Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 18.09.1996, Az.: XI 213/93

Aufhebung der vorläufigen Gewährung eines Abzugsbetrages; Wirksamkeit einer Nebenbestimmung; Ungewissheit über die Höhe des Verkehrswertes eines Gebäudes; Änderungen des Steuerbescheids außerhalb des Vorläufigkeitsvermerkes; Nutzung einer Wohnung im eigenen Haus zu eigenen Wohnzwecken; Eigene Herstellung oder entgeltlicher Erwerb der Wohnung; Erwerb durch Verzicht auf einen Aufwendungsersatzanspruch; Absetzbarkeit von Herstellungskosten für eine Heizungsanlage

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
18.09.1996
Aktenzeichen
XI 213/93
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1996, 18736
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:1996:0918.XI213.93.0A

Fundstelle

  • SteuerBriefe 1998, 318-319

Verfahrensgegenstand

Zu den Voraussetzungen, unter denen der Verzicht auf einen Aufwendungsersatzanspruch zu Anschaffungskosten führt.

Einkommensteuer 1991

Der XI. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts hat
mit Einverständnis der Beteiligten
ohne mündliche Verhandlung
in der Sitzung vom 18. September 1996,
an der mitgewirkt haben:
Vorsitzender Richter am Finanzgericht ...
Richterin am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ...
ehrenamtliche Richterin ... Kauffrau
ehrenamtliche Richterin ... Beamter
für Recht erkannt:

Tenor:

Unter Änderung des Einkommensteuerbescheides 1991 vom 9. Dezember 1992 und des dazu ergangenen Einspruchsbescheides vom 17. Mai 1993 wird die Einkommensteuer auf 18.222,- DM herabgesetzt. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits haben die Kläger zu 77 v.H. und der Beklagte zu 23 v.H. zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der den Klägern zu erstattenden Kosten abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Tatbestand

1

Streitig ist die Gewährung des Abzugsbetrages nach § 10 e Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und der Steuerermäßigung nach § 34 f EStG.

2

Die Kläger sind Eheleute, die für das Streitjahr 1991 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. In den Jahren 1978-1991 bauten sie in dem Obergeschoß des auf dem Grundstück ... in ... befindlichen Gebäudes eine Wohnung aus und erweiterten das Gebäude durch einen Anbau und eine Garage. Das Grundstück stand seinerzeit im Alleineigentum des Vaters der Klägerin.

3

Durch notariellen Vertrag vom 30.11.1991 übertrug dieser der Klägerin eine ideelle Miteigentumshälfte an dem Grundstück. Schuldrechtlich wurde vereinbart, daß den Klägern die Obergeschoßwohnung und den Eltern der Klägerin die Erdgeschoßwohnung zur alleinigen Nutzung zustehen sollte. Als Gegenleistung für die Übertragung der Miteigentumshälfte verzichteten die Kläger auf den ihnen aus der Durchführung der Aus- und Umbaumaßnahmen erwachsenen Aufwendungsersatzanspruch, den die Vertragsparteien auf 190.000 DM bezifferten. Hierbei legten sie die Hälfte des von ihnen geschätzten Verkehrswertes des Gebäudes (380.000 DM) im Zeitpunkt der Übertragung zugrunde. Unter Hinzurechnung von Erwerbsnebenkosten in Höhe von 1.284 DM ermittelten die Kläger eine Bemessungsgrundlage für Abzugsbeträge nach § 10 e Abs. 1 EStG in Höhe von 191.284 DM. Daneben beantragten sie, die von ihnen getragenen Aufwendungen für die Modernisierung der Heizungsanlage in Höhe von 9.248 DM gemäß § 82 a EStDV wie Sonderausgaben abzuziehen.

