Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 06.08.1996, Az.: 5 U 122/96

Erwerb der Postulationsfähigkeit durch einen Rechtsanwalt; Konstitutive Wirkung der Aushändigung von Ernennungsurkunden bzw. Zulassungsurkunden

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
06.08.1996
Aktenzeichen
5 U 122/96
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1996, 21407
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:1996:0806.5U122.96.0A

Fundstelle

  • NJW-RR 1997, 566-567 (Volltext mit amtl. LS)

Amtlicher Leitsatz

Rechtsirrtümlich unterbliebene Abholung der Urkunde beim Wechsel der Anwaltszulassung.

Entscheidungsgründe

1

Das zulässige Wiedereinsetzungsgesuch ist nicht begründet.

2

Der Prozessbevollmächtigten des Beklagten fehlte für die wirksame Berufungseinlegung die Postulationsfähigkeit, da sie noch nicht beim Oberlandesgericht Oldenburg zugelassen war, § 78 ZPO.

3

Die dadurch bedingte Nichteinhaltung der Frist zur Einlegung der Berufung erfolgte nicht ohne Verschulden der Bevollmächtigten, das dem Beklagten gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen ist.

4

Ein Rechtsanwalt erwirbt die Postulationsfähigkeit durch die Aushändigung der Zulassungsurkunde (BGH NJW 1992, 2706). Das gilt auch im Fall des Wechsels der Zulassung gemäß § 33 BRAO zum Oberlandesgericht. Auch hier erhält der Rechtsanwalt zunächst eine weitere erforderliche Zulassungsurkunde (vgl. Federich/ Braun, BRAO, 3.Aufl., § 31 Rdn. 4).

5

Ohne Erfolg verweist der Beklagte insoweit auf das Schreiben des Präsidenten des Oberlandesgerichts vom 19.04.1996, in dem es heißt, dass er die Prozessbevollmächtigte "durch Urkunde vom heutigen Tage anderweitig bei dem Oberlandesgericht ... zugelassen habe." Die Schlussfolgerung der Rechtsanwältin, daraus ergebe sich die deklaratorische Natur der Übergabe der Urkunde, beruht auf einem verschuldeten Rechtsirrtum. Nur in ganz engen Grenzen bei Wahrung äußerster zumutbarer Sorgfalt kann ein Rechtsirrtum einen Wiedereinsetzungsgrund bilden (vgl. Zöller/ Stephan, ZPO, 19. Aufl., § 233 Rdn. 23 " Rechtsirrtum "). Dem genügt das Vorgehen der Rechtsanwältin nicht.

6

Bereits in dem folgenden Satz des genannten Schreibens der Justizverwaltung wird sie aufgefordert, sich "wegen der Aushändigung der Urkunde " mit den zuständigen im einzelnen aufgeführten Personen " in Verbindung zu setzen ".

7

Das hat die Rechtsanwältin erst jetzt aus Anlass des zu beurteilenden Verfahrens getan und die Urkunde abgeholt, was ihr durch weiteres Schreiben der Justizverwaltung vom 23.07.1996 u.a. mit der Mitteilung über die nunmehr erfolgte Eintragung in die Liste der zugelassenen Rechtsanwälte bestätigt wurde. Damit hat sie nicht dem Gebot entsprochen, dass ein Rechtsanwalt stets den sichersten Weg gehen muss, um ein rechtsirrtümliches Vorgehen zu vermeiden . Der Verbleib der Zulassungsurkunde bei der Justizverwaltung über Monate vermag das Vorgehen der Prozessbevollmächtigten nicht in einem Licht erscheinen zu lassen, das einen Wiedereinsetzungsgrund stützen könnte.

8

Der Aushändigung von Ernennungs- bzw. Zulassungsurkunden kommt regelmäßig konstitutive Wirkung zu. Etwaigen Zweifeln der Rechtsanwältin, ob dies auch im Verfahren des Wechsels der Zulassung gilt, hätte sie bei der zu fordernden sorgfältigen Berufsausübung nachgehen müssen und die Dinge nicht aufgrund der bloßen eigenen Interpretation des Schreibens der Justizverwaltung einfach auf sich beruhen lassen dürfen.

9

Demgemäß war die Wiedereinsetzung insgesamt mit der Kostenfolge aus § 91 ZPO (vgl. Zöller a.a.O., § 238 Rdn. 11) zurückzuweisen.