Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 22.04.2008, Az.: 3 A 358/04
Kostenerstattung für Jugendhilfeleistungen
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 22.04.2008
- Aktenzeichen
- 3 A 358/04
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2008, 45504
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGHANNO:2008:0422.3A358.04.0A
Rechtsgrundlagen
- § 89e I SGB VIII
- § 89e II SGB VIII
- § 86 SGB VIII
- § 89c SGB VIII
Fundstelle
- SRA 2008, 235-238
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Richtet sich die Zuständigkeit im Rahmen von § 89e SGB VIII nach dem gwöhnlichen Aufenthalt beider Eltern, ist der nach Absatz 1 kostenerstattungspflichtige örtliche Jugendhilfeträger durch analoge Anwendung des § 86 Abs. 1 - 4 SGB VIII zu ermitteln.
- 2.
Keine "Durchgriffshaftung" des überörtlichen Jugenhilfeträgers im Rahmen von § 89c SGB VIII.
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht das beklagte Land zuvor Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt vom beklagten Land als überörtlichem Jugendhilfeträger die Erstattung von Jugendhilfeleistungen, die er im Zeitraum vom 08.08.2002 bis zum 31.08.2003 für die Unterbringung der Zwillingskinder F. und D.G. in Vollzeitpflege aufgewendet hat.
Die im März 2002 geborenen Kinder leben seit dem 31.07.2002 in der Pflegefamilie H. in Weilheim. Die leiblichen Eltern sind die im maßgeblichen Zeitraum allein sorgeberechtigte Mutter I.G. und der nicht sorgeberechtigte J., der seine Vaterschaft im Mai 2002 anerkannt hatte.
Die Kindesmutter lebte bis Dezember 2000 in einer eigenen Wohnung in Huglfing im Landkreis Weilheim-Schongau. Zum 05.12.2000 wurde sie in eine Einrichtung der Herzogsägmühle in Peiting (Haus am Latterbach) aufgenommen. Im August 2001 zog sie von dort in eine Außenwohngruppe derselben Einrichtung in Schongau. Aus Anlass der bevorstehenden Geburt der Kinder wechselte sie am 07.03.2002 in die Mutter-Kind-Einrichtung "St. Monika" des Sozialdienstes katholischer Frauen e.V. (SkF) in Garmisch-Partenkirchen. Grundlage hierfür war ein Bewilligungsbescheid des Beigeladenen zu 1. vom 14.03.2002 über eine Hilfe gemäß § 19 SGB VIII.
Nach der Geburt verblieb die Kindesmutter mit den Kindern weiterhin in der Einrichtung des SkF in Garmisch-Partenkirchen. Allerdings zeigte sich bereits nach kurzer Zeit, dass sie mit der Versorgung und Pflege der Kinder dauerhaft überfordert war. Deshalb kümmerte sich im Wesentlichen eine ehrenamtliche Mitarbeiterin des SkF, Frau K., um die Kinder. Ausweislich eines Schreibens des Beigeladenen zu 1. vom 10.04.2002 an den SkF ("Mutter - Kind -Akte" des Beigel. zu 1. = Beiakte E, Bl. 31) hatte diesbezüglich am 09.04.2002 in der Einrichtung ein Hilfeplangespräch stattgefunden mit dem Ergebnis, dass für die Betreuung seitens Frau K. eine Kostenübernahme als Tages- oder Kurzzeitpflege erfolgen sollte. Weder das Hilfeplanprotokoll noch der von dem Beigeladenen zu 1. diesbezüglich beim SkF angeforderte förmliche Antrag der Kindesmutter befinden sich allerdings in den vom Beigeladenen zu 1. geführten bzw. vorgelegten Akten. Gleichwohl sind an Frau K. in der Folgezeit Zahlungen getätigt worden.
Perspektivisch war zudem bereits zu diesem Zeitpunkt eine möglichst zeitnahe Unterbringung der Kinder in einer Pflegefamilie vorgesehen (vgl. Auszug aus Fallkonferenz vom 10.04.2002, Beiakte E, Bl. 40). Ausweislich des Auszugs aus dem Protokoll der Fallkonferenz vom 24.04.2002 (Beiakte E, Bl. 41) soll die Kindesmutter bereits zu diesem Zeitpunkt einen Antrag auf Gewährung von Vollzeitpflege unterzeichnet haben. Dieser Antrag ist in den vorliegenden Akten allerdings ebenfalls nicht enthalten.
Mit Schreiben vom 03.05.2002 (Beiakte E, Bl. 38) teilte der SkF dem Beigeladenen zu 1. mit, dass Frau K. die Betreuung der Kinder nur bis Ende Juni 2002 übernehmen könne.
Mit Schreiben vom 28.06.2002, das bei dem Beigeladenen zu 1. am 04.07.2002 einging (Beiakte E, Bl. 71), teilte die Kindesmutter dem Jugendamt des Beigeladenen zu 1. mit, dass sie aus der Mutter-Kind-Einrichtung zum 30.06.2002 "raus" müsse. Sie werde deshalb in eine "Notwohnung vom SkF" ziehen, für die sie 10,- EUR am Tag zahlen müsse. Das gehe aber immer nur wochenweise und werde nur solange verlängert, bis sie in eine der Wohngemeinschaften in Weilheim, Schongau-Peiting oder Garmisch-Partenkirchen ziehen könne. Das Geld, das sie bisher vom Jugendamt bekommen habe, müsse "weiter laufen".
