweichung voraussetzt (Nds. OVG, Urteil vom 27.06.2018 - 1 LC 183/16 -, juris Rdnr. 61).

Bei der örtlichen Bauvorschrift, die Inhalt des Bebauungsplans Nr. 51 „C.“ geworden ist, handelt es sich um eine aufgrund der Niedersächsischen Bauordnung erlassene Vorschrift. Gemäß § 84 Abs. 3 Nr. 1 NBauO können die Gemeinden unter anderem, um bestimmte städtebauliche, baugestalterische oder ökologische Absichten zu verwirklichen, durch örtliche Bauvorschrift für bestimmte Teile des Gemeindegebietes besondere Anforderungen an die Gestaltung von Gebäuden stellen, insbesondere für die Auswahl der Baustoffe und der Farben der von außen sichtbaren Bauteile einen Rahmen setzen.

Die örtliche Bauvorschrift regelt hier, dass in Wohngebieten des Bebauungsplangebietes für die Dacheindeckung grundsätzlich nur Dachpfannen oder Dachziegel in den Farbtönen rot bis rotbraun zulässig sind, also die Farben für von außen sichtbare Bauteile.

Die örtliche Bauvorschrift zu den Dachfarben ist mit dem Bebauungsplan wirksam geworden und es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass sie aufgrund abweichender tatsächlicher Verhältnisse funktionslos geworden ist. Die Funktionslosigkeit einer Gestaltungssatzung ist erst dann anzunehmen, wenn die tatsächlichen Abweichungen von den Festsetzungen der Satzung ein Maß erreicht haben, das die Verwirklichung des mit der Regelung verfolgten Ziels auf unabsehbare Zeit ausschließt und wenn diese Tatsache auch so offensichtlich ist, dass ein in die Fortgeltung der Festsetzung gesetztes Vertrauen keinen Schutz (mehr) verdient (vgl. VG Hannover, Urteil vom 12.09.2017 - 12 A 2337/16 -). Selbst die Kläger tragen nicht vor, dass es innerhalb des Plangebietes bereits eine solch große Anzahl an Dachflächen gibt, die farblich von den Festsetzungen der örtlichen Bauvorschrift abweichen, dass die Verwirklichung einer einheitlichen Dachfarbe auf unabsehbare Zeit völlig ausgeschlossen ist.

Soweit die Kläger darauf hinweisen, dass in dem Baugebiet „D.“, in dem sie ihr Haus errichtet haben, entgegen der örtlichen Bauvorschrift überwiegend Dachsteine aus Beton verbaut worden seien, führt auch dies nicht zu der Annahme der Funktionslosigkeit der gesamten Gestaltungssatzung. Insoweit kann dahinstehen, ob die örtliche Bauvorschrift tatsächlich neben der Farbe auch eine Auswahl der Baustoffe vorschreibt oder die Begriffe Dachpfannen und Dachziegel im Zusammenhang mit den Regelungen zur Dachfarbe lediglich „untechnisch“ verwendet worden sind. Denn selbst wenn auch eine Beschränkung der Dacheindeckungen auf das Material Ton Regelungsgehalt der örtlichen Bauvorschrift sein sollte und man darüber hinaus heute davon ausgehen müsste, dass sich diese Beschränkung in dem Baugebiet „D.“ überholt haben sollte, wäre die Beschränkung der Dachfarbe auf die Farbtöne rot bis rotbraun davon nicht berührt.

Die örtliche Bauvorschrift ist auch nicht nichtig, weil sie die gesetzliche Ermächtigung überschreitet.

