Verwaltungsgericht Braunschweig
Beschl. v. 07.10.2020, Az.: 6 B 160/20

Abschlussprüfung; Chancengleichheit; Corona-Pandemie; COVID-19; Leistungsbewertung; Pandemie; Prüfungsvorbereitung; Rüge; Verfahrensfehler

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
07.10.2020
Aktenzeichen
6 B 160/20
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2020, 71811
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Angebliche Mängel in der Prüfungsvorbereitung sind rechtzeitig, d.h. grundsätzlich vor Beginn der Prüfung und in unmittelbarem Zusammenhang mit dieser zu rügen.

2. Ein zur Rechtswidrigkeit der Prüfungsentscheidung führender Rechtsfehler liegt im Fall einer durch äußere Umstände beeinträchtigten Vorbereitungszeit vor, wenn eine angemessene, dem Gebot der Chancengleichheit entsprechende Vorbereitung auf die Prüfungen schlechterdings nicht möglich war.

3. Die sich aus der Pandemie ergebenden Beeinträchtigungen in der Vorbereitung auf Abschlussprüfungen sind von den Schülerinnen und Schülern grundsätzlich hinzunehmen.

4. Auch die Erschwernisse, die bei der Vorbereitung auf die schulischen Abschlussprüfungen aufgrund der COVID-19-Pandemie entstehen, entbinden die Schulen nicht von der sich schon aus der Verfassung ergebenden Pflicht, die Noten für die Abschlussprüfungen allein anhand der von den Schülerinnen und Schülern erbrachten Leistungen zu bestimmen.

Gründe

Die Antragstellerin wendet sich dagegen, dass ihr die Antragsgegnerin nach Besuch des 10. Schuljahrgangs mit dem Realschul-Abschlusszeugnis vom 15. Juni 2020 nur den Sekundarabschluss I – Realschulabschluss zuerkannt hat und nicht den Erweiterten Sekundarabschluss I.

Der sinngemäß gestellte Antrag, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Antragstellerin vorläufig den Erweiterten Sekundarabschluss I zuzuerkennen, hat keinen Erfolg.

Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes erlassen, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder aus anderen Gründen notwendig erscheint. Dazu muss der Antragsteller grundsätzlich glaubhaft machen, dass die gerichtliche Entscheidung eilbedürftig ist (Anordnungsgrund) und der geltend gemachte Anspruch besteht (Anordnungsanspruch). Besondere Anforderungen gelten für den Fall, dass die begehrte Anordnung die Entscheidung in der Hauptsache vorwegnehmen würde. Da die einstweilige Anordnung grundsätzlich nur zur Regelung eines vorläufigen Zustandes ausgesprochen werden darf, ist sie in diesen Fällen nur möglich, wenn sonst das Grundrecht auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes verletzt würde. So darf die Entscheidung in der Hauptsache ausnahmsweise vorweggenommen werden, wenn ein Hauptsacheverfahren mit überwiegender Wahrscheinlichkeit Erfolg haben würde und wenn es dem Antragsteller darüber hinaus schlechthin unzumutbar wäre, den Abschluss des Hauptsacheverfahrens abzuwarten (vgl. z. B. VG Braunschweig, B. v. 19.08.2003 - 6 B 315/03 -, www.rechtsprechung.niedersachsen.de = NVwZ-RR 2004, 110; Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 7. Aufl., Rn. 190 ff.). Diese Anforderungen sind nicht erfüllt.

Der Eilantrag der Antragstellerin ist auf die Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet. Eine die Anforderungen an den Erlass einer einstweiligen Anordnung erhöhende Vorwegnahme der Hauptsache liegt schon dann vor, wenn die begehrte Entscheidung des Gerichts dem Antragsteller für die Dauer eines Hauptsacheverfahrens die Rechtsposition vermitteln würde, die er in der Hauptsache anstrebt (vgl. Nds. OVG, B. v. 23.11.1999 - 13 M 3944/99 -, NVwZ-RR 2001, 241; Finkelnburg/Dombert/Külpmann, a.a.O., Rn. 179 f.). Dies ist hier der Fall. Die Antragstellerin will ausdrücklich so gestellt werden, als habe sie den Erweiterten Sekundarabschluss I erworben, und damit jedenfalls vorübergehend diejenige Rechtsposition erreichen, die sie in einem Hauptsacheverfahren erstreiten müsste.

Die Antragstellerin hat nicht glaubhaft gemacht, dass ein Hauptsacheverfahren mit überwiegender Wahrscheinlichkeit Erfolg haben würde und damit die besonderen Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen bei einem auf die Vorwegnahme der Hauptsache gerichteten Eilantrag von einem Anordnungsanspruch ausgegangen werden kann. Nach den vorliegenden Unterlagen ist nicht ersichtlich, dass eine eventuell nachfolgende Klage gegen die von der Antragstellerin beanstandeten Zeugnisnoten und die Entscheidung der Antragsgegnerin, ihr nicht den Erweiterten Sekundarabschluss I zuzuerkennen, mit überwiegender Wahrscheinlichkeit Erfolg hätte.

