Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 13.08.1996, Az.: 5 U 64/96

Klage auf Rückzahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung für vor Ablauf der Zinsbindung aufgehobene Darlehensverträge; Auflösung eines Darlehensvertrages bei Vorbehalt gegen die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung; Wirksamkeit von Zusatzvereinbarungen; Anhaltspunkte für eine sittenwidrige oder treuwidrige Gestaltung eines Aufhebungsvertrages

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
13.08.1996
Aktenzeichen
5 U 64/96
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1996, 21452
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:1996:0813.5U64.96.0A

Fundstellen

  • EWiR 1996, 925-926 (Volltext mit red. LS u. Anm.)
  • VuR 1997, 14-17 (Volltext mit amtl. LS u. Anm.)
  • WM 1996, 1955-1957 (Volltext mit amtl. LS)
  • ZBB 1996, 387
  • ZIP 1996, 1741-1743 (Volltext mit red. LS)

Amtlicher Leitsatz

Auflösung eines Darlehensvertrages bei Vorbehalt gegen die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung

Tatbestand

1

Die Kläger begehren Rückzahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung für vor Ablauf der Zinsbindung aufgehobene Darlehensverträge

2

Am 17.2.1992 schlossen die Parteien zwei durch Grundschulden abgesicherte Darlehensverträge mit einem Gesamtvolumen von je 120.000,- DM, die mit 8,75 % p. a. - anfänglicher effektiver Jahreszins 9,12 % - bzw. 9,10 % p. a. - anfänglicher effektiver Jahreszins 9,50 % - bis zum 30.09.2002 bzw. 30.09.1997 fest zu verzinsen waren.

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Auf die von den Klägern gewünschte vorzeitige Auflösung der Darlehensverträge übersandte die Beklagte ihnen eine entsprechende Zusatzvereinbarung vom 23.3.1995, in der sie dafür eine Vorfälligkeitsentschädigung von 19.392,21 DM berechnete. Die Kläger unterschrieben am 26.3.1995 diese Vereinbarung und gaben sie der Beklagten am 27.3.1995 mit einem Anschreiben von diesem Tag zurück, in dem es u.a. heißt:

"Sehr geehrte Damen und Herren, mit unseren Unterschriften zu beiliegender Zusatzvereinbarung erkennen wir die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung nicht an. Wir haben nur unterschrieben, damit wir in unserer Sache weiterkommen. Wir widersprechen hiermit der Forderung der K. S. K. .. über die Berechnung einer Vorfälligkeitsentschädigung von 19.392,21 DM. Mit freundlichen Grüßen,".

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Die Kläger haben auf Grund Beratung der Verbraucherkreditzentrale ... die Ansicht vertreten, die Zusatzvereinbarung sei wegen des Anschreibens nicht wirksam geworden sowie die Beklagte hätte bei der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung einen Zinssatz für vergleichbare Kredite zugrundelegen müssen und auf dieser Grundlage lediglich für den Vertrag mit der längeren Zinsbindung eine Vorfälligkeitsentschädigung von 6.278,42 DM verlangen dürfen.

5

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, sie sei bei der Vorfälligkeitsentschädigung nicht auf den Zinssatz für Hypothekenkredite festgelegt gewesen, sondern habe ihrer - unwidersprochenen - Wiederanlagepraxis entsprechend die Rendite für festverzinsliche Wertpapiere - 7,68 % p. a. bzw. 7,01 % p. a. - verwenden dürfen.

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Das Landgericht hat die auf Rückzahlung von 13.113,79 DM gerichtete Klage abgewiesen, da die Einbehaltung der Vorfälligkeitsentschädigung auf Grund der Zusatzvereinbarung mit Rechtsgrund erfolgt sei.

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...