4

Durch Einkommensteuerbescheid vom 07.05.1992 berücksichtigte das FA bei der Ermittlung des zu vesteuernden Einkommens eine Steuerbegünstigung für die eigengenutzte Wohnung in Höhe von 5.181 DM. Außerdem gewährte es die Steuerermäßigung nach § 34 f EStG in Höhe von 1.000 DM. In der Anlage zum Steuerbescheid wurde darauf hingewiesen, daß die Einkommensteuerveranlagung hinsichtlich der Berücksichtigung eines Abzugsbetrages gemäß § 10 e EStG nach § 165 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) vorläufig erfolge. Die Bemessungsgrundlage des erhöhten Abzugsbetrages gemäß § 10 e EStG werde bis zur endgültigen Feststellung durch den amtlichen Bausachverständigen auf 95.000 DM geschätzt. Die Absetzung gemäß § 82 a EStDV wurde unter Hinweis auf Abschnitt 164 Abs. 1 Satz 3 der Einkommensteuerrichtlinien (EStR) 1990 nur in Höhe des auf die selbstgenutzte Wohnung entfallenden Anteils von 431 DM berücksichtigt.

5

Aufgrund eines von dem steuerlichen Berater der Kläger eingelegten Einspruchs vom 12.05.1992 erteilte das FA unter dem 12.08.1992 einen Änderungsbescheid, in dem es eine Steuerbegünstigung für die eigengenutzte Wohnung in Höhe von 9.996 DM berücksichtigte. Der Bemessung des Abzugsbetrages nach § 10 e Abs. 1 EStG legte es dabei die von den Klägern gemachten Angaben zur Höhe des Gebäudewerts zugrunde. In der Anlage zu diesem Bescheid hieß es, daß der Steuerbescheid aus den bisher in der Anlage zum Steuerbescheid vom 07.05.1992 genannten Gründen weiterhin vorläufig bleibe. Da sich die Kosten für die Heizungsanlage ebenfalls in dem vom Bausachverständigen noch zu erstellenden Gutachten werterhöhend auswirkten, ergehe der Änderungsbescheid auch hinsichtlich der Bemessungsgrundlage für die Absetzung gemäß § 82 a EStDV vorläufig.

6

In einem unter dem 11.11.1992 erstellten Gutachten ermittelte der amtliche Bausachverständige den Sachwert des gesamten Gebäudes mit 328.446 DM und den Gebäudesachwert des Neubaus (ohne Garage) auf 134.600 DM. Wegen der Einzelheiten der Berechnung wird auf den Inhalt des Gutachtens (Bl. 51-53 der Einkommensteuerakte zu Steuer-Nummer 029/48689) Bezug genommen.

7

Unter dem 09.12.1992 erteilte das FA einen auf § 165 Abs. 1 Satz 2 AO gestützten Änderungsbescheid, in dem es den Abzugsbetrag nach § 10 e Abs. 1 EStG und die Steuerermäßigung nach § 34 f EStG nicht mehr berücksichtigte. Es vertrat nunmehr die Ansicht, daß die Gewährung dieser Steuervergünstigungen ausgeschlossen sei, weil die Kläger die Höhe der von ihnen getragenen Baukosten nicht durch Belege nachgewiesen hätten.

8

Den hiergegen eingelegten Einspruch wies das FA durch Einspruchsbescheid vom 17.05.1993 als unbegründet zurück. Es vertrat die Ansicht, daß die Kläger keinen Nachweis für die entgeltliche Anschaffung des Grundstücks erbracht hätten. Das Entgelt für die Anschaffung eines Grundstücks könne zwar auch in dem Verzicht auf einen Aufwendungsersatzanspruch bestehen, der dem Erwerber wegen der Errichtung eines Gebäudes auf fremden Grund und Boden nach § 951 in Verbindung mit § 812 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) zustehe. Die Höhe dieses Ersatzanspruches richte sich aber nicht nach dem Verkehrswert des Gebäudes im Zeitpunkt des Erwerbs des Grundstücks, sondern nach dem Wert des Erlangten (d.h. den Baukosten) im Zeitpunkt des Rechtsverlusts, also bei Fertigstellung des Gebäudes. Dieser Anspruch sei auch nicht zu verzinsen.