Rechtsgrundlage für die Entscheidung der Antragsgegnerin über den Schulabschluss der Antragstellerin ist die Regelung in § 7 der Verordnung über die Abschlüsse im Sekundarbereich I der allgemein bildenden Schulen einschließlich der Freien Waldorfschulen (AVO-Sek I) vom 7. April 1994 (Nds. GVBl. S. 197), zuletzt geändert durch Verordnung vom 23. September 2020 (Nds. GVBl. S. 332). Danach erwirbt den Erweiterten Sekundarabschluss I, wer über die Voraussetzungen für den Erwerb des Sekundarabschlusses I – Realschulabschluss nach § 6 AVO-Sek I hinaus im Durchschnitt (mindestens) befriedigende Leistungen – erstens – in allen Pflichtfächern und Wahlpflichtkursen sowie – zweitens – in den Pflichtfächern Deutsch, erste Fremdsprache und Mathematik erbracht hat. Da die Leistungen der Antragstellerin in den Fächern Deutsch und Englisch (erste Fremdsprache) jeweils mit der Note ausreichend und in Mathematik mit der Note befriedigend bewertet worden sind, erfüllt sie die gesetzlichen Voraussetzungen für den Erweiterten Sekundarabschluss I nicht. Dazu hätte sie in den drei Fächern eine Durchschnittsnote von 3,0 oder besser aufweisen müssen (vgl. § 22 Abs. 2 AVO-Sek I).

Die von der Antragstellerin angegriffene Bewertung ihrer Leistungen in den Fächern Deutsch, Englisch und Mathematik ist nach den vorliegenden Unterlagen rechtlich nicht zu beanstanden.

I. Soweit sie geltend macht, die Vorbereitung auf die Abschlussprüfungen in diesen Fächern sei unter Berücksichtigung der durch die COVID-19-Pandemie verursachten besonderen Umstände unzureichend gewesen, kann dies nicht zur Rechtswidrigkeit der Leistungsbewertungen und zur Entscheidung über den Schulabschluss führen. Die Antragstellerin hat die angeblichen Mängel in der Vorbereitung nicht rechtzeitig vor den Prüfungen gerügt. Sie ist daher jetzt – nachdem sie sich den Prüfungen unterzogen hat – mit den von ihr insoweit erhobenen Einwänden ausgeschlossen (1.). Unabhängig davon ist aber auch nicht ersichtlich, dass die Prüfungsvorbereitung rechtlich fehlerhaft gewesen ist (2.).

1. Die Antragstellerin hat die angeblichen Mängel in der Prüfungsvorbereitung nicht rechtzeitig gerügt.

Mängel in der Vorbereitung auf eine Prüfung, wie beispielsweise eine zu kurze Vorbereitungszeit, können wie andere Ausbildungsmängel als Verfahrensfehler anzusehen sein und damit nicht nur einen Anspruch auf hinreichende Verlängerung der Ausbildungszeit begründen, sondern zur Rechtswidrigkeit der Prüfungsentscheidung führen, wenn die Vorbereitung bzw. Ausbildung nach der Konzeption des betreffenden Bildungs- oder Studiengangs integrierter Bestandteil des Prüfungsvorgangs ist (vgl. BVerwG, B. v. 12.11.1992 - 6 B 36.92 -, juris Rn. 2). Dies wird bei schulischen Abschlussprüfungen jedenfalls in aller Regel der Fall sein (vgl. Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Aufl., Rn. 628; s. auch VG Berlin, U. v. 18.06.2014 - VG 12 K 941.13 -, BeckRS 2014, 123239 Rn. 24).

Allerdings trifft die Schülerinnen und Schüler wie alle Prüflinge in Prüfungsverfahren eine Mitwirkungspflicht. Ihnen obliegt es, das Ihnen Zumutbare zu einem ordnungsgemäßen Prüfungsablauf beizutragen und auf eine fehlerfreie Verfahrensgestaltung hinzuwirken. Daher müssen sie eine (angeblich) unzureichende Prüfungsvorbereitung wie andere Ausbildungsdefizite und sonstige Verfahrensfehler unverzüglich und damit grundsätzlich vor Beginn der Prüfung rügen. Unterbleibt diese Rüge, ist es der Schülerin oder dem Schüler grundsätzlich verwehrt, die Mängel nach der Prüfung geltend zu machen. Wird die Rüge nicht rechtzeitig erhoben, erlischt der Anspruch des Prüflings auf Beseitigung des Mangels und seiner Folgen (vgl. zu allem - ausdrücklich für Vorbereitungsmängel - Nds. OVG, B. v. 22.12.2003 - 2 NB 394/03 -, juris Rn. 3; VG München, U. v. 28.03.2017 - M 16 K 14.5156 -, juris Rn. 24; VG Berlin, B. v. 22.02.2013 - 3 K 291.12 -, juris Rn. 10; U. v. 29.01.2013 - 3 K 616.11 -, juris Rn. 32; s. auch Littmann in: Brockmann/Schippmann/Littmann, NSchG, Stand: September 2020, § 59 Anm. 7.2.3; für „Ausbildungsmängel“ ebenso BVerwG, a.a.O., Rn. 6 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 02.08.2017 - 5 N 30.16 -, BeckRS 2017, 139690 Rn. 9; OVG Nordrhein-Westfalen, B. v. 19.12.2016 - 6 A 1699/15 -, juris Rn. 26 ff.; VGH Baden-Württemberg, B. v. 03.07.2012 - 9 S 2189/11 -, juris Rn. 19; VG Berlin, B. v. 11.03.2013 - 12 L 1326.12 -; Niehues/Fischer/Jeremias, a.a.O., Rn. 388a). Dies dient dazu, die Chancengleichheit in Prüfungen zu gewährleisten (vgl. VGH Baden-Württemberg, a.a.O., Rn. 17). Wäre ein Verfahrensfehler zeitlich unbegrenzt zu berücksichtigen, hätte es der Prüfungskandidat unter unzulässiger Bevorzugung gegenüber anderen Prüflingen in der Hand, die erbrachte Prüfungsleistung je nach Ausgang der Prüfung gelten oder annullieren zu lassen, dadurch sein Risiko gegenüber dem der anderen Prüflinge zu mindern und sich eine weitere Prüfungschance zu verschaffen. Darüber hinaus soll die Rügepflicht der Prüfungsbehörde die zeitnahe Überprüfung der gerügten Defizite mit dem Ziel einer schnellstmöglichen Aufklärung und unter Umständen einer noch rechtzeitigen Korrektur oder Kompensation festgestellter Mängel ermöglichen.

