Verwaltungsgericht Stade
Urt. v. 13.05.2002, Az.: 4 A 286/00

Erstattung; Interessenwahrung; Nachrang ; Rückerstattung; Rückgewähranspruch; Treu und Glauben; unzulässige Rechtsausübung; Überleitungsanzeige

Bibliographie

Gericht
VG Stade
Datum
13.05.2002
Aktenzeichen
4 A 286/00
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2002, 41876
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tatbestand:

1

Die Klägerin begehrt die Rückerstattung von Sozialhilfeaufwendungen.

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Die am 9. Februar 1912 geborene Frau M. B. hielt sich vom 24. Juli 1991 bis zu ihrem Tode am 10. November 1997 im Alten- und Pflegeheim Haus zur Post in W. auf. Vor der Heimunterbringung hatte Frau B. ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bereich der Klägerin. Die ungedeckten Kosten der Heimunterbringung hat der Beklagte mit Bescheid vom 13. Dezember 1991 aus Sozialhilfemitteln gewährt. Mit Wirkung vom 1. Januar 1994 war die Hilfegewährung an F. B. in die Zuständigkeit der Klägerin übergegangen.

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Frau B. hatte bereits vor ihrer Heimunterbringung mit notariellem Vertrag vom 25. Januar 1989 ein mit einem Wohnhaus bebautes Grundstück in Frankfurt am Main schenkweise auf ihre Nichte F. K. D., geschiedene S., übertragen. In diesem Vertrag war unter § 7 eine Wohnrechtsbestellung an F. B. erfolgt. Mit Überleitungsanzeige vom 13. Dezember 1991 leitete der Beklagte den Anspruch von F. B. gegen ihre Nichte auf Abgeltung des Wohnrechts auf sich über. F. D. zahlte daraufhin monatlich 300,00 DM an den Beklagten. Darüber hinaus legte der Beklagte F. D. eine Erklärung vom 29. Juli 1991 vor, wonach sie über den Rückforderungsanspruch nach § 528 BGB belehrt wurde. Eine Überleitung des Rückübertragungsanspruches nach dem BGB wegen Verarmung der Schenkerin erfolgte allerdings nicht.

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Der Beklagte machte mit Schreiben vom 13. Dezember 1991 gegenüber der Klägerin einen Kostenerstattungsanspruch gemäß § 103 BSHG geltend. In der Folgezeit kam es zu einem längerem Schriftwechsel mit der Klägerin und dem sachlich zuständigen Landeswohlfahrtsverband H.. In einem Schreiben vom 21. September 1992 wies der Landeswohlfahrtsverband darauf hin, dass bisher lediglich Ansprüche hinsichtlich des Wohngeldes geltend gemacht und übergeleitet worden seien. Ob auch ein Herausgabeanspruch gemäß § 528 BGB geprüft und ggf. geltend gemacht worden sei, sei nicht ersichtlich. Die Voraussetzungen für die Geltendmachung dieses Anspruches seien nach Auffassung des Landeswohlfahrtverbandes gegeben. Hierzu teilte der Beklagte mit Schreiben vom 3. Dezember 1993 mit, er habe bisher nicht prüfen können, ob ein Herausgabeanspruch geltend zu machen sei. Er stelle anheim, einen derartigen Anspruch nunmehr von dort geltend zu machen. Nachdem die sachliche Zuständigkeit für den Hilfefall nach einer Änderung des Hessischen Ausführungsgesetzes zum BSHG auf die Klägerin übergegangen war, forderte der Beklagte mit Schreiben vom 21. Februar 1995 den geltend gemachten Erstattungsbetrag von der Klägerin. Diese entsprach dieser Forderung und wies den Betrag in Höhe von 68.091,73 DM am 18. September 1995 an.

