Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 10.10.2019, Az.: 2 A 876/19

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
10.10.2019
Aktenzeichen
2 A 876/19
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2019, 69539
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Entscheidung ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Rückforderung überzahlter Bezüge.

Der Kläger ist Volljurist und steht im Beamtenverhältnis auf Lebenszeit im Dienst der Beklagten. Er verrichtet seinen Dienst im Statusamt eines Städtischen Leitenden Direktors in der Besoldungsgruppe B 2 nach dem NBesG. Bis zum 02. Juli 2018 war er Leiter des Geschäftsbereichs des Oberbürgermeisters. In der Zeit von April 2015 bis Oktober 2015 erhielt er monatlich eine Pauschalvergütung für geleistete Mehrarbeit in Höhe von rund 40 Stunden pro Monat von zusammen 7.449,00 € brutto. Dies entspricht einem monatlichen Überweisungsbetrag von rund 1.050,00 €. Ab November 2015 bis Mai 2018 bekam der Kläger eine Zulage in Höhe des Differenzbetrages von der Besoldungsgruppe B 2 nach B 5 von monatlich rund 1.350,00 €.

Insgesamt überwies die Beklagte 49.522,65 € an den Kläger als Mehrarbeitsvergütungspauschale bzw. als Zulage in Höhe des Differenzbetrages von B 2 nach B 5. In den Verdienstabrechnungen ist die Pauschale für die Mehrarbeitsvergütung bzw. die Zulage als sogenannte Besoldungsergänzung (Lohnart 517) ausgewiesen.

Mit Schreiben vom 08. Oktober 2018 hörte die Beklagte den Kläger zu der beabsichtigten Rückforderung von 49.522,65 € an; der Kläger äußerte sich nicht.

Mit Bescheid vom 27. November 2018, der Prozessbevollmächtigten des Klägers am 29. November 2018 zugestellt, forderte die Beklagte vom Kläger überzahlte Dienstbezüge in Höhe von 49.522,65 € brutto zurück. Zugleich gewährte die Beklagte dem Kläger aus Billigkeitsgründen die Rückzahlung in Form von Ratenzahlungen in Höhe von monatlich 1.300,00 € und erklärte die Aufrechnung gegen den laufenden Besoldungsanspruch des Klägers. Weder für die Pauschale noch für die Zulage gebe es einen Rechtsgrund. Der Kläger könne sich aufgrund einer verschärften Haftung auch nicht auf den Wegfall der Bereicherung berufen; denn mit seiner juristischen Vorbildung hätte ihm das Fehlen des Rechtsgrundes bekannt sein müssen.

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 02. Januar 2019 über seine Prozessbevollmächtigte Widerspruch ein. Dieser wurde von Rechtsanwältin D., aus dem Büro der Prozessbevollmächtigten, unterzeichnet und eingereicht. Auf dem Schreiben befand sich der Hinweis: "RA´in Dr. E. ist in der Zeit vom 27.12.2018 bis einschließlich 04.01.2019 im Urlaub".

Mit Widerspruchsbescheid vom 14. Januar 2019, bei der Prozessbevollmächtigten des Klägers am 16. Januar 2019 eingegangen, wies die Beklagte den Widerspruch wegen Verfristung als unzulässig zurück. Die Bekanntgabe des Rückforderungsbescheids sei per Zustellungsurkunde durch Einlegen des Schriftstücks in den zu den Kanzleiräumen der Prozessbevollmächtigten des Klägers zugehörigen Briefkasten am 29. November 2018 erfolgt. Somit sei die gesetzliche Widerspruchsfrist am 31. Dezember 2018 abgelaufen. Der Widerspruch des Klägers sei jedoch erst am 02. Januar 2019 und damit verspätet bei der Beklagten eingegangen.