Zwar wird die Befugnis einer Gemeinde zum Aufstellen einer Gestaltungssatzung dadurch begrenzt, dass die örtliche Bauvorschrift der Verwirklichung bestimmter städtebaulicher oder baugestalterischer Absichten dienen muss und genügt es daher nicht, dass die Gemeinde gewisse Bauformen oder Materialien für unschön und daher unerwünscht hält. Auch das Ziel, eine einheitliche Bebauung zu erreichen, lässt in der Regel noch keine baugestalterische Absicht erkennen, die eine Einschränkung der Baufreiheit rechtfertigt. Erforderlich ist vielmehr ein konkretes gestalterisches Konzept für die Ausgestaltung eines konkreten überschaubaren Ortsteils (vgl. Nds. OVG, Urteil vom 13.03.2002 - 1 KN 1310/01 -, juris Rn. 21; VG Hannover, Urteil vom 29.10.2013 - 4 A 3611/12 -, juris Rn. 24).

Ein solches Konzept lässt sich der örtlichen Bauvorschrift in dem Bebauungsplan Nr. 51 aber durchaus entnehmen. So handelt es sich bei den neu ausgewiesenen Wohngebieten um einen überschaubaren Ortsteil, der sich zudem abgrenzen lässt zu dem Mischgebiet, in dem die denkmalgeschützte Maschinenhalle steht, auf die die Kläger verweisen. Neben der „Quartiersbildung“, die durch eine Harmonie in der Gestaltung auch der Dächer erreicht werden soll, stellt die örtliche Bauvorschrift insbesondere auf die Fernwirkung der in Ortsrandlage ausgewiesenen Baugebiete ab. So heißt es nachvollziehbar in der Begründung der Bauvorschrift, dass aufgrund der Fernwirkung dieser neuen Wohngebiete in den exponierten Hanglagen ein harmonisches und verträgliches Einfügen in das Landschaftsbild gewährleistet sein müsse, welches mit einer einheitlichen roten Dachfarbe erreicht werden soll. Es soll mit anderen Worten vermieden werden, dass sich Betrachtern aus der Ferne ein Flickenteppich aus bunten Dächern zeigt. Aus der Ferne wirkt vor allem die Farbe der – einheitlichen – Dachlandschaft, weshalb das Argument der Kläger, aufgrund unterschiedlicher Dachformen und Hausfassaden ließe sich kein städtebaulich homogenes Erscheinungsbild erreichen, nicht verfängt. Dies gilt umso mehr, als das Gelände am Rand des Baugebietes ansteigt, weshalb Betrachter, die von Ferne den Ort in den Blick nehmen, tatsächlich von oben auf die Dächer des Baugebietes blicken. Für ein homogenes Erscheinungsbild der Dächer ist die im ländlichen Raum vorherrschende Dachfarbe Rot gewählt worden, was ebenfalls Teil des konkreten gestalterischen Konzepts ist. Die Idee, die Dacheindeckungen in einem Baugebiet an die vorhandenen Dacheindeckungen des Ortes anzupassen, stellt geradezu ein klassisches Anliegen gestalterischer Festsetzungen dar (OVG NRW, Urteil vom 09.02.2000 - 7 A 2386/98 -, juris). Darüber hinaus soll sich das Baugebiet mit den roten Dächern in das Landschaftsbild einfügen. Dieses gestalterische Ziel wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass in der Bauvorschrift als Ausnahmen von der festgelegten Dachfarbe begrünte Dächer und die Installation von Solaranlagen zugelassen werden. Der Satzungsgeber konnte insoweit als Ausnahme ökologischen Aspekten den Vorrang einräumen.

Entgegen der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (vom 05.10.2006 - 8 S 2417/05 -, juris), auf die die Kläger verweisen, kann ein Satzungsgeber sehr wohl Photovoltaikanlagen, die es nach wie vor nur in schwarz oder blau gibt, zulassen und dennoch eine rote Dacheindeckung fordern. Zum einen bedecken PV-Elemente ein Dach niemals ganz und ist immer die Dachfarbe, insbesondere von nach Norden ausgerichteten Dachseiten, zu sehen. Die nach Norden ausgerichteten Dachseiten dunkeln mit der Zeit zwar nach, aber nicht so stark, dass der ursprüngliche Rotton nicht mehr zu erkennen wäre. Zum anderen hält jeder Dachziegel länger als ein PV-Element und ist durch die örtliche Bauvorschrift gewährleistet, dass dann, wenn die Photovoltaikanlage nicht erneuert werden sollte, das Dach mit roter Dachfarbe in Gänze sichtbar wird.