Die Pflicht zur rechtzeitigen Rüge von Vorbereitungsmängeln erfüllt die Schülerin oder der Schüler grundsätzlich nur dann, wenn die Rüge vor Beginn der jeweiligen Prüfung und in unmittelbarem Zusammenhang mit dieser erhoben wird. Daher genügt es nicht, die Mängel während des Unterrichts gegenüber einer Lehrkraft anzusprechen. Sind die gerügten Mängel bis zur Prüfung nicht beseitigt, ist es dem betroffenen Prüfling zuzumuten, die Prüfung unter einem ausdrücklich erklärten Vorbehalt abzulegen (vgl. zu allem: BVerwG, B. v. 12.11.1992, a.a.O., Rn. 6 ff.; VGH Baden-Württemberg, a.a.O., Rn. 19). Dass der Prüfling einen Vorbereitungsmangel nicht vor Beginn der Prüfungen gerügt hat, kann ihm nur dann nicht vorgehalten werden, wenn ihm diese Rüge ausnahmsweise nach den besonderen Umständen des Einzelfalles nicht zuzumuten gewesen ist (vgl. Nds. OVG, a.a.O., Rn. 3). Da die Chancengleichheit betroffen ist, gilt dafür ein strenger Maßstab (vgl. Niehues/Fischer/Jeremias, a.a.O., Rn. 218 m.w.N.).

Nach diesen Maßstäben hat die Antragstellerin die aus ihrer Sicht bestehenden Vorbereitungsmängel nicht rechtzeitig gerügt. Sie hat eine solche Rüge nach eigenen Angaben nicht vor den Abschlussprüfungen (§ 27 AVO-Sek I) und in unmittelbarem Zusammenhang mit diesen erhoben, sondern erst im Widerspruchsverfahren. Auf die Prüfungen hat sie sich vorbehaltlos eingelassen. Die Rüge einer ihrer Auffassung nach unzureichenden Vorbereitung hat sie erst im Rahmen der Begründung des gegen das Abschlusszeugnis gerichteten Widerspruchs und damit verspätet erhoben. Die nachträgliche Beanstandung (angeblicher) Vorbereitungsdefizite ist ihr aus Gründen der Chancengleichheit verwehrt.

Dass es der Antragstellerin ausnahmsweise nicht zuzumuten gewesen ist, die von ihr geltend gemachten Mängel schon vor Beginn der Prüfungen zu rügen, ist nicht ersichtlich. Ihre Rüge hat sie auf eine angeblich verfehlte Schwerpunktbildung der Fachlehrkräfte in der Vorbereitungszeit gestützt und die ihrer Ansicht nach in verschiedener Hinsicht unzureichend kompensierten pandemiebedingten Beschränkungen des Präsenz-unterrichts. Diese Umstände sind ihr bereits vor Beginn der Abschlussprüfungen bekannt gewesen. Die Antragstellerin hatte bis zum Beginn der Prüfungen die Möglichkeit, die Situation zu reflektieren und eine Entscheidung darüber zu treffen, ob sie eine Rüge erheben will. Die Rüge wäre auch nicht mit der Pflicht verbunden gewesen, die Prüfungen nicht anzutreten und damit das Nichtbestehen zu riskieren. Den rechtlichen Anforderungen, die sich aus dem Grundsatz der Chancengleichheit ergeben, hätte es genügt, wenn die Antragstellerin nach der Rüge unter einem ausdrücklich erklärten Vorbehalt an den Prüfungen teilgenommen hätte. Dies wäre ihr zumutbar gewesen.

Die Antragstellerin kann insoweit auch nicht erfolgreich geltend machen, sie und „alle Beteiligte“ hätten keinerlei Erfahrungen im Hinblick auf die Abschlussprüfungen gehabt, sodass sie die Gegebenheiten nur sehr eingeschränkt habe abschätzen können. Mangelnde Erfahrungen der Schülerinnen und Schüler im Hinblick auf schulische Abschlussprüfungen sind der Regelfall und können daher schon aus diesem Grund nicht die strengen Anforderungen erfüllen, die zur Gewährleistung der Chancengleichheit aller Prüfungskandidaten an die ausnahmsweise Zulässigkeit einer späteren Rüge zu stellen sind. Im Übrigen ist die Rüge nicht erst dann zumutbar, wenn die Schülerin oder der Schüler die Tragweite der (angeblichen) Mängel für die Prüfung in vollem Umfang abschätzen kann. Dies wird – wenn überhaupt – nur in sehr wenigen Fällen möglich sein. Der Prüfling soll gerade nicht spekulativ abwarten dürfen, wie sich ein Vorbereitungsmangel im Einzelnen auf seine Prüfung auswirkt. Nach dem im Sinne der Chancengleichheit strengen Maßstab ist die Rüge dem Prüfling vielmehr schon dann vor Beginn der Prüfungen zuzumuten, wenn ihm die von ihm beanstandeten Mängel zu diesem Zeitpunkt bereits bekannt waren (s. auch BVerwG, B. v. 12.11.1992, a.a.O., Rn. 8). Dies ist hier der Fall gewesen.

2. Unabhängig davon hat die Antragstellerin aber auch nicht dargelegt, dass Mängel in der Prüfungsvorbereitung vorgelegen haben, die bei rechtzeitiger Rüge zur Rechtswidrigkeit der Prüfungsentscheidungen geführt hätten.