Mit Schreiben vom 16. Januar 2019, welches bei der Beklagten am selben Tag einging, beantragte der Kläger bei der Beklagten die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit folgender Begründung: Seine Prozessbevollmächtigte habe am 28. Dezember 2018 ihren letzten Arbeitstag für das Jahr 2018 in der Kanzlei gehabt. Im Laufe des Vormittags sei es ihr aufgrund einer Viruserkrankung so schlecht gegangen, dass sie von ihrem Mann habe abgeholt werden müssen. Zuvor habe sie ihre ausgebildete, stets zuverlässig und sorgfältig arbeitende Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte mündlich dazu angewiesen, den von ihr diktierten Widerspruch zu schreiben, von der noch anwesenden Kollegin D. unterzeichnen zu lassen und ihn an die Beklagte zu faxen. Da es auch für die Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte der letzte Arbeitstag gewesen sei, habe diese noch diverse Aufgaben und Verfügungen zu erledigen gehabt und sei so über die Ausführung der aufgetragenen Arbeiten hinweggekommen. In der Tätigkeitszeit dieser Rechtsanwalts- und Notarfachangestellten sei es in der Kanzlei noch nie zu einer Fristversäumnis gekommen. Seine Prozessbevollmächtigte habe demnach keinen Anlass gehabt, an der fristgerechten Umsetzung des Widerspruches zu zweifeln. Die organisatorischen Abläufe würden in der Kanzlei durch Führung eines Fristenkalenders sichergestellt, in welchen alle Rechtsbehelfs- und Rechtsmittelfristen eingetragen würden. Um die Fristen für die Rechtsbehelfe kontrollieren zu können, würden auch Vorfristen notiert. Die Prozessbevollmächtigte des Klägers kontrolliere die Fristen täglich. Die Vorfrist für den vorliegenden Fall sei auf den 24. Dezember 2018 notiert gewesen, der tatsächliche Ablauf auf den 31. Dezember 2018. Am 31. Dezember 2018 sei die Erreichbarkeit der Kanzlei durch eine Rufbereitschaft sichergestellt gewesen. Zur Glaubhaftmachung dieser Angaben hat die Prozessbevollmächtigte eine eidesstattliche Versicherung ihrer Mitarbeiterin und ihres Mannes, sowie die Seiten aus dem Fristenkalender für den 21. Dezember, den 24. Dezember, den 28. Dezember und den 31. Dezember 2018 vorgelegt.

Mit Schreiben vom 07. Februar 2019 begründete der Kläger seinen Widerspruch. Bei ihm seien im Jahr Überstunden in Höhe von 1.460 Stunden angefallen. Es gehe bei einer auf Dauer angelegten Zusatzarbeit in dieser Größenordnung nicht um den Ausgleich rechtmäßiger Mehrarbeit, sondern um einen Ersatzanspruch wegen rechtswidriger Zuvielarbeit. Er habe einen unionsrechtlichen Haftungsanspruch gegen die Beklagte, da seine wöchentliche Arbeitszeit entgegen Artikel 6 Buchst. B RL 2003/88/EG 48 Stunden übersteige und diese Zuvielarbeit nicht durch Freizeitausgleich kompensiert werden könne. Des Weiteren habe er einen Anspruch auf Zulagenzahlung, da ihm auf Dauer Aufgaben übertragen wurden seien, die eigentlich nach B 5 zu besolden seien. Dabei handele es sich um eine dauerhafte Entkopplung von Status und Funktion. Auch habe er nach den ihm bekannten Umständen bis zur Intervention der Kommunalaufsichtsbehörde am 28. Mai 2018 darauf vertrauen dürfen, dass die rechtlichen Bedenken der Personalstelle im Einvernehmen mit dem Innenministerium ausgeräumt worden seien. Die Beklagte habe schlussendlich auch keinen Schaden erlitten. Die von ihm geleistete Mehrarbeit hätte, wäre keine Mehrarbeitsvergütung geleistet, sondern Freizeitausgleich gewährt worden, anderweitig von einem nach B 2 besoldeten Mitarbeiter erledigt werden müssen.