Mit Bescheid vom 01.07.2002 verfügte der Beigeladene zu 1. die Einstellung der Hilfe nach § 19 SGB VIII mit Wirkung zum 30.06.2002. In der Begründung heißt es, die Kindesmutter werde nach Mitteilung der Einrichtung diese zum 01.07.2002 verlassen und in eine Einrichtung der Herzogsägmühle zurückkehren. Eine Dokumentation über die Mitteilung bzw. über eine entsprechende Entscheidung auf der Basis eines Hilfeplangespräches oder im Rahmen einer Hilfeplankonferenz findet sich in den Akten nicht. Der Bescheid wurde bestandskräftig.
Trotz dieses Bescheides blieb die Kindesmutter allerdings weiterhin in den bisher von ihr genutzten Räumlichkeiten in der Einrichtung "St. Monika" des SkF wohnen. Das wurde von den seinerzeit Beteiligten als "Notwohnung" bezeichnet, für die die Einrichtung der Kindesmutter einen Betrag von 10,- EUR pro Tag in Rechnung stellte. Ausweislich eines Aktenvermerks des Beigeladenen zu 1. (Beiakte E, Bl. 68) teilte die Einrichtungsleiterin dieses am 04.07.2002 telefonisch mit. Die Kindesmutter müsse sich ständig beim Vorstand melden und bestimmte Angelegenheiten regeln.
Mit Schreiben vom 09.07.2002 teilte der Beigeladene zu 1. der Kindesmutter unter Bezug auf deren Schreiben vom 28.06.2002 unter dem Betreff "Hilfen für Mutter und Kind" mit, er werde die Kosten für die Notwohnung bis zur Unterbringung der Kinder in einer Pflegestelle übernehmen und ihr auch weiterhin Hilfe zum Lebensunterhalt auszahlen. Nach Unterbringung der Kinder könnten die Leistungen nicht fortgesetzt werden, vielmehr müsse sie dann bei einem weiteren Verbleib im SkF in Garmisch-Partenkirchen Sozialhilfe beantragen (Beiakte E, Bl. 74).
Dass hinsichtlich der Kinder in jugendhilferechtlicher Sicht zum 01.07.2002 gesonderte Anordnungen getroffen wurden, ist aus den Akten nicht ersichtlich. Tatsächlich wurden diese weiterhin jedenfalls im Wesentlichen von Frau K. betreut, die hierfür Zahlungen zur Bestreitung des Kindesunterhaltes vom Beigeladenen zu 1. erhielt (Beiakte E, Bl. 73). Der Beigeladene übernahm im Folgenden auch weiterhin die Krankenkassenbeiträge der Kindesmutter (Beiakte E, Bl. 76).
Nach Mitteilung der Einrichtungsleiterin (Beiakte E, Bl. 82) verließ die Kindesmutter am 16.07.2002 die Einrichtung in Garmisch-Partenkirchen in Richtung Niedersachsen. Eventuell halte sie sich "in einer Einrichtung in Kästorf" auf. Am 17.07.2002 erschien die Kindesmutter in Gifhorn und ließ sich dort in einer Einrichtung des "Diakonische Heime in Kästorf e.V" (Diakonie Kästorf) aufnehmen. Dort blieb die Kindesmutter bis zum 05.02.2003. Anschließend hielt sie sich in Hannover auf. Mit Schreiben vom 26.02.2003 teilte die "Frauenunterkunft der Inneren Mission e.V." dem Kläger mit, sie habe die Kindesmutter am 25.02.2003 nach § 72 BSHG bei sich aufgenommen (Beiakte D, Bl. 41).
Der Kindesvater wohnte bis zum Mai 2000 in einer eigenen Wohnung in München. Anschließend lebte er bis zum August 2001 im "Haus Obland" der Herzogsägmühle in Peiting und zog anschließend mit der Kindesmutter zusammen in die Außenwohngruppe der Einrichtung in Schongau. Im April 2002 wechselte er innerhalb der Einrichtung Herzogsägmühle zurück nach Peiting, wo er bis Juni 2002 blieb. Anschließend zog er in ein Heim in Oberschleißheim, das er am 14.07.2002 verließ. Am 17.07.2002 meldete er sich ebenfalls zur Aufnahme bei der Diakonie Kästorf in Gifhorn, in deren Einrichtung er sich zumindest bis Ende Juni 2003 aufhielt.
Die Kindeseltern beantragten unter dem 08.08.2002 bei dem Kläger förmlich die Bewilligung von Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege. Diesem Antrag gab der Kläger mit Bewilligungsbescheid vom 21.08.2002 mit einem rückwirkenden Hilfebeginn ab dem 08.08.2002 statt. Zum 01.09.2003 übernahm die Landeshauptstadt Hannover den Jugendhilfefall vom Kläger.
Unter dem 10.10.2002 machte der Kläger zunächst bei dem Beigeladenen zu 1. einen Kostenerstattungsanspruch geltend, den dieser umgehend zurückwies.
