Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 22.04.2008, Az.: 3 A 4393/04
Kostenerstattung für Leistungen nach dem AsylbLG an Opferzeugin
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 22.04.2008
- Aktenzeichen
- 3 A 4393/04
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2008, 45505
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGHANNO:2008:0422.3A4393.04.0A
Rechtsgrundlagen
- § 10a I S. 2 AsylbLG
- § 10a I S. 3 AsylbLG
- § 10b 3 AsylbLG
Fundstellen
- ZfF 2009, 132-134
- info also 2009, 192
Amtlicher Leitsatz
Ein Erlass des Landesinnenministeriums kann die bundesrechtlichen Zuständigkeitsvorschriften des AsylbLG nicht abändern.
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Kostenerstattung für Leistungen, die sie ab Juni 2002 an die polnische Staatsangehörige C. erbracht hat.
Frau D. war am 21.06.2002 nach Deutschland und in das Stadtgebiet von E. eingereist, um sich für eine Arbeitsstelle in einer Bar vorzustellen. Dort war sie jedoch in die Gewalt von Menschenhändlern geraten und zur Prostitution gezwungen worden. Am 25.06.2002 gelang es ihr, Kontakt zur Polizei aufzunehmen, die sie als Opferzeugin in ein Personenschutzprogramm aufnahm. Nachdem sie die Nacht zum 26.06.2002 im autonomen Frauenhaus E. verbracht hatte, überführte die Polizei sie am 26.06.2002 nach Salzgitter in das dortige Frauenhaus. Am 27.06.2002 informierte die Polizei die Beklagte darüber, dass Frau D. im autonomen Frauenhaus E. untergekommen und anschließend anderweitig untergebracht worden war. Ein Antrag auf Sozialleistungen wurde bei der Beklagten nicht gestellt. Mit Schreiben vom gleichen Tage setzte die Polizeidirektion E. die Klägerin von der Unterbringung Frau D. s im Frauenhaus Salzgitter in Kenntnis. Am 01.07.2002 beantragte Frau D. bei der Klägerin Sozialleistungen, die die Klägerin ihr in der Folgezeit nach dem AsylbLG gewährte.
Die Klägerin wandte sich mit Schreiben vom 28.06.2002 an die Beklagte und bat diese bezugnehmend auf eine Empfehlung in einer Handreichung des Bundesinnenministeriums für die Träger des AsylbLG und der Sozialhilfe bei der Bewilligung von Hilfeleistungen an Opfer von Menschenhandel (im Folgenden: Empfehlung) darum, für die Dauer des Aufenthaltes von Frau D. in Salzgitter ein Zuständigkeitsanerkenntnis nach § 10a Abs. 1 S. 3 AsylbLG abzugeben oder ihre Kostenerstattungspflicht aus § 10b Abs. 3 AsylbLG anzuerkennen.
Die Beklagte teilte der Klägerin mit Schreiben vom 10.07.2002 mit, dass sie sich nicht für zuständig halte. Frau D. sei dem Bereich der Klägerin nicht zugeteilt oder zugewiesen worden. Deshalb sei die Klägerin selbst nach § 10 Abs. 1 S. 2 AsylbLG für die Leistungserbringung an Frau D. zuständig, weil diese sich in deren Bereich tatsächlich aufhalte. Da Frau D. sich in E. illegal aufgehalten habe und als Opfer von Menschenhandel von der Polizei aufgegriffen und in den Zuständigkeitsbereich der Klägerin verbracht worden sei, liege auch kein Umzug und damit keine Kostenerstattungspflicht nach § 10b Abs. 3 AsylbLG vor. Die Empfehlung in der Handreichung des Innenministeriums werde auch vom Deutschen Städtetag kritisch gesehen und habe nicht den Charakter einer verbindlichen Regelung.