Auch die Vorbereitung auf eine schulische Abschlussprüfung unterliegt rechtlichen Regelungen. Für sie gilt zunächst ebenfalls der sich aus Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes ergebende Grundsatz der Chancengleichheit. Danach ist die Vorbereitungszeit für alle Prüflinge im Wesentlichen gleich zu bemessen (OEufach0000000063, B. v. 12.09.1989 - 1 B 70/89 u.a. -, juris Rn. 8; Niehues/Fischer/Jeremias, a.a.O., Rn. 187). Alle Prüflinge müssen grundsätzlich die gleiche Chance haben, sich angemessen auf die Prüfung vorzubereiten. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Schulen insoweit absolut gleiche Bedingungen schon aus tatsächlichen Gründen nicht gewährleisten können. Ungleichheiten, die sich aus von den Schulen nicht zu beeinflussenden äußeren Umständen wie einer weltweiten gesundheitlichen Krisensituation ergeben oder aus persönlichen und sozialen Umständen allgemeiner Art wie z.B. familiären Belastungen, die über das konkrete Prüfungsverfahren hinauswirken, sind von dem Prüfling hinzunehmen (vgl. VG Berlin, B. v. 20.04.2020 - 3 L 155.20 -, juris Rn. 23, bestätigt durch OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 21.04.2020 - OVG 3 S 30.20 -, juris; Niehues/Fischer/Jeremias, a.a.O., Rn. 403). Auch inhaltlich muss die Prüfungsvorbereitung bestimmten Mindestanforderungen genügen. Die Schulen müssen bei der Vorbereitung etwa vorhandene spezielle rechtliche Vorgaben berücksichtigen. Darüber hinaus müssen sie bei den berufsrelevanten Abschlussprüfungen schon wegen des insoweit betroffenen Grundrechts der Schülerinnen und Schüler aus Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes auch inhaltlich eine angemessene, auf die jeweiligen Prüfungsinhalte bezogene Prüfungsvorbereitung gewährleisten. Beeinträchtigungen durch äußere Umstände wie eine gesundheitliche Krisensituation sind den Schulen dabei ebenfalls nicht zuzurechnen. Sie haben in diesen Fällen aber Maßnahmen zu treffen, um die Auswirkungen möglichst in Grenzen zu halten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Methodik der Wissensvermittlung in die eigene pädagogische Verantwortung der Lehrkräfte fällt; Entscheidungen der Lehrkräfte sind insoweit nur begrenzt gerichtlich überprüfbar, insbesondere dahin, ob sie den geltenden Rechtsvorschriften entsprechen (vgl. dazu § 50 Abs. 1 NSchG und BVerwG, B. v. 18.05.1982 - 1 WB 148/78 -, juris Rn. 46, 49 und 52 sowie Nds. OVG, B. v. 03.06.2020 - 2 ME 265/20 -, juris Rn. 9). Ein zur Rechtswidrigkeit der Prüfungsentscheidung führender Rechtsfehler liegt im Fall einer durch äußere Umstände beeinträchtigten Vorbereitungszeit nach allem vor, wenn damit eine angemessene, dem Gebot der Chancengleichheit entsprechende Vorbereitung auf die Prüfungen schlechterdings nicht möglich war (ebenso im Ergebnis VG Berlin, B. v. 20.04.2020, a.a.O., Rn. 23; ähnlich Fischer/Dieterich, NVwZ 2020, 657, 659). Danach sind hier Rechtsfehler nicht ersichtlich.

Die Kammer verkennt nicht, dass wegen der durch die COVID-19-Pandemie verursachten Schulschließungen, derentwegen auch an den Realschulen Niedersachsens im Zeitraum vom 16. März bis zum 24. April 2020 kein und ab dem 27. April 2020 ein nur eingeschränkter Präsenzunterricht stattgefunden hat, die Vorbereitung der Schülerinnen und Schüler auf die Abschlussprüfungen im Jahr 2020 auch bei der Antragsgegnerin nur unter erschwerten Bedingungen möglich gewesen ist. Rechtsverstöße, die zur Rechtswidrigkeit der Prüfungsentscheidungen führen könnten, sind nach den vorliegenden Unterlagen aber nicht erkennbar.

Die Bedingungen waren für alle Schülerinnen und Schüler der Abschlussklasse gleich. Die sich aus der Pandemie ergebenden Beeinträchtigungen in der Vorbereitung auf die Abschlussprüfungen sind von den Schülerinnen und Schülern grundsätzlich hinzunehmen (im Ergebnis ebenso VG Berlin, B. v. 20.04.2020, a.a.O., Rn. 23, 26; bestätigt durch OVG Berlin-Brandenburg, a.a.O.). Diese Beeinträchtigungen sind auf eine weltweite gesundheitliche Krisensituation zurückzuführen, auf die die Schulen keinen Einfluss haben und die ihnen daher auch rechtlich nicht zuzurechnen sind. Die Antragsgegnerin hat auf diese Krisensituation nach der im vorliegenden Verfahren nur möglichen summarischen Prüfung der Sachlage mit der Gewährleistung des außerschulischen Unterrichts während der Schulschließungen, der Wiederaufnahme des Präsenzunterrichts und gesteigerten Informationspflichten gegenüber den Schülerinnen und Schülern, jeweils auf der Grundlage der vom Kultusministerium erlassenen Regelungen und Empfehlungen, angemessen reagiert, um die Beeinträchtigungen der Prüfungsvorbereitungen in Grenzen zu halten (s. dazu z.B. Erlasse d. MK v. 13.03.2020 und v. 16.04.2020, sowie die vom MK herausgegebenen Leitfäden „Schule in Corona-Zeiten“ und „Lernen zu Hause“ v. April 2020). Dass ein Ausnahmefall vorliegt, in dem Beeinträchtigungen in der Vorbereitung die Rechtswidrigkeit der Prüfungsentscheidungen bewirken können, hat die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht. Nach den vorliegenden Unterlagen ist nicht ersichtlich, dass ihr eine angemessene, dem Gebot der Chancengleichheit entsprechende Vorbereitung auf die Abschlussprüfungen der Antragsgegnerin schlechterdings nicht möglich war.

