Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 21.08.1996, Az.: 2 U 104/96
Fälligkeit des Werklohns trotz fehlender Abnahme; Entbehrlichkeit einer Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung; Wirksamkeit einer Allgemeinen Geschäftbedingung, die bei Einzug ohne Abnahme die Gewährleistung ausschließt
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 21.08.1996
- Aktenzeichen
- 2 U 104/96
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1996, 21417
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:1996:0821.2U104.96.0A
Rechtsgrundlagen
- § 640 BGB
- § 641 BGB
- § 634 Abs. 1 S. 1 BGB
- § 9 AGBG
Amtlicher Leitsatz
Fälligkeit des Werklohns trotz fehlender Abnahme bei Erwerb des Baugrundstücks durch den Unternehmer. Vertragsabrechnung in diesem Fall. AGB-Klausel "Einzug ohne Abnahme=keine Gewährleistung" ist unwirksam.
Gründe
1.)
Der Anspruch ist fällig. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Bezug des Hauses und die Vermietung einer Haushälfte durch die Beklagten eine Abnahme des Werks gemäß § 640 BGB durch schlüssiges Verhalten darstellten. Zwar wird der Werklohnanspruch des Unternehmers grundsätzlich erst durch die Abnahme seiner Werkleistung fällig, §§ 640, 641 BGB. Den Beklagten ist es vorliegend jedoch verwehrt, sich auf eine mangelnde Fälligkeit auf Grund nicht erfolgter Abnahme zu berufen. Begrifflich setzt der verzögerliche Einwand, der Werklohn sei derzeit mangels Abnahme des Werks nicht fällig, voraus, dass das Hindernis behoben werden, d. h. die Abnahme noch erfolgen kann. Für eine Berufung auf § 641 Abs. 1 BGB ist deshalb kein Raum, wenn eine Abnahme überhaupt nicht mehr in Betracht kommt; es ist deshalb anerkannt, dass in derartigen Fällen, insbesondere etwa nach einer Kündigung, einer einverständlichen Vertragsaufhebung oder einem Wegfall des Erfüllungsanspruchs nach einer Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung gemäß § 634 Abs. 1 Satz 1 BGB, die Fälligkeit der Werklohnforderung ohne Abnahme der Werkleistung eintritt (BGHZ 50, 175, 177 [BGH 16.05.1968 - VII ZR 40/66]; BGHZ 55, 354, 357 [BGH 22.02.1971 - VII ZR 243/69]; BGH BauR 1996, 386; OLG Düsseldorf BauR 1978, 404; OLG Hamm NJW-RR 1989, 1365 [OLG Hamm 13.06.1989 - 26 U 233/88]; Staudinger-Peters, BGB (1994), § 641 Rdnr. 13).
Die vorliegende Sach- und Interessenlage ist damit vergleichbar. Die Beklagten haben kein berechtigtes Interesse an der Beseitigung der von ihnen behaupteten Mängel. Sie sind nicht mehr Eigentümer des Hauses, weil die Klägerin selbst es in der Zwangsversteigerung erworben hat. Die Klägerin hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Räumung des Hauses, welches diese lediglich auf Grund einer Zwangseinweisung der Gemeinde noch teilweise bewohnen dürfen. Im Rechtsstreit kann es da- nach auch vom Standpunkt der Beklagten nicht mehr darum gehen, die Klägerin zur Herstellung eines abnahmefähigen Werks zu veranlassen, sondern nur darum, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang dem Werklohnanspruch endgültige Hindernisse, ins- besondere Rechte auf Grund der Gewährleistungsvorschriften, entgegenstehen. Nur diese können folglich von den Beklagten dem Klageanspruch noch entgegengehalten werden.
Die Auffassung der Beklagten, eine Fälligkeit des geltend gemachten Anspruchs liege bereits mangels prüffähiger Schlussrechnung nicht vor, trifft nicht zu. Die Parteien haben einen Pauschalpreis vereinbart. In einem derartigen Fall bedarf es nach Erbringung der geschuldeten Leistung grundsätzlich keiner weiteren Darlegungen des Unternehmers zur Höhe der geforderten Vergütung. Allerdings kann bei vorzeitiger Beendigung des Werkvertrags ein Unternehmer nicht ohne weiteres die nach dem Vertrag für den erreichten Bautenstand vorgesehenen Raten verlangen; grundsätzlich hat er als Vergütung nur den Teilbe- trag zu beanspruchen, der sich aus dem Verhältnis der erbrach- ten Teilleistungen zum Wert der nach dem Vertrag zu erbringen- den Gesamtleistung ergibt (BGH BauR 1995, 691; OLG Düsseldorf NJW-RR 1992, 1373 [OLG Düsseldorf 05.06.1992 - 22 U 235/91]; Werner/Pastor, Der Bauprozess, 8. Aufl., Rdnr. 1209). Eine derartige Abrechnung hat die Klägerin nicht erbracht. Eine solche ist indes vorliegend auch entbehrlich.