9

Da die Kläger keinerlei Rechnungen über die von ihnen getragenen Baumaßnahmen hätten vorlegen können, sei davon auszugehen, daß die Geltendmachung eines Aufwendungsersatzanspruchs gegen den Vater der Ehefrau von vornherein nicht beabsichtigt gewesen sei, sondern die Kläger die Baumaßnahme dem Grundstückseigentümer unentgeltlich zugewendet hätten. Hiernach habe ein Aufwendungsersatzanspruch, dessen Aufgabe zu Anschaffungskosten habe führen können, zu keinem Zeitpunkt bestanden.

10

Hiergegen richtet sich die Klage.

11

Die Kläger machen geltend, daß die von ihnen vorgenommene Schätzung des Aufwendungsersatzanspruchs in Höhe von 190,000 DM den tatsächlichen Verhältnissen entsprochen habe. Der Bausachverständige des FA habe den Verkehrswert des Gebäudes auf insgesamt 328.446 DM und den Wertanteil des von den Klägern errichteten Neubauteils (ohne Garage) auf 134.548 DM geschätzt. Rechne man den Wert der von den Klägern errichteten Garage von 40.000 DM, die Aufwendungen für die Erneuerung des Dachs und der Fenster sowie die Wärmeisolierung des Altbauteils und die Kosten der Erneuerung der Außenanlage hinzu, zeige sich die Richtigkeit der in dem Vertrag vom 30.11.1991 zugrunde gelegten Schätzung. Entgegen der Auffassung des FA hätten die Kläger auch zu keinem Zeitpunkt auf den Aufwendungsersatzanspruch verzichtet. Aus dem Umstand allein, daß sie auf die lückenlose Dokumentation ihrer Aufwendungen verzichtet hätten, könne ein solcher Schluß nicht gezogen werden.

12

Die Kläger beantragen sinngemäß,

den Einkommensteuerbescheid 1991 vom 9.12.1992 und den dazu ergangenen Einspruchsbescheid vom 17.05.1993 aufzuheben.

13

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

14

Er hält an der dem Einspruchsbescheid zugrundeliegenden Auffassung fest.

Entscheidungsgründe

15

Die Klage ist nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Im übrigen ist sie nicht begründet.

16

1.

a)

Das FA war nach § 165 Abs. 2 Satz 1 AO befugt, die Gewährung des Abzugsbetrages nach § 10 e Abs. 1 EStG für die von den Klägern selbstgenutzte Wohnung rückgängig zu machen. Der vorangegangene Bescheid vom 12.08.1992 war - ebenso wie der ursprüngliche Bescheid vom 07.05.1992 - insoweit vorläufig nach § 165 Abs. 1 AO ergangen. Diese dem geänderten Bescheid beigefügte Nebenbestimmung war rechtswirksam, weil sie von den Klägern nicht angefochten worden und auch nicht nach § 125 AO nichtig war. Zwar hat der Bundesfinanzhof (BFH) in seinem Urteil vom 25.04.1985 IV R 64/83 (BStBl II 1985, 68) festgestellt, daß eine Steuerfestsetzung nur im Hinblick auf Ungewisse Tatsachen, nicht aber im Hinblick auf die steuerrechtliche Beurteilung von Tatsachen für vorläufig erklärt werden könne. Dieser Entscheidung lag jedoch ein Fall zugrunde, in dem auch aus der Sicht der Finanzbehörde von vornherein keine tatsächlichen Ungewißheiten hinsichtlich der Entstehung der Steuer bestanden. Demgegenüber hing im Streitfall die Höhe der Steuerfestsetzung nach der Rechtsauffassung des FA, die den für vorläufig erklärten Bescheiden zugrunde lag, von der zu diesem Zeitpunkt noch Ungewissen Höhe des Verkehrswerts des Gebäudes im Übertragungszeitpunkt ab. Daß das FA später von dieser Auffassung abgerückt ist und dem angefochtenen Bescheid eine rechtliche Beurteilung zugrunde gelegt hat, nach der es auf die im Zeitpunkt der ursprünglichen Steuerfestsetzung Ungewissen Tatsachen nicht mehr ankam, ist für die Beurteilung des Streitfalls ohne Bedeutung, Der spätere Beurteilungswandel ändert nichts daran, daß das FA diese Tatsachen zunächst für rechtserheblich hielt und die vorläufige Steuerfestsetzung daher wegen einer tatsächlichen Ungewißheit und nicht zu dem Zweck vornahm, unter Mißbrauch der ihm durch § 165 Abs. 1 AO eingeräumten Befugnis die rechtliche Beurteilung des Steuerfalls in einem einzelnen Punkte offen zu halten.