Soweit die Kläger auch auf die 5. Änderung des Bebauungsplans (abrufbar unter G.) hinweisen, mit der die örtliche Bauvorschrift für ein Mischgebiet innerhalb des Plangebietes auch anthrazitfarbene Dacheindeckungen zulässt, ist dies für die Regelungen der Bauvorschrift, die die Wohngebiete betreffen, nicht relevant. Die beiden Ortsteile lassen sich unabhängig voneinander betrachten, da sie nicht unmittelbar aneinandergrenzen und nicht aufeinander wirken. Deshalb kann auch offenbleiben, ob die für die 5. Änderung der örtlichen Bauvorschrift angeführte Begründung einer fehlenden Durchsetzbarkeit die Änderung konzeptionell trägt.

Zu Recht weisen die Kläger im Übrigen selbst darauf hin, dass etwaige Abwägungsmängel beim Beschluss der örtlichen Bauvorschrift (die nicht die Nichtigkeit zur Folge haben) nach § 215 Abs. 1 Nr. 3 BauGB inzwischen durch Fristablauf unbeachtlich geworden sind. Die Frist für die Geltendmachung der Verletzung von Vorschriften im Verfahren zur Aufstellung von Bebauungsplänen gilt gemäß § 84 Abs. 4 Satz 3 NBauO entsprechend.

Entspricht der Farbton der Dacheindeckung des Hauses der Kläger danach nicht der örtlichen Bauvorschrift, so stellt sich die Frage, ob diese Abweichung unter Berücksichtigung des Zwecks der Anforderung an die Dachfarben im Plangebiet und unter Würdigung der öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Diese Frage ist zu verneinen.

Eine Abweichung ist mit den öffentlichen Belangen nur vereinbar, wenn das Schutzgut der jeweiligen Norm, von der abgewichen werden soll, nicht bzw. nicht erheblich berührt wird. Davon kann hier jedoch nicht ausgegangen werden. Durch eine Zulassung der begehrten Abweichung von der vorgegebenen Dachfarbe würde das Ziel der Gestaltungssatzung, zu dem oben ausgeführt ist, gefährdet und möglicherweise nicht mehr erreicht werden können. Insbesondere durch die negative Vorbildwirkung einer Zulassung im Falle der Kläger würde das Ziel der Gestaltungssatzung gefährdet, da bei weiteren Abweichungen von der Dachfarbe die Gestaltungssatzung tatsächlich in die Funktionslosigkeit geraten könnte. Langfristig könnten Abweichungen ein Maß erreichen, das die Verwirklichung des mit der Regelung verfolgten Schutzziels auf unabsehbare Zeit ausschließen würde.

Darüber hinaus hat der Beklagte auch in nicht zu beanstandender Weise Ermessen ausgeübt. Es stellt sich als angemessen dar, dass die vom Beklagten vorgenommene Abwägung der öffentlichen Belange, die sich aus der Bauvorschrift ergeben, mit den privaten Interessen der Kläger dazu führt, den öffentlichen Interessen den Vorrang zu geben. Zu Recht hat der Beklagte insoweit berücksichtigt, dass es den Klägern möglich gewesen wäre, die Dacheindeckung in einer der vorgeschriebenen Dachfarben vorzunehmen und dass der durch ein Umdecken des Daches entstehende wirtschaftliche Nachteil von den Klägern selbst verschuldet worden ist. Die Kläger hatten eine Entscheidung des Beklagten über ihren Antrag nicht abgewartet und das Eindecken mit anthrazitfarbenen Ziegeln beauftragt, obwohl ihnen die Bauvorschrift zur Dachfarbe seit dem Kaufvertragsschluss bekannt war.