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Mit notariellem Vertrag vom 5. Februar 1993 veräußerte die Beschenkte das Hausgrundstück in F. zu einem Kaufpreis von 400.000,00 DM. Der Kaufpreis war am 15. März 1993 zur Zahlung fällig. F. D. verbrauchte den Erlös nach ihren Angaben für den Lebensunterhalt der Familie. Darüber hinaus kaufte sie ihrem Ehemann "in Erfüllung eines Kindheitstraumes" im April 1993 einen PKW der Marke Jaguar zum Preis von 115.000,00 DM. Dieser PKW wurde nach einem Totalschaden Anfang 1997 veräußert.

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Mit Schreiben vom 17. Dezember 1999 forderte die Klägerin den von ihr erstatteten Betrag gemäß § 112 SGB X vom Beklagten zurück. Die Erstattung sei zu Unrecht erfolgt, weil der Beklagte die Grundsätze des § 111 BSHG nicht gewahrt habe. Denn er habe den Herausgabeanspruch wegen Verarmung des Schenkers nach § 528 BGB, den die Hilfeempfängerin gegenüber ihrer Nichte gehabt habe, nicht geltend gemacht.

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Nachdem eine Zahlung auf dieses Erstattungsbegehren nicht erfolgt war, hat die Klägerin am 22. Dezember 1999 beim VG Hannover Klage erhoben. Dieses hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 21. Januar 2000 an das erkennende Gericht verwiesen. Die Klägerin macht geltend:

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Sie habe seinerzeit den geltend gemachten Erstattungsanspruch erfüllt, ohne die Berechtigung dieser Forderung im Einzelnen zu übersehen. Denn seinerzeit seien durch den Wechsel der Zuständigkeit vom Landeswohlfahrtsverband H. auf die Klägerin ca. 3.000 Sozialhilfefälle in die nunmehr gegebene Zuständigkeit der Klägerin übernommen worden. Erst später habe die Klägerin ermittelt können, dass die Erstattung gegenüber dem Beklagten zu Unrecht geleistet worden sei. Bei einer rechtzeitigen Überleitung des Anspruches nach § 528 BGB hätte der beim Beklagten bis Ende des Jahres 1993 entstandene Sozialhilfeaufwand vollständig ausgeglichen werden können. Der Beklagte sei aus dem Interessenwahrungsgrundsatz verpflichtet gewesen, nicht nur das Wohnrecht, sondern auch den Rückgewähranspruch nach § 528 BGB auf sich überzuleiten. Dieser Grundsatz ergebe sich aus § 111 BSHG und bedeute, dass der Erstattung begehrende Träger die Interessen des erstattungspflichtigen Sozialhilfeträgers zu wahren habe. Bei einer Verletzung dieser Pflicht könne der Erstattungsanspruch ganz oder teilweise entfallen. Denn der Sozialhilfeträger müsse alles tun, um die zu erstattenden Kosten möglichst niedrig zu halten. Dies könne nötigenfalls auch die Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe bedeuten. Nach der Aktenlage sei es dem Beklagten im vorliegenden Fall ohne Weiteres möglich und auch zumutbar gewesen, den Rückgewähranspruch auf sich überzuleiten. Ein zusätzlicher Verwaltungsaufwand hätte sich dadurch nicht ergeben, zumal bereits das Wohnrecht bzw. die hierfür zu gewährende finanzielle Abgeltung übergeleitet worden sei. Es komme hinzu, dass der Landeswohlfahrtsverband H. mit Schreiben vom 21. September 1992 dem Beklagten ausdrücklich einen entsprechenden Hinweis gegeben habe. Es sei auch nichts dafür ersichtlich, dass die Beschenkte zur Erfüllung des Anspruches gegenüber dem Sozialhilfeträger nicht bereit gewesen wäre.