Daraufhin wandte sich der Kläger unter dem 12.02.2003 unter Berufung auf § 89e Abs. 2 SGB VIII an das Landesjugendamt des beklagten Landes und bat um Kostenerstattung. Zur Begründung berief er sich darauf, die Kindeseltern hätten vor der Aufnahme in der Diakonie Kästorf ihre gewöhnlichen Aufenthalte in den Bereichen verschiedener örtlicher Träger der Jugendhilfe gehabt, so dass kein zuständiger örtlicher Träger im Sinne von § 89e Abs. 1 SGB VIII existiere. Dieses wies das Landesjugendamt mit der Begründung zurück, es könne zur Bestimmung eines zuständigen örtlichen Jugendhilfeträgers auf einen ungeschützten gewöhnlichen Aufenthalt der Kindesmutter vor Eintritt in eine geschützte Einrichtung zurückgegriffen werden.
Auch die anschließenden Versuche des Klägers, vom dem Beigeladenen zu 2. und der Beigeladenen zu 3. Kostenerstattung zu erhalten, blieben erfolglos.
Der Kläger hat am 19.01.2004 Klage erhoben. Er macht zur Begründung seines Anspruchs im Wesentlichen geltend: Das beklagte Land sei als überörtlicher Träger der Jugendhilfe gemäß § 89e Abs. 2 SGB VIII zur Kostenerstattung verpflichtet, denn ein nach § 89e Abs. 1 Satz 1 SGB VIII vorrangig verpflichteter örtlicher Jugendhilfeträger lasse sich nicht bestimmen.
Seine - des Klägers - Zuständigkeit für die Hilfeleistung habe sich aus § 86 Abs. 1 SGB VIII ergeben, da die Eltern seit dem 17.07.2002 ihren gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt in der Diakonie Kästorf gehabt hätten. Für die Bestimmung eines gemäß § 89e Abs. 1 SGB VIII kostenerstattungspflichtigen örtlichen Jugendhilfeträgers komme es deshalb darauf an, wo die Eltern vor der Aufnahme in eine Einrichtung ihren gewöhnlichen Aufenthalt gehabt hätten. Dabei müsse konstatiert werden, dass zumindest die Kindesmutter vor der Aufnahme in der Diakonie Kästorf keinen gewöhnlichen Aufenthalt gehabt habe. Ihren letzten - allerdings ebenfalls nach § 89e SGB VIII geschützten - gewöhnlichen Aufenthalt habe die Kindesmutter mit der Einstellung der Hilfe nach § 19 SGB VIII zum 30.06.2002 aufgegeben. Mit ihrem weiteren Verbleib in Garmisch-Partenkirchen habe sie dort keinen ungeschützten gewöhnlichen, sondern nur einen tatsächlichen Aufenthalt begründet. Denn dieser Aufenthalt sei nicht im Sinne eines zukunftsoffenen Verbleibs unter Herstellung oder Aufrechterhaltung des sozialen Lebensmittelpunktes ausgestaltet gewesen. Es habe sich vielmehr sowohl nach objektiven Gegebenheiten als auch nach den subjektiven Vorstellungen der Kindesmutter nur um einen vorübergehenden Zustand gehandelt. Zugleich habe dieser Aufenthalt jedoch die Kette von gewöhnlichen Aufenthalten in geschützten Einrichtungen unterbrochen. Denn die vom Beigeladenen zu 1. ab dem 01.07.2002 getroffenen Maßnahmen könnten nicht als Fortsetzung der Hilfe nach § 19 SGB VIII gewertet werden. Da es an einem gewöhnlichen Aufenthalt der Kindesmutter vor ihrem Eintritt in die Diakonie Kästorf fehle, könne auch nicht auf den letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Kindesvaters vor Eintritt in eine Einrichtung abgestellt werden.
Selbst wenn man von einem ununterbrochenen Aufenthalt der Kindeseltern in geschützten Einrichtungen ausginge, sei das beklagte Land erstattungspflichtig. Denn die Kindeseltern hätten ihre letzten ungeschützten gewöhnliche Aufenthalte in den Zuständigkeitsbereichen verschiedener örtlicher Jugendhilfeträger gehabt, so dass sich ein kostenerstattungspflichtiger Jugendhilfeträger nach § 89e Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 SGB VIII nicht ermitteln lasse.
Für den Zeitraum ab dem 25.02.2003 richte sich sein Erstattungsanspruch zwar grundsätzlich gegen die Landeshauptstadt Hannover, da diese mit der Aufnahme der Kindesmutter in die Frauenunterkunft der Inneren Mission gemäß § 86 Abs. 5 SGB VIII zuständig geworden sei. Das beklagte Land sei insoweit aber nach dem Grundsatz der durchgreifenden Kostenerstattungspflicht leistungsverpflichtet, da es aus den vorgenannten Erwägungen heraus wiederum in gleicher Höhe der Landeshauptstadt gegenüber zur Kostenerstattung verpflichtet wäre.
Der Kläger beantragt,
das beklagte Land zu verurteilen, ihm die für F. und D.G. in der Zeit vom 08.08.2002 bis zum 31.08.2003 aufgewendeten Jugendhilfekosten in Höhe von 18 510,14 EUR zu erstatten.