Mit Schreiben vom 11. März 2019 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ab. Die Prozessbevollmächtigte des Klägers habe nicht alles Erforderliche zur Vermeidung des Fristversäumnisses getan und sei deshalb nicht ohne Verschulden im Sinne des § 60 Abs. 1 i.V.m. § 70 Abs. 2 VwGO verhindert gewesen, die Widerspruchsfrist einzuhalten. Die Prozessbevollmächtigte des Klägers habe die Vorfrist auf den 24. Dezember 2018, also am Heiligabend, in den Fristenkalender eingetragen. Der tatsächliche Firstablauf sei für den 31. Dezember 2018 in den Fristenkalender eingetragen worden. An diesem Tag sei die Kanzlei jedoch nur in Rufbereitschaft gewesen, es sei niemand anwesend gewesen, der die Einhaltung der First habe kontrollieren können. Somit seien die eingetragenen Fristen ins Leere gegangen und kein geeignetes Mittel gewesen, deren Einhaltung sicherzustellen. Vielmehr hätte die ablaufende Widerspruchsfrist auf den letzten Arbeitstag vor dem Urlaub der Prozessbevollmächtigten im Fristenkalender notiert werden müssen. Die von der Prozessbevollmächtigten des Klägers vorgetragenen Umstände seien zudem auf den 28. Dezember 2018 begrenzt gewesen, sodass ein fristgerechtes Absenden des Widerspruchs bis zum 31. Dezember 2018 bei ordnungsgemäßer Fristenkontrolle noch möglich gewesen wäre.

Mit der bereits am 18. Februar 2019 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er macht seine Ausführungen aus dem an das Landgericht A-Stadt gerichteten Schriftsatz vom 25. Juni 2019 zum Gegenstand des Verfahrens.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 27. November 2018 und deren Widerspruchsbescheid vom 14. Januar 2019 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung führt die Beklagte an, der Widerspruch des Klägers sei verspätet eingelegt und damit zu Recht als unzulässig zurückgewiesen worden. Der Rückforderungsbescheid sei mithin bestandskräftig. Hilfsweise führt die Beklagte an, dass der Kläger weder einen Anspruch auf eine pauschale Mehrarbeitsvergütung noch auf eine Zulage in Höhe des Differenzbetrages zwischen B 2 und B 5 Besoldung habe. Ein unionsrechtlicher Haftungsanspruch gegenüber der Beklagten bestehe nicht; sie habe gerade keine Mehrarbeit des Klägers angeordnet. Diese habe der Kläger ohne Anordnung und Genehmigung geleistet. Der Kläger habe auch zu keinem Zeitpunkt rechtswidrige Zuvielarbeit gerügt. Zudem sei es nicht zu einer Entkopplung von Amt und Funktion gekommen. Es gäbe ab der Besoldungsgruppe B 3 kein Amt und keine Funktion auf kommunaler Ebene, die auf einen Laufbahnbeamten übertragen werden könne. Der Kläger hafte verschärft, da er als Volljurist hätte erkennen müssen, dass ihm nach geltendem Recht keine Ansprüche auf die überzahlten Bezüge zustünden. Eine Aufrechnung mit seinen monatlichen Bezügen in Höhe von 1.300 € sei angemessen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

Die Anfechtungsklage hat keinen Erfolg. Sie ist bereits unzulässig.

Der Kläger hat kein ordnungsgemäßes Widerspruchsverfahren durchgeführt, da der von ihm gegen den Bescheid vom 27. November 2018 erhobene Widerspruch nicht fristgerecht war. Ein wegen Versäumung der Widerspruchsfrist unzulässiger Widerspruch bewirkt im Fall der späteren Klagerhebung auch deren Unzulässigkeit. Die Wahrung der Widerspruchsfrist ist grundsätzlich im gerichtlichen Verfahren eine von Amts wegen zu prüfende Zulässigkeitsvoraussetzung der Anfechtungsklage (vgl. BVerwG, Beschluss vom 02. November 2011 - 3 B 54/11 -, juris Rn. 5; BVerwG, Urteil vom 09. Dezember 1988 - 8 C 38.86 -, juris Rn. 8).

Nach § 54 Abs. 2 S. 1 BeamtStG ist für alle Klagen von Beamten aus dem Beamtenverhältnis ein Vorverfahren nach den Vorschriften des 8. Abschnitts der VwGO durchzuführen. Gemäß § 69 VwGO beginnt das Vorverfahren mit der Erhebung des Widerspruchs. Dieser muss nach § 70 Abs. 1 S. 1 VwGO innerhalb eines Monats, nachdem der Verwaltungsakt dem Beschwerten bekanntgegeben worden ist, erhoben werden.

