Landgericht Lüneburg
Urt. v. 30.09.2005, Az.: 4 S 12/05

Bibliographie

Gericht
LG Lüneburg
Datum
30.09.2005
Aktenzeichen
4 S 12/05
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2005, 42317
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGLUENE:2005:0930.4S12.05.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Lüneburg - 30.12.2004 - AZ: 10 C 405/04
nachfolgend
BGH - 06.02.2008 - AZ: XII ZR 185/05

In dem Rechtsstreit

...

hat die 4. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg auf die mündliche Verhandlung vom 9. September 2005 durch die Vorsitzende Richterin am Landgericht ... die Richterin am Landgericht ... und die Richterin ... für Recht erkannt:

Tenor:

  1. I.

    Auf die Berufung der Klägerin wird unter Aufhebung des Urteils des Amtsgerichts Lüneburg vom 30. Dezember 2004 (Az.: 10 C 405/04 ) der Beklagte verurteilt, gegenüber dem für ihn zuständigen Wohnsitz-Standesamt folgende Erklärung abzugeben:

    Ich lege nach der rechtskräftigen Scheidung von meiner Ehefrau, Frau ..., durch Endurteil des Amtsgerichts Lüneburg vom 18. Mai 2004 (Az. 29 F ... S) den Ehenamen (...) ab und nehme wieder meinen Geburtsnamen ... oder, entsprechend den gesetzlichen Möglichkeiten, einen anderen Namen an.

  2. II.

    Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

  3. III.

    Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 7 000,00 Euro vorläufig vollstreckbar.

  4. IV.

    Die Revision wird zugelassen.

Gründe

1

I.

Die Parteien sind rechtskräftig geschiedene Eheleute. Die Klägerin begehrt von dem Beklagten die Ablegung des Ehenamens (...). Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird auf die Ausführungen des Amtsgerichts im angefochtenen Urteil Bezug genommen. Ergänzend wird ausgeführt, dass der Beklagte Ende Februar 2005 gegenüber dem für seinen Wohnsitz zuständigen Standesamt die Erklärung abgegeben hat, seinen Geburtsnamen (...) wieder dem Ehenamen voranstellen zu wollen. Dieses wurde vom Standesamt B. mit Schreiben vom 28. Februar 2005 abgelehnt.

2

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass der Anspruch der Klägerin zwar grundsätzlich klagbar ist, es der Klägerin aber vorliegend gemäß § 242 BGB wegen Rechtsmissbrauches verwehrt sei, sich auf die im Ehevertrag vom 24. Mai 1989 getroffene Vereinbarung zur Ablegung des Ehenamens zu berufen.

3

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Berufung, mit der sie ihren erstinstanzlich geltend gemachten Anspruch weiter verfolgt.

4

Die Klägerin beantragt,

  1. den Beklagten unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Lüneburg, Aktenzeichen 10 C 405/04 zu verurteilen, gegenüber dem für ihn zuständigen Wohnsitz-Standesamt folgende Erklärung abzugeben:

    Ich lege nach der rechtskräftigen Scheidung von meiner Ehefrau, Frau ... ..., durch Endurteil des Amtsgerichts Lüneburg vom 18. Mai 2004 (Az. 29 F ... S) den Ehenamen (...) ab und nehme wieder meinen Geburtsnamen ... oder, entsprechend den gesetzlichen Möglichkeiten, einen anderen Namen an,

  2. hilfsweise

  3. gegenüber dem für ihn zuständigen Wohnsitz-Standesamt folgende Erklärung abzugeben:

    Ich möchte nach der rechtskräftigen Scheidung von meiner Ehefrau, ..., durch Endurteil des Amtsgerichts Lüneburg vom 18. Mai 2004 (Az. 29 F 220/03 S) meinem Ehenamen ... wieder meinen Geburtsnamen ... voranstellen.

5

Der Beklagte beantragt,

  1. die Berufung zurückzuweisen.

6

II.

