Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 22.10.2019, Az.: 4 A 4950/18
Bebauungsplan; Planfeststellungsbeschluss; Planrechtfertigung; Vorratsplanung
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 22.10.2019
- Aktenzeichen
- 4 A 4950/18
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2019, 69542
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- Art 14 Abs 1 GG
- § 68 WHG
- § 70 WHG
- § 71 WHG
- § 75 WHG
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Neubescheidung ihres Antrages auf Planfeststellung der Verfüllung eines Hafenbeckens.
Die Klägerin ist Eigentümerin des insgesamt 17,44 ha großen Industrieareals der ehemaligen C. -D. in A-Stadt-E. mit der postalischen Adresse „F.“ in G. A-Stadt. Dieses Areal umfasst auch einen Teilabschnitt des (vom Mittellandkanal abgehenden) Stichkanals E. sowie ein Hafenbecken mit einer Größe von ca. 22.300 m². Bei dem im Eigentum der Klägerin stehenden Gewässer handelt es sich um Gewässer III. Ordnung. Der Flächennutzungsplan setzt für den Bereich „Wasserfläche“ fest.
Die Klägerin beantragte am 24.05.2017 bei der Beklagten die wasserrechtliche Planfeststellung für die Verfüllung der Sohle des Hafenbeckens bei 47,30 m NN bis auf 51 m NN. Mit einer anschließenden weiteren Auffüllung will sie das Geländeniveau auf 59,5 m NN anheben, um dann mittels eines noch zu erlassenden Bebauungsplans der Landeshauptstadt A-Stadt das dortige Gewerbe- und Industriegebiet erweitern zu können.
Die Klägerin hatte mit der Landeshauptstadt A-Stadt am 15.01.2014 vereinbart, das Bauleitplanverfahren mit Änderung des Flächennutzungsplans und Erlass eines Bebauungsplanes sowie das wasserrechtliche Verfahren parallel abzuwickeln. Am 15.09.2016 hatte der Verwaltungsausschuss der Landeshauptstadt beschlossen, das 234. Änderungsverfahren zum Flächennutzungsplan einzuleiten, lehnte aber am 30.11.2017 die Verfüllung des Hafenbeckens und die diesbezügliche Änderung des Flächennutzungsplans ab.
Unter dem 22.12.2017 teilte die Landeshauptstadt der Beklagten außerdem mit, dass das Hafenbecken eine Pufferfunktion zwischen Gewerbe-/Industrieflächen und dem benachbarten FFH- und Naturschutzgebiet „H. bei A-Stadt“ habe, so dass die Verfüllung einen massiven Eingriff in den Lebensraum von Flora und Fauna darstelle. Es bestehe ein öffentliches Interesse am Erhalt der Wasserfläche als Natur- und Freiraum mit Funktionen für Klimaschutz, Naturschutz und Naherholung. Vor dem von der Klägerin geplanten Baugebiet sei auch die benachbarte Wohnbevölkerung zu schützen.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 28.06.2018 die begehrte Planfeststellung ab und begründete dies unter Verweis auf die Stellungnahme der Landeshauptstadt im Wesentlichen damit, dass aufgrund fehlender Planrechtfertigung und nach Ausübung des Planungsermessens dem Antrag nicht stattgegeben werden könne. Die fehlende Planrechtfertigung ergebe sich daraus, dass die Landeshauptstadt A-Stadt als für die Bauleitplanung und das erforderliche Einvernehmen zuständige Behörde derzeit kein öffentliches Interesse an der Erweiterung des Gewerbegebietes habe, sondern dem Erhalt der Wasserfläche des E. er Hafens den Vorrang einräume und daher nicht bereit zu einer Erweiterung des Gewerbegebietes sei. Daher bestünde ein Umsetzungshindernis bzgl. der Auffüllungsmaßnahmen und der Erschließung als Gewerbegebietsfläche. Eine Hafenverfüllung könne erst dann sinnvollerweise geboten oder erforderlich sein, wenn ein Interesse an der Auffüllung und Erschließung als Gewerbegebiet bestünde, was derzeit nicht der Fall sei. Ein öffentliches Interesse an der Beseitigung des Gewässers bestünde ebenfalls nicht.
