Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 27.11.2002, Az.: 2 A 567/01

Bauvorbescheid; Ferienwohnung; Gebot der Rücksichtnahme; Nutzungsänderung; Umbau

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
27.11.2002
Aktenzeichen
2 A 567/01
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2002, 42092
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Der Bauvorbescheid der Beklagten vom 06.09.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Braunschweig vom 08.10.2001 wird insoweit aufgehoben, als darin eine Ausnahme von der Einhaltung der Grenzabstände auch im Hinblick auf den Umbau und nicht nur hinsichtlich der Nutzungsänderung in Aussicht gestellt wird.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Verfahrenskosten tragen der Kläger zwei Drittel und die Beklagte sowie der Beigeladene je ein Sechstel. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen tragen der Kläger zu zwei Drittel und der Beigeladene zu einem Drittel.

Hinsichtlich der Kostenentscheidung ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Die Beteiligten können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils gegen sie festzusetzenden Kostenerstattungsbetrages abwenden, wenn nicht zuvor der jeweilige Vollstreckungsgegner Sicherheit in der jeweiligen Höhe leistet.

Tatbestand:

1

Der Kläger wendet sich als Nachbar gegen einen Bauvorbescheid.

2

Er ist Eigentümer des Grundstücks R. in W., einem Ortsteil von W.. Hauptberuflich ist der Kläger mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 28,8 Stunden im.... beschäftigt. Im Nebenerwerb betreibt er Landwirtschaft. Sein Hof umfasst ca. 32 ha bewirtschaftete Fläche. Davon sind ca. 16 ha Ackerland und ca. 16 ha Grünland. Im Eigentum des Klägers stehen ca. 21 ha; ca. 11 ha sind zugepachtet. In den Zuschussanträgen für die Gasölbeihilfe seit 1996 hat er eine Betriebsgröße von 26 bis 28 ha mit 21 bis 33 Stück Rindvieh angegeben.

3

Der mittlerweile in R... wohnende Beigeladene ist Eigentümer des angrenzenden Grundstücks R. . An das zur öffentlichen Straße hin gelegene Wohnhaus schließen sich ein Stallgebäude und eine Scheune an. Das Wohnhaus wird von Familienangehörigen des Beigeladenen bewohnt. Der gesamte R.hof steht als Ensemble unter Denkmalschutz.

4

Beide Grundstücke liegen im unbeplanten Innenbereich. Im R. . werden die landwirtschaftlichen Hofstellen R...und R.... ebenso im Haupterwerb geführt, wie der Hof H.Str.. Landwirtschaft im Nebenerwerb befindet sich auf dem Hof H.Str.. Auf dem Grundstück R....wird ein Beherbergungsbetrieb, das Hotel F. mit 21 Betten, geführt. Die übrigen, früher landwirtschaftlich genutzten Grundstücke im R. werden heute ausschließlich zu Wohnzwecken genutzt.

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Mit Schreiben vom 16.04.1999 stellte der Beigeladene eine Bauvoranfrage zur Nutzungsänderung der früher landwirtschaftlich genutzten Scheune und des Stallgebäudes auf dem Grundstück R. .. Er plante durch Umbau dieser Gebäude und des Wohnhauses 21 Wohnungen unterschiedlicher Größe zu errichten. Die Außenmaße der Gebäude sollten erhalten bleiben. Anbauten etc. waren nicht geplant. Auf den derzeitigen Weideflächen der betroffenen Flurstücke plante der Kläger eine Parkanlage mit einem größeren Teich als Regenwasserrückhaltebecken. Die Beklagte beschied die Bauvoranfrage mit Bescheid vom 23.06.1999 negativ. Sie stellte fest, dem geplanten Bauvorhaben stünden materielle Baurechtsvorschriften entgegen. Die Beklagte verwies auf den Konflikt mit der benachbarten Landwirtschaft. Den Widerspruch des Klägers wies die Bezirksregierung Braunschweig mit Widerspruchsbescheid vom 18.05.2000 aus den gleichen Gründen zurück.