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Die Klägerin beantragt,

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den Beklagten zu verurteilen, erstattete Pflegeheimkosten in Höhe von 34.814,75 ¤ mit Zinsen in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz seit Klageerhebung an die Klägerin zu zahlen.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Die Klägerin habe keinen Rückerstattungsanspruch. Bei der Hilfegewährung an Frau B. seien die Grundsätze des § 111 BSHG gewahrt worden. Aus dem Schriftwechsel zwischen den Beteiligten sei ersichtlich, dass der Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 3. Dezember 1993 bereits darauf hingewiesen habe, dass der Anspruch nach § 528 BGB noch nicht habe geprüft werden können. Zugleich habe der Beklagte anheim gestellt, diesen Anspruch selbst geltend zu machen, zumal die Hilfegewährung ab dem 1. Januar 1994 in der örtlichen und sachlichen Zuständigkeit der Klägerin gelegen habe. Nachdem der Beklagte im Dezember 1991 den Wohnrechtsanspruch auf sich übergeleitet habe, habe es wegen Arbeitsüberlastung zu der Überleitung des Schenkungsrückgewähranspruches nicht kommen können. Daraus ergebe sich nicht, dass der Beklagte fehlerhaft gearbeitet habe, er habe lediglich den Fall noch nicht abschließend bearbeitet gehabt. Nach dem 1. Januar 1994 habe für den Beklagten aber kein weiterer Anlass zum Handeln bestanden, da ein Zuständigkeitswechsel eingetreten sei. Im Übrigen habe die Klägerin durch die Anerkennung des geltend gemachten Kostenerstattungsanspruches im Jahre 1995 offenbart, dass sie keine Verletzung des Interessenwahrungsgrundsatzes durch den Beklagten festgestellt habe. Der Beklagte habe somit davon ausgehen müssen, dass seine Sachbearbeitung geprüft und nicht beanstandet worden sei. Dies gelte insbesondere deshalb, weil er ausdrücklich den Hinweis erteilt habe, § 528 BGB sei noch nicht geprüft worden. Es sei nunmehr verwunderlich, wenn die Klägerin vier Jahre nach erfolgter Erstattung gemäß § 112 SGB X vorgehe, ohne den Herausgabeanspruch nach § 528 BGB in der Zwischenzeit selbst geprüft und durchgesetzt zu haben. Dieses Verhalten verstoße gegen Treu und Glauben, zumal dem Beklagten seit dem 1. Januar 1994 ein Rückgriff gegen die Beschenkte verwehrt gewesen sei.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegten Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage hat keinen Erfolg.

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Sie ist unbegründet, weil die Klägerin die Rückerstattung der für die ungedeckten Heimkosten von F. M. B. aufgewendeten Sozialhilfeleistungen nicht beanspruchen kann. Dazu im Einzelnen:

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In § 112 SGB X ist bestimmt, dass die gezahlten Beträge zurückzuerstatten sind, soweit eine Erstattung zu Unrecht erfolgt ist. Die Vorschrift gibt damit dem Leistungsträger, der zu Unrecht Erstattungsleistungen nach den §§ 102 bis 105 SGB X erbracht hat, einen Anspruch auf Rückerstattung dieser erbrachten Leistung. Die Regelung entspricht dem auch im öffentlichen Recht geltenden Rechtsgrundsatz, dass zu Unrecht erfolgte Vermögensverschiebungen wieder rückgängig zu machen sind. Ein Anspruch nach § 112 SGB X besteht daher immer dann, wenn Erstattungsleistungen - ganz oder teilweise - zu Unrecht erbracht worden sind. Dabei kommt es lediglich auf die objektive Rechtswidrigkeit der Vermögensverschiebung an. Der Anspruch auf Rückerstattung ist also dem Grunde und der Höhe nach unabhängig von einem Verschulden der Beteiligten. Durch die Rückerstattung wird der Zustand wieder hergestellt, der bestanden hätte, wenn die beteiligten Leistungsträger von Anfang an rechtmäßig gehandelt hätten (vgl. Hauck/Haines, SGB X, § 112 Anmerkung 1f.).

