Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 06.09.1996, Az.: IX 422/90

Abzugsfähigkeit von Aufwendungen für einen Umzug als Werbungskosten; Abzugsfähigkeit für ein häusliches Arbeitszimmer als Werbungskosten; Grundsätzliche Ansehung von Kosten für einen Wechsel der Wohnung als steuerlich nicht abziehbare Kosten der Lebensführung

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
06.09.1996
Aktenzeichen
IX 422/90
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1996, 16469
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:1996:0906.IX422.90.0A

Verfahrensgegenstand

Umzug aus provisorischer Wohnung in das eigene Einfamilienhaus

Einkommensteuer 1988

In dem Rechtsstreit
hat der IX. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts
nach mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 6. September 1996,
an der mitgewirkt haben:
1. Vorsitzender Richter am Finanzgericht ...
2. Richter am Finanzgericht ...
3. Richter am Finanzgericht ...
4. ehrenamtlicher Richter Prokurist
5. ehrenamtlicher Richter Beamter
fürRecht erkannt:

Tenor:

Der Einkommensteuerbescheid 1988 vom 6. September 1996 wird geändert und die Einkommensteuer auf 19.104 DM herabgesetzt.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob Aufwendungen für einen Umzug und für ein häusliches Arbeitszimmer als Werbungskosten abziehbar sind.

2

Der Kläger ist verheiratet und wurde im Streitjahr 1988 mit seiner Ehefrau zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Er bezog als Geschäftsführer einer Genossenschaft in W. Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Die Ehefrau erklärte im Streitjahr aus ihrem Beruf als Architektin keine Einnahmen.

3

Der Kläger hatte seine Geschäftsführerstellung in W. zum 1. März 1987 angetreten und war deshalb mit seiner Familie zum 1. April 1987 von B. nach W. in ein gemietetes Reihenhaus umgezogen. Der Beklagte (das Finanzamt - FA -) berücksichtigte die Umzugskosten bei der Veranlagung 1987 als Werbungskosten des Klägers, weil der Umzug beruflich veranlaßt war. Dazu hatte der Kläger mit der Steuererklärung 1987 vorgetragen, daß es sich bei dem Reihenhaus nur um eine provisorische Unterkunft handele und daß er plane, im Jahr 1988 innerhalb von W. noch einmal umzuziehen. Sein eigenes Einfamilienhaus (Bauantrag 1987) sei zum 1. April 1987 noch nicht bezugsfertig geworden.

4

Im Oktober 1988 zog der Kläger mit seiner Familie in das eigene Einfamilienhaus in W. und machte dafür in der Steuererklärung des Streitjahres 6.127 DM als Werbungskosten geltend. Diesem Antrag folgte das FA nicht.

5

Die Ehefrau begehrte, Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben von 530 DM (415 DM AfA, 115 DM sonstige Aufwendungen) zu berücksichtigen weil sie im eigenen Einfamilienhaus ein Arbeitszimmer, in dem ihre Zeichengeräte und sonstigen beruflichen Unterlagen untergestellt seien, vorhalte und sie beabsichtige, ihre Berufstätigkeit als Architektin wieder aufzunehmen. Das FA zog die Aufwendungen nicht ab.

6

Die Einsprüche blieben erfolglos. Dagegen richtet sich die Klage. Das FA ist nach der mündlichen Verhandlung bereit, die Aufwendungen der Ehefrau als vorweggenommene Werbungskosten zu berücksichtigen.

7

Zu seinem zweiten Umzug trägt der Kläger vor, dieser sei ebenso wie der erste Umzug von B. nach W. ausschließlich beruflich veranlaßt gewesen. Er habe das Reihenhaus als provisorische Wohnung i.S.d. § 11 des Bundesumzugskostengesetzes (BUKG) mit einem Mietvertrag lediglich über 16 Monate gemietet, weil er von vornherein vorgehabt habe, in kurzer Zeit noch einmal umzuziehen. Das Reihenhaus mit ca. 110 qm und 4 Zimmern sei nicht angemessen und familiengerecht gewesen. Seine zwei Kinder (geb. 1983/86) hätten sich ein Kinderzimmer teilen müssen, da er dringend auf ein Arbeitszimmer angewiesen gewesen sei. Ein Teil der Möbel aus dem Haus in B., das ca. 160 qm Wohnfläche gehabt habe, sei aus Platzmangel im Keller aufbewahrt worden. Der frühere Umzug in das Reihenhaus sei auf ausdrückliche Anordnung seines Arbeitgebers erfolgt. Dazu legt der Kläger die Ablichtung eines Protokollauszugs vom 15. Januar 1987 vor, wonach der Vorstand des Arbeitgebers auf der vereinbarten Übersiedlung nach W. bestanden habe. Der Arbeitgeber sei nicht damit einverstanden gewesen, daß vorerst nur er - der Kläger - nach W. umziehe, um die Familie später nach Anmietung oder Kauf eines geeigneten Objekts nachzuholen. Er habe vielmehr als Geschäftsführer immer in W. präsent sein müssen, was bei einem doppelten Haushalt nicht ausreichend gewährleistet schien.

8

Das FA hat den angefochtenen Steuerbescheid während des Klageverfahrens geändert. Der Kläger hat den Änderungsbescheid nach § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Verfahrens erklärt.

9

Der Kläger beantragt,

den Einkommensteuerbescheid i.d.F. vom 6. September 1996 zu ändern und die Einkommensteuer unter Berücksichtigung weiterer Werbungskosten von 5.642 DM beim Kläger und von 530 DM bei der Ehefrau niedriger festzusetzen.