17

Ungeachtet der Tatsache, daß das FA bei Erlaß der vorläufigen Bescheide nur die Höhe der Bemessungsgrundlage für zweifelhaft hielt, beschränkte sich seine Änderungsbefugnis in dem für vorläufig erklärten Punkt nicht darauf, die Höhe des Abzugsbetrages nach § 10e Abs. 1 EStG unter Berücksichtigung der von dem amtlichen Bausachverständigen getroffenen Feststellungen zu korrigieren. Wie der BFH in seinem Beschluß vom 22.12.1987 IV B 174/86 (Bundessteuerblatt II 1988, 234) entschieden hat, können im Rahmen einer Änderung nach § 165 Abs. 2 Satz 1 AO auch von der tatsächlichen Ungewißheit nicht betroffene rechtliche Fehlbeurteilungen korrigiert werden. Die Entscheidung des BFH stellt zwar darauf ab, daß sich die die Vorläufigkeit rechtfertigende tatsächliche Ungewißheit in dem von ihm entschiedenen Fall auf eine vorrangige Frage bezogen habe, so daß die Finanzbehörde die rechtliche Nachprüfung aller nachrangigen Fragen habe zurückstellen und deren Beurteilung in dem auf § 165 Abs. 2 Satz 1 AO gestützten Änderungsbescheid habe ändern können. Demgegenüber bezog sich die tatsächliche Ungewißheit im Streitfall auf eine logisch nachrangige Frage (Höhe der Anschaffungskosten i.S.d. § 10e Abs. 1 Satz 4 EStG), während die Änderung der Rechtsauffassung des FA die Beurteilung einer logisch vorrangigen Frage (nämlich der Entgeltlichkeit des Erwerbs) betraf. Der erkennende Senat ist jedoch der Ansicht, daß auch in diesem Fall eine Änderungsbefugnis nach § 165 Abs. 2 Satz 1 AO besteht. Nach § 165 Abs. 1 Satz 3 AO sind bei einer vorläufigen Steuerfestsetzung zwar Umfang und Grund der Vorläufigkeit anzugeben. Daraus folgt jedoch nicht, daß eine Änderung des Steuerbescheids in dem für vorläufig erklärten Punkt nur aus dem in dem Vorläufigkeitsvermerk angegebenen Grund zulässig ist. Wie der BFH in seinem Beschluß vom 22.12.1987 (a.a.O, S. 237 unter 3.c) zu Recht ausgeführt hat, ergeben sich aus den Sätzen 1 u. 2 des § 165 Abs. 2 AO zwei inhaltlich verschiedene Rechtsgrundlagen für die Änderung vorläufiger Steuerfestsetzungen. Nach Satz 2 muß das FA die vorläufige Steuerfestsetzung aufheben, ändern oder bestätigen, wenn die Ungewißheit beseitigt ist. Demgegenüber kann das FA nach Satz 1 eine vorläufige Steuerfestsetzung unabhängig vom Wegfall der Ungewißheit ändern oder aufheben. Obwohl Änderungen nach § 165 Abs. 2 Satz 1 AO hiernach im Regelfall unter Fortbestand der tatsächlichen Ungewißheit ergehen, ist die Änderungsbefugnis nach dieser Vorschrift nicht auf diese Fallage beschränkt. Die Finanzbehörde kann von der rechtlichen Änderungsbefugnis auch dann Gebrauch machen, wenn - wie im Streitfall - die ursprüngliche Ungewißheit weggefallen ist. Die einzige Einschränkung, die sich aus dem Wortlaut des § 165 Abs. 2 Satz 1 AO ergibt, betrifft den Umfang der Änderungsbefugnis. Diese besteht nach dem Gesetz nur, "soweit" die Finanzbehörde die Steuer vorläufig festgesetzt hat. Im Streitfall bezog sich die Vorläufigkeit auf die Berücksichtigung des Abzugsbetrages nach § 10e EStG. Damit konnte das FA die Steuerfestsetzung insoweit ändern, als ihre Höhe von der Berücksichtigung dieser Besteuerungsgrundlage abhing.