Gegen diesen Ablehnungsbescheid hat die Klägerin am 27.07.2018 Klage erhoben. Sie ist der Ansicht, dass die Ablehnung der Planfeststellung rechtswidrig sei und sie in ihren Rechten verletze. Der Bescheid sei in den tragenden Gründen unzutreffend, es stünden der Planfeststellung auf Dauer keine unüberwindbaren rechtlichen oder tatsächlichen Hindernisse entgegen. Es herrsche ein großer Bedarf an Gewerbe- und Industrieflächen in A-Stadt. Unter veränderten Mehrheiten in den zuständigen Entscheidungsgremien der Landeshauptstadt sei die Erweiterung des Gewerbegebietes möglich. Die gegenteiligen Absichten der Landeshauptstadt stellten so kein dauerhaftes Realisierungshindernis dar. Es sei möglich, durch eine Nebenbestimmung sicherzustellen, dass der Gewässerausbau erst bei einer gesicherten Durchführung des Gesamtvorhabens erfolgen könne. Zudem sei die von der Beklagten entgegen gehaltene Naturschutzgebietsverordnung „H. bei A-Stadt“ u.a. wegen Unbestimmtheit und fehlender Schutzwürdigkeit einbezogener Flächen unwirksam. Hierzu führe die Klägerin vor dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht ein Normenkontrollverfahren (Az. 4 KN 214/17).
Ein subjektiv-öffentliches Recht auf Durchführung eines Planfeststellungsverfahren habe die Klägerin, weil sie in ihrer Eigentumsfreiheit nach Art. 14 GG durch die Weigerung der Beklagten betroffen sei.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 28.06.2018 (Az. ) zu verpflichten, den Antrag der Klägerin auf Planfeststellung der Verfüllung des westlichen Hafenbeckens C. II in A-Stadt-E. unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
und verweist auf den Inhalt des Ablehnungsbescheides.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Verpflichtungsklage der Klägerin ist zwar zulässig (1.), aber nicht begründet, denn die Weigerung der Beklagten, zugunsten der Klägerin eine Planfeststellung durchzuführen, ist rechtmäßig (2.) und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO).
1. Die Verpflichtungsklage ist statthaft (a.) und die Klägerin auch klagebefugt (b.).
a. Nach § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO kann mit einer Verpflichtungsklage der Erlass eines abgelehnten Verwaltungsaktes begehrt werden. Wenn – wie hier – die Spruchreife für den Erlass fehlt, kann die Klage darauf gerichtet sein, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts nach § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO zu bescheiden. Dies gilt auch gegenüber einem eine Planfeststellung ablehnenden Antrag (BVerwG, Urteil vom 24.11.1994 – 7 C 25/93 –, juris, Rn. 12) wenigstens als Rechtsanspruch auf die fehlerfreie Ausübung des Planungsermessens (BayVGH, Urteil vom 30.03.2006 – 22 A 01.40059 –, juris, Rn. 14; BVerwG, Urteil vom 24.11.1994, a.a.O., juris, Rn. 21). Die Ablehnung des Erlasses eines Planfeststellungsbeschlusses hat den Charakter eines Verwaltungsaktes, weil sie den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch verneint (Wysk in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 19. Aufl., § 74, Rn. 125). Dahingestellt kann angesichts des Fehlens eines Anspruchs der Klägerin auf Genehmigung der Verfüllung des Hafenbeckens (s. 2.) bleiben, ob die Klägerin eine Entscheidung über ihren Antrag mittels Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens (zur Verwaltungsaktsqualität: Czychowski/Reinhardt, WHG, 12. Auflage, § 68, Rn. 17) verlangen kann oder ob die Beklagte nicht auch eine andere Entscheidungsform wählen kann.