Das beklagte Land beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es hält die Klage mangels Klagebefugnis für unzulässig, soweit der Kläger damit Kostenerstattung über den Zeitpunkt hinaus verlangt, zu dem die Landeshauptstadt Hannover für den Jugendhilfefall zuständig geworden war. Für diesen Zeitraum habe der Kläger vielmehr einen Erstattungsanspruch gegen die Landeshauptstadt, die ihm gegenüber wiederum einen Erstattungsanspruch bereits geltend gemacht habe.
Im Übrigen sei die Klage unbegründet, denn es lasse sich ein gemäß § 89e Abs. 1 SGB VIII vorrangig kostenerstattungspflichtiger örtlicher Träger feststellen. Das sei der Beigeladene zu 1., was sich daraus ergebe, dass die Kindesmutter in dessen Bereich ihren letzten ungeschützten gewöhnlichen Aufenthalt vor Eintritt in die erste Einrichtung gehabt habe. Das Gesetz enthalte keine Vorgabe hinsichtlich des Zeitpunktes, an dem der letzte ungeschützte gewöhnliche Aufenthalt vorgelegen haben müsse. Dieser liege vorliegend jedoch unmittelbar vor dem maßgeblichen Eintritt in eine geschützte Einrichtung. Der Aufenthalt der Kindesmutter in Garmisch-Partenkirchen vom 01. - 16.07.2002 sei nicht als relevante Unterbrechung des Aufenthaltes in geschützten Einrichtungen zu bewerten. Vielmehr sei der (Orts-)Wechsel in die Diakonie Kästorf bei wertender Betrachtung als Übertritt von einer geschützten Einrichtung in die nächste anzusehen. Ausgehend davon hätten die Kindeseltern im maßgeblichen Zeitpunkt unmittelbar vor ihrem jeweiligen Eintritt in die erste geschützte Einrichtung verschiedene gewöhnliche Aufenthalte gehabt. In einer solchen Konstellation sei für die Ermittlung des kostenerstattungspflichtigen örtlichen Jugendhilfeträgers auf eine analoge Anwendung des § 86 Abs. 2 - 4 SGB VIII abzustellen. Da die Kindesmutter allein sorgeberechtigt sei, sei § 86 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII analog anzuwenden mit der Folge, dass der Beigeladene zu 1. kostenerstattungspflichtig sei.
Die Beigeladenen stellen keine eigenen Anträge.
Zum Sachverhalt hat der Beigeladene zu 1. in Übereinstimmung mit dem Beigeladenen zu 2. schriftsätzlich vorgetragen, die Kindesmutter habe die Mutter-Kind-Einrichtung "St. Monika" des SkF zum 30.06.2002 verlassen und sich danach jeweils tageweise in einer Obdachlosenunterkunft in Garmisch-Partenkirchen aufgehalten. Die Kinder seien ab dem Zeitpunkt bereits vorübergehend bei der Taufpatin der Kinder untergebracht gewesen.
Der Beigeladene zu 1. meint, damit sei zum 30.06.2002 der Aufenthalt in einer geschützten Einrichtung beendet gewesen und die Kindesmutter habe auch nicht einen neuen ungeschützten gewöhnlichen Aufenthalt in Garmisch begründet, denn das könne in einer Obdachlosenunterkunft nicht geschehen. Abgesehen davon hätten die Kindeseltern vor ihrem erstmaligen Eintritt in geschützte Einrichtungen unterschiedliche gewöhnliche Aufenthaltsorte gehabt. Nach der Entscheidung der Spruchstelle Stuttgart vom 17.08.2000 (St. 27/99) sei in diesen Fällen der überörtliche Jugendhilfeträger gemäß § 89e Abs. 2 SGB VIII kostenerstattungspflichtig, da nicht ein kostenerstattungspflichtiger örtlicher Jugendhilfeträger zu ermitteln sei.
Die Beigeladenen zu 2. und 3. vertreten hingegen die Auffassung, zwischen dem Aufenthalt der Kindesmutter in der Mutter-Kind-Einrichtung in Garmisch-Partenkirchen und der Aufnahme in der Diakonie Kästorf sei keine relevante Unterbrechung eingetreten. Ihnen gegenüber könne deshalb kein Kostenerstattungsanspruch geltend gemacht werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Kläger hat gegen das beklagte Land keinen Kostenerstattungsanspruch für die von ihm für die Kinder F. und D.G. aufgewendeten Jugendhilfeleistungen. Das beklagte Land ist nicht als überörtlicher Jugendhilfeträger dem Kläger gegenüber kostenerstattungspflichtig, denn es gibt örtliche Jugendhilfeträger, die dem Kläger gegenüber kostenerstattungspflichtig sind.
1.
Ein Anspruch gegen das beklagte Land als überörtlichem Jugendhilfeträger ergibt sich für den Zeitraum vom 08.08.2002 bis zum 05.02.2003 nicht aus § 89e Abs. 2 SGB VIII (in der im vorliegenden Fall maßgeblichen Fassung vom 08.12.1998).
a)
Darüber, dass dem Kläger für diesen Zeitraum grundsätzlich gemäß § 89e SGB VIII ein Kostenerstattungsanspruch zusteht, besteht zwischen allen Beteiligten des Rechtsstreites Einigkeit.