Die Berufung ist begründet. Der Klägerin steht gegen den Beklagten aus Ziffer II des notariellen Ehevertrages vom 24. Mai 1989 zur UR-Nr. 1173/1989 des Notars Dr. D. der geltend gemachte Anspruch auf Abgabe der Erklärung zur Ablegung des Ehenamens zu. Der Beklagte ist gemäß der vorgenannten Vereinbarung verpflichtet, den Ehenamen ... abzulegen und allein seinen Geburtsnamen oder einen anderen Namen entsprechend der gesetzlichen Möglichkeiten - ohne die Verwendung des Namens ... zu führen.

7

Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist der Anspruch der Klägerin auf Änderung des Ehenamens klagbar. Eine analoge Anwendung des § 1297 Abs. 1 BGB auf Abreden betreffend den Ehenamen kommt nicht in Betracht. Für eine analoge Anwendung des § 1297 Abs. 1 BGB ist nach Ansicht der Kammer bereits deshalb kein Raum, weil nicht davon auszugehen ist, dass insoweit eine planwidrige Gesetzeslücke vorliegt. Der Gesetzgeber hat zuletzt mit dem Gesetz zur Änderung des Ehe- und Lebenspartnerschaftsnamensrechts vom 06.02.05 die im Namensrecht maßgebliche Vorschrift des § 1355 BGB teilweise neu geregelt, allerdings ohne den in der Literatur in analoger Anwendung der Ausnahmevorschrift des § 1297 BGB diskutierten Ausschluss der Klagbarkeit der Namensänderung zu normieren, weshalb nicht auf eine planwidrige Lücke des Gesetzgebers geschlossen werden kann. Auch ist die Interessenlage beim Verlöbnis nicht vergleichbar mit der bei der Wahl des Ehenamens. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des Amtsgerichts Bezug genommen.

8

Die Klage ist auch begründet. Der Anspruch der Klägerin ergibt sich aus Ziffer II des notariellen Vertrages vom 24. Mai 1989, wonach sich der Beklagte verpflichtet hat, u.a. für den Fall der Scheidung der Ehe den Ehenamen ... wieder abzulegen und allein seinen Geburtsnamen oder, nach seiner Wahl, entsprechend den gesetzlichen Möglichkeiten, einen anderen Namen zu führen.

9

Die Vereinbarung über das Ablegen des Ehenamens ist wirksam. Die Wahl des Nachnamens ist sowohl im Falle einer Heirat als auch im Falle der Scheidung disponibel, den Eheleuten steht es grundsätzlich frei, über ihren Nachnamen zu bestimmen, insbesondere können Eheleute auf die Führung ihres bisherigen Nachnamen verzichten. Grenzen sind dieser Namenswahl zum einen durch § 1355 BGB, zum anderen durch die allgemeinen Vorschriften gesetzt.

10

Die Vereinbarung in Ziffer II des zwischen den Parteien geschlossenen Ehevertrags verstößt nicht gegen § 1355 BGB, der die Änderung des Nachnamens durch einen Ehepartner nach der Scheidung in § 1355 Abs. 5 S. 2 BGB ausdrücklich vorsieht, und zwar auch in der Form, dass der Ehegatte den Ehenamen ablegt und wieder seinen Geburtsnamen annimmt.

11

Auch verletzt diese Vereinbarung nicht die allgemeinen Vorschriften, insbesondere nicht § 242 BGB. Die Voraussetzungen des Rechtsmissbrauches liegen nicht vor.

12

Rechtsmissbräuchlich kann die Ausübung eines Rechtes unter anderem dann sein, wenn der Rechtsausübung kein schutzwürdiges Eigeninteresse zugrunde liegt. Dieser Fall ist vorliegend jedoch nicht gegeben, da die Klägerin ein schutzwürdiges eigenes Interesse an der Einhaltung der mit dem Beklagten vereinbarten Namensänderung hat. Auch wenn sich die Interessen der Klägerin mit denen der Familie ... - Familie ... im weiteren Sinne als Großfamilie - überschneiden, ist das Interesse der Klägerin daran, dass der Beklagte den Nachnamen der Klägerin wieder ablegt und seine vertragliche Verpflichtung einhält, ein eigenes Interesse der Klägerin. Wie die Klägerin unbestritten ausgeführt hat, will sie nach der Scheidung vom Beklagten wieder in den Schoß der Großfamilie ... zurückkehren, wobei die Handlungen der Klägerin für die Großfamilie ... bedeutsam sind. Die Klägerin hat damit ihr Eigeninteresse dargetan, denn es ist gerade das eigene Interesse der Klägerin, von ihrer Großfamilie ... wieder mit Wohlwollen aufgenommen zu werden.