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Daraufhin reichte der Kläger für dasselbe Projekt eine neue Bauvoranfrage ein, wobei er jetzt um eine Prüfung bzgl. eines Beherbergungsbetriebes nachsuchte.

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Mit Bauvorbescheid vom 06.09.2000 stellte die Beklagte fest, dem geplanten Vorhaben einer Nutzungsänderung des Stallgebäudes und der Scheune in einen Beherbergungsbetrieb stehe unter den nachfolgend genannten Voraussetzungen das materielle Baurecht nicht entgegen. Eine Baugenehmigung werde in Aussicht gestellt. Die Beklagte wies in der Begründung des Bescheides zunächst auf einen Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 08.05.1989 (4 B 78.89, BauR 1989, 440) hin, wonach das Vermieten von Appartements nicht zu einem Beherbergungsbetrieb i.S. des § 5 Abs. 2 BauNVO gehöre. Ferner wurde ausgeführt, das Bauvorhaben werde Immissionen des benachbarten landwirtschaftlichen Betriebes ausgesetzt sein. Anders als bei einer Wohnnutzung seien diese allerdings nicht als unzumutbar i.S. von § 15 BauNVO einzustufen, da sich die Gäste eines Beherbergungsbetriebes dort nur vorübergehend aufhielten. Außerdem müssten sie in einem Dorfgebiet mit landwirtschaftlichen Immissionen rechnen. Hinsichtlich des nicht eingehaltenen Grenzabstandes wurde eine Ausnahme nach § 13 Abs. 4 NBauO (gemeint: § 13 Abs. 1 Nr. 4 NBauO) in Aussicht gestellt. Voraussetzung seien Maßnahmen des Brandschutzes. Der Denkmalschutz verlange allerdings wesentliche Änderungen an den vorgelegten Plänen.

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Gegen den Bauvorbescheid erhob der Kläger Widerspruch, den er im Wesentlichen damit begründete, die beabsichtigte Nutzungsänderung werde die Entwicklung seines landwirtschaftlichen Betriebes in erheblichem Maße beeinträchtigen. Seit der Betriebsübernahme im Jahre 1989 seien die landwirtschaftlich genutzten Flächen und der Viehbestand kontinuierlich vergrößert worden. Seit geraumer Zeit versuche er, weitere Flächen anzupachten, so dass auch der Viehbestand vergrößert werden könne. Er plane auch einen Hallenbau. Mindestens 50 Personen seien zukünftig den Immissionen seines landwirtschaftlichen Betriebes ausgesetzt. Die beabsichtigte Nutzung füge sich auch nicht in die vorhandene tatsächliche Bebauung ein. Der Kläger verweist auf die landwirtschaftliche Nutzung auf anderen Hofstellen des R. Durchschnittlich wohnten dort vier bis sieben Personen. Nutzungskonflikte seien vorprogrammiert. Es müsse im Übrigen befürchtet werden, dass der Beherbergungsbetrieb nicht wirtschaftlich betrieben werden könne und danach eine Wohnnutzung beantragt werde. Der Gesamtcharakter des R. werde durch einen weiteren Hotelbetrieb deutlich verändert. Das ursprüngliche Dorfbild kippe in eine gewerbliche Nutzung um. Auch durch den mit dem Beherbergungsbetrieb verbundenen An- und Abfahrverkehr der Gäste und den Zulieferverkehr werde die Lebenssituation der Bewohner des R. nachteilig verändert. Der Kläger verwies auf den Dorfentwicklungsplan der Stadt W. für den Ortsteil W.. Darin heiße es, die Standortsicherung der noch verbliebenen landwirtschaftlichen Betriebe sei vorrangig.