In dem anschließenden Schriftwechsel konnten die Beteiligten keine Einigung erzielen. Die Klägerin stützte sich auf ein zwischenzeitlich ergangenes Schreiben des Niedersächsischen Innenministeriums an die Bezirksregierungen vom 01.08.2002, in dem "in Ausführung der" Empfehlung festgestellt wurde, dass in Niedersachsen der tatsächliche Aufenthaltsort gemäß § 10a Abs. 1 S. 2 AsylbLG der Ort sei, an dem das Opfer von Menschenhandel von der Polizei aufgegriffen und in Gewahrsam genommen wird, und dass nach § 10a Abs. 1 S. 3 AsylbLG die Zuständigkeit auch dann bestehen bleibe, wenn die Hilfe außerhalb des Bereichs des Leistungsträgers sichergestellt wird. Eine andere Regelung würde die Kommunen benachteiligen, die ein Frauenhaus oder eine ähnliche Einrichtung betreiben. Die bis April 2003 aufgewendeten Kosten bezifferte die Klägerin vorläufig auf 7 142,78 €. Die Beklagte hielt demgegenüber auch den Erlass des Niedersächsischen Innenministeriums lediglich für eine nicht bindende Empfehlung, weil sie in klarem Widerspruch zu den abschließenden Regelungen in § 97 BSHG und § 10a AsylbLG stehe. Das Bundesverwaltungsgericht habe zu der Parallelvorschrift zu § 10a Abs. 1 S. 3 AsylbLG im BSHG klargestellt, dass diese lediglich eine Ermächtigung für die Behörde enthalte, außerhalb ihres eigenen Bereiches tätig zu werden, die Behörde jedoch nicht dazu verpflichte. Die Klägerin widersprach der Übertragung dieser Rechtsprechung auf das AsylbLG, weil das Bundesverwaltungsgericht zur Auslegung von § 97 Abs. 1 S. 2 BSHG auf das Normengefüge des BSHG und insbesondere § 107 BSHG abgestellt habe, das sich von den Regelungen des AsylbLG unterscheide. Für Personen, die Leistungen nach dem AsylbLG nur aufgrund ihres Status als Opfer von Menschenhandel erhalten, bestünden dort keine ausdrücklichen Regelungen. Der Erlass habe diese Lücke zugunsten der aufnehmenden Sozialhilfeträger verbindlich schließen sollen.
Versuche der Beklagten, eine Klärung der Problematik durch das Niedersächsische Innenministerium herbeizuführen, blieben erfolglos.
Am 13.09.2004 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie stützt sich auf ihr bisheriges Vorbringen und führt darüber hinaus an, dass die Beklagte bereits durch die Unterbringung von Frau D. im Frauenhaus in E. Kenntnis von dem Vorgang erhalten habe.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, ihr die für Frau D. in der Zeit vom 26.06.2002 bis zum 31.03.2003 aufgewendeten Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz in Höhe von 7 142,78 € zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung führt sie ergänzend zu ihrem außergerichtlichen Vorbringen aus, dass eine Zuständigkeit nach § 10a Abs. 1 S. 3 AsylbLG ein aktives Tun der sicherstellenden Behörde voraussetze. Der bisher zuständige Träger müsse zum Ausdruck bringen, dass er für den Bedarf des Leistungsbeziehers auch außerhalb seines Zuständigkeitsbereiches aufkommen wolle. Da sie erst am 27.06.2002 durch die Polizei von den Vorgängen Kenntnis erhalten und sich von Anfang an gegen eine Übernahme des Falles verwahrt habe, seien diese Voraussetzungen nicht erfüllt. Eine Kostenerstattung nach § 10b Abs. 3 AsylbLG scheide aus, weil diese Vorschrift an einen Umzug des Leistungsberechtigten ohne Verstoß gegen eine asyl- oder ausländerrechtliche Bestimmung anknüpfe, Frau D. sich jedoch illegal in E. aufgehalten habe und als Opfer von Menschenhandel von der Polizei nach Salzgitter verbracht worden sei. Weiterhin sei die Zuständigkeit im AsylbLG abschließend geregelt, so dass keine Regelungslücke bestehe. Schließlich sei nicht nachvollziehbar, wie der Aufgriffsort über den dortigen Verbleib des Hilfebedürftigen hinaus tatsächlicher Aufenthaltsort im Sinne von § 10a Abs. 1 S. 2 AsylbLG sein könne. Auch in der Empfehlung werde unter Ziff. IV Nr. 1 und Nr. 2 zwischen dem tatsächlichen Aufenthalt am Aufgriffsort und der Sicherstellung der Hilfe außerhalb des Zuständigkeitsbereichs unterschieden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 22.04.2008 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
Die Klägerin hat unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch gegen die Beklagte auf Erstattung der für die Hilfeempfängerin C. aufgewendeten Kosten.
1.
Ein Erstattungsanspruch aus § 105 Abs. 1 S. 1 SGB X scheidet aus, weil die Beklagte für die erbrachten Leistungen nicht zuständig war.