13

Ein Rechtsmissbrauch liegt entgegen der Ausführungen des Amtsgerichts auch nicht deshalb vor, weil die Rechtsverfolgung für den Beklagten mit Nachteilen verbunden wäre, die im Vergleich mit den Vorteilen, die der Klägerin erwachsen, grob unverhältnismäßig wären. Denn auf Seiten des Beklagten ist kein unzumutbarer Nachteil erkennbar. Der Umstand, dass der Beklagte einen von seiner geschiedenen Ehefrau und seinen Kindern unterschiedlichen Nachnamen führt, stellt grundsätzlich keinen unzumutbaren Nachteil dar, sondern entspricht einer gesetzlich vorgesehenen Möglichkeit der Namensgebung. Wie sich aus § 1355 Abs. 1 S. 2 BGB ergibt, müssen Ehegatten mit Eheschließung nicht grundsätzlich einen einheitlichen gemeinsamen Nachnamen als Ehenamen führen. So ist in § 1355 Abs. 1 BGB bestimmt, dass es für den Fall, dass die Eheleute einen einheitlichen Ehenamen führen wollen, einer ausdrücklichen dahingehenden Erklärung der Eheleute bedarf. Wird keine Erklärung abgegeben, behalten die Eheleute automatisch ihren zur Zeit der Eheschließung geführten Nachnamen bei. Der Gesetzgeber hat Eheleuten mithin die Freiheit eingeräumt, keinen gemeinsamen Ehenamen zu führen. Diese Regelung, die es den Ehegatten ermöglicht, unterschiedliche Namen beizubehalten, entspricht auch der - gewandelten - gesellschaftlichen Realität, wonach Eheleute zunehmend keinen einheitlichen Nachnamen wählen.

14

Entsprechendes gilt für die Kinder von Eheleuten, die keinen gemeinsamen Ehenamen führen. Sie können nur den Nachnamen eines Ehegatten annehmen, es ist mithin eine vom Gesetz vorgesehene Möglichkeit, dass die Kinder schon während des Bestehens der Ehe nur den Nachnamen eines der beiden Elternteile führen, insoweit also unterschiedliche Nachnamen innerhalb einer Familie auftreten.

15

Besondere Umstände, die es für den Beklagten im konkreten Fall unzumutbar erscheinen lassen, einen anderen Nachnamen zu führen als seine geschiedene Ehefrau und seine Kinder, sind nicht ersichtlich. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Beklagte bereits während der überwiegenden Zeit der Ehe nicht nur den von seiner geschiedenen Ehefrau und seinen Kindern geführten Ehenamen benutzt hat, sondern sich dafür entschieden hat, davon abzuweichen und seinen Geburtsnamen dem Ehenamen voranzustellen. Zudem hat sich der Beklagte offenbar selbst nicht derart intensiv mit seinem während nahezu der gesamten Ehezeit geführten Nachnamen ... identifiziert, als dass ihm nunmehr eine Änderung des Nachnamens unzumutbar wäre. So hat der Beklagte am 18. November 2003 seinen seit der Eheschließung vom 21. Juli 1989 durchgehend geführten Namen ... abgelegt, indem er die Erklärung, seinem Ehenamen den Geburtsnamen voranzustellen, widerrufen hat und führt seit dem nur noch den Namen .... Selbst die relativ lange Dauer von 14 Jahren hat den Beklagten nicht abhalten können, seinen während der Ehe lange Jahre geführten Nachnamen zu ändern.