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Mit Widerspruchsbescheid vom 08.10.2001 wies die Bezirksregierung Braunschweig den Widerspruch des Klägers zurück. Darin wurde zunächst hervorgehoben, dass der positive Bauvorbescheid nur für einen Beherbergungsbetrieb zur Vermietung von Ferienwohnungen ergangen sei. Ein Beherbergungsbetrieb sei in einem Dorfgebiet nach § 5 Abs. 2 Nr. 5 BauNVO generell zulässig. Der Dorfgebietscharakter werde durch den geplanten Betrieb nicht in einem Maße verändert, dass der Anspruch des Klägers auf Gebietserhaltung verletzt werde. Das Vorhaben verstoße auch nicht gegen das Rücksichtnahmegebot, da es der Eigenart des Baugebietes nicht widerspreche. Insofern sei u.a. darauf hinzuweisen, dass die bestehenden äußeren Gebäudemaße nicht verändert würden. Auch bei einem Maximalausbau des Gebäudes mit 21 Ferienwohnungen sei nicht von einer ständigen Vollauslastung auszugehen. Durch die bereits zugelassenen gewerblichen und landwirtschaftlichen Nutzungen existiere in dem Dorfgebiet bereits eine erhöhte Immissionsvorbelastung, so dass auch der vermehrte An- und Abfahrverkehr nicht geeignet sei, das Rücksichtnahmegebot zu verletzen. Einschränkungen des landwirtschaftlichen Betriebes des Klägers seien nicht zu erwarten. Der Beherbergungsbetrieb genieße einen geringeren Schutzanspruch gegenüber Immissionen als eine Wohnbebauung. Erweiterungen eines landwirtschaftlichen Betriebes seien nur zu berücksichtigen, soweit sie am tatsächlichen Gebäudebestand bereits ablesbar seien. Dafür gebe es hierfür keine konkreten Anhaltspunkte.

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Der Kläger hat am 09.11.2001 Klage erhoben. Zur Begründung vertieft er sein Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren und trägt ergänzend im Wesentlichen vor, die Bezirksregierung Braunschweig habe vergessen, dass auch von dem neuen Beherbergungsbetrieb Immissionen zu erwarten seien. Der Kläger verweist außerdem auf ca. 75 cbm Stallmist, der im Verlaufe von sechs Wochen entstehe. Während der Stallzeit fielen außerdem ca. 7.000 Liter Jauche an, die im Frühjahr abgefahren werden müssten.

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Der Kläger beantragt,

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den dem Beigeladenen erteilten Bauvorbescheid vom 06.09.2000 zur Nutzungsänderung des Stallgebäudes und der Scheune auf dem Grundstück R.... in Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Braunschweig vom 08.10.2001 aufzuheben.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie bezieht sich auf die im Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Braunschweig dargelegten Gründe. Ferner vertritt sie die Auffassung, das Vermieten von Appartements sei in dem Bauvorbescheid ausdrücklich ausgeschlossen worden. Der Beigeladene habe durch seinen Verzicht auf die ursprünglich angestrebte dauerhafte Wohnnutzung und die nunmehr beabsichtigte Errichtung eines Betriebes zum vorübergehenden Aufenthalt von Gästen dem ihm obliegenden Rücksichtnahmegebot ausreichend Rechnung getragen.

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Der Beigeladene beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Er ist der Ansicht, die nähere Umgebung der Grundstücke des Klägers und des Beigeladenen stelle kein faktisches Dorfgebiet dar. Es handele sich um den südlich/südwestlich der Straße R gelegenen Bereich. Dort nehme das landwirtschaftlich genutzte Grundstück des Klägers eine Insellage ein. Deshalb habe der Kläger auf die nichtlandwirtschaftlich genutzten Nachbargrundstücke Rücksicht zu nehmen. Seine landwirtschaftliche Nutzung falle „aus dem Rahmen“. Aus dem Dorferneuerungsplan ergebe sich, dass immissionsträchtige Tierbestände in W. nicht mehr vorhanden seien. Dadurch werde belegt, dass selbst eine reine Wohnnutzung auf seinem Grundstück planungsrechtlich unbedenklich und genehmigungsfähig sei. Auf dem Grundstück werde heute bereits gewohnt. Zu Unzuträglichkeiten oder nennenswerten Beeinträchtigungen wegen der von dem Kläger hobbymäßig betriebenen Landwirtschaft sei es bislang nicht gekommen. Dieses sei auch in Zukunft nicht zu erwarten. Die Aufgabe landwirtschaftlicher Nutzung und die Aufnahme von Wohnnutzung sei in diesem Teil W. ein typischer Vorgang.