b. Da die Verpflichtungsklage gemäß § 113 Abs. 5 VwGO nur begründet ist, wenn ein Anspruch auf Erlass des begehrten Verwaltungsaktes besteht (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 22.05.1987 - 4 C 77.84 –, juris Rn. 13), muss ein Rechtssatz bestehen, der die Behörde zum Erlass dieses Verwaltungsaktes verpflichtet oder wenigstens ermächtigt und zugleich einen subjektiven Anspruch darauf gewährt sowie den jeweiligen Kläger in den Kreis der Berechtigten einbezieht (BVerwG, Urteil vom 28.02.1997 – 1 C 29.95 –, BVerwGE 104, 115). Für die Klagebefugnis genügt es, dass ein solcher Anspruch nicht offensichtlich und eindeutig nach jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen ist (vgl. hierzu etwa BVerwG, Urteil vom 10.10.2012 – 6 C 36.11 –, juris Rn. 17). Nach diesem Maßstab ist es nicht ausgeschlossen, dass die Klägerin einen Anspruch auf Erlass einer Verfüllungsgestattung oder wenigstens auf ermessensfehlerfreie Entscheidung hat.
Nach § 68 Abs. 1 WHG bedarf der Gewässerausbau der Planfeststellung durch die zuständige Behörde. Ein Gewässerausbau ist nach § 67 Abs. 2 Satz 1 WHG auch die Beseitigung eines Gewässers oder seiner Ufer. Das Hafenbecken ist ein Gewässer III. Ordnung (§ 40 NWG). Zugunsten der Klägerin stellt das Gericht auch seine aus dem Gedanken in § 1 Abs. 3 Satz 2 BauGB, wonach kein Anspruch auf die Aufstellung von Bauleitplänen besteht (vgl. BVerwG (Beschluss vom 09.10.1996 - 4 B 180/96 -, NVwZ-RR 1997, 213), gespeisten Bedenken zurück, ob der Rechtssatz der Klägerin einen subjektiven Anspruch auf Erlass des Planfeststellungsbeschlusses gewähren kann.
Zugunsten der Klägerin besteht wohl eine „Schutznorm“, die ihr mittels einer verwaltungsverfahrensrechtlichen Regelung ein subjektives öffentliches Recht auf ein Verwaltungsverfahren einräumt. Sie besteht, wenn die diesbezügliche Regelung – hier § 69 WHG – nicht nur der Ordnung des Verfahrens dient, sondern der Klägerin unabhängig vom materiellen Recht eine eigene, selbständig durchsetzbare verfahrensrechtliche Stellung gewähren will, sei es im Sinne eines Anspruchs auf ein Verwaltungsverfahren überhaupt, sei es wenigstens im Sinne einer Beteiligung an einem anderweit eingeleiteten Verfahren. Hierüber ist nach Zielrichtung und Schutzbereich der verfahrensrechtlichen Regelung zu entscheiden (BVerwG, Urteil vom 05.10.1990 – 7 C 55/89 -, BVerwGE 85, S. 368, 377).
Die Klägerin kann diesen Anspruch nicht aus der Eigentumsfreiheit nach Art. 14 Abs. 1 GG herleiten. Ihr gegenüber besteht zunächst ein prinzipieller Anwendungsvorrang des „einfachen Rechts“. Im Übrigen kann nur ausnahmsweise direkt auf die Grundrechte als subjektive öffentliche Rechte zurückgegriffen werden, wenn sich aus dem einfachen Recht, so wie hier, keine Schutznorm zugunsten der Klägerin, ergibt. Die Grundrechte sind grundsätzlich Eingriffsabwehrrechte des Einzelnen gegenüber dem Staat und können selbst keine unmittelbaren Abwehransprüche oder Plangewährleistungsansprüche begründen (BVerwG, Urteil vom 23.08.1996 – 4 C 13/94 –, juris Rn. 45). Den Regelungsauftrag des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG für eine sozialgerechte Bodenordnung hat der Gesetzgeber erst zu konkretisieren hat (BVerwG, Urteil vom 23.08.1996, juris Rn. 41).