18

b)

In dem angefochtenen Bescheid geht das FA auch zu Recht davon aus, daß den Klägern der geltend gemachte Abzugsbetrag nach § 10e Abs. 1 EStG nicht zusteht. Eine Steuerbegünstigung nach dieser Vorschrift kann nur für eine zu eigenen Wohnzwecken genutzte Wohnung im eigenen Haus in Anspruch genommen werden, die der Steuerpflichtige entweder selbst hergestellt (Satz 1) oder angeschafft (Satz 4) hat. Keine dieser beiden Voraussetzungen ist erfüllt.

19

Zwar haben die Kläger die von ihnen genutzte Wohnung selbst hergestellt. Durch den Erwerb des Miteigentums an dem Grundstück ... aufgrund des notariellen Vertrags vom 30.11.1991 sind sie auch Miteigentümer der Wohnung geworden. Der Vergleich zwischen § 10 e Abs. 1 und Abs. 4 spricht allerdings dafür, daß die Voraussetzungen des Abs. 1 bei einer zeitlichen Aufeinanderfolge von Herstellungsvorgang und Eigentumserwerb nicht erfüllt ist, sondern der Eigentumserwerb an der Wohnung gerade auf die Herstellung zurückzuführen sein muß. Der Senat braucht diese Frage jedoch nicht abschließend zu entscheiden. Denn die Gewährung eines Abzugsbetrages nach § 10 e Abs. 1 EStG scheidet schon deshalb aus, weil sich aus dem Vorbringen der Kläger keine Anhaltspunkte dafür ergeben, daß die Fertigstellung der von ihnen genutzten Wohnung im zeitlichen Anwendungsbereich des § 10 e Abs. 1 - d.h. nach dem 31.12.1986 (§ 52 Abs. 1 EStG 1987) - erfolgt ist.