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Das Gericht hat Beweis erhoben zur Grundstückssituation auf den Grundstücken R. und sowie zum Gebietscharakter im Bereich R. durch Inaugenscheinnahme der Örtlichkeiten. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen.

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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten, die dem Gericht bei der Entscheidung vorgelegen haben, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist nur teilweise begründet.

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Der Bauvorbescheid der Beklagten vom 06.09.2000 i.d.F. des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Braunschweig vom 08.10.2001 ist in dem im Tenor beschriebenen Umfang rechtswidrig. Insoweit verletzt er den Kläger schützende Vorschriften des öffentlichen Baurechts. Im Übrigen sind Bescheid und Widerspruchsbescheid rechtmäßig (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

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Der Bauvorbescheid vom 06.09.2000 ist nicht bereits deshalb rechtswidrig, weil sich die Feststellungen der Beklagten auf die Nutzung der Gebäude des R.hofes für einen Beherbergungsbetrieb beziehen, während der Beigeladene womöglich tatsächlich eine Nutzung mit Mietwohnungen anstrebt und nur deshalb in der Bauvoranfrage die Begriffe „Appartement“ und „Beherbergungsbetrieb“ eingetragen hat, um einen positiven Bauvorbescheid und schließlich die Baugenehmigung zu erhalten. Wenn auch notgedrungen und auf Anraten der Beklagten hat der Beigeladene eine Bauvoranfrage im Hinblick auf einen Betrieb des Beherbergungsgewerbes gestellt. Daran hält er nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung fest. Dass keine hinreichende Erläuterung dieses Vorhabens insbesondere in wirtschaftlicher Hinsicht erfolgt ist, hindert die Beklagte rechtlich nicht daran, einen Bauvorbescheid i.S. des § 74 Abs. 1 Satz 1 NBauO zu erlassen. Der Vorbescheid hat sich an der Bauvorlage zu orientieren und darf in seinen Feststellungen nicht darüber hinausgehen. Letzteres ist vorliegend aber nicht ersichtlich. Die Annahme der Bezirksregierung Braunschweig, der Beigeladene wolle die Wohnungen als Ferienwohnungen vermieten, ist noch von der Bauanfrage hinsichtlich des Vermietens von Appartements im Rahmen eines Beherbergungsbetriebs gedeckt. Wenn der Beigeladene einen Bauantrag stellt, muss er indessen nach § 71 NBauO i.V.m. der Bauvorlagenverordnung sämtliche notwendigen Unterlagen bei der Beklagten einreichen. In diesem Fall genügt die bisherige Baubeschreibung, die auf ein ganz anderes Vorhaben gerichtet ist, nicht mehr. Im Rahmen der Bauaufsicht ist später sicher zu stellen, dass die Wohnungen tatsächlich nur kurzfristig vermietet werden, sofern sich auch eine später zu erteilende Baugenehmigung auf einen Beherbergungsbetrieb bezieht.

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Der Beigeladene darf in den Gebäuden des R.hofes gemäß § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 5 Abs. 2 Nr. 5 BauNVO einen Beherbergungsbetrieb einrichten. Eine entsprechende Nutzungsänderung verletzt den Kläger nicht in seinen Nachbarrechten.