Die Monatsfrist ist vorliegend nicht eingehalten worden. Der Prozessbevollmächtigten des Klägers war der, mit einer ordnungsgemäßen Rechtsmittelbelehrung versehene, Bescheid der Beklagten vom 27. November 2018 am 29. November 2018 zugestellt worden. Damit begann die Widerspruchsfrist gemäß § 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 ZPO i.V.m. § 187 Abs. 1 BGB am 30. November 2018 zu laufen und endete gemäß § 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 ZPO i.V.m. § 188 Abs. 2 BGB grundsätzlich am 29. Dezember 2018. Da es sich bei diesem Tag jedoch um einen Sonnabend handelte, verschob sich das Fristende gemäß § 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 ZPO i.V.m. § 193 BGB auf den darauffolgenden Werktag, mithin auf Montag, den 31. Dezember 2018. Da der 31. Dezember nach ständiger Rechtsprechung kein gesetzlicher Feiertag ist, findet auf ihn die Vorschrift des § 222 ZPO bzw. § 193 BGB keine Anwendung (vgl. BFH, Beschluss vom 20. März 2018 - III B 135/17 -, juris Rn. 8). Die Ein-Monats-Frist des § 70 Abs. 1 S. 1 VwGO endete somit am Montag, den 31. Dezember 2018. Der Widerspruch ist bei der Beklagten jedoch erst am 02. Januar 2019 und damit verspätet eingegangen.

Dem Kläger war auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß §§ 60 Abs. 1, 70 Abs. 2 VwGO zu gewähren.

Demnach ist einem Widerspruchsführer, der ohne Verschulden verhindert war, die Widerspruchsfrist einzuhalten, auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Es ist dem Kläger nicht gelungen glaubhaft zu machen, dass er ohne Verschulden verhindert war, die gesetzliche Widerspruchsfrist einzuhalten.

Dem Kläger ist ein Verschulden seiner Prozessbevollmächtigten zuzurechnen. Dies folgt aus § 85 Abs. 2 ZPO, der nach § 173 VwGO auch im Verwaltungsprozess entsprechende Anwendung findet (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. Mai 2010 - 7 B 18/10 -, juris Rn. 4 m.w.N.). Dagegen muss sich der Kläger nicht das Verschulden einer mit der erforderlichen Sorgfalt ausgewählten und angeleiteten Hilfsperson seines Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 06. August 1997 - 4 B 124/97 -, juris). Grundsätzlich darf ein Rechtsanwalt einer hinreichend geschulten und überwachten Bürokraft zwar die Übermittlung eines fristgebundenen Schriftsatzes überlassen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. April 2008 - 4 B 48/07 -, juris, Rn. 2 m.w.N.). Der Rechtsanwalt muss dann aber für eine geeignete Büroorganisation, die eine hinreichende Fristenkontrolle sicherstellt, sorgen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. November 2004 - 5 B 105/04 -, juris). Entscheidend ist, ob die vom Anwalt allgemein oder im konkreten Fall gegebenen Anweisungen nach Maßgabe der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt ausreichen, den rechtzeitigen Zugang des Schriftstücks beim Empfänger sicherzustellen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. April 2008, a.a.O.). Dabei ist der Rechtsanwalt verpflichtet Vorkehrungen zu treffen, die gewährleisten, dass Fristen richtig berechnet werden und der Fristenlauf zuverlässig überwacht wird. Zu diesem Zweck muss er Vorkehrungen treffen, die gewährleisten, dass zusätzlich eine Vorfrist notiert wird, die eine angemessene Zeit vor Ablauf der Hauptfrist endet. Bei Fristen muss der Rechtsanwalt zudem dafür Sorge tragen, dass er eventuellen Unregelmäßigkeiten und Zwischenfällen vor Fristablauf Rechnung tragen kann. Die Fristen müssen so in den Kalender eingetragen werden, dass sie eine fristgemäße Bearbeitung des Widerspruchsverfahrens ermöglichen und eventuelle Urlaubszeiten berücksichtigen. Auch entspricht es anwaltlicher Vorsorge, bei bevorstehenden Feiertagen und Urlaub bereits vorzeitig fristwahrend Widerspruch einzulegen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Februar 2008 - 2 B 6/08 -; BVerwG, Beschluss vom 3. Dezember 2002 - BVerwG 1 B 429.02 -, beide juris).