Sondergesetzlich kann § 68 Abs. 1 WHG aber eine Schutznorm zugunsten der Klägerin sein. Zwar bestehen in der Rechtsprechung Bedenken, demjenigen, der privatnützig ein Planfeststellungsverfahren begehrt, einen Durchsetzungsanspruch zuzubilligen. Doch im Wasserrecht liegen die Dinge anders.
Vorhabenträger haben kraft einer „Schutznorm“ jedenfalls dann einen Rechtsanspruch auf die fehlerfreie Ausübung des Planungsermessens, wenn zu ihrem aufgrund Gesetzes wahrgenommenen gesetzlichen Aufgabenkreis die Realisierung von Vorhaben gehört, die nur durch einen Planfeststellungsbeschluss umsetzbar sind. Dies gilt etwa für die personenbeförderungsrechtliche Planfeststellung des Baus einer Straßenbahnlinie zugunsten eines Nahverkehrsunternehmens (BayVGH, Urteil vom 30.03.2006 – 22 A 01.40059 –, juris Rn. 14), die abfallrechtliche Planfeststellung einer Sonderabfallumschlaganlage zugunsten eines Abfallentsorgers (BVerwG, Urteil vom 24.11.1994 – 7 C 25/93 –, juris Rn. 12) oder eine luftverkehrsrechtliche Planfeststellung wegen des formellen Rechts auf Beteiligung und des materiellen Rechts der Planungshoheit, falls Gemeinden und Gemeindeverbände die Planfeststellung begehren oder wegen der militärischen Aufgabenerfüllung (BVerwG, Urteil vom 22.6.1979 – 4 C 40/75 –, NJW 1980, 718; Urteil vom 16.11.1988 – 4 C 40/86 –, BVerwGE Bd. 81, S. 95, 105 f).
Privaten Vorhabenträgern ohne eine solche gesetzliche Aufgabenzuweisung wird deshalb der Schutz einer Norm im Regelfall auch versagt (vgl. für das luftverkehrsrechtliche Planfeststellungsverfahren nach § 6 LuftVG HambOVG, Urteil vom 20.01.1997 – Bf III 54/95 P –, juris Rn. 122 f.; BVerwG, Beschluss vom 05.04.1989 – 4 B 25/89 –, Buchholz 442.40 § 6 LuftVG Nr. 20 S. 10).
Im Wasserrecht erkennt die Rechtsprechung dagegen einen Rechtsanspruch darauf an, dass dem Privaten der Gewässerausbau gestattet wird, wenn keine gesetzlich näher umschriebenen Hinderungsgründe vorliegen (OVG Koblenz, Urteil vom 12.07.1972 – 1 A 12/72 –, juris Rn. 21; OVG Münster, Urteil vom 08.05.2012 – 20 A 3779/06 –, juris Rn. 36; ohne vertiefende Diskussion unterstellen die Zulässigkeit: BVerwG, Urteil vom 10.02.1978 – IV C 25.75 –, BVerwGE 55, 220-232; Urteil vom 12.09.1980 – IV C 89.77 –, juris; Urteil vom 13.04.1984 – 4 C 69/80 –, juris; Urteil vom 18.05.1990 – 7 C 3/90 –, juris). Wie sich im Einzelnen aus §§ 68 ff. WHG ergibt, dient das Planfeststellungsverfahren dazu, Art und Ausmaß der Ausbaumaßnahmen genau festzulegen sowie anzuordnen, welche Einrichtungen im öffentlichen Interesse oder zur Vermeidung nachteiliger Wirkungen auf Rechte anderer erforderlich sind. Ferner soll der Ausgleich von Schäden geregelt werden, die durch den Ausbau eintreten. Diese Regelung zeigt, dass es zwar nicht Sinn des Planfeststellungsverfahrens ist, in erster Linie ausschließlich die privaten Interessen zu wahren. Die gesonderten Regelungen für Planfeststellungen zum Wohl der Allgemeinheit (§ 71 Abs. 1 f. WHG) weisen aber darauf hin, dass die Regelungen im Übrigen für die privatnützige Planfeststellung in Anspruch genommen werden können.