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

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Die Klage auf teilweise Rückzahlung der einbehaltenen Vorfälligkeitsentschädigung wegen ungerechtfertigter Bereicherung der Beklagten aus §§ 812 Abs. 1, 818 Abs. 1 BGB ist nicht begründet. Zu Recht hat das Landgericht in der Zusatzvereinbarung einen für die vorzeitige Beendigung der Darlehensverhältnisse der Parteien wirksamen Aufhebungsvertrag gesehen, der insbesondere nicht gegen die Grundsätze der guten Sitten gem. § 138 BGB bzw. von Treu und Glauben gem. § 242 BGB verstößt. Den Ablösebetrag hat die Beklagte daher insgesamt mit Rechtsgrund erlangt. Die dagegen gerichteten Rügen der Berufung greifen nicht durch.

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Es entspricht allgemeiner Auffassung, dass sich Vertragspartner bei Fehlen einer Regelung zur Auflösung von Darlehensverträgen vor Ablauf der Zinsbindungsfrist in den Verträgen selbst grundsätzlich rechtsverbindlich zu einigen haben, andernfalls die vertragliche Bindung bis zu dem vereinbarten Ende bestehen bleibt. Insbesondere darf eine kreditgewährende Bank, will sie nicht am Vertrag festhalten, die Auflösung von einer sog. Vorfälligkeitsentschädigung abhängig machen (vgl. nur BGH WM 1982, 185 f; OLG Hamm WM 1995, 836 [OLG Hamm 27.03.1995 - 31 U 215/94]; Reifner NJW 1995, 86, 89; Wenzel WM 1995, 1433 ff jeweils mw. N.).

11

Die Wirksamkeit des durch die Zusatzvereinbarung geschlossenen Aufhebungsvertrages wird durch das im gleichen Zeitpunkt übergebene Anschreiben, mit dem sich die Kläger gegen die Höhe der Ablösesumme wenden, nicht in Frage gestellt. Insbesondere liegt darin kein Widerruf der Annahmeerklärung im Sinne von § 130 Abs. 1 Satz 2 BGB, der einem Vertragsschluss insgesamt die Grundlage entzöge (mit der Konsequenz des Fortbestandes der Darlehensverträge). Den Klägern kam es - wie dem Anschreiben unmissverständlich zu entnehmen ist - darauf an, dass die Beklagte schnellstmöglich die Voraussetzungen für die Lastenfreiheit des Grundbesitzes schaffte, um die Durchführung der bereits eingeleiteten Veräußerung zu ermöglichen. Aus diesem Grunde haben sie die vorformulierte Aufhebungsvereinbarung unterschrieben und übergeben, zumal ihnen aus den Vorverhandlungen bekannt war, dass die Beklagte an den von ihr geforderten Konditionen für eine vorzeitige Vertragsauflösung festhielt. Nur so war das von den Klägern gewünschte Vertragsende mit den Grundschuldlöschungen im Gefolge zu erreichen. Zu diesem mit Unterschriftsleistung und Übergabe auch aus dem Anschreiben er- sichtlich verfolgten Zweck setzen sich die Kläger mit ihrer Auffassung über den im Anschreiben enthalten Widerruf und die darauf gestützte Rückforderung in direkten Widerspruch (vgl. OLG Schleswig WM 1995, 442 f). Aus der rechtlich allein maßgeblichen Sicht des Empfängers konnte und durfte die Beklagte das Gesamtverhalten der Kläger nur so verstehen, dass sie die angebotene Vertragsaufhebung annehmen wollten. Dementsprechend ist dann auch die von ihnen damit angestrebte Abwicklung der Darlehensverhältnisse von der Bank durch die entsprechenden Anweisungen an den Notar eingeleitet und durchgeführt worden. Die Kläger sind damit auf die von der Beklagten für eine vorzeitige Rückführung des Darlehens gesetzten Bedingungen eingegangen und müssen sich an den damit verbundenen Rechtsfolgen festhalten lassen.