Dabei ist zum einen zu berücksichtigen, dass Präsenzunterricht nicht nur vor, sondern auch nach den Schulschließungen – wenn auch in eingeschränktem Umfang – wieder stattgefunden hat (s. dazu den Leitfaden „Schule in Corona-Zeiten“ v. April 2020). Zum anderen sind die Schülerinnen und Schüler der Abschlussklassen auch nach dem Vortrag der Antragstellerin während der Schulschließung online unterrichtet worden. Dass der Unterricht dabei nach der Darstellung der Antragstellerin vorwiegend so ausgestaltet war, dass die Schülerinnen und Schüler die „Abschlusshefte“ selbstständig bearbeiten sollten und nach Ansicht der Antragstellerin in den Prüfungsfächern zu wenige Aufgaben zur Bearbeitung erhielten, weist nicht auf Rechtsfehler hin. Die Schulen durften von den Schülerinnen und Schülern der Abschlussklassen während der pandemiebedingten Schulschließungen ein gesteigertes Maß an Selbstdisziplin und Eigeninitiative bei der Erarbeitung des Lernstoffes für die Prüfungen verlangen. Anders war eine Vorbereitung auf die Prüfungen wegen der besonderen Umstände nicht möglich. Dies war auch deswegen gerechtfertigt, weil das Kultusministerium und die Schulen den Schülerinnen und Schülern trotz der schwierigen Umstände der Corona-Krise eine reguläre Prüfung ermöglichen wollten, um sie nicht durch eine Verschiebung der Prüfungen oder die Erteilung von Not-Abschlüssen langfristig in ihrer Bildungsbiographie und damit vor allem auch bei Bewerbungen zu benachteiligen (vgl. auch VG Berlin, B. v. 20.04.2020, a.a.O., Rn. 29). Unabhängig davon gehört es zu den Bildungszielen der Realschulen, selbstständiges Lernen zu fördern (vgl. § 10 Abs. 1 Satz 2 NSchG). Wenn eine Lehrkraft während der vorübergehenden Schulschließung im Rahmen ihrer pädagogischen Gestaltungsfreiheit zur Prüfungsvorbereitung vorwiegend auf selbstständiges Lernen gesetzt hat, ist dies demnach rechtlich nicht zu beanstanden. Im Übrigen ist nicht ersichtlich, dass eine angemessene Prüfungsvorbereitung durch diese Praxis schlechthin unmöglich geworden ist. Die Antragstellerin hat nicht aufgezeigt, dass nur eine höhere Anzahl von Aufgaben eine angemessene Prüfungsvorbereitung ermöglicht hätte. Schließlich hat sie eingeräumt, dass sie selbst die ihr jedenfalls im Fach Deutsch von der Fachlehrerin angebotene Möglichkeit, zusätzliche Aufgaben zu bearbeiten, nicht wahrgenommen hat. Auch die Englisch-Lehrerin hat in ihrer schriftlichen Stellungnahme vom 22. August 2020 erklärt, die Antragstellerin habe regelmäßig per E-Mail Kontakt mit ihr aufgenommen, jedoch nie das Angebot angenommen, sich ein Thema zur Bearbeitung zu wünschen; außerdem habe sie niemals erwähnt, dass sie sich weitere Aufgaben wünsche.

Soweit die Antragstellerin geltend macht, sie habe in der Vorbereitungszeit nicht die ausreichende Möglichkeit gehabt, den Lehrkräften Fragen zum Unterrichtsstoff zu stellen, ist dies schon nicht nachvollziehbar. Es ist nicht ersichtlich, dass die Kommunikation mit den Fachlehrern insbesondere per Telefon oder per E-Mail während der Schulschließungen nicht möglich gewesen ist. Die Möglichkeit, mit den Lehrkräften telefonisch Kontakt aufzunehmen, war im Übrigen auch nach Erlasslage zu gewährleisten (vgl. den Erlass des MK v. 16.04.2020 - 82300 -, Ziff. 3). Die Fachlehrerinnen für Deutsch und Englisch haben die Möglichkeit der Schülerinnen und Schüler, mit ihnen Kontakt aufzunehmen, ausdrücklich bestätigt. So hat die Deutsch-Lehrerin Frau E. den Schülerinnen und Schülern nach den vorgelegten Unterlagen ausdrücklich angeboten, sich mit Fragen oder Anliegen direkt an sie zu wenden (E-Mail v. 07.08.2020). Die Englisch-Lehrerin Frau F. hat in ihrer schriftlichen Stellungnahme vom 22. August 2020 angegeben, die Antragstellerin habe regelmäßig per Mail Fragen an sie gestellt, die sie immer zeitnah, überwiegend noch am gleichen Tag beantwortet habe. Die Kammer hat keinen Anlass, an der Richtigkeit dieser Angaben zu zweifeln. Im Übrigen liegt der Kammer der Ausdruck einer E-Mail der Fachlehrerin Frau F. vom 16. März 2020 an die Klasse der Antragstellerin vor, in der sie anbietet, ihr Fragen per E-Mail zu übersenden. Auch wenn andere Lehrkräfte entsprechende Angebote nicht gemacht haben sollten, wäre der Antragstellerin ohne Weiteres zuzumuten gewesen, die aufgetretenen Fragestellungen in eigener Initiative mit den Lehrkräften zu klären. Unabhängig davon ist der Präsenzunterricht nach der Wiederöffnung der Schulen wieder aufgenommen worden. Nach dem Vortrag der Antragstellerin ist nicht ersichtlich, dass sich ihre Fragen zum Unterrichts- und Prüfungsstoff nicht zumindest in der danach bis zu den Prüfungen im Mai 2020 verbliebenen Zeit hätten klären lassen.

