Verwaltungsgericht Braunschweig
Beschl. v. 19.11.2002, Az.: 6 C 706/02
Kapazitätsermittlung; Pharmazie; Studienplatz; vorläufige Zulassung
Bibliographie
- Gericht
- VG Braunschweig
- Datum
- 19.11.2002
- Aktenzeichen
- 6 C 706/02
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2002, 42094
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Zur Kapazitätsermittlung im Studiengang Pharmazie (TU Braunschweig)
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 4.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Die Antragstellerin begehrt ihre vorläufige Zulassung zum Studium der Pharmazie bei der Antragsgegnerin ab dem Wintersemester 2002/03. Zur Begründung ihres Antrages trägt sie im Wesentlichen vor, die Antragsgegnerin schöpfe ihre Aufnahmekapazität nicht aus und sei in der Lage, über die durch Verordnung festgesetzte Zahl von zu vergebenden Studienplätzen hinaus weitere Studienbewerber aufzunehmen. Der Antrag ist auf die vorläufige Zulassung im 1. Fachsemester gerichtet. Wegen des Vorbringens im Einzelnen wird auf die Antragsbegründung verwiesen.
Gemäß § 1 i.V.m. Anlage 1 Abschn. I A der Verordnung über Zulassungszahlen für Studienplätze zum Wintersemester 2002/03 und zum Sommersemester 2003 - ZZ-VO - vom 28. Juni 2002 (Nds. GVBl 2002, 326) ist die Zahl der bei der Antragsgegnerin im Studiengang Pharmazie für das Wintersemester 2002/03 zu vergebenden Studienplätze auf 78 festgesetzt worden. Auf der Grundlage einer von der Antragsgegnerin durchgeführten Kapazitätsberechnung nimmt die Antragsgegnerin zum Wintersemester 2002/03 insgesamt 78 Studenten des ersten Fachsemesters auf. An dieser von ihr ermittelten Zahl von Studienanfängern im Wintersemester 2002/03 hält sie fest; sämtliche Studienplätze seien verteilt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes, insbesondere wegen der Berechnung der Antragsgegnerin, wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie auf die "Generalakte Pharmazie/Wintersemester 2002/03" Bezug genommen.
II. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat keinen Erfolg.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung nötig erscheint, um von dem Rechtsuchenden wesentliche Nachteile abzuwenden. Sowohl die Dringlichkeit der begehrten gerichtlichen Entscheidung als auch der Anspruch auf Zulassung zum Studium wegen nicht vollständig ausgeschöpfter Aufnahmekapazität der Antragsgegnerin in diesem Studiengang sind glaubhaft zu machen (§§ 123 Abs. 3 VwGO, 920 Abs. 2, 294 ZPO).
Nach Maßgabe dieser Gesichtspunkte kann dem Rechtsschutzbegehren der Antragstellerin nicht entsprochen werden.
Maßstab für die in den vorläufigen Rechtsschutzverfahren vorzunehmende Überprüfung der von der Antragsgegnerin ermittelten Zulassungszahl ist die Verordnung über die Kapazitätsermittlung zur Vergabe von Studienplätzen - KapVO -, zuletzt geändert durch Verordnung vom 11. Februar 2000 (Nds. GVBl. 2000, 18). Die Berechnung aufgrund der KapVO, die bis zu vier Stellen hinter dem Komma und ohne Rundung durchgeführt wird, ergibt für den von der Antragstellerin gewählten Studiengang zum Wintersemester 2002/03 keine höhere Aufnahmekapazität als die von der Hochschule ermittelte Zahl von 78 Studienplätzen für Studienanfänger.
In die Berechnung gehen gemäß § 8 Abs. 1 und 3 KapVO alle haushaltsrechtlich besetzbaren Stellen des wissenschaftlichen Lehrpersonals ein, die der Lehreinheit Pharmazie zugeordnet sind. Maßgeblich sind insoweit grundsätzlich die am Berechnungsstichtag heranzuziehenden Ansätze des Stellenplanes der Antragsgegnerin für das Jahr 2002.
Der Antragsgegnerin stehen für den Studiengang Pharmazie insgesamt 50 Stellen zur Verfügung, die sich zusammensetzen aus:
11 C 2/3/4 - Stellen (Professor)
1 C 2 - Stelle (Hochschuldozent)
2 C 1 - Stellen (Wiss. Assistent)
11 A 13/14/15 - Stellen (Akad. Rat/Oberrat/Direktor)
25 BAT II a-Stellen (wiss. Mitarbeiter zur Weiterbildung)
Gegen die Höhe der in der Verordnung über die Lehrverpflichtung an Hochschulen vom 11. Februar 2000 - LVVO - (Nds. GVBl 2000, 18) normierten Regellehrverpflichtungen sind - soweit diese Festsetzungen hier maßgeblich sind - verfassungsrechtliche Bedenken nicht zu erheben. Die Summe der Lehrdeputate der zu berücksichtigenden Stellen beträgt danach 290,0 LVS und setzt sich in folgender Weise zusammen:
11 Professoren (C4/C3/C2) x 8 = 88 LVS
1 Hochschuldozent (C2) x 6 = 6 LVS
2 Wiss. Ass. (C1) x 4 = 8 LVS
11 Akad.Rat/Dir. (A13/A15) x 8 = 88 LVS
25 Wiss. Mit. z.W. (BAT II a) x 4 = 100 LVS
= 290 LVS
Zu den Lehrdeputaten der Stelleninhaber kommen Lehrauftragsstunden im Umfang von 5,0 LVS hinzu, die der Lehreinheit für den Ausbildungsaufwand nach § 13 Abs. 1 KapVO in dem hier maßgeblichen Bemessungszeitraum durchschnittlich je Semester zur Verfügung gestanden haben.