20

Auch die Gewährung eines Abzugsbetrages nach § 10e Abs. 1 Satz 4 EStG kommt nicht in Betracht. Anschaffung im Sinne dieser Vorschrift ist nur der entgeltliche Erwerb einer Wohnung (BFH, Urteil vom 13.01.1993 X R 53/91, Bundessteuerblatt II 1993, 346). Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht erfüllt. Nach verbreiteter Ansicht kann zwar auch der Verzicht auf einen Aufwendungsersatzanspruch nach § 951 i.V.m. § 812 BGB, der dem Erwerber aus einer von ihm auf fremden Grund und Boden durchgeführten Baumaßnahme erwachsen ist, zu Anschaffungskosten führen (Textziffern 5, 17, 18 und 42 des Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen vom 31.12.1994, Bundessteuerblatt I 1994, 887; Schmidt/Drenseck, EStG, 15, Aufl., § 10e Rz. 42 m.w.N.). Im Streitfall stand den Klägern nach der Überzeugung des erkennenden Senats aber kein Aufwendungsersatzanspruch zu, auf den sie als Gegenleistung für die Übertragung des hälftigen Miteigentumsanteils an dem Grundstück ... auf die Klägerin hätten verzichten können. Zwar kann nach § 951 Abs. 1 Satz 1 BGB derjenige, der infolge der Vorschriften der §§ 946 bis 950 BGB einen Rechtsverlust erleidet, von demjenigen, zu dessen Gunsten die Rechtsänderung eintritt, Vergütung in Geld nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung fordern. Hiernach besteht auch bei der Errichtung eines Gebäudes auf fremdem Grund und Boden, das nach § 946 i.V.m. § 94 Abs. 1 BGB in das Eigentum des Grundstückseigentümers fällt, grundsätzlich ein Anspruch auf Wertersatz (§ 818 Abs. 2 u. 3 BGB). Die Vorschrift des § 951 Abs. 1 Satz 1 ist aber dispositiver Art. Die Beteiligten können die Höhe des Aufwendungsersatzanspruches abweichend regeln oder diesen ganz ausschließen (Staudinger/Gursky, Bürgerliches Gesetzbuch, 1996, § 951 Rz. 3 m.w.N.). Nach den Umständen des Streitfalls ist davon auszugehen, daß den Klägern nach den der Errichtung ihrer Wohnung auf dem Grundstück des Vaters der Klägerin zugrundeliegenden Absprachen kein Aufwendungsersatzanspruch zustand. Die Durchführung der entsprechenden Baumaßnahmen lag ausschließlich im Interesse der Kläger, weil sie die von ihnen hergestellte Wohnung von Anfang an selbst genutzt haben. Dem Vater der Klägerin erwuchs aus der Durchführung der entsprechenden Baumaßnahmen kein, eigener Vorteil. Aus diesem Grund kann ausgeschlossen werden, daß er die Durchführung der entsprechenden Maßnahmen geduldet hätte, wenn er ernsthaft damit hätte rechnen müssen, den Klägern Wertersatz für die von ihnen vorgenommenen Aus- und Anbauten leisten zu müssen. Auch aus der Sicht der Kläger selbst bestand für die Geltendmachung eines solchen Aufwendungsersatzanspruches kein Anlaß, da sie davon ausgehen konnten, daß die Klägerin das Eigentum an dem Grundstück zu einem späteren Zeitpunkt ohnehin im Wege des Erbganges erwerben würde. Dieses aus der Abwägung der beiderseitigen Interessen abgeleitete Ergebnis wird dadurch bestätigt, daß die Kläger keinerlei Vorkehrungen getroffen haben, um Art und Höhe der von ihnen im Zusammenhang mit der Herstellung der selbstgenutzten Wohnung getragenen Aufwendungen zu dokumentieren. Dies hätte sich aber aufgedrängt, wenn die Geltendmachung eines Aufwendungsersatzanspruches gegen den Vater der Klägerin ernsthaft in Betracht gekommen wäre. Im übrigen wäre es - wenn die Übertragung des Miteigentumsanteils ernstlich zur Abgeltung eines Aufwendungsersatzanspruchs nach § 951 Abs. 1 Satz 1 BGB bestimmt gewesen wäre - auch nicht nachvollziehbar, weshalb die Eigentumsübertragung nur zugunsten der Klägerin, nicht aber auch zugunsten des Klägers erfolgte, obwohl dieser ebenso wie seine Ehefrau die Kosten der Baumaßnahmen getragen hatte.

21

2.

Soweit das FA den Klägern auch die Steuerermäßigung nach § 34f EStG versagt hat, kann der angefochtene Bescheid jedoch keinen Bestand haben. Wie oben dargelegt wurde, besteht die Änderungsbefugnis nach § 165 Abs. 2 Satz 1 AO nur in dem Umfang, in dem die Steuerfestsetzung vorläufig erfolgt ist. Der Vorläufigkeitsvermerk in dem ursprünglichen Einkommensteuerbescheid vom 07.05.1992 erstreckte sich ausschließlich auf die Berücksichtigung eines Abzugsbetrags gem. § 10 e EStG, nicht jedoch auf die Gewährung der Steuerermäßigung nach § 34 f EStG. Zu einer Erstreckung der Vorläufigkeit auch auf diese Besteuerungsgrundlage bestand auch gar kein Anlaß, weil nach der dem Bescheid vom 07.05.1992 zugrundeliegenden rechtlichen Beurteilung des FA nur die Höhe des den Klägern zustehenden Abzugsbetrags nach § 10e Abs. 1 EStG fraglich war, nicht jedoch die Abzugsberechtigung als solche. Auch der erste Änderungsbescheid erweiterte die Vorläufigkeitsregelung insoweit nicht. Er nimmt ausdrücklich auf die Anlage zum Steuerbescheid vom 07.05.1992 Bezug und erstreckte die Vorläufigkeit lediglich auf die Absetzungen nach § 82a EStDV. Der Umstand, daß die Gewährung der Kinderermäßigung nach § 34f EStG materiellrechtlich voraussetzt, daß den Klägern ein Abzugsbetrag nach § 10 e Abs. 1 EStG zusteht, führt zu keiner anderen Beurteilung. Er kann nicht dazu dienen, daß die Änderungsbefugnis des FA auf Besteuerungsgrundlagen ausgedehnt wird, die nicht Gegenstand der Vorläufigkeitsregelung waren und damit in materielle Bestandskraft erwachsen sind.