Die örtliche Zuständigkeit des Klägers für die Gewährung von Jugendhilfeleistungen zu Gunsten der Kinder F. und D.G. richtete sich für diesen Zeitraum gemäß § 86 Abs. 1 SGB VIII nach dem gewöhnlichen Aufenthalt beider Elternteile. Denn innerhalb dieses Zeitraums hatten beide Kindeseltern ihren gewöhnlichen Aufenthalt in einer Einrichtung der Diakonie Kästorf in Gifhorn und der Kindesvater hatte bereits im Mai 2002 seine Vaterschaft anerkannt. Bei der Einrichtung der Diakonie Kästorf, in der die Kindeseltern lebten, handelt es sich auch unstreitig um eine sog. geschützte Einrichtung im Sinne von § 89e SGB VIII.
b)
Der Kostenerstattungsanspruch aus § 89e SGB VIII richtet sich jedoch nicht gemäß Absatz 2 der Vorschrift gegen das beklagte Land als überörtlicher Jugendhilfeträger. Denn es ist ein gemäß Absatz 1 der Vorschrift kostenerstattungspflichtiger örtlicher Jugendhilfeträger, nämlich der Beigeladene zu 1., vorhanden.
aa)
Nach § 89e Abs. 1 SGB VIII ist in den Fällen, in denen die für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit maßgeblichen Anknüpfungspersonen ihren gewöhnlichen Aufenthalt in einer Einrichtung begründet haben, die die in der Norm im Einzelnen beschriebenen Kriterien erfüllt, derjenige örtliche Jugendhilfeträger kostenerstattungspflichtig, in dessen Bereich "die Person" vor Aufnahme in die Einrichtung den gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Es besteht in Rechtsprechung und Literatur Einigkeit darüber, dass dieser sog. "Schutz der Einrichtungsorte" auch für eine ununterbrochene Kette von Aufenthalten in derartigen Einrichtungen gilt mit der Folge, dass in einem solchen Fall auf den Ort des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes vor dem erstmaligen Eintritt in eine geschützte Einrichtung abzustellen ist.
bb)
Ausgehend davon hatte die Kindesmutter einen anknüpfungsrelevanten ungeschützten gewöhnlichen Aufenthalt in Huglfing, während der Kindesvater eine solchen in München hatte.
(1)
Entgegen der Auffassung des Klägers und des Beigeladenen zu 1. hielt sich die Kindesmutter seit dem 05.12.2000 bis zu ihrem Eintritt in die Einrichtung der Diakonie Kästorf am 17.07.2002 ununterbrochen in geschützten Einrichtungen im Sinne des § 89e Abs. 1 SGB VIII auf.
(a)
Es besteht zwischen allen Beteiligten Einigkeit, dass es sich bei den Einrichtungen, in denen sich die Kindesmutter seit ihrem Eintritt in die Einrichtung "Haus am Latterbach" der Herzogsägmühle am 05.12.2000 bis zu ihrem Wechsel in die Mutter-Kind-Einrichtung "St. Monika" des SkF in Garmisch-Partenkirchen aufgehalten hatte, um geschützte Einrichtungen handelte. Weiterhin besteht Einigkeit darüber, dass es sich auch bei dem Haus "St. Monika" um eine derartige Einrichtung handelt.
(b)
Entgegen dem schriftsätzlichen Sachvortrag des Beigeladenen zu 1. und des Beigeladenen zu 2. endete der Aufenthalt der Kindesmutter in der Mutter-Kind-Einrichtung aber nicht am 30.06.2002 und war die Kindesmutter danach auch nicht in einer Obdachlosenunterkunft in Garmisch-Partenkirchen untergebracht. Vielmehr war die Kindesmutter zum 30.06.2006 tatsächlich nicht aus der Einrichtung des SkF ausgezogen, sondern wohnte dort bis zum 16.07.2002.
(c)
Dieser weitere Verbleib in den Räumlichkeiten der Einrichtung mit ausdrücklicher Billigung des Beigeladenen zu 1. ist als Fortsetzung der zuvor gewährten Hilfe nach § 19 SGB VIII seitens des Beigeladenen zu 1. zu werten. Denn sowohl in dem Betreuungsbedarf als auch in den tatsächlich erbrachten Leistungen gegenüber der Kindesmutter und den Kindern trat im Vergleich zu der Zeit vor dem 30.06.2002 keine wesentliche Änderung ein. Wie schon zuvor übernahm der Beigeladene zu 1. die anfallenden Wohnkosten, gewährte der Kindesmutter und den Kindern weiterhin den erforderlichen Unterhalt und übernahm für die Kindesmutter die Beiträge zu Krankenversicherung.