16

Dass der Beklagte den Umstand, einen anderen Nachnamen als seine geschiedene Ehefrau und seine Kinder zu führen, nicht als unzumutbaren Nachteil für sich selbst empfindet, ergibt sich nach Ansicht der Kammer auch daraus, dass er - ohne Präjudiz für die Sach- und Rechtslage - gegen Zahlung eines Betrages als Entschädigung für eintretende Belastungen und Einschränkungen bereit war, den Ehenamen ... endgültig abzulegen.

17

Die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts im Urteil vom 18. Februar 2004 ( NJW 2004, 1155 [BVerfG 18.02.2004 - 1 BvR 193/97]) führen zu keinem anderen Ergebnis. Anders als bei dem Sachverhalt, welcher dieser Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zugrunde liegt, beruht der Wechsel des Nachnamens in Form des Ablegens des Ehenamens vorliegend nicht auf einer - rechtswidrigen - gesetzlichen Bestimmung, sondern auf der freien Willensentscheidung des Beklagten, auf sein insoweit bestehendes Recht zur Fortführung des Ehenamens nach Scheidung zu verzichten. Es handelt sich mithin nicht um einen rechtswidrigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Beklagten, sondern um einen im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten erfolgten freiwilligen Verzicht des Beklagten auf ein ihm grundsätzlich zustehendes und verfassungsrechtlich geschütztes, aber disponibles Recht.

18

Die Vereinbarung in Ziffer II des Ehevertrages ist auch nicht sittenwidrig. Sittenwidrig ist ein Rechtsgeschäft, das gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Die Ablegung des Ehenamens im Fall der Scheidung als gesetzlich vorgesehene Möglichkeit der Namensgestaltung verstößt nicht gegen die guten Sitten, auch die Vereinbarung hierüber lässt keinen derartigen Verstoß erkennen. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte unter Ausnutzung einer Zwangslage zur Abgabe dieser Erklärung bestimmt worden ist, sind weder vorgetragen noch aus den sonstigen Umständen ersichtlich. Die Erklärung ist auch nicht deshalb sittenwidrig, weil die Parteien zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses keine Kinder hatten, sodann aber aus der Ehe zwei Kinder hervorgegangen sind. Der Beklagte hat nicht dargelegt, ihm sei bei Vertragsschluss nicht bewusst gewesen, dass Kinder aus der Ehe hervorgehen könnten. Die vertragliche Regelung ist demnach auch für den Fall getroffen worden, dass Kinder aus der Ehe entstammen könnten. Da diese Regelung einer gesetzlich vorgesehenen Möglichkeit der Ausgestaltung des Namens innerhalb einer Familie entspricht, ist eine Sittenwidrigkeit vorliegend nicht erkennbar.

19

Nach dem Sach- und Streitstand ist ferner nicht davon auszugehen, dass der Beklagte durch Täuschung oder Drohung im Sinne des § 123 BGB zum Vertragsschluss bestimmt worden sein könnte.

20

Einer Entscheidung über den mit der Berufungsbegründungsschrift vom 28. April 2005 erstmals gestellten Hilfsantrag bedurfte es daher nicht mehr, wobei dieser jedoch auch unzulässig ist. Der Beklagte hat unstreitig im Februar 2005 die von der Klägerin mit dem Hilfsantrag begehrte Erklärung gegenüber dem zuständigen Wohnsitz-Standesamt abgegeben, so dass für eine Verurteilung zu einer - erneuten - Abgabe dieser Erklärung bereits das Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Ein etwa bestehender Anspruch wäre mithin auch durch Erfüllung erloschen.

21

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

22

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO liegen vor. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, da zu erwarten steht, dass die im vorliegenden Verfahren zu klärende Frage, ob Vereinbarungen über das Ablegen des Ehenamens nach Scheidung rechtswirksam sind und ob das Berufen auf eine derartige Vereinbarung nach langjähriger Ehe, aus welcher Kinder hervorgegangen sind, rechtsmissbräuchlich sein kann, in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen auftreten kann.