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Als Nachbar hat der Kläger einen Anspruch auf die Bewahrung des Charakters seines Baugebietes. Vorliegend entspricht die Eigenart der näheren Umgebung des Grundstücks R. einem Dorfgebiet gemäß § 5 BauNVO (§ 34 Abs. 2 BauGB). Dorfgebiete dienen der Unterbringung der Wirtschaftstellen land- und forstwirtschaftlicher Betriebe, dem Wohnen und der Unterbringung von nicht wesentlich störenden Gewerbebetrieben sowie der Versorgung der Bewohner des Gebiets dienenden Handwerksbetrieben (§ 5 Abs. 1 Satz 1 BauNVO). Diese Vorschrift geht von einem gleichwertigen Nebeneinander der drei Hauptnutzungen des Dorfgebietes aus. Land- und Forstwirtschaft, Wohnen und Gewerbe müssen indessen nicht zu gleichen Teilen in einem Dorfgebiet vorhanden sein. Der Charakter des Dorfgebiets hängt nicht von einem bestimmten prozentualen Mischverhältnis der zulässigen Hauptnutzungsarten ab. § 5 Abs. 1 Satz 1 BauNVO besagt vor allem, dass die Eigenart des Dorfgebiets durch die drei genannten Nutzungen bestimmt wird, wobei sich im Hinblick auf die oft historisch gewachsenen Dorfgebiete einerseits und den Strukturwandel andererseits die Anteile der drei Hauptnutzungsarten – auch stark – unterschiedlich darstellen können. Denkbar sind sowohl traditionelle Dorfgebiete mit stark überwiegender land- und forstwirtschaftlicher Nutzung als auch Gebiete, in denen wegen nicht mehr betriebener Hofstellen überwiegend Wohnnutzung anzutreffen ist (Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Kommentar, § 5 BauNVO, Rn. 8). Nach dem bei der Ortsbesichtigung gewonnenen unmittelbaren Eindruck von der näheren Umgebung des Baugrundstücks handelt es sich in diesem Sinn um ein Dorfgebiet. Zur näheren Umgebung gehören nicht nur die unmittelbar benachbarten Grundstücke. Deshalb ist auch die Annahme des Beigeladenen falsch, das Grundstück des Klägers nehme eine Insellage inmitten von Wohnbebauung ein. Vielmehr umfasst die nähere Umgebung den gesamten Bereich der Straße R.. Nördlich und zum Teil östlich wird der Bereich durch die H.Str. begrenzt. Im Osten kommt die Straße C.garten als Grenze hinzu. Von den 14 am R. liegenden Grundstücken werden sechs landwirtschaftlich genutzt. Abgesehen von der dort befindlichen Poststelle wird vor allem das Grundstück R. gewerblich für den Beherbergungsbetrieb F. genutzt. Es bleiben sieben Grundstücke, auf denen sich ausschließlich Wohngebäude befinden. Wohn- und Landwirtschaftliche Nutzung stehen sich also in etwa gleichberechtigt gegenüber. Das Verhältnis verschiebt sich zugunsten der Wohnnutzung, wenn die Höfe, welche ihre Einfahrt an der H.Str. haben (Nr. u. ) sowie das Grundstück H.Str. (Wohngebäude) aus der Betrachtung genommen werden. Selbst dann ist aber noch von einem Dorfgebiet auszugehen. Die Ortsbesichtigung hat ergeben, dass in diesem Teil des Ortes W. der dörfliche Charakter noch deutlich erkennbar ist.

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In einem Dorfgebiet ist ein Betrieb des Beherbergungsgewerbes gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 5 BauNVO – wie von dem Beigeladenen beantragt - zulässig. Der angegriffene Bauvorbescheid und der Widerspruchsbescheid sind auf den ersten Blick insofern widersprüchlich, als nicht deutlich wird, ob die Vermietung von Ferienwohnungen zugelassen werden soll. Während die Beklagte im Gerichtsverfahren meint, der Bauvorbescheid habe Ferienwohnungen unter Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ausdrücklich ausgenommen, spricht der Widerspruchsbescheid von Ferienwohnungen, die beantragt und zulässig seien. Da der Bauvorbescheid seine endgültige Fassung erst durch den Widerspruchsbescheid erhalten hat (§ 179 Abs. 1 Nr. 2 VwGO), bei sachgerechter Auslegung der Bauvoranfrage in erster Linie die Vermietung von Ferienwohnungen gemeint sein muss und der Bauvorbescheid vom 06.09.2000 zwar das Bundesverwaltungsgericht zitiert, das konkrete Vorhaben des Beigeladenen aber nicht ausdrücklich auf einen Hotelbetrieb (o. ä.) beschränkt, muss hier angenommen werden, Ferienwohnungen seien durch den Bauvorbescheid mit Bindungswirkung als rechtlich unbedenklich bezeichnet worden. Die Rechtsauffassung der Bezirksregierung, das Vermieten von Ferienwohnungen sei von dem Tatbestandsmerkmal Betriebe des Beherbergungsgewerbes in § 5 Abs. 2 Nr. 5 BauNVO erfasst, entspricht der Rechtsprechung des Nds. OVG Lüneburg (Urt. v. 20.05.1987 – 1 A 124/86 -, BRS Nr. 37, a.A. BVerwG, Beschl. vom 08.05.1989 – 4 B 78.89 -, BauR 1989, 440). Dieser Auffassung schließt sich die Kammer an.