Diese Leistungen erbrachte der Beigeladene zu 1. auch nach seinem eigenen Verständnis zudem weiterhin als Jugendhilfemaßnahme. Das ergibt sich aus dem Schreiben des Amtes für Jugend und Familie des Beigeladenen zu 1. an die Kindesmutter vom 09.07.2002. Denn darin erklärte er unter Bezugnahme auf deren Schreiben vom 28.06.2002, in dem sie sinngemäß um Fortsetzung der bisherigen Unterstützung im Rahmen der Jugendhilfe gebeten hatte, unter dem Betreff "Hilfen für Mutter und Kind" die Übernahme der weiteren Kosten. Zugleich wies er darauf hin, dass er seine Leistungen nach der erfolgten Unterbringung der Kinder in einer Pflegestelle einstellen werde und die Kindesmutter dann Sozialhilfe beantragen müsse. Daraus lässt sich ableiten, dass der Beigeladene zu 1. sich über den 30.06.2002 hinaus als Jugendhilfeträger weiterhin solange für die Unterstützung der Kindesmutter als zuständig ansah, bis die Kinder in einer Pflegestelle untergebracht werden konnten. Hierfür kommt als Rechtsgrundlage aber allein § 19 SGB VIII in Betracht. Ob die tatsächlich gewährte Hilfe insoweit rechtmäßig war, ist im hier interessierenden Zusammenhang unerheblich. Jedenfalls ist die Kindesmutter während des Zeitraums vom 01.07. bis 16.07.2002 vom SkF weiterhin engmaschig betreut worden ist. Sie hatte sich nämlich ausweislich der Aktennotiz vom 04.07.2002 (Beiakte E, Bl. 68) ständig beim Vorstand zu melden, um Angelegenheiten zu regeln.
Schließlich spricht für eine Fortsetzung der Hilfe gemäß § 19 SGB VIII über den 30.06.2002 hinaus, dass zum 01.07.2002 keine gesonderten jugendhilferechtlichen Maßnahmen hinsichtlich der Kinder ergriffen worden waren.
(d)
Die Kindesmutter reiste auch direkt von Garmisch-Partenkirchen nach Gifhorn mit dem bereits zuvor gefassten Entschluss, sich dort in der Diakonie Kästorf aufnehmen zu lassen. Das ergibt sich zum einen aus der telefonischen Mitteilung des SkF gegenüber dem Beigeladenen zu 1. vom 19.07.2002 (Beiakte E, Bl. 82), wonach die Kindesmutter am 16.07.2002 "in Richtung Niedersachsen" abgereist sei, und zum anderen aus dem Umstand, dass sowohl sie als auch der Kindesvater bereits am Folgetag tatsächlich in der Diakonie Kästorf um Aufnahme baten.
(2)
Der Kindesvater hielt sich seit seinem erstmaligen Eintritt im Mai 2000 ebenfalls ununterbrochen in geschützten Einrichtungen auf.
(a)
Soweit es den Zeitraum vom Mai 2000 bis zum 14.07.2002 betrifft, ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass es sich bei den von ihm bewohnten Einrichtungen um geschützte Einrichtungen handelte und die jeweiligen Wechsel der Einrichtungen als Übertritte zu werten sind, die nicht zu einer rechtlich relevanten Unterbrechung der Aufenthalte in geschützten Einrichtungen führten.
(b)
Die Kammer erachtet aber auch den Zeitraum vom 14.07. bis 16.07.2002 nicht als Unterbrechung des Aufenthaltes in geschützten Einrichtungen, sondern sieht in dem Wechsel aus dem Heim in Oberschleißheim in die Diakonie Kästorf ebenfalls einen direkten Übertritt von einer geschützten Einrichtung in die nächste. Dafür spricht zunächst der sehr kurze Zeitraum, innerhalb dessen sich der Wechsel vollzog, wobei zu berücksichtigen ist, dass der Reiseweg recht lang war. Für einen zielgerichteten Wechsel spricht zudem der Umstand, dass der Kindesvater sich zu derselben Einrichtung begab, zu der auch die Kindesmutter reiste und auch am selben Tag wie diese dort ankam.
cc)
Als Rechtsfolge sieht § 89e Abs. 1 SGB VIII vor, dass derjenige örtliche Jugendhilfeträger zur Erstattung der vom örtlich zuständigen Jugendhilfeträger aufgewendeten Jugendhilfekosten verpflichtet ist, in dessen Bereich "die Person" vor der Aufnahme in eine geschützte Einrichtung den gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Daraus ergibt sich im vorliegenden Fall die Kostenerstattungspflicht des Beigeladenen zu 1..
(1)
Ihrem Wortlaut nach führt die Anwendung der Norm in Fällen der vorliegenden Konstellation bei der Frage nach dem erstattungspflichtigen örtlichen Jugendhilfeträger allerdings nicht zu einem eindeutigen Ergebnis. Denn Anknüpfungspunkt für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit des Klägers ist im vorliegenden Fall nicht eine Person, sondern gemäß § 86 Abs. 1 SGB VIII eine Personenmehrheit in Gestalt beider Eltern. Daraus ergibt sich zunächst das Problem, dass es nicht (nur) "die Person" gibt, wie es das Gesetz im Rechtsfolgenteil des § 89e Abs. 1 SGB VIII formuliert, sondern zwei Personen. Hinzu kommt noch, dass diese vor ihrem maßgeblichen erstmaligen Eintritt in eine geschützte Einrichtung ihren letzten ungeschützten gewöhnlichen Aufenthalt im Bereich unterschiedlicher örtlicher Jugendhilfeträger hatten.