2. Soweit sich die Kläger außerdem gegen die Bauaufsichtsverfügung des Beklagten vom 25.09.2017 und den Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 08.12.2017 wenden, ist ihre Klage als Anfechtungsklage zwar zulässig, aber unbegründet, da die Bauaufsichtsverfügung rechtmäßig ist, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Die Kläger haben in der mündlichen Verhandlung klargestellt, dass sie sich mit ihrer Klage nicht ausschließlich gegen den Widerspruchsbescheid, sondern vielmehr maßgeblich gegen die Bauaufsichtsverfügung vom 25.09.2017 wenden, deren Rechtmäßigkeit sie im vorliegenden Verfahren überprüft wissen wollen. Damit haben sie das ihnen im Rahmen des § 79 VwGO eröffnete Wahlrecht – § 79 Abs. 2 oder § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO – ausgeübt (vgl. zum Wahlrecht Brenner in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 79 Rdnr. 35; W.-R. Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017, § 79 Rdnr. 11) mit der Konsequenz, dass das Gericht in der Sache entscheidet.

Die Zulässigkeit der Klage scheitert wiederum nicht an einem fehlenden Vorverfahren, insbesondere war der Widerspruch des Klägers zu 2) gegen die Bauaufsichtsverfügung entgegen der Ansicht des Beklagten nicht unzulässig.

Der Widerspruch des Klägers zu 2) war nicht verfristet, da die Frist zum Einlegen des Widerspruchs nicht zu laufen begonnen hatte. Dazu hätte es einer ordnungsgemäßen Zustellung der Bauaufsichtsverfügung vom 25.09.2017 bedurft. Der Bescheid vom 25.09.2017 war jedoch nicht ordnungsgemäß zugestellt worden.

Bei einer Zustellung an Ehegatten muss für jeden von ihnen eine eigene, gesonderte Ausfertigung zugestellt werden. Da die Zustellung die Übergabe erfordert, ist eine Zustellung auch an Ehegatten, bei der nur eine Ausfertigung an beide gemeinsam zugestellt wird, unheilbar fehlerhaft, da keiner der Ehegatten die Urkunde für sich allein behalten kann (Schlatmann in Engelhardt/App, VwVG/VwZG, 11. Aufl. 2017, § 8 Rdnr. 3 und § 2 Rdnr. 9; W.-R. Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017, § 56 Rdnr. 13; Meissner/Schenk in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, VwGO, § 56 Rdnr. 26; VGH Baden-Württ., Urteil vom 28.04.1989 - 8 S 3669/88 -, juris Rdnr. 26ff.). An die Kläger ist jedoch nur eine Ausfertigung des Bescheides vom 25.09.2017 mit einer Postzustellungsurkunde zugestellt worden.

Eine Heilung dieses Fehlers in der Zustellung war nicht möglich.

Zwar sieht § 8 VwZG, der gemäß § 1 NVwZG in Niedersachsen auf die Zustellung von Bescheiden Anwendung findet, die Heilung von Zustellungsmängeln grundsätzlich vor. Eine Anwendung der Vorschrift auf den Fall, dass ein an Eheleute gerichteter Bescheid nur in einfacher Ausfertigung zugestellt wird und nicht an jeden Ehegatten gesondert, ist jedoch abzulehnen, da es hinsichtlich eines Ehegatten im Grunde gar keine Zustellung gegeben hat und nicht aufklärbar ist, an welchen Ehegatten eine Zustellung erfolgt ist. Selbst bei erwiesener Kenntnis beider Eheleute von dem Inhalt des Bescheides ist der genannte Zustellungsmangel nicht geheilt (Schlatmann in Engelhardt/App, VwVG/VwZG, 11. Aufl. 2017, § 8 Rdnr. 3).

Soweit wiederum nur der Kläger zu 2) – durch einen Verfahrensbevollmächtigten – Widerspruch erhoben hat, gilt das oben Gesagte. Der Widerspruch und der Widerspruchsbescheid des Beklagten, der lediglich an den Kläger zu 2) gerichtet war, reichen aus, um auch für die Klägerin zu 1) von der Durchführung eines Widerspruchsverfahrens auszugehen.