10

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen soweit nicht die Aufwendungen der Ehefrau von 530 DM abzuziehen sind.

11

Es bleibt hinsichtlich des zweiten Umzugs bei seiner im Rechtsbehelfsverfahren vertretenen Auffassung. Dieser Umzug sei aus privaten Gründen erfolgt, da der Kläger in sein eigenes Einfamilienhaus gezogen sei. Das zuvor bewohnte Reihenhaus sei für die Familie des Klägers angemessen gewesen. Die ursprünglich berufliche Veranlassung des Umzugs von B. nach W. sei mit dem Einzug in dieses Objekt beendet gewesen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist teilweise begründet.

13

Der angefochtene Steuerbescheid ist insoweit zu ändern, als bei der Ehefrau vorweggenommene Werbungskosten/Betriebsausgaben von 530 DM abzuziehen sind. Das zu versteuernde Einkommen ist danach von 84.447 DM auf 83.917 DM herabzusetzen. Darauf entfallen nach der Splittingtabelle 1988 Einkommensteuer von 20.304 DM abzüglich Kinderermäßigung von 1.200 DM, so daß für das Streitjahr 19.104 DM Einkommensteuer festzusetzen sind.

14

Im übrigen ist die Klage unbegründet.

15

Das FA hat die Aufwendungen für den zweiten Umzug zutreffend nicht als Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes - EStG -) abgezogen. Der Umzug war nicht beruflich veranlaßt. Da das Bewohnen einer Wohnung dem privaten Lebensbereich zuzurechnen ist, sind auch die Kosten für einen Wechsel der Wohnung grundsätzlich als steuerlich nicht abziehbare Kosten der Lebensführung anzusehen (§ 12 Nr. 1 Satz 2 EStG). Etwas anderes gilt nur dann, wenn die berufliche Tätigkeit des Steuerpflichtigen den entscheidenden Grund für den Wohnungswechsel darstellt und private Umstände nur eine ganz untergeordnete Rolle spielen (BFH, Urteil vom 22. November 1991 VI R 77/89, BFHE 166, 534, BStBl II 1992, 494).

16

Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor. Die berufliche Veranlassung für den Umzug von B. nach W. war durch den Bezug der Wohnung im angemieteten Reihenhaus beendet und wirkte nicht auf den Umzug in das eigene Einfamilienhaus fort. Der Kläger hat selbst vorgetragen, daß der Bezug des Einfamilienhauses nahezu ausschließlich durch die räumlichen Verhältnisse im Reihenhaus veranlaßt war. Daß der Kläger es sich und seiner Familie nicht auf Dauer zumuten wollte, in einer Wohnung von 110 qm mit 4 Zimmern wohnen zu müssen, ist ein rein privater Grund, der nicht durch den Antritt der Geschäftsführerstelle in W. beeinflußt war.

17

Ein Abzug der Umzugsaufwendungen kommt auch nicht unter dem Gesichtspunkt in Betracht, daß der Kläger das Reihenhaus als provisorische Wohnung angesehen und dies dem FA bereits bei der Veranlagung für 1987 mitgeteilt hatte. Die Vorschrift des § 11 Abs. 1 BUKG ist auf den Kläger nicht unmittelbar anwendbar. Sie gilt lediglich für Bedienstete des öffentlichen Rechts. Lediglichüber Abschnitt 26 der Lohnsteuerrichtlinien 1987 hat die Verwaltung für die Höhe der einem privaten Arbeitnehmer als Werbungskosten anzuerkennenden Umzugskosten auf die Höhe der einem öffentlich Bediensteten zu erstattenden Aufwendungen nach dem BUKG Bezug genommen.

18

Das BUKG ist im Streitfall auch nicht entsprechend anwendbar. Der Senat hat nicht zu entscheiden, ob § 11 BUKG seinem Regelungsgehalt nach grundsätzlich auch für private Arbeitnehmer berücksichtigt werden kann, denn das Reihenhaus war nach Auffassung des Senats von seiner Größe und Ausstattung her auch unter Berücksichtigung des Einkommens und des sozialen Stands des Klägers als Familienwohnung angemessen und stellte nicht lediglich ein Provisorium dar. Die Wohnung hatte ausweislich des Mietvertrags vom 30. Januar 1967 eine Wohnfläche von 114 qm und verfügte neben 4 Zimmern über dieüblichen Nebenräume wie Küche, Bad, Toilette, Balkon und Keller. Demgegenüber hatte das ursprüngliche, freistehende Haus in B. 5 Zimmer mit Nebenräumen. Mag es auch von der Grundfläche größer gewesen sein als das Reihenhaus, so kann dieses Haus in der Wohnqualität doch nicht als so wesentlich schlechter angesehen werden als das Haus in B. Auch der Umstand, daß die Kinder des Klägers, die im Streitjahr noch sehr jung waren, sich ein Kinderzimmer teilen mußten, weil der Kläger das andere Zimmer als Arbeitsraum nutzte, führt nicht zu einer anderen Beurteilung. Diese Art der Zimmeraufteilung kann unter den heutigen Umständen nicht als unangemessen bezeichnet werden.

19

Die Kostenentscheidung ergibt aus § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO.

20

Die Revision ist nicht zugelassen worden. Hiergegen kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim Niedersächsischen Finanzgericht in Hannover Beschwerde eingelegt werden. Auf Abs. 4 der Rechtsmittelbelehrung wird hingewiesen. In der Beschwerdeschrift muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt, die Entscheidung des Bundesfinanzhofs, von der das Urteil abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.