Die Antragstellerin kann auch nicht erfolgreich geltend machen, die Schule habe bei der Vorbereitung auf die Prüfungen einen falschen Schwerpunkt gesetzt, der Arbeitsaufwand in den Nebenfächern habe zulasten der Vorbereitung in den Hauptfächern einen zu großen Anteil eingenommen. Nach dem Vortrag der Antragstellerin ist schon nicht ersichtlich, dass ihr nach Bearbeitung der in den Nebenfächern erteilten Aufgaben nicht mehr hinreichend Zeit verblieben ist, um sich angemessen auf die Prüfungen vorzubereiten. Gerade vor den Abschlussprüfungen darf den Schülerinnen und Schülern, die einen Erweiterten Sekundarabschluss I anstreben, ein erhöhter Arbeitsaufwand abverlangt werden, der dazu führen kann, Arbeitszeiten beispielsweise auch in sonst üblicherweise für Freizeitaktivitäten vorgehaltene Wochentage auszudehnen. Dass die Antragstellerin auch unter Berücksichtigung dieser Anforderungen nicht in der Lage gewesen ist, sich angemessen auf die Prüfungen vorzubereiten, ist nach den vorliegenden Unterlagen nicht ersichtlich.

Unabhängig davon weist die Antragsgegnerin zutreffend darauf hin, dass es vorrangig Sache der Schülerin oder des Schülers ist, in der Vorbereitung auf Abschlussprüfungen sinnvolle, d.h. die eigenen Stärken und Schwächen berücksichtigende Schwerpunkte zu setzen. Dies ist eine Fähigkeit, die die Realschule vermitteln soll (s. auch § 10 Abs. 1 Satz 2 NSchG) und die der Prüfling letztlich auch in den Abschlussprüfungen nachzuweisen hat. Schwerpunkte lassen sich vor allem dadurch setzen, dass die Bearbeitungszeit oder die Bearbeitungstiefe in als weniger relevant angesehenen Fächern verringert wird. Dass eine solche eigenständige Schwerpunktsetzung wegen des nach dem Vortrag der Antragstellerin erheblichen Arbeitsanfalls in den Nebenfächern schlechthin unmöglich gewesen ist, ist nicht ersichtlich. Dies wird auch durch die Feststellungen der Abhilfekonferenz der Antragsgegnerin bestätigt, die nach Anhörung der Klassenlehrerin, eines weiteren Fachlehrers und der Schülervertreterin zu dem Ergebnis gekommen ist, eine übermäßige Beanspruchung in den Nebenfächern habe es nicht gegeben (Protokoll der Abhilfekonferenz v. 24.08.2020, Bl. 28 Beiakte 002). Nach Wiederaufnahme des Präsenzunterrichts ab dem 27. April 2020 seien die Aufgabenstellungen noch einmal deutlich reduziert worden (a.a.O.).

Darüber hinaus hat die Klassenlehrerin der Antragstellerin diese nach den Angaben im Protokoll der Abhilfekonferenz vom 24. August 2020 mehrfach darauf hingewiesen, die für die Bearbeitung von Aufgaben in den Nebenfächern nach den Vorgaben der Schulleitung zu begrenzenden Arbeitszeiten einzuhalten, damit mehr Lernzeit für die Hauptfächer bleibe. Sie habe festgestellt, dass die Antragstellerin oft mehr Zeit mit der Bearbeitung der Aufgaben in den Nebenfächern verbringe. Weil die Antragstellerin schon zum Halbjahr in den Fächern Deutsch und Englisch auf der Note 4 gestanden habe, habe sie auch den Onkel der Antragstellerin in Telefongesprächen darauf hingewiesen, dass sie in den Hauptfächern „Gas geben“ müsse, um den Erweiterten Sekundarabschluss I zu erreichen. Diese Angaben deuten darauf hin, dass der Antragstellerin die ihr abzuverlangende sinnvolle Schwerpunktsetzung in der Vorbereitung auf die Abschlussprüfungen nicht gelungen ist.

Soweit die Antragstellerin behauptet hat, in den Hauptfächern sei der Lernstoff mit den Schülerinnen und Schülern nicht wiederholt worden, ist die Antragsgegnerin dem unter Hinweis auf den ab dem 27. April 2020 wieder aufgenommenen Präsenzunterricht entgegengetreten, der in den Hauptfächern gezielt auch der Wiederholung und der Vorbereitung auf die Prüfungen gedient habe. Ihre dem entgegenstehende Behauptung hat die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht. Gegen die Behauptung der Antragstellerin spricht darüber hinaus, dass die Deutsch-Lehrerin Frau E. nach ihrer E-Mail vom 7. August 2020 Themen benannt hat, die wiederholt werden sollten; außerdem habe sie abgefragt, welche Themen die Schülerinnen und Schüler wiederholen wollten, die Antragstellerin habe sich daraufhin nicht gemeldet. Auch die Angaben der Englisch-Lehrerin Frau F. sprechen gegen die Darstellung der Antragstellerin. Frau F. hat in ihrer Stellungnahme vom 22. August 2020 auf das zur Vorbereitung von den Schülerinnen und Schülern angeschaffte Unterrichtsmaterial verwiesen, das der Einübung der für die Abschlussprüfung erforderlichen Fertigkeiten – und damit auch der Wiederholung – diente. Darüber hinaus hat Frau F. in ihrer Stellungnahme angegeben, sie habe den Schülerinnen und Schülern vorgeschlagen, Themen zu nennen, die sie zur Vorbereitung auf die Abschlussprüfung wiederholen möchten. Die Klasse der Antragstellerin habe dieses Angebot nicht angenommen. Unabhängig davon hat die Antragstellerin auch insoweit nicht substanziiert aufgezeigt, dass eine angemessene Vorbereitung trotz des jedenfalls zur Verfügung stehenden Lehrangebots nur durch die von ihr offenbar darüber hinaus für erforderlich erachtete Wiederholung von Unterrichtsstoff unter Anleitung der Lehrkräfte möglich gewesen ist. Die Wiederholung von Unterrichtsstoff ist in weitem Umfang auch in eigener Initiative möglich; diese ist den Schülerinnen und Schülern einer Abschlussklasse vor den Prüfungen – gerade auch im Hinblick auf die durch die Pandemie verursachten Unterrichtsbeschränkungen – abzuverlangen.

