Landgericht Lüneburg
Urt. v. 26.01.2005, Az.: 6 S 100/04JWO

Bibliographie

Gericht
LG Lüneburg
Datum
26.01.2005
Aktenzeichen
6 S 100/04JWO
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2005, 42315
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGLUENE:2005:0126.6S100.04JWO.0A

Amtlicher Leitsatz

Kündigt der Mieter aus wichtigem Grund gemäß § 543 abs. 1 i.V.m. § 569 Abs. 1 BGB, weil die Benutzung der Wohnung mit einer erheblichen Gesundheitsgefährdung verbunden ist, so ist § 543 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht anzuwenden.

Tenor:

  1. 1.

    Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Dannenberg vom 14.09.2004 wird zurückgewiesen.

  2. 2.

    Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

  3. 3.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

1

Die Parteien streiten darüber, ob der Klägerin ein Mietzinsanspruch für Juni/Juli 2004 in Höhe von 1.025,18 € (richtig 1.022,68 €) zusteht.

2

Das Amtsgericht Dannenberg hat mit Urteil vom 14.09.2004 die Klage abgewiesen. Der Mietzinsanspruch sei wegen er wirksamen fristlosen Kündigung der Beklagten zum 31.5.2004 nicht begründet.

3

Die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.

4

Die Beklagten haben mit Schreiben vom 31.03.2004 das Mietverhältnis gemäß § 543 Abs. 1 in Verbindung mit § 569 Abs. 1 BGB wirksam gekündigt. Die von ihnen gemietete Wohnung war so beschaffen, dass deren Benutzung mit einer erheblichen Gefährdung der Gesundheit verbunden war. Die Gesundheitsgefährdung war nachhaltig und beruhte auf einer ständigen Eigenschaft der Mietwohnung.

5

Gemäß den Feststellungen des amtgerichtlichen Urteils waren ab September 2003 - nachdem der Ölbrenner durch eine Gasanlage ausgetauscht worden war - in den Heizkörpern der Wohnung der Beklagten laute Fließ und Siedegeräusche zu hören. Diese störenden Geräusche waren sowohl in den Aufenthaltsräumen als auch zur Nachtzeit im Schlafzimmer zu unterschiedlichen Zeiten festzustellen. Diese Geräusche waren zeitweise so laut, dass eine Zeugin bekundet hat, dass sie in Anbetracht der Lautstärke der Geräusche "wahnsinnig" geworden wäre. Die Lärmstörungen sind in den Protokollen der Beklagten vom Dezember 2003 bis März 2004 teilweise protokolliert (Bl. 36 - 39 d.A.).

6

Die Klägerin hat diese Feststellungen und die Beweiswürdigung des Amtsgerichts mit der Berufung nicht angegriffen. Das Berufungsgericht legt diese Tatsachen gem. § 529 Abs.1 Ziff.1 ZPO seiner Entscheidung zugrunde.

7

Die lauten Fließ und Siedegeräusche, die zu unterschiedlichen Tages und Nachtzeiten mit unterschiedlicher Lautstärke insbesondere auch im Schlafzimmer aufgetreten sind, waren geeignet, eine nachhaltige Gefährdung der Gesundheit objektiv herbeizuführen. Laute Fließ und Siedegeräusche in der Nacht beeinträchtigen den Schlaf, können mit einem häufigen Aufwachen verbunden sein und sind geeignet, die nächtliche notwendige Erholung nachhaltig zu stören. Die Folgen eines mangelnden Schlafes sind regelmäßig die Beeinträchtigung des Wohlbefindens am nächsten Tag und eine Reduzierung der Konzentrationsfähigkeit. Es ist für einen Mieter unzumutbar, sich einer solchen Beeinträchtigung seiner Gesundheit auszusetzen. Insbesondere ist hier zu berücksichtigen, dass die lauten Geräusche in der Heizung - von wenigen Tagen abgesehen - über Monate aufgetreten sind.

8

Die Klägerin kann nicht mit Erfolg geltend machen, dass bereits die geringe Mietminderung der Beklagten von nur 5% dafür spreche, dass die Beklagten die Beeinträchtigung nicht als unzumutbar empfunden hätten. Es kann den Beklagten nicht zum Nachteil gereichen, wenn sie nur sehr zurückhaltend von ihrem Minderungsrecht Gebrauch machen.

9

Die Gesundheitsbeeinträchtigung ist objektiv festzustellen, sodass es unerheblich ist, ob die gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Beklagten zu 2) durch die Heizungsgeräusche hervorgerufen worden sind.

10

Die erhebliche Gesundheitsgefährdung beruhte auch auf einer ständigen Eigenschaft der Mietwohnung. Die Klägerin hat, nachdem die Beklagten ab September 2003 die Beseitigung der Störungen angemahnt hatten, mehrfach vergeblich versucht durch die Firma Rohdehorst den Mangel abstellen zu lassen.

11

Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, dass es den Beklagten zuzumuten gewesen wäre, das Mietverhältnis bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist Ende Juli 2004 fortzusetzen, da die Heizperiode Ende April 2004 endete. Bei der Kündigung wegen erheblicher Gesundheitsgefährdung gemäß § 569 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 543 Abs. 1 BGB ist eine Abwägung der beiderseitigen Interessen gem. § 543 Abs.1 S.2 BGB nicht vorzunehmen. Bereits nach dem Wortlaut des § 569 Abs. 1 BGB handelt es sich um einen eigenständigen Kündigungsgrund, der die Prüfung der Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Fristablauf der ordentlichen Kündigung nicht erfordert (ebenso Palandt/ Weidenkaff, 64. Auflage, § 543 Rn. 6). Zudem ergibt sich dieses aus einem Vergleich von § 569 Abs. 1 mit § 569 Abs. 2 BGB. Im Gegensatz zu der außerordentlichen Kündigung wegen Gesundheitsgefährdung gemäß § 569 Abs. 1 BGB ist bei dem wichtigen Kündigungsgrund des § 569 Abs. 2 BGB wegen nachhaltiger Störung des Hausfriedens eine Abwägung der beiderseitigen Interessen ausdrücklich vorgeschrieben. Wenn der Gesetzgeber dieses auch für den Kündigungsgrund des § 569 Abs. 1 BGB gewollt hätte, so wäre auch hier eine entsprechende Klausel aufgenommen worden. Zudem ergibt sich bereits aus dem Tatbestandsmerkmal der "erheblichen" Gesundheitsgefährdung des § 569 Abs. 1 BGB, dass in diesem Fall eine Vertragsfortsetzung unzumutbar ist.

12

Ergänzend ist auszuführen, dass die Beklagten bei ihrer Kündigung nicht sicher davon ausgehen konnten, dass die Fließ und Siedegeräusche am 30.4.2004 beendet sein würden. Zum einen wird auch im Mai bei niedrigen Temperaturen häufig noch geheizt. Außerdem hat die Beklagte zu 2) in der mündlichen Verhandlung überzeugend geschildert, dass auch während der Nachtabsenkung Fließ und Siedegeräusche zu verzeichnen gewesen seien.

13

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Ziffer 10, 711, 713 ZPO.

14

Die Revision ist nicht zuzulassen.