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Der Rückerstattungsanspruch nach § 112 SGB X setzt damit voraus, dass eine Erstattung nach den §§ 102 bis 105 zu Unrecht erfolgt ist, d.h. dass der Erstattungsanspruch, zu dessen Befriedigung die Leistung erbracht worden ist, von Anfang an oder nicht in voller Höhe bestanden hat oder nachträglich (z.B. nach § 111) weggefallen ist. Erforderlich - aber auch ausreichend - ist also, dass durch die Erstattungsleistung ein Zustand entstanden ist, der objektiv nicht der Rechtslage nach den §§ 102 f. SGB X entspricht. Diese Voraussetzungen liegen im vorliegenden Fall nicht vor. Denn die von der Klägerin an den Beklagten geleistete Erstattung der Sozialhilfeaufwendungen für Frau B. in Höhe von 68.091,73 DM, die dem Beklagten am 18.09.1995 zugewendet worden ist, war rechtmäßig. Die Voraussetzungen für eine Kostenerstattung nach Maßgabe von § 103 BSHG lagen vor. Auch der Umfang der Kostenerstattung war nicht zu beanstanden. Insoweit gilt § 111 Absatz 1 BSHG, wonach die aufgewendeten Kosten zu erstatten sind, soweit die Hilfe diesem Gesetz entspricht.

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Demgegenüber kann die Klägerin nicht mit Erfolg einwenden, die an F. B. gewährte Hilfe zur Pflege sei rechtswidrig erfolgt, weil ein Leistungsanspruch wegen des dem Grunde nach gegebenen Rückgewähranspruches nach § 528 BGB und damit wegen des Nachrangprinzips der Sozialhilfe nicht gegeben gewesen sei. Auch greift der Hinweis auf § 111 BSHG und den daraus zu entnehmenden Interessenwahrungsgrundsatz nicht durch. Das ergibt sich aus Folgendem:

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Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass F. B. jedenfalls von Beginn ihres Aufenthaltes in W. am 24. Juli 1991 bis zum Wechsel in der Zuständigkeit bei der Bearbeitung des Falles zum 31. Dezember 1993 dem Grunde nach einen Hilfeanspruch hatte. Dieser ist unter Berücksichtigung des vorhandenen Einkommens und des übergeleiteten Anspruchs aus dem Wohnungsrecht zutreffend ermittelt und gewährt worden. Streitig ist allerdings, ob und ggf. zu welchem Zeitpunkt der Beklagte verpflichtet gewesen ist, einen möglichen Rückgewähranspruch nach § 528 BGB von F. B. gegen ihre Nichte auf sich überzuleiten. Dafür, dass die Voraussetzungen einer solchen Überleitung gegeben gewesen sind, spricht Vieles. Allerdings wäre durch eine vom Beklagten vor dem 31. Dezember 1993 erlassene Überleitungsanzeige noch nicht unmittelbar der Hilfeanspruch der Hilfeempfängerin entfallen. Dazu hätte es vielmehr der Umsetzung und Realisierung dieses Anspruches bedurft. In welchem zeitlichen Rahmen dieses möglich gewesen wäre, ob also insbesondere vor dem 31. Dezember 1993 die Wiederherstellung des Nachranges der Sozialhilfe hätte durchgeführt werden können, vermag die Kammer nicht abschließend zu beurteilen. Solange aber ein Hilfeanspruch gegeben war, hatte eine Leistungsgewährung zu erfolgen mit der weiteren Folge, dass in dieser Höhe ein Erstattungsanspruch gegen die Klägerin gegeben war. Daraus folgt wiederum, dass eine Rückerstattung bereits tatbestandsmäßig nicht in Betracht kommen konnte.