(2)
Entgegen der Auffassung des Klägers und des Beigeladenen zu 1. ergibt sich daraus jedoch nicht, dass im Sinne des § 89e Abs. 2 SGB VIII ein kostenerstattungspflichtiger örtlicher Jugendhilfeträger nicht vorhanden ist. Vielmehr ist der kostenerstattungspflichtige örtliche Jugendhilfeträger in derartigen Fällen mittels einer Analogie zu § 86 Abs. 1 - 4 SGB VIII zu ermitteln (ebenso: Wiesner, SGB VIII, 3. Aufl. 2006, § 89e Rn. 8).
(a)
Die gesetzliche Regelung in § 89e Abs. 1 SGB VIII weist eine Regelungslücke auf. Sie erfasst ihrem Wortlaut nach in ihrem Rechtsfolgenteil nicht den in diesem Verfahren vorliegenden Fall, dass sich die Zuständigkeit des Jugendhilfeträgers nach dem gewöhnlichen Aufenthalt beider Eltern richtet, da sie dort nur auf "die Person" abstellt. Eine Auslegung dahingehend, in derartigen Fällen die Wendung "die Person" als "die Personen" zu verstehen, scheitert daran, dass jede Auslegung dort ihre Grenze findet, wo sie den möglichen Wortsinn des auszulegenden Begriffs überschreitet.
(b)
Diese Regelungslücke ist nach Auffassung der Kammer vom Gesetzgeber nicht gewollt. Das ergibt sich daraus, dass Tatbestand und Rechtsfolge des § 89e Abs. 1 SGB VIII nicht kongruent sind. Im Tatbestand der Norm wird der Fall, dass es für die Leistungszuständigkeit des handelnden Jugendhilfeträgers auf den gewöhnlichen Aufenthalt beider Eltern ankommt, als erste Sachverhaltsvariante ausdrücklich aufgeführt. Gleichwohl wird diese Variante auf der Rechtsfolgenseite nicht berücksichtigt. Wäre das vom Gesetzgeber gewollt gewesen, hätte es nahe gelegen, diese Sachverhaltsvariante in den Tatbestandsteil der Norm gar nicht erst aufzunehmen. Dass sie gleichwohl im Tatbestandsteil der Norm erscheint, macht deutlich, dass der Gesetzgeber auch diesen Fall im Rahmen des Absatzes 1 regeln und damit grundsätzlich dem horizontalen Kostenausgleich zwischen den jeweiligen örtlichen Jugendhilfeträgern unterwerfen, nicht aber ihn dem vertikalen Kostenausgleich nach Absatz 2 zuordnen wollte.
(c)
Zur Schließung der vorhandenen Regelungslücke ist es sachgerecht, auf die Regelungen des § 86 Abs. 1 - 4 SGB VIII zurückzugreifen. Die Regelung in § 89e Abs. 1 SGB VIII knüpft tatbestandlich an die verschiedenen in § 86 Abs. 1 - 4 SGB VIII erfassten Sachverhaltsvarianten an, indem sie alle dort genannten verschiedenen Anknüpfungspersonen zur Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit aufzählt. Zudem verfolgen beide Normen im Ergebnis zumindest teilweise denselben Zweck, nämlich die Zuordnung auch der Kostenträgerschaft für die zu gewährenden Jugendhilfeleistungen. Dieser Zweck findet zwar im Wortlaut des § 86 SGB VIII keinen unmittelbaren Ausdruck. Er ergibt sich jedoch aus dem im SGB VIII angelegten Grundprinzip, dass die Kostenträgerschaft der Leistungszuständigkeit folgt, soweit nicht in den §§ 89 ff SGB VIII etwas anderes geregelt ist. Dabei ist in der Gesamtschau der Kostenerstattungsregelungen in den §§ 89 ff SGB VIII festzustellen, dass, soweit sich nicht bereits die Leistungszuständigkeit unmittelbar aus der Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt ergibt, jedenfalls die Kostenträgerschaft nach der gesetzlichen Intention vorrangig denjenigen örtlichen Träger der Jugendhilfe treffen soll, in dessen Bereich die maßgebliche Anknüpfungsperson ihren - nicht gemäß § 89e Abs. 1 SGB VIII geschützten - letzten gewöhnlichen Aufenthalt hat oder hatte (vgl. §§ 89a Abs. 1, 89b Abs. 1, 89c Abs. 1 SGB VIII).
(d)
Diesem Ergebnis steht die von dem Kläger und dem Beigeladenen zu 1. zitierte Entscheidung der Spruchstelle Stuttgart vom 17.08.2000, auf die auch Reisch (in: Jans, Happe, Saurbier, Maas, Kinder- und Jugendhilferecht, Loseblatt, 3. Aufl., Stand 11/2001, § 89e Rn. 30) verweist, nicht entgegen. Diese Entscheidung setzt sich - ebenso wie die angeführte Kommentarstelle - mit der Diskongruenz zwischen Tatbestand und Rechtsfolge des § 89e Abs. 1 SGB VIII und den sich daraus ergebenden Fragen für Normverständnis und -anwendung nicht einmal ansatzweise auseinander. Auch soweit Reisch der vorgenommenen Analogiebildung die Gesetzeskonformität abspricht, fehlt hierfür jegliche dogmatische Begründung.