2. Das Vorhaben der Klägerin, das Hafenbecken zu verfüllen, darf nach § 68 Abs. 3 WHG als Plan nur festgestellt oder genehmigt werden, wenn (1.) eine Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit, insbesondere eine erhebliche und dauerhafte, nicht ausgleichbare Erhöhung der Hochwasserrisiken oder eine Zerstörung natürlicher Rückhalteflächen, vor allem in Auwäldern, nicht zu erwarten ist und (2.) andere Anforderungen nach diesem Gesetz oder sonstigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften erfüllt werden.
Darüber hinaus bedarf der Plan der Rechtfertigung. Die Planrechtfertigung ist ein ungeschriebenes Erfordernis jeder Fachplanung und eine Ausprägung des Prinzips der Verhältnismäßigkeit staatlichen Handelns, das mit Eingriffen in private Rechte verbunden ist. Eine (hoheitliche) Planung findet ihre Rechtfertigung nicht schon in sich selbst; sie ist vielmehr für die jeweils konkrete Planungsmaßnahme rechtfertigungsbedürftig. Die Planrechtfertigung dient dem Zweck, nicht mit den Zielen des jeweiligen Fachplanungsrechts im Einklang stehende Vorhaben bereits auf einer der Abwägung vorgelagerten und der vollen gerichtlichen Überprüfung unterliegenden Stufe auszuscheiden. Sie stellt eine praktisch nur bei groben und einigermaßen offensichtlichen Missgriffen wirksame Schranke der Planungshoheit dar. Nicht planerisch gerechtfertigt ist ein Vorhaben, von dem feststeht, dass sich auch die Null-Variante als ebenso sinnvoll oder noch zweckmäßiger erweisen würde (OVG Lüneburg, Urteil vom 31.01.2017 – 7 KS 97/16 –, juris Rn. 44 – 48). Das Erfordernis ist erfüllt, wenn für das beabsichtigte Vorhaben gemessen an den Zielsetzungen des jeweiligen Fachplanungsgesetzes ein Bedarf besteht, die geplante Maßnahme unter diesem Blickwinkel also erforderlich ist. Das ist nicht erst bei Unausweichlichkeit des Vorhabens der Fall, sondern wenn es vernünftigerweise geboten ist und gilt auch bei privatnützigen Planfeststellungen (BVerwG, Urteil vom 26.04.2007 – 4 C 12/05 –, juris Rn. 45).
Zur Planrechtfertigung kann die Klägerin nicht darauf verweisen, dass für das wasserrechtliche (und zudem privatnützige) Planfeststellungsverfahren die Besonderheit gilt, dass eine Planrechtfertigung nicht Rechtmäßigkeitsvoraussetzung eines Planfeststellungsbeschlusses sein kann. Die Auffassung stützt sich darauf, dass die Bestimmungen des Wasserhaushaltsrechts nicht nur vorhabenorientiert, sondern vielfach allein schutzgutbezogen sind. Wasserrechtliche Planfeststellungsverfahren können sich deshalb oftmals allein daraus rechtfertigen, den Zweck des Wasserhaushaltsgesetzes (§ 1 WHG) sicherzustellen, um durch eine nachhaltige Gewässerbewirtschaftung die Gewässer als Bestandteil des Naturhaushalts, als Lebensgrundlage des Menschen, als Lebensraum für Tiere und Pflanzen sowie als nutzbares Gut in Bezug auf ein gegenläufiges, nicht wasserrechtlich intendiertes Vorhaben zu schützen (vgl. BVerwG, Urteil vom 10.02.1978 – IV C 25.75 –, juris Rn. 18). Wird ein solches Ziel aber nicht verfolgt, etwa bei der teilweisen Verfüllung eines Gewässers zum Zwecke der Gewinnung von Land, welches wiederum unterschiedlichsten Zwecken, z.B. dem Verkehr, zugeführt werden kann, muss eine Planrechtfertigung (wohl) gegeben sein (VG Hamburg, Urteil vom 12.07.2010 – 15 K 3396/08 –, juris Rn. 79: Mühlenberger Loch).