In der Rechtsprechung ist zwar anerkannt, dass angesichts des Anspruchs auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes die Anforderungen an eine Wiedereinsetzung nicht überspannt werden dürfen und eine Frist im Interesse des Rechtsschutz suchenden Bürgers bis zuletzt ausgeschöpft werden darf. Allerdings führt ein volles Ausnutzen der Frist dazu, dass eine "erhöhte Sorgfaltspflicht" für die Fristwahrung entsteht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. Mai 2010, a.a.O.).

Bei Anlegung dieser Maßstäbe hat die Prozessbevollmächtigte des Klägers nicht alles ihrerseits Erforderliche zur Fristwahrung getan und somit gegen die im Verkehr erforderliche Sorgfalt verstoßen.

Vorliegend entspricht bereits die auf den 24. Dezember 2018, also Heiligabend, eingetragene Vorfrist wegen des damit verbundenen regelmäßig eingeschränkten Bürobetriebs nicht den gebotenen Sorgfaltsanforderungen. Denn an diesem Tag hat nach Angaben der Prozessbevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung niemand in der Kanzlei gearbeitet. Folglich konnte auch keine Kontrolle der Vorfrist stattfinden.

Zudem sind die Sorgfaltsanforderungen an eine wirksame Ausgangskontrolle fristwahrender Schriftsätze nicht gewahrt, weil die im Fristenkalender eingetragene Hauptfrist auf den 31. Dezember 2018 notiert wurde, obgleich an diesem Tag die Erreichbarkeit der Kanzlei nur durch eine Rufbereitschaft sichergestellt war. Die Erledigung der fristgebundenen Sachen muss aber am Abend eines jeden Arbeitstages anhand des Fristenkalenders von einer dazu beauftragten Bürokraft überprüft werden (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Januar 2012 - VI ZB 11/11 -, juris, Rn. 9 m.w.N.). Es war nach dem Vorbringen der Prozessbevollmächtigten des Klägers am Tag des Fristablaufs niemand vor Ort, der die Einhaltung der Fristen hätte kontrollieren können. Dies kommt in den Auswirkungen einem Sachverhalt gleich, bei dem ein Fristeneintrag gänzlich fehlt.

Das oben Gesagte gilt umso mehr, als die Prozessbevollmächtigte des Klägers ausweislich eines Hinweises auf dem Widerspruchsschreiben vom 02. Januar 2019 sich in der Zeit vom 27. Dezember 2018 bis zum 04. Januar 2019 im Urlaub befinden sollte. Da der 25. und 26. Dezember 2018 Feiertage sind und am 24. Dezember 2018 laut Angaben der Prozessbevollmächtigten niemand in der Kanzlei gearbeitet hatte, wäre der 23. Dezember 2018 der für sie letzte mögliche Bearbeitungstermin gewesen. Auf diesen Tag hätte daher die Hauptfrist eingetragen werden müssen. Dies gilt selbst dann, wenn die Prozessbevollmächtigte entgegen der Urlaubsankündigung schon bei Eintragung der Fristen beabsichtigt hätte, am 28. Dezember 2018 die Kanzlei aufzusuchen. In diesem Fall hätte die Hauptfrist nicht auf den 31. Dezember 2018, sondern spätestens auf den letzten von ihr geplanten Arbeitstag des Jahres 2018, nämlich den 28. Dezember 2018, in den Fristenkalender eingetragen werden müssen.

Die Prozessbevollmächtigte des Klägers hat keine Tatsachen über die Handhabung zur Einhaltung der an arbeitsfreien oder arbeitszeitreduzierten Tagen eingetragenen Fristabläufe vorgetragen, die eine andere Bewertung der Sorgfaltspflichten rechtfertigen könnten. Es ist für das Gericht nicht erkennbar, durch welche organisatorischen Maßnahmen der Fristenkontrolle ein Einhalten der für den 24. Dezember und insbesondere den 31. Dezember 2018 eingetragenen Fristen möglich war. Bei einer ordnungsgemäßen Überprüfung der eingetragenen Fristen hätte auffallen müssen, dass die Fristen an Tagen notiert waren, an denen feststand, dass die Kanzlei gar nicht besetzt sein würde. Die einzige Maßnahme zur Fristwahrung war somit im vorliegenden Fall die am 28. Dezember 2018 erteilte Anweisung an die Rechtsanwalt- und Notarfachangestellte, den Widerspruch zu schreiben, von der anwesenden Kollegin unterschreiben zu lassen und der Beklagten zuzufaxen.