Inwieweit ein Lehrerwechsel im 9. Jahrgang rechtlich relevant sein soll, erschließt sich nicht. Soweit die Antragstellerin geltend macht, dieser Lehrerwechsel habe sich als „problematisch“ erwiesen, ist schon nicht substanziiert vorgetragen, welche Schwierigkeiten sich konkret ergeben haben. Dass eine andere Schülerin nach dem Lehrerwechsel nach Darstellung der Antragstellerin eine deutlich schlechtere Note erhalten hat, genügt nicht für die Annahme hier entscheidungsrelevanter Rechtsfehler.

II. Die Antragstellerin hat auch keine Anhaltspunkte dafür aufgezeigt, dass die Leistungsbewertungen in den Fächern Deutsch, Englisch und Mathematik materiell-rechtlich fehlerhaft sind.

Die Bewertung der im Rahmen einer schulischen Abschlussprüfung erbrachten Leistungen durch die Lehrkräfte ist gerichtlich nur beschränkt überprüfbar. Dabei ist zwischen prüfungsspezifischen Wertungen und Fachfragen zu unterscheiden. Den Prüfern, d.h. den Lehrkräften, steht ein gerichtlich nur beschränkt überprüfbarer Bewertungsspielraum zu, soweit sie prüfungsspezifische Wertungen treffen müssen. Dem liegt das Gebot der vergleichenden Beurteilung von Prüfungsleistungen zugrunde, das letztlich aus dem das Prüfungsrecht beherrschenden Grundsatz der Chancengleichheit herzuleiten ist. Eine unabhängig vom Bezugs- und Vergleichsrahmen der Lehrkräfte erfolgende Leistungsbewertung durch das Gericht würde die Maßstäbe verzerren, einzelnen Schülern die Bewertung nach besonderen Kriterien eröffnen und damit letztlich den Grundsatz der Chancengleichheit verletzen. Soweit ein Beurteilungsspielraum eröffnet ist, darf das Gericht die Leistungsbewertung daher nur darauf überprüfen, ob die Grenzen dieses Spielraums überschritten worden sind, weil die Prüfer etwa von falschen Tatsachen ausgegangen sind, allgemein anerkannte Bewertungsgrundsätze missachtet oder sachfremde und damit willkürliche Erwägungen angestellt haben. Zu den prüfungsspezifischen Fragen, die der Letztentscheidungskompetenz der Prüfer überlassen bleiben, gehört insbesondere die Benotung, darüber hinaus aber auch die Gewichtung verschiedener Aufgaben untereinander und der Schwere einzelner Fehler, die Überzeugungskraft der Argumente, die Einordnung des Schwierigkeitsgrades der Aufgabenstellung und die Würdigung der Qualität der Darstellung sowie der Geordnetheit der Darlegungen Weiter reicht die gerichtliche Kontrolle hingegen im Hinblick auf Fachfragen. Insoweit hat das Gericht zu überprüfen, ob eine von der Lehrkraft als falsch bewertete Lösung zu Einzelfragen im Gegenteil als richtig oder jedenfalls vertretbar anzusehen ist. Unter Fachfragen sind alle Fragen zu verstehen, die fachwissenschaftlicher Erörterung zugänglich sind (vgl. zu allem BVerwG, B. v. 17.12.1997 - 6 B 55/97 -, NVwZ 1998, 738 ff.; U. v. 21.10.1993 - 6 C 12/92 -, Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 320, S. 308; Nds. OVG, U. v. 24.05.2011 - 2 LB 158/10 -, juris Rn. 46; VG Braunschweig, U. v. 11.02.2014 - 6 A 50/13 -, juris Rn. 35 ff. = SchuR 2014, 108; Niehues/Fischer/Jeremias, a.a.O., Rn. 633 ff., 874 ff.).

Die Untersuchungsmaxime verpflichtet das Verwaltungsgericht nicht, das Prüfungsgeschehen von sich aus auf Fehler zu überprüfen. Vielmehr obliegt es dem Prüfling, konkrete und substanziierte Einwendungen gegen bestimmte Bewertungen der Prüfer vorzubringen. Im Hinblick auf eine als falsch bewertete Antwort auf eine Fachfrage muss der Prüfling die fachwissenschaftliche Richtigkeit bzw. Vertretbarkeit seiner Lösung mithilfe objektiver Kriterien, z. B. unter Bezugnahme auf qualifizierte Äußerungen in der Fachliteratur deutlich machen (vgl. Niehues/Fischer, a. a. O., Rn. 855 f.). Rügt er die prüfungsspezifischen Bewertungen der Prüfer, so genügt er seiner Darlegungslast, wenn er konkrete Fakten und Umstände darlegt, nach denen die Wertungen trotz des den Prüfern verbleibenden Bewertungsspielraums als rechtsfehlerhaft zu qualifizieren sind (vgl. Niehues/Fischer, a. a. O., Rn. 857).