Selbst wenn die Kammer für eine Planrechtfertigung die Absicht der Klägerin, Land zu gewinnen, als ausreichend erachtet, fehlt die Rechtfertigung, weil die Klägerin eine nicht gerechtfertigte „Vorratsplanung“ wünscht. Anders als die Fälle, in denen die wasserrechtliche Planfeststellung entweder selbst das mit dem Gewässerausbau verfolgte Ziel realisiert oder im Zusammenhang mit einer anderen gemeinsamen Behördenentscheidung (im Falle des Mühlenberger Lochs mit einer Planfeststellung nach LuftVG) steht, beabsichtigt die Klägerin nicht lediglich den Gewässerausbau, sondern im Ziel die Bebauung der bisherigen Gewässerfläche. Die Verfüllung des Hafenbeckens kann dazu nur ein Zwischenziel sein, wenn die Klägerin überhaupt Gebrauch von der begehrten Planfeststellung machen will, bevor die Bebauungsplanung der Landeshauptstadt ihr entgegen kommt. Jedem Gesetzeszweck zu planerischen Festsetzungen immanent ist, dass eine „Vorratsplanung“ ohne erkennbaren Realisierungsgrad zu unterbinden ist (BVerwG, Urteil vom 18.07.2013 – 7 A 4/12 –, juris Rn. 55; Urteil vom 18.03.2009 – 9 A 31/07 –, juris Rn. 27; BVerwG, Urteil vom 21.10.2009 – 9 C 9/08 –, juris Rn. 11). Der Gesichtspunkt der Vorzeitigkeit einer planerischen Entscheidung verlangt schon nach allgemeinen fachplanungsrechtlichen Grundsätzen Beachtung und soll verhindern, dass mit zunehmendem zeitlichen Abstand vom Zeitpunkt der planerischen Entscheidung deren tatsächliche Grundlagen angreifbar werden (BVerwG, Urteil vom 20.04. – 4 C 18/03 –, juris 29; Urteil vom 21.10.2009 – 9 C 9/08 –, juris Rn. 11).
Nach § 70 Abs. 1 Hs. 2 WHG i. V. m. § 75 Abs. 4 VwVfG tritt ein Planfeststellungsbeschluss nach § 68 WHG außer Kraft, wenn nicht innerhalb von fünf Jahren nach Eintritt der Unanfechtbarkeit mit seiner Durchführung begonnen wird. Der Gesetzgeber erwartet deshalb innerhalb dieser Frist eine Realisierung des Planes. Die ist im Fall der Klägerin, bezogen auf das Ziel des Gewässerausbaus, die Landgewinnung für eine Bebauung nach Bauleitplanung der Landeshauptstadt, ausgeschlossen. Mit Schreiben vom 22.12.2017 hat die Landeshauptstadt der Beklagten mitgeteilt, dass sie die 2014 erwogenen Pläne zur Erweiterung des Gewerbe-/Industriegebiets am E. er Hafen fallen gelassen hat. Die Erwartung der Klägerin, dass die Landeshauptstadt ihre Meinung wieder ändern und wieder eine Bauleitplanung für ihr Gebiet in Angriff nehmen könne, ist vollkommen spekulativ und durch keine Tatsachen gestützt.
Ob auch artenschutzrechtliche Bedenken einer Planfeststellung entgegen stehen, lässt das Gericht offen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 und § 711 Satz 1 und 2 ZPO.