Auch die von der Prozessbevollmächtigten vorgetragene Erkrankung am 28. Dezember 2018 führt hier zu keiner anderen Bewertung der Sachlage.

Ein Rechtsanwalt muss grundsätzlich organisatorische Vorkehrungen für den Fall einer Erkrankung treffen. Zwar kann ein Fristversäumnis aufgrund plötzlich auftretender, nicht vorhersehbarer Erkrankungen auch unverschuldet sein (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 24. Februar 2015 - 16 A 2613/14.A -, juris Rn. 6). Vorliegend beschränkte sich die Erkrankung auf den 28. Dezember 2018. Es wäre bei ordnungsgemäßer Überwachung der Fristen und entsprechender Organisation der Fristenkontrolle noch bis zum 31. Dezember 2018 möglich gewesen, fristgerecht Widerspruch einzulegen. Die Prozessbevollmächtigte befindet sich zudem in einer Anwaltsgemeinschaft mit weiteren Anwälten, von denen zum Zeitpunkt des Auftretens der Krankheit zumindest noch die Kollegin D. im Büro anwesend war. Es wäre daher geboten gewesen, die anwesende Rechtsanwaltskollegin um die Überprüfung der noch offenen Fristen zu bitten.

Der Annahme eines schuldhaften Fristversäumnisses steht auch der Vortrag der Prozessbevollmächtigten des Klägers nicht entgegen, sie habe ihrer zuverlässig und sorgfältig arbeitenden Rechtsanwaltsfachangestellten aufgetragen, den von ihr zuvor diktierten Widerspruch abzutippen, von der Kollegin unterschreiben zu lassen und an die Landeshauptstadt Hannover zu faxen.

Nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung darf ein Anwalt zwar, wenn er einer bisher zuverlässigen und fachlich qualifizierten Kanzleikraft eine konkrete mündliche Einzelanweisung über die rechtzeitige Übermittlung eines fristwahrenden Schriftsatzes aufgibt, grundsätzlich darauf vertrauen, dass diese auch befolgt werde. Wenn jedoch die Einzelanweisung - wie hier - einen solch wichtigen Vorgang wie die Wahrung einer Widerspruchsfrist betrifft und sie nur mündlich erteilt worden ist, müssen in der Kanzlei ausreichende organisatorische Vorkehrungen dagegen getroffen worden sein, dass die Anordnung im Drange der Geschäfte nicht in Vergessenheit gerät und die Frist dadurch versäumt wird (BGH, Beschluss vom 22. Juni 2004 - VI ZB 10/04 -, juris, Rn. 4 m.w.N.) Wenn nicht unmissverständlich die sofortige Versendung angeordnet worden ist, sondern der Kanzleikraft - wie hier - ein Spielraum von mehreren Stunden zur Erledigung der aufgetragenen Arbeit eingeräumt wurde, bedeutet das Fehlen jeder Sicherung einen Organisationsmangel (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. März 2015 - 9 B 65/14 -, juris Rn. 4; BGH, Beschluss vom 22. Juni 2004, a.a.O.).

Diese oben dargelegten Grundsätze wurden von der Prozessbevollmächtigten des Klägers nicht eingehalten. Sie trägt keinerlei organisatorische Vorkehrungen vor, die hätten verhindern können, dass ihre Anweisung vom 28. Dezember 2018 nicht in Vergessenheit geriet. Dies gilt vorliegend insbesondere auch deshalb, weil es sich bei dem 28. Dezember 2018 auch um den letzten Arbeitstag für ihre Mitarbeiterin im Jahre 2018 gehandelt hat. Gerade an einem solchen Tag fallen für die Rechtsanwaltsfachangestellten viele verschiedene andere Aufgaben und Verfügungen an, die zu erledigen sind. Schon deshalb hätte es im vorliegenden Fall einer gesonderten Absicherung bedurft, dass die Anweisung auch ausgeführt wird. Eine solche Absicherung hätte z.B. durch einen Vermerk in den Fristenkalender am 28. Dezember 2018, welcher erst nach Erledigung zu löschen gewesen wäre, erfolgen können.