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Die Nutzung von Ferienwohnungen nach dem Umbau der R.gebäude aufgrund der bisher vorliegenden Pläne verstößt nicht gegen das Gebot der Rücksichtnahme. Die Verpflichtung, auf die in der näheren Umgebung tatsächlich vorhandenen Nutzungen und hier insbesondere auf den landwirtschaftlichen Betrieb des Klägers Rücksicht zu nehmen, ergibt sich hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung aus § 15 Abs. 1 BauNVO. Bei der Abwägung der Positionen des zur Rücksichtnahme verpflichteten Bauherrn und des rücksichtnahmeberechtigten Nachbarn ist zu beachten, dass der Rücksichtnahmeverpflichtete umso weniger Rücksicht zu nehmen braucht, je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, und umgekehrt derjenige, dem die Rücksichtnahme zugute kommt, umso mehr an Rücksichtnahme verlangen kann, je empfindlicher und schutzwürdiger seine Stellung ist (BVerwG, Urteil vom 28.10.1993, DVBl. 1994, 698 [BVerwG 28.10.1993 - BVerwG 4 C 5/93]). Bei diesem Ansatz kommt es für die sachgerechte Beurteilung des Einzelfalls wesentlich darauf an, was dem Nachbarn und dem Bauherrn zuzumuten ist (vgl. auch den Begriff unzumutbar in § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO sowie Schmaltz, in: Schrödter, BauGB, Kommentar, 6. Aufl., § 34, Rn. 29, 30). Danach ergibt sich hier Folgendes:

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Das Vorhaben des Beigeladenen kann hier trotz des unmittelbar benachbarten landwirtschaftlichen Betriebes des Klägers verwirklicht werden, weil der Nutzung der Gebäude für Ferienwohnungen eine deutlich geringere Schutzwürdigkeit zuzusprechen ist als der Nutzung für Mietwohnungen. Denn Feriengäste verweilen nur für einen kurzen Zeitraum. Sie richten in Ferienwohnungen nicht ihren Lebensmittelpunkt ein und können deshalb auch nur einen geringen Schutz vor Immissionen von dem landwirtschaftlichen Betrieb beanspruchen. Es kommt hinzu, dass die Ferienwohnungen hier bewusst in einem vorhandenen, landwirtschaftlich geprägten Gebiet eingerichtet werden. Wer dort Ferienwohnungen vermietet, kann für seine Gäste nicht voraussetzen, dass diese nicht Gerüchen und Lärm von Hofstellen ausgesetzt sind. Ferner hat der Kläger mit maximal ca. 30 Stück Vieh und verhältnismäßig geringen Acker- und Weideflächen nur einen kleinen landwirtschaftlichen Betrieb, der auch entsprechend geringe Emissionen freisetzt. Eine Erweiterung des Betriebes wird nicht hinreichend konkret vorgetragen. Künftige Entwicklungen können bei der Anwendung des Rücksichtnahmegebotes im Rahmen des § 34 Abs. 2 i.V.m. §§ 5, 15 BauNVO ohnehin nur insoweit berücksichtigt werden, als sie im vorhandenen Bestand bereits ihren Niederschlag gefunden haben (BVerwG, Urteil vom 14.01.1993, DVBl. 1993, 652 [BVerwG 14.01.1993 - BVerwG 4 C 19/90]). Dafür ist nichts erkennbar, wovon sich die Kammer bei der Ortsbesichtigung überzeugen konnte. Die nicht konkretisierten und im Bestand seines Hofes nicht erkennbaren Erweiterungsabsichten müssen hier deshalb auch in Anbetracht der Spezialregelung des § 5 Abs. 1 Satz 2 BauNVO unberücksichtigt bleiben. Nach der genannten Vorschrift ist zwar auf die Belange der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe einschließlich ihrer Entwicklungsmöglichkeiten vorrangig Rücksicht zu nehmen. Bei einem faktischen Dorfgebiet nach § 34 Abs. 2 i.V.m. § 5 BauNVO gilt jedoch das zuvor Ausgeführte. Der Nachbar hat keinen Anspruch auf Berücksichtigung abstrakter Entwicklungsmöglichkeiten im Rahmen seines Anspruchs auf Erhaltung des Gebietscharakters.

