Landgericht Lüneburg
Urt. v. 27.12.2005, Az.: 9 S 71/05

Bibliographie

Gericht
LG Lüneburg
Datum
27.12.2005
Aktenzeichen
9 S 71/05
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2005, 42316
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGLUENE:2005:1227.9S71.05.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Lüneburg - 04.07.2005 - AZ: 9 C 89/05

In dem Rechtsstreit

...

hat die 9. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg auf die mündliche Verhandlung vom 06.12.2005 durch die Vorsitzende Richterin am Landgericht ..., den Richter am Landgericht ... und den Richter ... für Recht erkannt:

Tenor:

  1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Lüneburg vom 04.07.2005 geändert:

  2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2 500,00 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 09.03.2002 zu zahlen.

  3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

  4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Klägerin verlangt Rückerstattung von 2 500,00 EUR, die sie am 09.03.2002 der Beklagten im Zuge der Teilnahme an einem sogenannten "Schenkkreis" gezahlt hat. Wegen der Organisation des "Schenkkreises" wird auf den Klägervortrag im Schriftsatz vom 10.02.2005 verwiesen.

2

Die Klägerin war dem "Schenkkreis" beigetreten in der Erwartung, sie könne in wenigen Wochen in die Position des "Receivers" aufrücken und selbst durch ihre anteilige Zahlung von 2 500,00 EUR zu einem Gewinn von 20 000,00 EUR gelangen.

3

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die zulässige Berufung der Klägerin, die ihren ursprünglichen Klageantrag weiter verfolgt. Sie behauptet, sie habe die Tragweite des Systems nicht erkannt.

4

Die Beklagte beantragt Zurückweisung der Berufung mit der Begründung, sie halte den "Schenkkreis" nicht für sittenwidrig, habe jedenfalls eine solche Wertung nicht vorgenommen. Darüber hinaus sei sie entreichert, weil sie den erhaltenen Betrag zum Teil verschenkt und zum Teil für Luxus- Ausgaben verwendet habe.

5

Im Übrigen wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Gründe

6

Die Berufung ist begründet.

7

Die Klägerin kann gem. § 812 Abs. 1 Satz 2 1.Alternative BGB von der Beklagten den geleisteten Betrag zurückverlangen, weil ohne Rechtsgrund geleistet wurde. Die Vereinbarung des "Schenkkreises" war, da auf ein Schneeballsystem gerichtet, sittenwidrig und damit nichtig (§ 138 Abs. 1 BGB). Die große Masse der Teilnehmer machten - im Gegensatz zu den initiierenden "Mitspielern", die (meist) sichere Gewinne erzielten - zwangsläufig keinen Gewinn, sondern verloren lediglich ihren "Einsatz". Das "Spiel" zielte allein darauf ab, zu Gunsten einiger weniger "Mitspieler" leichtgläubige und unerfahrene Personen auszunutzen und sie zur Zahlung des "Einsatzes" zu bewegen. Einem solchen sittenwidrigen Verhalten steuert § 138 Abs. 1 BGB entgegen, indem er für entsprechende Vereinbarungen Nichtigkeit anordnet (vgl. BGH, Urteil vom 10.11.2005 in III ZR 73/05 ).

8

Die Einwendungen der Beklagten, der "Schenkkreis" beruhe auf altruistischen Beweggründen, überzeugen nicht. Der "Schenkkreis" ist nicht primär darauf angelegt, dass die Teilnehmer Geld verschenken, sondern diese erwarten ihrerseits wesentlich höhere Einnahmen aus dem "Spiel".

9

Der Bereicherungsanspruch scheitert nicht an § 817 Satz 2 BGB. Danach wäre die Rückforderung ausgeschlossen, wenn dem Leistenden - hier der Klägerin - gleichfalls ein Verstoß gegen Gesetz oder gute Sitten zur Last fällt.

10

Der Grund und der Schutzzweck der Nichtigkeitssanktion gem. § 138 Abs. 1 BGB spricht hier aber ausnahmsweise gegen eine Kondiktionssperre gem. § 817 Satz 2 BGB (vgl. BGH, a.a.O., m.w.N.). Die Nichtigkeitsfolge nach § 138 Abs. 1 BGB würde im Ergebnis konterkariert und die Initiatoren solcher "Spiele" zum Weitermachen geradezu eingeladen, wenn sie die mit sittenwidrigen Methoden erlangten Gelder - ungeachtet der Nichtigkeit der das "Spiel" tragenden Abreden - behalten dürften (BGH aaO).

11

Der den § 817 Satz 2 BGB einschränkenden Wertung steht nicht entgegen, dass das auf Grund eines Spiels Geleistete gem. § 762 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht zurückgefordert werden kann. Diese Vorschrift greift nur dann Platz, wenn die Rückforderung auf den Spielcharakter gestützt wird. Ist die Spielvereinbarung wie hier gem. § 138 Abs. 1 BGB nichtig, geltend die allgemeinen-Regeln (BGH, a.a.O.). Das Berufungsgericht schließt sich dieser neuen Rechtsprechung des BGH an.

12

Der Rückforderungsanspruch ist auch nicht wegen Entreicherung der Beklagten ausgeschlossen (§ 818 Abs. 3 BGB), denn hier traf die Beklagte bereits bei Empfang der Leistung die verschärfte Haftung nach § 819 Abs. 2 BGB. Verstößt der Empfänger durch die Annahme der Leistung gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten, so ist er von dem Empfang der Leistungen an zur Herausgabe verpflichtet, wie wenn der Anspruch auf Herausgabe in dieser Zeit rechtshängig geworden wäre.

13

Nach der oben angegebenen Entscheidung des BGH liegt ein sittenwidriges Verhalten darin, dass leichtgläubige und unerfahrene Personen ausgenutzt und zur Zahlung des Einsatzes bewegt werden. Dann verstößt auch die Annahme von Geldern, deren Bezahlung in solch anstößiger Weise veranlasst wurde, gegen die guten Sitten. Hier kommt hinzu, dass die Beklagte inzwischen in die Position der Empfängerin aufgestiegen war, also bereits die Verbreitung des Spiels weitgehend mitinitiiert hatte.

14

Die Zinsforderung ist ab Erhalt des Geldes begründet, weil die Beklagte nach § 819 Abs. 2 BGB bereits ab diesem Zeitpunkt wie bei Rechtshängigkeit haftet.

15

Die Höhe des Zinssatzes folgt aus § 288 BGB.

16

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Ziffer 10 ZPO.

17

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.