Die Klage der Kläger ist aber unbegründet, da die Bauaufsichtsverfügung des Beklagten vom 25.09.2017 rechtmäßig ist.

Nach § 79 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 4 NBauO kann die Bauaufsichtsbehörde nach pflichtgemäßen Ermessen Maßnahmen anordnen, die zur Herstellung oder Sicherung rechtmäßiger Zustände erforderlich sind, wenn bauliche Anlagen dem öffentlichen Baurecht wiedersprechen und dabei namentlich die Beseitigung von baulichen Anlagen oder Teilen baulicher Anlagen verfügen.

Die Dacheindeckung des Hauses der Kläger widerspricht dem öffentlichen Baurecht.

Sie ist zunächst formell illegal, weil von den Regelungen der mit dem Bebauungsplan Nr. 51 „C.“ erlassenen örtlichen Bauvorschrift für das Bauvorhaben der Kläger keine Abweichung zugelassen worden ist, obwohl die Dachziegelfarbe der örtlichen Bauvorschrift nicht entspricht.

Die Dacheindeckung ist wegen des Verstoßes gegen die örtliche Bauvorschrift auch materiell illegal. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen verwiesen.

Der Beklagte hat hinsichtlich des den Klägern aufgegebenen Umdeckens des Daches auch fehlerfrei Ermessen ausgeübt. Dabei kann offenbleiben, ob bei einem Verstoß gegen die Regelungen einer örtlichen Bauvorschrift von einem intendierten Ermessen auszugehen ist, so wie es teilweise in der Rechtsprechung vertreten wird (vgl. nur VGH Baden-Württ., Urteil vom 11.03.2009 - 3 S 1953/07 -, juris). Der Beklagte hat – ohne sich auf die Annahme eines intendierten Ermessens zu stützen – in seiner Verfügung vom 25.09.2017 in nicht zu beanstandender Weise ausgeführt, dass die Verfügung das geeignete Mittel sei, um einen baurechtmäßigen Zustand herzustellen und als Mittel auch erforderlich sei, da es keinen geringfügigeren Eingriff gebe, der zu einem gleichwertigen Ergebnis führe. Beide Erwägungen treffen ersichtlich zu. Weiterhin hat er ermessensfehlerfrei entschieden, dass die Anordnung des Rückbaus auch nicht zu einem Nachteil für die Kläger führe, der zu dem erstrebten Erfolg erkennbar außer Verhältnis stehe. Auch diese Erwägung ist nicht zu beanstanden, denn die Kosten, die den Klägern mit dem Rückbau der anthrazitfarbenen Ziegel und dem Neueindecken mit roten Ziegeln entstehen werden, sind nach einhelliger Auffassung in der Rechtsprechung kein im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung bzw. der Ermessensausübung zu berücksichtigender Gesichtspunkt (vgl. nur Bay. VGH, Urteil vom 28.06.2010 - 1 B 09.1911 -, juris). Darüber hinaus sind die Kläger seinerzeit das Kostenrisiko sehenden Auges eingegangen, als sie dem Dachdecker in Kenntnis der örtlichen Bauvorschrift den Auftrag gaben, das Dach mit anthrazitfarbenen Ziegeln einzudecken.

Schließlich erweist sich auch die Zwangsgeldandrohung als rechtmäßig. Sie stützt sich auf die §§ 64, 65, 67, 70 Nds. SOG (heute NPOG), wonach unter anderem ein Verwaltungsakt, der auf die Vornahme einer Handlung gerichtet ist, mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden kann. Das Zwangsgeld ist eines der zulässigen Zwangsmittel und als solches schriftlich mit Fristsetzung zur Erfüllung der Verpflichtung anzudrohen. Diese Voraussetzungen der gesetzlichen Grundlagen sind sämtlich erfüllt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosen beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 und § 711 Satz 1 und 2 ZPO.