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Ihrem gegenüber der Entschädigungshöhe zum Ausdruck gebrachten Vorbehalt kommt daher keine den Aufhebungsvertrag insgesamt betreffende rechtshindernde Wirkung zu. Vielmehr ist diese Erklärung aus der Sicht des sog. objektivierten Empfängerhorizontes der beklagten Bank (vgl. Staudinger/Olzen, BGB, 13. Aufl., § 362 Rn. 27) im Zusammenhang mit den nach den erkennbar gewordenen Zielvorstellungen der Kläger und den von ihnen verfolgten Zwecken dahingehend auszulegen, dass ihnen der Rückforderungsweg nicht durch die bloße Annahmeerklärung verschlossen bleibt, wenn sich später herausstellen sollte, dass die Zahlungsverpflichtung nicht in der im Aufhebungsvertrag aufgeführten Höhe bestand. Der "Widerspruch" der Kläger ist rechtlich geeignet, eine Anerkennungswirkung aus § 208 BGB und einen Rückforderungsausschluss aus § 814 BGB zu verhindern.

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Die Möglichkeit einer späteren Überprüfung der Rechtmäßigkeit der von der Beklagten offerierten Ablösungsvereinbarung und evtl. Einwände gegen die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung sollten ihnen erhalten bleiben, nicht aber sollte der Abschluss des Aufhebungsvertrages verhindert werden (OLG Hamm WM 1996, 569 ff [OLG Hamm 13.12.1995 - 31 U 112/95]; WM 1995, 836 f; OLG Schleswig a.a.O.; Wenzel a.a.O. Seite 1434 f).

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Die Ablösungsvereinbarung mit der festgelegten Ablösesumme steht im Einklang mit den als Überprüfungsmaßstab allein heranzuziehen- den Grenzen der Vertragsautonomie und verstößt insbesondere nicht gegen die den guten Sitten entsprechenden und treugemäßen Verhaltensgebote der §§ 138, 242 BGB.

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Unabhängig von der in Rechtsprechung und Literatur geführten Diskussion, ob einem Aufhebungsvertrag insoweit mehr Entgeltcharakter zukommt oder ob er eher Züge einer Schadensersatzpauschalierung aufweist (vgl. Brutschke ZAP Nr. 14 v. 20.7.1994 Seite 667 ff, Fach 8 Seite 179 ff, 182, 183), bleiben mangels Anspruchs des Darlehensnehmers auf vorzeitige Vertragsaufösung (vgl. BGH WM 1982, 185 f) die allgemeinen Regeln für die Vertragsgestaltung die entscheidenden Kontrollen für die Wirksamkeit einer Ablösungsvereinbarung und nicht - wie die Kläger annehmen -, ob diese sich in den Grenzen einer exakten Schadensersatzberechnung verhält. Auf dieser Beurteilungsgrundlage ist die Ablösesumme nicht zu beanstanden.

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Die Beklagte hat die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung aus dem Vergleich des Darlehenszinssatzes mit einem Wiederanlagezinssatz ermittelt. Das begegnet im Ansatz keinerlei Bedenken und wird auch bei einer reinen Ersatzberechnung nicht beanstandet (BGH WM 1991, 760 ff; OLG Hamm WM 1996, 442 [OLG Hamm 25.10.1995 - 31 U 74/95]). Dabei hat sie in zulässiger Weise von der Wiederanlage des vorzeitig zurückgeflossenen Kapitals in festverzinsliche Papiere Gebrauch gemacht.