§ 105 Abs. 1 S. 1 SGB X legt fest, dass der zuständige oder zuständig gewesene Leistungsträger erstattungspflichtig ist, wenn ein unzuständiger Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat, ohne auf Grund gesetzlicher Vorschriften zur vorläufigen Leistung verpflichtet gewesen zu sein.
Eine Zuständigkeit der Beklagten ergibt sich weder aus § 10a Abs. 1 S. 2 AsylbLG (dazu nachfolgend unter a)), noch aus § 10 Abs. 1 S. 3 AsylbLG (dazu nachfolgend unter b)).
a)
Nach § 10a Abs. 1 S. 1, 2 AsylbLG ist für die Leistungen nach diesem Gesetz die Behörde zuständig, in deren Bereich der Leistungsberechtigte auf Grund der Entscheidung der zentralen Verteilungsstelle verteilt oder von der im Land zuständigen Behörde zugewiesen worden ist. Im Übrigen ist die Behörde zuständig, in deren Bereich sich der Leistungsberechtigte tatsächlich aufhält.
Da Frau D. weder verteilt noch zugewiesen wurde, richtet sich die Zuständigkeit gemäß Satz 2 nach ihrem tatsächlichen Aufenthalt. Diesen hatte sie zum Zeitpunkt der Leistungsgewährung durch die Klägerin in deren Bereich und nicht in dem der Beklagten. Für den Zeitraum, während dessen Frau D. sich im Bereich der Beklagten aufhielt, haben weder sie noch das autonome Frauenhaus Sozialleistungen beantragt. Deshalb ist keine Zuständigkeit der Beklagten begründet worden.
Die Feststellung im Erlass des Niedersächsischen Innenministeriums vom 01.08.2002, dass in Niedersachsen der tatsächliche Aufenthaltsort gemäß § 10a Abs. 1 S. 2 AsylbLG der Ort sei, an dem das Opfer von Menschenhandel von der Polizei aufgegriffen und in Gewahrsam genommen wird, steht dem nicht entgegen. Dieser Erlass entfaltet zumindest nach außen keine Bindungswirkung. Er vermag die bundesrechtliche Regelung der Zuständigkeit in § 10a Abs. 1 AsylbLG nicht zu verändern. Zwar kann in der Tat am Aufgriffsort nach § 10a Abs. 1 S. 2 AsylbLG eine Zuständigkeit der dortigen Behörde begründet werden, wenn dort Sozialleistungen beantragt werden. Darauf dürfte auch die vom Erlass in Bezug genommene Empfehlung abstellen, wenn sie unter Ziff. IV Nr. 1 folgendes ausführt: "Der tatsächliche Aufenthaltsort gemäß § 10a Abs. 1 S. 2 AsylbLG und § 97 Abs. 1 S. 1 BSHG ist der Ort, an dem das Opfer oder mutmaßliche Opfer von Menschenhandel von der Polizei aufgegriffen und in Gewahrsam genommen wird. Dasselbe gilt, wenn sich die Person der Polizei oder einer Fachberatungsstelle stellt. Zu diesem Zeitpunkt setzt der zu deckende Bedarf ein, wobei davon auszugehen ist, dass ein gegenwärtiger Hilfebedarf der Person jedenfalls nach dem Aufgreifen besteht. Die Polizei oder Stelle setzt den zuständigen Leistungsträger unverzüglich noch während des Aufenthalts der Person am Ort von dem Hilfebedarf in Kenntnis. Damit steht das örtliche Sozialamt als zuständiger Leistungsträger nach dem AsylbLG bzw. nach dem BSHG fest." Diese Zuständigkeit endet indes, sobald der Hilfeempfänger den Zuständigkeitsbereich der Behörde tatsächlich verlässt.
b)
Die Beklagte ist auch nicht gemäß § 10a Abs. 1 S. 3 AsylbLG zuständig gewesen.
§ 10a Abs. 1 S. 3 AsylbLG bestimmt, dass die Zuständigkeit nach § 10a Abs. 1 S. 2 AsylbLG bis zur Beendigung der Leistung auch dann bestehen bleibt, wenn die Leistung von der zuständigen Behörde außerhalb ihres Bereichs sichergestellt wird. Hier fehlt es wie soeben ausgeführt bereits an einer ursprünglichen Zuständigkeit der Beklagten.