Schließlich ist das Lehrangebot um die Dienstleistung zu vermindern, die die Lehreinheit Pharmazie für den ihr nicht zugeordneten Studiengang Lebensmittelchemie zu erbringen hat (§ 11 KapVO). Bei der Berechnung des Dienstleistungsbedarfs ist von der bisherigen oder zum Zeitpunkt des Berechnungsstichtags voraussichtlichen Zulassungszahl für den nicht zugeordneten Studiengang auszugehen (§ 11 Abs. 2 KapVO). Dies ist die um einen etwaigen Schwundausgleich bereinigte Zulassungszahl (OVG Lüneburg, Beschl. vom 22.03.1983, KMK-HSchR 1984, 140; Beschl. vom 12.11.1991, 10 N 5209/91 u. a. m.w.N.). Dieser Rechengang führt zu einem Dienstleistungsbedarf von 0,3297 LVS (0,0330 x 19,9841 : 2 = 0,3297).
Daraus ergibt sich ein bereinigtes Lehrangebot von insgesamt 294,6703 LVS.
Aus der Gegenüberstellung von bereinigtem Lehrangebot und bereinigter Lehrnachfrage des Studienganges nach Lehrveranstaltungsstunden wird die personalbezogene Ausbildungskapazität abgeleitet. Die Lehrnachfrage, die dem Betreuungsaufwand aller an der Ausbildung eines Studenten beteiligten Lehreinheiten während des gesamten Studiums entspricht, wird mit dem in der Kapazitätsverordnung festgesetzten Curricular-Normwert (CNW) zum Ausdruck gebracht. Dieser CNW beläuft sich für den Studiengang Pharmazie auf insgesamt 4,5 (§ 13 Abs. 1 i.V.m. Anlage 2 Abschnitt A I KapVO).
Den auf die Ausbildung in der Lehreinheit Pharmazie entfallenden CNW-Eigenanteil hat die Antragsgegnerin auf der Grundlage der Approbationsordnung für Apotheker - AppOA - vom 19. Juli 1989 (BGBl. I S. 1489) und den späteren Änderungen mit 4,3168 errechnet und den Dienstleistungsimport aus den Lehreinheiten Physik und Chemie mit einem CNW-Anteil von 0,1832 ausgewiesen. Dieses Berechnungsergebnis trägt den im Beschluss der Kammer vom 02. Mai 1991 (6 C 6074/91 u.a.) gegen die frühere Berechnungsweise der Antragsgegnerin erhobenen Bedenken Rechnung. Die Entscheidung wurde vom Oberverwaltungsgericht Lüneburg bestätigt (Beschl. vom 15.08.1991 - 10 N 5319/91 -).
Bei einem Lehrangebot von 294,6703 LVS und einer Lehrnachfrage von 4,3168 beträgt die jährliche Aufnahmekapazität bei der Antragsgegnerin im Studiengang Pharmazie unter Anwendung der Formel 5 in der Anlage 1 zu § 6 KapVO 136,5225 Studienplätze (294,6703 x 2 : 4,3168 = 136,5225).
Dieses Ergebnis ist gemäß § 16 KapVO um einen Schwundausgleich zu erhöhen, wenn zu erwarten ist, dass die Zahl der Abgänge an Studenten in höheren Fachsemestern wegen der Aufgabe des Studiums bzw. des Fach- oder Hochschulwechsels in höheren Fachsemestern (bis zum 8. Fachsemester) größer ist als die Zahl der Zugänge. Für ein derartiges Schwundverhalten ist von einem Wert von 1,1410 auszugehen.
Danach beträgt die jährliche Aufnahmekapazität insgesamt 155,7721 Studienplätze (136,5225 x 1,1410 = 155,7721) und die halbjährliche Kapazität 78 Studienplätze (155,7721 : 2 = 77,8860; gerundet = 78).
Dies führt, weil die Antragsgegnerin sämtliche Studienplätze in das Vergabeverfahren für Studienbewerber für das 1. Fachsemester einbezogen hat, zur Ablehnung des Antrags.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 GKG.