Hinsichtlich der nicht ausgeführten Arbeiten handelt es sich nämlich lediglich um in Relation zum gesamten Bauwerk geringfügige Restarbeiten. Die Durchführung dieser Arbeiten durch einen Drittunternehmer würde - wie der Sachverständige im ersten Rechtszug festgestellt hat - Kosten von weniger als 4 % der vereinbarten Gesamtvergütung ausmachen. Zudem behaupten die Beklagten nicht einmal, dass der Wert der erbrachten Teilleistung geringer sei als der vereinbarte Pauschalpreis abzüglich der Kosten, die durch Fertigstellung des Bauwerks durch einen Drittunternehmer entstehen würden. Unter diesen Umständen ist es zur Begründung des Vergütungsanspruchs des Unternehmers nach Treu und Glauben ausreichend, wenn vom vereinbar- ten Pauschalpreis die Fertigstellungskosten für die ausstehen- den Restarbeiten abgezogen werden.
2.)
Die Beklagten haben einen Schadensersatzanspruch gegen die Klägerin gemäß § 635 BGB, der im Wege der Verrechnung (vgl. dazu BGH NJW 1978, 814 und NJW 1979, 549) den Werklohnanspruch der Klägerin mindert.
Zwar fehlt es an der grundsätzlich für einen Schadensersatzanspruch gemäß § 635 BGB nach § 634 Abs. 1 Satz 1 BGB erforderlichen Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung. Diese ist jedoch zumindest gemäß § 634 Abs. 2 2. Alternative BGB entbehrlich, da die Klägerin eine Mängelbeseitigung endgültig abgelehnt hat. Die Ablehnung liegt spätestens im Schriftsatz der Klägerin vom 05.07.1994, da darin das Vorhandensein sämtlicher von den Beklagten behaupteten Mängel - soweit sie nicht bereits durch einen entsprechenden Abzug von der Klageforderung in der Klageschrift Berücksichtigung gefunden haben - entschieden be- stritten worden ist. Auch in einem solchen Bestreiten liegt in der Regel - wie auch vorliegend - eine Verweigerung der Mängelbeseitigung gemäß § 634 Abs. 2 2. Alternative BGB (BGH NJW 1983, 1731).
Die Gewährleistungsansprüche der Beklagten sind nicht durch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Bauvertrag ausgeschlossen, wovon offenbar auch die Berufung ausgeht, da sie den geltend gemachten Werklohnanspruch um die vom Sachverständigen im ersten Rechtszug ermittelten Mängelbeseitigungskosten mindert.
Zwar heißt es im Bauvertrag in Abs. IV u.a.: "Vor Erfüllung der Absätze IV 1-7 und V darf das Bauvorhaben nicht bezogen werden. Geschieht dies trotzdem, so kann der Auftragnehmer nicht mehr bei der Mängelbeseitigung in Anspruch genommen werden." Unter Abs. V des Bauvertrages ist sodann u.a. bestimmt, dass der Auftraggeber auf jeden Fall, also auch bei dem Vorhandensein erheblicher Mängel, bei Einzug das Bauwerk abzunehmen hat.
Eine solche Regelung verstößt jedenfalls gegen § 9 AGBG, da sie den Besteller entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. Sie steht in einem unvereinbaren Widerspruch zu dem gesetzlichen Leitbild der Gewährleistungs- regeln des Werkvertragsrechts. Der Besteller wird nicht nur entgegen der Regelung des § 640 BGB zur Abnahme auch eines vertragswidrigen Werks verpflichtet, sondern verliert allein auf Grund des Einzugs selbst bei berechtigter Verweigerung der Abnahme sämtliche Gewährleistungsrechte. Die Regelung führt damit im Ergebnis selbst im Fall der an sich auf Grund vorhandener Mängel berechtigten Abnahmeverweigerung allein auf Grund des Einzugs zu einem völligen Gewährleistungsausschluss. Ein rechtfertigender Grund für eine derart unangemessene Benachteiligung des Bestellers liegt nicht vor.
Einem Gewährleistungsanspruch der Beklagten steht auch nicht Abs. V des Bauvertrages entgegen. Die Klausel dürfte schon vom Wortlaut her nicht als Aufrechnungsverbot auszulegen sein.
Sollte darin ein uneingeschränktes Aufrechnungsverbot liegen, würde die Klausel gegen § 11 Nr. 3 AGBG verstoßen.