Darüber hinaus hat die Beklagte die Leistung an Frau D. aber auch nicht außerhalb ihres Bereichs sichergestellt. Die Beklagte hat zutreffend darauf hingewiesen, dass eine Zuständigkeit nach dieser Vorschrift nur bestehen kann, wenn die zunächst zuständige Behörde die Leistung auch nach der Beendung des tatsächlichen Aufenthalts des Hilfeempfängers in ihrem Zuständigkeitsbereich tatsächlich fortführt oder jedenfalls zum Ausdruck bringt, dass sie für den gesamten Bedarf auch am neuen Wohnort aufkommen will (vgl. zur ersten Alternative im Hinblick auf die ähnliche Regelung in § 97 Abs. 1 S. 2 BSHG: Urt. des BVerwG v. 20.09.2001, Az. 5 C 6/01, BVerwGE 115, 142 ff.; zur zweiten Alternative: Urt.d. Sächs. OVG v. 01.11.2004, Az. 4 B 74/03, FEVS 56, 445 ff.; GK AsylbLG, 31. EL 2006, § 10a, Rn. 37). Das Bundesverwaltungsgericht hat zur Auslegung von § 97 Abs. 2 S. 2 BSHG ausgeführt, dass diese auch vom systematischen Zusammenhang mit § 107 BSHG und § 97 Abs. 1 S. 1 beeinflusst werde: "Verzieht eine Person an einen anderen Ort, wird der dortige Sozialhilfeträger zuständig für die dort erforderlich werdende Hilfe außerhalb von Einrichtungen (§ 97 Abs. 1 Satz 1 BSHG), hat allerdings für höchstens zwei Jahre einen Erstattungsanspruch gegen den Träger des bisherigen Aufenthaltsortes (§ 107 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 BSHG). Das Gesetz ergänzt also die im Interesse der Ortsnähe und Effektivität der nichtstationären Hilfe getroffene Zuständigkeitsentscheidung durch eine der gerechten Lastenverteilung zwischen den Sozialhilfeträgern dienende zeitlich begrenzte Erstattung. Vor diesem systematischen Hintergrund kann deshalb § 97 Abs. 1 Satz 2 BSHG nicht als Norm verstanden werden, die den Sozialhilfeträger des bisherigen Aufenthaltsortes trotz eines Aufenthaltswechsels des Hilfeempfängers zeitlich unbefristet an seiner bisherigen Zuständigkeit und der damit - in Ermangelung einer entsprechenden Erstattungsvorschrift - verbundenen Kostenlast gegen seinen Willen endgültig festhält. Dagegen (spricht) auch (der) Wortlaut (...). § 97 Abs. 1 Satz 2 BSHG n.F. (verlangt) für den Fortbestand der örtlichen Zuständigkeit eines Sozialhilfeträgers, dass die Hilfe außerhalb seines Bereichs "sichergestellt wird". Diese Zuständigkeit endet mit der "Beendigung der Hilfe". Die fortbestehende Zuständigkeit hängt also sowohl in Bezug auf ihren Anfang ("wenn die Hilfe außerhalb seines Bereichs sichergestellt wird") als auch in Bezug auf ihr Ende ("Beendigung der Hilfe") von rein tatsächlichen Umständen ab. Folglich besteht zum einen eine nach § 97 Abs. 1 Satz 1 BSHG begründete Zuständigkeit eines Sozialhilfeträgers nach einem Wechsel des tatsächlichen Aufenthalts nicht nach § 97 Abs. 1 Satz 2 BSHG n.F. fort, wenn - rein faktisch - Hilfe nicht außerhalb seines Bereichs sichergestellt wird, und zum anderen endet eine nach § 97 Abs. 1 Satz 2 BSHG n.F. zunächst fortbestehende Zuständigkeit, wenn die Hilfe - wiederum rein faktisch - beendet wird. Die Zuständigkeit nach § 97 Abs. 1 Satz 2 BSHG hängt also allein von der tatsächlich fortgesetzten Hilfegewährung außerhalb des Zuständigkeitsbereiches ab. Auf diese Weise stellt der Gesetzgeber die weitere Zuständigkeit nach § 97 Abs. 1 Satz 2 BSHG in das Ermessen des die Hilfeleistung erbringenden Sozialhilfeträgers, macht sie von seiner (weiteren) Leistungsbereitschaft abhängig. Der zunächst nach § 97 Abs. 1 Satz 1 BSHG zuständig gewordene Träger kann wählen, ob er bei einem Ortswechsel des von ihm betreuten Hilfeempfängers die Hilfe außerhalb seines Bereichs sicherstellt oder aber die Hilfe einstellt, dann aber für die Dauer von längstens zwei Jahren Kostenerstattungsansprüchen des nunmehr zuständig gewordenen Trägers ausgesetzt ist. Mit dieser bei fortgesetzter Hilfeleistung fortbestehenden Zuständigkeit hat der Gesetzgeber seinem mit der Neuregelung der Zuständigkeits- und Erstattungsvorschriften verfolgten Ziel, Kostenerstattung möglichst zu vermeiden (s. BTDrucks 12/4401 S. 84), Rechnung getragen." Diese Gedanken lassen sich auf § 10a Abs. 1 S. 3 BSHG übertragen. Zum einen wollte der Gesetzgeber mit § 10a AsylbLG die Regelungen des § 97 BSHG im Kern übernehmen (Bundestags-Drs. 13/2746, S. 18). Zum anderen war im streitgegenständlichen Zeitraum mit § 10b Abs. 3 AsylbLG a.F. auch eine mit § 107 BSHG vergleichbare Regelung zur Kostenerstattung bei Umzügen im AsylbLG vorhanden.