Ausgehend von diesen Maßstäben ist nach den vorliegenden Unterlagen nicht ersichtlich, dass die Lehrkräfte die Leistungen der Antragstellerin rechtsfehlerhaft bewertet haben. Konkrete und substanziierte Einwendungen gegen bestimmte Bewertungen der Prüfer hat die Antragstellerin nicht vorgetragen.

Soweit die Antragstellerin geltend macht, sie hätte bei den Abschlussprüfungen nicht nur anhand ihrer Leistungen bewertet werden dürfen, die besonderen Umstände der Pandemie hätten vielmehr eine pädagogische Beurteilung der Schüler notwendig gemacht, kann dem nicht gefolgt werden. Grundsätzlich sind Lehrkräfte bei der Vergabe von Zeugnisnoten zwar nicht strikt an die sich aus den mündlichen und schriftlichen Leistungen ergebende rechnerische Gesamtnote gebunden (vgl. VG Braunschweig, B. v. 10.08.2011 - 6 B 157/11 -, juris Rn. 9 ff. m.w.N.); sie können auch berechtigt sein, pädagogische Gesichtspunkte einzubeziehen (vgl. VG Braunschweig, a.a.O., Rn. 10). Dies gilt jedoch nicht für die Notenvergabe bei Abschlussprüfungen. Die Ergebnisse der Realschul-Abschlussprüfung haben wesentliche Bedeutung für die Noten im Abschlusszeugnis (§ 29 Abs. 2 AVO-Sek I), für die Zuerkennung von Abschlüssen (§§ 6 ff. AVO-Sek I) und damit für den weiteren schulischen Bildungsweg sowie den Zugang der Schülerinnen und Schüler zu bestimmten Berufen. Für die Leistungsbewertung in Abschlussprüfungen greifen die dargelegten rechtlichen Anforderungen an die Leistungsbewertung, die sich aus dem Grundrecht auf Chancengleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG) und der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) ergeben, daher unmittelbar durch. Dies bedeutet, dass die erbrachten Leistungen der Schülerinnen und Schüler den alleinigen Maßstab für die Notenvergabe bilden. Auch die gesetzlichen Regelungen bringen dies zum Ausdruck (vgl. § 31 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 3, Abs. 5 Satz 5 und Abs. 6 Satz 1 AVO-Sek I). Rechtlich verbleibt den Lehrkräften daher kein Spielraum dafür, einem einzelnen Schüler oder einer einzelnen Schülerin aus pädagogischen Gründen eine bessere Abschlussnote zu erteilen (im Ergebnis ebenso Rux, Schulrecht, 6. Aufl., Rn. 492). Auch die Erschwernisse, die bei der Vorbereitung auf die schulischen Abschlussprüfungen aufgrund der COVID-19-Pandemie entstehen, entbinden die Schulen nicht von der sich schon aus der Verfassung ergebenden Pflicht, die Noten für die Abschlussprüfungen allein anhand der von den Schülerinnen und Schülern erbrachten Leistungen zu bestimmen. Rechtserhebliche und rechtzeitig gerügte Mängel in der Vorbereitung – die hier nicht vorliegen (s. oben) – können zur Rechtswidrigkeit der Prüfungsentscheidungen führen, nicht aber rechtfertigen, pädagogische, nicht leistungsbezogene Erwägungen in die Vergabe der Prüfungsnoten einfließen zu lassen.

Insbesondere waren die Lehrkräfte entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht berechtigt, ihr Arbeits- und Sozialverhalten bei der Vergabe der Fachnoten zu berücksichtigen. Nach den rechtlichen Vorgaben sind das Arbeits- und Sozialverhalten einerseits und die Leistungen in den Schulfächern andererseits getrennt zu bewerten (s. Nrn. 3.8, 3.4 und 3.5 des Erlasses „Zeugnisse in den allgemeinbildenden Schulen“, RdErl. des MK v. 03.05.2016 - SVBl. S. 303 - sowie § 38 a und § 31 AVO-Sek I). Die Bewertung des Arbeits- und Sozialverhaltens hat eine selbstständige rechtliche Bedeutung, sie ist aber nicht Grundlage für die Entscheidung über den Erwerb eines Abschlusses an der Realschule (vgl. die §§ 6 bis 8 AVO-Sek I und dazu VG Braunschweig, U. v. 18.02.2004 - 6 A 106/03 -, juris Rn. 26 = NVwZ-RR 2004, 576). Die in einem Abschlusszeugnis dokumentierten Fachnoten allein auf der Grundlage der in diesen Fächern erbrachten Leistungen der Schülerin oder des Schülers zu bilden, entspricht auch den dargelegten verfassungsrechtlichen Vorgaben.

Auch soweit sie der Auffassung ist, ihre schulische „Vorgeschichte“ hätte bei der Benotung berücksichtigt werden müssen, verkennt die Antragstellerin die rechtlichen Grundlagen für die Bildung der Fachnoten und die Entscheidung über den Schulabschluss. Für den Erwerb des Erweiterten Sekundarabschlusses I kommt es allein auf die im Abschlussjahrgang einschließlich der Abschlussprüfungen tatsächlich erbrachten Leistungen an (vgl. § 29 Abs. 2, § 28 und § 7 AVO-Sek I sowie Kaufmann in: Brockmann/Littmann/Schippmann, a.a.O., § 34 Anm. 3.5.1.1).

Der an den Realschulen des Landes Niedersachsen aufgrund der Pandemie im Schuljahr 2019/2020 reduzierte Unterrichtsumfang bildet jedenfalls eine ausreichende Grundlage für die „Vornoten“, also für die Bewertung der Leistungen, die neben den Noten der Abschlussprüfungen in die Abschlussnote einfließen (vgl. § 29 Abs. 2 AVO-Sek I sowie Nds. OVG, B. v. 03.06.2020 - 2 ME 265/20 -, juris Rn. 7).