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Auf ein bestimmtes (Wieder-) Anlageverhalten des Kreditinstitutes haben die Kläger keinen Anspruch. Vielmehr muss es diesem im Rahmen des Zumutbaren und ihrer gesetzlichen Verpflichtungen und damit zum Schutz der Anleger überlassen bleiben, über sein Anlageverhalten auf der Grundlage ordnungsgemäßer Durchführung von Bankgeschäften zu bestimmen. Das hat die Beklagte nach der von ihr unwidersprochenen seit je geübten Geschäftspraxis, durch die Wahl verschiedener Anlagemöglichkeiten, eingeschlossen Rentenpapiere, die Risiken zu mischen, getan und sich im Zeitpunkt der Wiederanlagemöglichkeit für festverzinsliche Wertpapiere entschieden. Im Rahmen einer Schadensersatzberechnung begründete dies allein nicht den Einwand eines schadensmindernden Mitverschuldens aus § 254 BGB. Bei der Gestaltung von Aufhebungsverträgen lässt sich darauf ebenso wenig der Vorwurf treuwidrigen oder sittenwidrigen Verhaltens stützen. Umstände, die die Beklagte nach diesen Grundsätzen hätten verpflichten können, über sog. Hypothekarkredite die Wiederanlage vorzunehmen, sind nicht ersichtlich und werden auch von den Klägern nicht vorgetragen. Unter den Marktbedingungen des Wiederanlagezeitpunktes hat sich die Beklagte für diese Anlageform entschieden und entscheiden dürfen. Maßgeblich ist nicht, welche Anlage zinsen überhaupt im Höchstfall zu erreichen gewesen wären, sondern welche im Rahmen zumutbarer Geschäfte erzielt werden konnten (OLG Karlsruhe WM 1996, 572, 574) [OLG Karlsruhe 05.10.1995 - 12 U 95/95]. dass sie sich dabei nicht von ihren Pflichten zur ordnungsgemäßen Durchführung von Bankgeschäften hat leiten lassen, sondern in nicht zumutbarer Weise zu Lasten der Kläger vorgegangen ist - beispielsweise um auf ihre Kosten eine Risikoverminderung zu erreichen - lässt sich nicht erkennen und wird auch von den Klägern nicht behauptet. Ihre bloße Auffassung, die Beklagte müsse in jedem Fall den Zinssatz derselben Anlageart zur Grundlage der Bemessung der Vorfälligkeitsentschädigung machen, trifft - wie ausgeführt - nicht zu.

18

Auch die Rügen, in unzulässiger Weise Effektiv- und Nominalzins verglichen sowie eine gebotene Abzinsung unterlassen zu haben, geben keinen Anlass, die Wirksamkeit der Vereinbarung über die Höhe der Ablösesumme in Zweifel zu ziehen.

19

Die Beklagte hat zunächst nachvollziehbar dargelegt, dass auch der von ihr herangezogene Durchschnittszinssatz von festverzinslichen Papieren über den Einfluss der unterschiedlichen Abgaben mit und ohne Agio bzw. Disagio Elemente eines Effektivzinssatzes enthält.

20

Abgesehen davon weist aber die Berufungserwiderung zu Recht darauf hin, dass es sich gerade nicht um eine Schadensberechnung handelt, die ggfs. einen solchen Anspruch der Beklagten insoweit auf den entgangenen Gewinn unter Berücksichtigung einer gebotenen Abzinsung begrenzen könnte. Selbst im Rahmen von Schadensberechnungen wird z.B. vertreten, dass sich der ersatzfähige Schaden aus den beiden Komponenten des sog. Kapitalmarktschadens und des sog Zinsmargenschadens zusammensetzen kann (vlg. OLG Hamm WM 1996, 442, 572) [OLG Hamm 25.10.1995 - 31 U 74/95], während die Kläger hier offenbar nur von ersterem meinen ausgehen zu können.

21

Nach den genannten rechtlichen Beurteilungsgrundlagen scheidet eine sitten- oder treuwidrige Gestaltung des Aufhebungsvertrages durch die Beklagte aus, zumal dem Vortrag der Kläger nicht zu entnehmen ist, in welcher Größenordnung sich die unterbliebene Abzinsung auswirkt. Durfte aber die Beklagte nach den Gesamtumständen von dem Durchschnittszinssatz der gewählten Wiederanlage ausgehen, verbleibt der Nachteil einer dadurch bedingten weiteren Verringerung des Anlagezinssatzes und eines damit verbundenen höheren Ablöseverlangens bei den die Vertragsaufhebung begehrenden Darlehensnehmern. Feste Laufzeiten bewirken auch für sie Kalkulationssicherheit. Sie binden den Vertragspartner, auch wenn sich die Marktbedingungen zu seinen Lasten ändern. dass auf der Grundlage dieses Zinssatzes und der darauf beruhenden Ausgleichsvorstellun- gen der Beklagten die vereinbarte Nichtabzinsung im Grundsatz oder auch nur der Höhe nach die Grenze zur Sitten- oder Treuwidrigkeit überschreitet, lässt sich insgesamt nicht feststellen.