Da die Beklagte sich hier von Anfang an gegen eine Übernahme des Hilfefalles verwahrt hat, hat sie die Leistung weder fortgeführt noch zum Ausdruck gebracht, dass sie dies anstrebt.
Eine Regelungslücke für Personen, die Leistungen nach dem AsylbLG nur aufgrund ihres Status als Opfer von Menschenhandel erhalten, ist entgegen der Auffassung der Klägerin nicht ersichtlich. Zwar greift der in §§ 10a Abs. 2, 10b Abs. 1, 2 AsylbLG normierte Schutz der Einrichtungsorte bei der Unterbringung von Opfern von Menschenhandel in auswärtigen Frauenhäusern nicht. Dennoch folgt in diesen Fällen aus den vorhandenen Normen eine klare Zuständigkeit.
Zudem ergibt sich auch weder aus dem Schreiben des Niedersächsischen Innenministeriums vom 01.08.2002 noch aus der Empfehlung - unbeschadet von deren rechtlicher Einordnung - eine andere Auslegung von § 10a Abs. 1 S. 3 AsylbLG. Während sich das Schreiben auf eine Wiedergabe des Normtextes beschränkt, fügt die Empfehlung diesem unter Ziff. IV Nr. 2 hinzu, dass die Hilfe nur außerhalb des Bereichs des Leistungsträgers durch ihn sichergestellt werden könne, da der erforderliche Schutz der Person am Aufgriffsort in aller Regel nicht gewährleistet sei; ein Ermessen bestehe insoweit nicht. Der zuständige Leistungsträger erkläre die Bereitschaft zur Sicherstellung der Leistung außerhalb seines Bereiches bis zur Beendigung der Hilfe. Damit beschreibt die Empfehlung ein politisch erwünschtes Verhalten der Leistungsträger, dass zu einer Zuständigkeit nach § 10a Abs. 1 S. 3 AsylbLG führen würde. Eine Verpflichtung hierzu durch § 10a Abs. 1 S. 3 AsylbLG wird hingegen zu Recht nicht angenommen.
2.
Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Kostenerstattung aus § 10b Abs. 3 S. 1 AsylbLG a.F. gegen die Beklagte.
Der bis zum 30.06.2005 geltende § 10b Abs. 3 S. 1 AsylbLG verpflichtete die Behörde des bisherigen Aufenthaltsortes, der nunmehr zuständigen Behörde die dort erforderlichen Leistungen außerhalb von Einrichtungen im Sinne des § 10a Abs. 2 S. 1 zu erstatten, wenn ein Leistungsberechtigter ohne Verstoß gegen eine asyl- oder ausländerrechtliche räumliche Beschränkung vom Ort seines bisherigen gewöhnlichen Aufenthaltes verzieht. Die Voraussetzungen dieses Anspruchs sind schon deshalb nicht erfüllt, weil Frau D. in E. keinen gewöhnlichen Aufenthalt begründet hatte und somit nicht von dort verziehen konnte. Nach der Legaldefinition in § 10a Abs. 3 S. 1 AsylbLG gilt als gewöhnlicher Aufenthalt der Ort, an dem sich jemand unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Frau D. war nur für ein Vorstellungsgespräch nach E. gekommen und hatte beabsichtigt, danach zunächst wieder an ihren Heimatort in Polen zurückzukehren. Entgegen ihren Plänen wurde sie dann für wenige Tage gegen ihren Willen in E. festgehalten.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.