Das Gericht nimmt obiter dictum Stellung zur Begründetheit der Klage.

Die Klage ist auch unbegründet. Der Rückforderungsbescheid der Beklagten vom 27. November 2018 und deren Widerspruchsbescheid vom 14. Januar 2019 sind rechtmäßig.

Nach § 19 Abs. 2 S.1 NBesG regelt sich die Rückforderung zu viel gezahlter Bezüge nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung, soweit - wie hier - gesetzlich nichts anders bestimmt ist. Bezüge sind dann zu viel gezahlt, wenn sie ohne rechtlichen Grund geleistet wurden. Die Voraussetzungen für eine Rückforderung nach § 19 Abs. 2 S. 1 NBesG liegen vor.

Bei den an den Kläger im Zeitraum vom April 2015 bis Mai 2018 geleisteten Zahlungen in einer Gesamthöhe von 49.522,65 € handelt es sich um zu viel gezahlte Bezüge im Sinne des § 2 NBesG. Gem. § 2 Abs. 2 Nr. 5 NBesG gehört die Vergütung zu den Dienstbezügen. In den Verdienstabrechnungen ist die Pauschale für die Mehrarbeitsvergütung bzw. die Zulage als sogenannte Besoldungsergänzung (Lohnart 517) ausgewiesen. Eine Besoldungsergänzung ist ein Bestandteil der Vergütung.

Die Zahlungen sind auch ohne rechtlichen Grund erfolgt.

Als rechtlicher Grund für die Zahlung von Besoldung kann nur ein formelles Gesetz in Betracht kommen. Dies ergibt sich aus § 2 Abs. 1 u. Abs. 2 S. 1 NBesG. Aus § 2 Abs. 1 NBesG geht hervor, dass die Besoldung der Beamtinnen, Beamten, Richterinnen und Richter durch Gesetz geregelt wird. Nach § 2 Abs. 2 S. 1 NBesG sind Zusicherungen, Vereinbarungen und Vergleiche, die der Beamtin, dem Beamten, der Richterin oder dem Richter eine höhere als die ihr oder ihm gesetzlich zustehende Besoldung verschaffen soll, unwirksam. Dieser Vorbehalt des Gesetzes für die Besoldung und Versorgung von Beamten und Richtern zählt im Wesentlichen zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums (vgl. Blissenbach, Kommentar zum Besoldungsrecht Niedersachsen, Stand: August 2019, § 3 Rn. 3)

Als rechtlicher Grund kommt hier nicht die Zahlung einer Mehrarbeitsvergütung nach § 47 Abs. 1 NBesG i.V.m. § 60 Abs. 3 S. 3 NBG in Betracht. Gem. § 47 Abs.1 NBesG kann eine Mehrarbeitsvergütung nach § 60 Abs. 3 S. 3 NBG nur für messbare Mehrarbeit und nur nach Maßgabe der Absätze 2 bis 8 gewährt werden. Nach § 60 Abs. 3 S. 3 NBG können, wenn die Dienstbefreiung aus zwingenden dienstlichen Gründen nicht möglich ist, an ihrer Stelle Beamtinnen und Beamten in Besoldungsgruppen mit aufsteigender Besoldung eine Mehrarbeitsvergütung erhalten.

Der Kläger befindet sich nicht in einer Besoldungsgruppe mit aufsteigender Besoldung. Denn die Besoldungsgruppe B sieht, anders als die Besoldungsgruppe A, keinen Besoldungsaufstieg vor. Vielmehr ist in der Besoldungsgruppe B eine etwaige Mehrarbeit schon von vornherein mit eingepreist.

