Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 21.08.1996, Az.: 2 U 107/96
Wirksamkeit eines versicherungsrechtlichen Leistungsausschlusses für Bandscheibenschädigungen; Vereinbarkeit eines solchen Leistungsausschlusses mit dem Gesetz über Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGBG)
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 21.08.1996
- Aktenzeichen
- 2 U 107/96
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1996, 21419
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:1996:0821.2U107.96.0A
Rechtsgrundlagen
- § 2 Abs. 3 S. 2 AUB 88
- § 9 AGBG
Fundstellen
- VersR 1997, 821 (Volltext mit amtl. LS)
- zfs 1997, 227 (Volltext mit amtl. LS)
Amtlicher Leitsatz
Der Leistungsausschluss gemäß § 2 III 2 AUB 88 (Bandscheibenschädigungen) hält der Inhaltskontrolle nach § 9 AGBG stand.
Entscheidungsgründe
...
Entgegen der Auffassung der Berufung, die ausdrücklich einräumt, dass der Kläger bei seinem Unfall keine wesentliche zusätzliche Schädigung der Bandscheiben erfahren habe, kommt es für das Vorliegen der Voraussetzungen des Leistungsausschlusses gem. § 2 III 2 AUB 88 nicht darauf an, ob bei dem Kläger als Unfallfolge ein dauernder Schmerzzustand eingetreten ist, der ohne den Unfall aufgrund der unfallunabhängigen Bandscheibenschäden voraussichtlich nicht oder jedenfalls nicht in diesem Umfang aufgetreten wäre. Nach § 2 III 2 AUB 88 wird der Versicherungsschutz zunächst grundsätzlich für Bandscheibenschädigungen ausgeschlossen. Der Ausschluss greift nur dann nicht ein, wenn ein Unfall i.S.v. § 1 III AUB 88 die überwiegende Ursache für den eingetretenen Schaden ist. Der Grund für diese Regelung besteht darin, dass Bandscheibenschäden grundsätzlich dem Krankheitsbereich und damit der Krankenversicherung zuzurechnen sind. Wie der Sachverständige in seinem Ergänzungsgutachten vom 25.11.95 dargelegt hat, manifestieren sich degenerative Veränderungen an der Wirbelsäule bei subjektiven vollkommen beschwerdefreien Patienten häufig erst anlässlich einer beliebigen Bewegung. Die dadurch auftretenden Beschwerden werden subjektiv als Unfall erfahren (vgl. auch Grimm, AUB, 2. Aufl., § 2 Rn. 95). Derartige, so genannte "Gelegenheitsursachen" sind nicht geeignet, eine überwiegende Ursächlichkeit des Unfalls zu begründen (OLG Frankfurt r + s 1994, 233; OLG Schleswig r + s 1995, 119; Grimm a.a.O.; Wussow/Pürckhauer, AUB, 6. Aufl., § 2 Rn. 97).
Diese - in Rechtsprechung und Literatur einhellige - Auslegung des § 2 III 2 AUB 88 verstößt entgegen der Ansicht der Berufung auch nicht gegen das AGBG. Die Klausel ist mit § 9 AGBG vereinbar, da sie den Versicherungsnehmer nicht entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. Dies folgt aus der Tatsache, dass der Versicherer in der Unfallversicherung ein berechtigtes Interesse daran hat, Gesundheitsschädigungen die in aller Regel ihre Ursache im Krankheitsbereich haben, vom Versicherungsschutz in der Unfallversicherung auszuschließen. Entgegen der Auffassung der Berufung ist die genannte Klausel auch nicht unklar.
Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie sie ein Versicherungsnehmer bei verständiger Würdigung verstehen muss; versicherungsrechtliche Überlegungen können insoweit berücksichtigt werden, wie sie sich aus dem Wortlaut der Bedingungen für den verständigen Versicherungsnehmer unmittelbar erschließen (z.B. BGH r + s 1996, 169). Für einen verständigen Versicherungsnehmer ist aus dem Wortlaut der Bedingung ohne weiteres erkennbar, dass bei Bandscheibenschädigungen grundsätzlich kein Versicherungsschutz besteht und nur ausnahmsweise Versicherungsleistungen gewährt werden sollen, wenn ein Unfall gem. § 1 III AUB 88, also ein plötzlich von außen auf den Körper wirkendes Ereignis, überwiegend den Schadenseintritt hervorgerufen hat. Für einen verständigen Versicherungsnehmer erschließt sich daraus, dass bei einer erheblich vorgeschädigten Bandscheibe eine bloße, so genannte "Gelegenheitsursache" nicht überwiegende Ursache sein kann, auch wenn der konkret eingetretene Schaden allein auf einem solchen Unfallereignis beruht und die von den vorgeschädigten Bandscheiben ausgehenden Schmerzen erst nach dem Unfall aufgetreten sind oder sich doch zumindest wesentlich verschlimmert haben.