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Zwar ist der Klägerin zuzugestehen, dass bei einer zügigeren Bearbeitung des Falles durch den Beklagten möglicherweise die Hilfeleistung an die Hilfeempfängerin noch während der Zuständigkeit des Beklagten hätte vermieden werden können. In der zögerlichen Bearbeitung des Hilfefalles dürfte auch eine Verletzung des Interessenwahrungsgrundes zu sehen sein, da der Beklagte gehalten war, alles zu tun, um die Aufwendungen des erstattungspflichtigen Sozialhilfeträgers möglichst niedrig zu halten. Aber selbst bei Vorliegen einer - objektiven - Verletzung des Interessenwahrungsgrundsatzes aus § 111 BSHG ergibt sich bei einer gleichwohl erfolgten Erstattung nicht in jedem Falle zwingend ein Rückerstattungsanspruch aus § 112 SGB X. Im vorliegenden Fall fehlt es nämlich an der erforderlichen Kausalität zwischen dieser Obliegenheitsverletzung und einer rechtswidrigen, letztlich in Bestandskraft erwachsenen Sozialhilfegewährung. Von erheblicher Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, dass die Klägerin es ab dem 1. Januar 1994 selbst in der Hand hatte, den Nachrang der Sozialhilfe wieder herzustellen. Dass die Möglichkeit der Überleitung eines Anspruches nach § 528 BGB bestand, mußte beiden Beteiligten und damit auch der Klägerin aus dem Schriftwechsel bis zum Ende der Zuständigkeit des Beklagten bekannt sein. Ausdrücklich hatte der Beklagte kurz vor dem Ende seiner örtlichen Zuständigkeit darauf hingewiesen, dass ein solcher Anspruch zu prüfen sei und er selbst hierzu sich aus Gründen der Überlastung seiner Behörde nicht in der Lage gesehen habe. Der Klägerin war es damit - wie zuvor dem Beklagten - ohne Weiteres möglich, den vermeintlichen Rückgewähranspruch auf sich überzuleiten, zumal die Zehn-Jahres-Frist des § 529 BGB noch nicht verstrichen war. Auch war in der Folgezeit nach dem 1. Januar 1994 trotz der im Jahre 1993 erfolgten Veräußerung des geschenkten Grundstückes zunächst noch ein ausreichender Teil des Erlöses vorhanden, mit dem der angefallene Sozialhilfeaufwand zu decken war. In diesem Zusammenhang ist dem Einwand der Klägerin nicht zu folgen; sie habe den Hilfefall wegen Arbeitsüberlastung nicht ordnungsgemäß bearbeiten können, zumal sich auch der Beklagte auf diesen Einwand beruft. Die Klägerin war damit seit dem 01.01.1994 in der Lage und hierzu auch verpflichtet, den Eintritt eines Vermögensnachteils der öffentlichen Hand zu verhindern, zumal auch für die Klägerin ein Interessenwahrungsgrundsatz entsprechend § 111 BSHG gegenüber dem einem Rückerstattungsbegehren ausgesetzten Sozialhilfeträgers galt. Dies gilt umso mehr, als der Beklagte nach dem eingetretenen Zuständigkeitswechsel keine Möglichkeiten mehr hatte, selbst tätig zu werden, um dem Nachrangsprinzip Geltung zu verschaffen.

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Bei dieser Sachlage ist die Kammer im Weiteren der Auffassung, dass die Geltendmachung des Erstattungsanspruches durch die Klägerin sich zudem als unzulässige Rechtsausübung darstellt. Denn es erscheint mit dem Grundsatz von Treu und Glauben nicht vereinbar, wenn ein Leistungsträger, der es in der Hand hat, die von ihm im Wege der Erstattung aufgewendeten Leistungen durch eigenes Handeln von dem Verpflichteten wiederzuerlangen, dieses aus welchen Gründen auch immer unterlässt und statt dessen auf den Anspruch aus § 112 SGB X zurückgreift. Die Geltendmachung des Rückerstattungsanspruches erscheint hier insbesondere auch deshalb als treuwidrig, weil die Klägerin den Erstattungsanspruch des Beklagten erst im September 1995 erfüllt hat und damit die Grundvoraussetzung für den nunmehr geltend gemachten Anspruch aus § 112 SGB X, nämlich die Erstattung von Sozialhilfeaufwendungen, selbst herbeigeführt hat. Aus der Sicht des Beklagten war im September 1995 davon auszugehen, dass die Klägerin die Begründetheit des Erstattungsbegehrens geprüft und in vollem Umfang bejaht hatte. Bei dieser Sachlage verstößt die spätere Geltendmachung eines Rückerstattungsanspruches gegen Treu und Glauben.

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Die Klage war bei dieser Sach- und Rechtslage abzuweisen. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus den §§ 154 Absatz 1, 167 Absatz 2, 188 Satz 2, 194 Absatz 5 VwGO, 708 Nr. 11 711 ZPO.