22

3.

Im Rahmen der hiernach erforderlichen Korrektur des angefochtenen Bescheids ist allerdings zu berücksichtigen, daß das FA den Klägern die Absetzungen nach § 82a EStDV darin zu Unrecht belassen hat. Nach § 82a Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 EStDV in der für das Streitjahr maßgeblichen Fassung konnten von den Herstellungskosten für den Einbau einer zentralen Heizungsanlage im Jahr der Herstellung und in den folgenden neun Jahren anstelle der nach § 7 Abs. 4 oder 5 oder § 7b EStG zu bemessenden Absetzungen für Abnutzung zwar jeweils bis zu 10 v.H. der Herstellungskosten abgesetzt werden. Unmittelbar gilt diese Regelung aber nur insoweit, als es sich bei den erhöhten Absetzungen um Betriebsausgaben oder Werbungskosten handelt. Soweit die Aufwendungen im Zusammenhang mit einer von dem Steuerpflichtigen selbst genutzten Wohnung entstehen, sind sie nur nach Maßgabe des § 82a Abs. 3 EStDV bzw. des § 52 Abs. 21 Satz 6 EStG wie Sonderausgaben abziehbar. Voraussetzung ist hiernach, daß die Maßnahmen an einer zu eigenen Wohnzwecken genutzten Wohnung im eigenen Haus durchgeführt worden sind. Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht erfüllt. Wie sich aus den von den Klägern mit Kurzmitteilung vom 11.09.1996 vorgelegten Rechnungsunterlagen (Bl. 36-38 der Gerichtsakte) ergibt, wurde die Erneuerung der Heizungsanlage vor dem Erwerb des Miteigentumsanteils an dem Grundstück ... durch die Klägerin durchgeführt. Die vorgelegten Rechnungsbelege datieren allesamt vor dem Abschluß des notariellen Vertrages vom 30.11.1993.

23

Da das FA die Steuerfestsetzung in dem Bescheid vom 12.08.1992 auch hinsichtlich dieser Besteuerungsgrundlage für vorläufig erklärt hatte, wäre es berechtigt und verpflichtet gewesen, bei der Änderung des Bescheids auch diesen Rechtsfehler zu korrigieren. Dies gilt unabhängig davon, ob die Erweiterung des Vorlaufigkeitsvermerks in dem ersten Änderungsbescheid verfahrensrechtlich zulässig war. Da die Kläger die Änderung der Nebenbestimmung nicht angefochten haben und diese auch nicht nach § 125 AO nichtig war, ist sie ungeachtet ihrer möglichen Rechtswidrigkeit in Bestandskraft erwachsen.

24

4.

Hiernach ändert sich die Steuerfestsetzung wie folgt:

Zu versteuerndes Einkommen
lt. angefochtenem Bescheid90.009,- DM
erhöhte Absetzungen nach § 82a EstDV431,- DM
zu versteuerndes Einkommen lt. Urteil90.440,- DM.
Darauf entfallende Einkommensteuer
lt. Splittingtabelle19.222,- DM
ab Kinderermäßigung nach § 34f EstG1.000,- DM
festzusetzende Einkommensteuer lt. Urteil18.222,- DM.
25

Auf diesen Betrag war die Einkommensteuer herabzusetzen (§ 100 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Im übrigen war die Klage abzuweisen.

26

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 136 Abs. 1 FGO. Die sonstigen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 708 Nr. 10 und 711 der Zivilprozeßordnung i.V.m. § 151 Abs. 1 u. 3 FGO.