Bei den zurückgeforderten Zahlungen handelt es sich auch weder um Zulagen für die vorübergehende Wahrnehmung von Aufgaben eines höherwertigen Amtes im Sinne des § 44 NBesG noch um Zulagen bei befristeter Übertragung herausgehobener Funktionen nach § 45 NBesG. Der Kläger trägt hier schon nicht substantiiert vor, dass ihm Aufgaben eines höherwertigen Amtes oder herausgehobene Funktionen förmlich übertragen worden seien; zudem fehlt es am Merkmal „vorübergehend“.

Als rechtlicher Grund kommt zudem weder der europarechtliche Ersatzanspruch für rechtswidrige Zuvielarbeit noch der Ersatzanspruch wegen Verletzung der beamtenrechtlichen Vorgaben in Betracht.

Das Gericht lässt offen, ob der Kläger einen dieser Ersatzansprüche hat. Denn selbst wenn einer dieser Ersatzansprüche bestehen würde, könnte dieser nicht als tauglicher Rechtsgrund für die Zahlung von Bezügen dienen. Wie oben bereits dargestellt, kommt als Rechtsgrund für eine Besoldungszahlung nur ein formelles Gesetz in Betracht. Bei diesen Ersatzansprüchen handelt es sich nicht um formelle Gesetze; denn diese Ersatzansprüche beruhen nicht auf einem Parlamentsgesetz.

Selbst wenn der Kläger tatsächlich einen Ersatzanspruch hätte, wäre vor dem Hintergrund des genannten Gesetzesvorbehalts eine Saldierung des Rückforderungsbetrags mit dem Ersatzanspruch nicht möglich. Anderenfalls könnte der Gesetzesvorbehalt unterwandert werden. Eine Saldierung ist demnach nur zwischen verschiedenen Bestandteilen von Bezügen im Sinne des § 2 Abs. 2 u. 3 NBesG möglich. Z.B. kann eine Überzahlung beim Familienzuschlag mit einer Nachzahlung einer Zulage saldiert werden. Nicht saldiert werden kann, wenn sich beispielsweise Beihilfe und Trennungsgeld gegenüberstehen (vgl. Blissenbach, Kommentar zum Besoldungsrecht Niedersachsen, Stand: August 2019, § 19 Rn. 133).

Die von der Beklagten in ihrem Bescheid vom 27. November 2018 getroffene Billigkeitsentscheidung ist rechtlich nicht zu beanstanden.

Nach § 19 Abs. 2 Satz 3 NBesG kann von der Rückforderung aus Billigkeitsgründen mit Zustimmung der obersten Dienstbehörde oder der von ihr bestimmten Stelle ganz oder teilweise abgesehen werden.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 12 Abs. 2 Satz 3 BBesG, der mit dem Wortlaut des § 19 Abs. 2 Satz 3 NBesG identisch ist, bezweckt die Billigkeitsentscheidung eine allen Umständen des Einzelfalles gerecht werdende, für die Behörde zumutbare und für den Beamten tragbare Lösung zu ermöglichen, bei der auch Alter, Leistungsfähigkeit und sonstige Lebensverhältnisse des Herausgabepflichtigen eine maßgebende Rolle spielen (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. April 2012 - 2 C 15/10 -, juris).

Diesen Anforderungen an eine Billigkeitsentscheidung ist die Beklagte in ihrem Bescheid vom 27. November 2018 nachgekommen, indem sie dem Kläger eine Rückzahlung in Form von Ratenzahlung eingeräumt hat. Die Höhe der von der Beklagten eingeräumten Raten von 1.300,00 EUR monatlich ist nicht zu beanstanden. Sie entspricht in etwa der durchschnittlichen monatlichen Überzahlung der zurückgeforderten Dienstbezüge.

Es ist auch rechtlich nicht zu beanstanden, dass die Beklagte den vollen Betrag zurückfordert. Zwar ist auch in den Fällen, in denen ein Beamter - wie vorliegend - noch um die Überzahlung bereichert ist, eine Billigkeitsentscheidung gemäß § 12 Abs. 2 Satz 3 BBesG zu treffen. Ist der unberechtigte Vermögenszuwachs aber noch vorhanden, ist es grundsätzlich nicht unbillig, dass der Beamte den zurückgeforderten Betrag zahlt (OVG Lüneburg, Urteil vom 28. April 2015 - 5 LB 149/14 -, juris m.w.N.).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 709 ZPO.