(3)
Unter entsprechender Anwendung des § 86 Abs. 1 - 4 SGB VIII ergibt sich die Kostenerstattungspflicht des Beigeladenen zu 1. aus § 86 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII analog. Denn die Kindesmutter war zumindest im von der Klage erfassten Zeitraum für die betroffenen Kinder allein sorgeberechtigt und sie hatte ihren letzten ungeschützten gewöhnlichen Aufenthalt in Huglfing und damit in dessen Zuständigkeitsbereich.
(4)
Dieses Ergebnis entspricht auch der § 89e SGB VIII zu Grunde liegenden gesetzgeberischen Wertung.
Nach dem Regelungskonzept der Norm sollen einerseits die örtlichen Jugendhilfeträger, in deren Bereich sich geschützte Einrichtungen befinden, vor einer allein aus diesem Umstand resultierenden Kostenbelastung geschützt werden. Andererseits soll der Kostenausgleich vorrangig auf horizontaler Ebene stattfinden. Kostenpflichtig soll grundsätzlich derjenige örtliche Jugendhilfeträger sein, der für den Jugendhilfefall anknüpfend an das Merkmal des gewöhnlichen Aufenthaltes zuständig geworden wäre, wenn die maßgebliche Anknüpfungsperson nicht in eine geschützten Einrichtung eingezogen wäre. Nur wenn ein derartiger örtlicher Jugendhilfeträger nicht vorhanden ist, soll nach Absatz 2 der überörtliche Jugendhilfeträger kostenerstattungspflichtig sein.
Nach diesen Maßstäben ist es systemgerecht, den Beigeladenen zu 1. mit der Kostenerstattungspflicht zu belasten. Denn er wäre gemäß § 86 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zuständig geworden, wenn die Kindesmutter nicht ab Dezember 2000 und seitdem ununterbrochen in einer geschützten Einrichtung gewohnte hätte.
2.
Eine Kostenerstattungspflicht des beklagten Landes ergibt sich auch nicht für den Zeitraum vom 05.02.2003 bis zum 31.08.2003.
a)
Für diesen Zeitraum kann sich ein Anspruch des Klägers nur aus § 89c SGB VIII ergeben. Denn mit dem Wegzug der Kindesmutter aus der Einrichtung der Diakonie Kästorf und ihrem Ortswechsel nach Hannover endete die nach § 86 Abs. 1 SGB VIII begründete Zuständigkeit des Klägers und ergab sich fortan bis zur Fallübernahme seitens der nunmehr gemäß § 86 Abs. 5 Satz 1 SGB VIII zuständig gewordenen Landeshauptstadt Hannover aus § 86c Satz 1 SGB VIII.
b)
Allerdings richtet sich der Kostenerstattungsanspruch gemäß § 89c Abs. 1 SGB VIII gegen die Landeshauptstadt Hannover und ist auch dieser gegenüber geltend zu machen. Die Ansicht des Klägers, er könne diesen Anspruch im Wege einer "Durchgriffshaftung" gegenüber dem beklagten Land geltend machen, weil dieses wiederum der Landeshauptstadt Hannover gemäß § 89e Abs. 2 SGB VIII kostenerstattungspflichtig sei, findet im Gesetz keine Stütze. Unabhängig von der Frage, ob eine Kostenerstattungspflicht des beklagten Landes gegenüber der Landeshauptstadt Hannover überhaupt besteht, scheitert eine Inanspruchnahme des beklagten Landes seitens des Klägers im Wege des "Durchgriffs" bereits daran, dass in § 89c SGB VIII eine derartige "durchgreifende" Kostenerstattungspflicht, anders als etwa in § 89a Abs. 2 SGB VIII, nicht vorgesehen ist. Vielmehr enthält die Norm für die Inanspruchnahme des überörtlichen Jugendhilfeträgers eine abschließende Regelung in Absatz 3, die im vorliegenden Fall unstreitig nicht einschlägig ist. Angesichts des Umstands, dass der Gesetzgeber einerseits in § 89c SGB VIII auf eine dem § 89a Abs. 2 SGB VIII entsprechende Regelung verzichtet und andererseits in Absatz 3 der Norm für die Inanspruchnahme des überörtlichen Jugendhilfeträgers eine eigenständige Regelung getroffen hat, verbietet es sich auch, die Regelung des § 89a Abs. 2 SGB VIII im Rahmen des § 89c SGB VIII analog anzuwenden. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber das Prinzip der Durchgriffshaftung auf die im Gesetz ausdrücklich normierten Sachverhalte begrenzen wollte.
3.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Regelung zur Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
4.
Die Berufung war gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen, denn die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung. Die Fragen, wen im Rahmen des § 89e SGB VIII die Kostenerstattungspflicht trifft, wenn für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit des erstattungsberechtigten Jugendhilfeträgers der gewöhnliche Aufenthalt beider Eltern maßgeblich ist, und ob zur Bestimmung eines kostenerstattungspflichtigen örtlichen Jugendhilfeträgers eine analoge Anwendung des § 86 Abs. 1 - 4 SGB VIII geboten ist, sind im Schrifttum umstritten und in der Rechtsprechung, soweit ersichtlich, bisher nicht beantwortet.