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Von dem Beherbergungsbetrieb selbst gehen keine nennenswerten Störungen aus. Der zusätzliche Zu- und Abgangsverkehr bewirkt zwar eine Störung auch der benachbarten Grundstücksnutzungen. Da nicht ständig sämtliche Ferienwohnungen vermietet sein werden, hält sich diese Beeinträchtigung der Nachbarn im Rahmen des Zumutbaren. Insofern sind auch die Vorbelastungen der Umgebung durch den F. zu berücksichtigen. Der Kläger kann sich außerdem umso weniger auf Immissionen berufen, als er selbst durch seinen landwirtschaftlichen Betrieb ebenfalls zu einer Belastung beiträgt.

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Das Dorfgebiet wird durch einen Beherbergungsbetrieb mit Ferienwohnungen auch nicht „umkippen“. Weder die gewerbliche noch die dem Wohnen vergleichbare gewerbliche Nutzung durch Ferienwohnungen wird überwiegen. Das in etwa ausgeglichene Nebeneinander von wohn- und landwirtschaftlicher Nutzung bleibt erhalten.

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Der Bauvorbescheid der Beklagten vom 06.09.2000 i.d.F. des Widerspruchsbescheides ist jedoch insoweit rechtswidrig, als dem Beigeladenen eine Ausnahme von der Einhaltung der Grenzabstände gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4 NBauO auch im Hinblick auf den Umbau der Hofgebäude und nicht nur hinsichtlich der Nutzungsänderung in Aussicht gestellt wird. § 13 Abs. 1 Nr. 4 NBauO erfasst nur die Nutzungsänderung. Für bauliche Maßnahmen an Baudenkmalen muss ggf. eine Befreiung nach § 86 Abs. 1 NBauO erteilt werden. Die Anwendung des § 86 Abs. 1 NBauO erfordert eine ausdrückliche Auseinandersetzung mit den nachbarlichen Interessen, die hier weder in dem Bauvorbescheid der Beklagten noch in dem Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung stattgefunden hat. Der Bauvorbescheid vom 06.09.2000 spricht sogar davon, dass Voraussetzung für die Erteilung der Ausnahme nach § 13 Abs. 4 NBauO die Ausbildung der Wände als Brandwände sei. Anschließend werden weitere Ausführungen zum Einbau von Fenstern gemacht. Die Frage, ob der Grenzabstand nach §§ 7 ff. NBauO auch angesichts der Nutzungsänderung in dem Baudenkmal R. einzuhalten ist, wird mit der Beachtung von Brandschutzvorschriften und den dafür erforderlichen Umbaumaßnahmen vermengt. Der Widerspruchsbescheid führt zwar aus, die Ausnahme werde zur Durchführung von Nutzungsänderungen in Baudenkmalen erteilt; er enthält jedoch auch keine Auseinandersetzung mit den Interessen des Klägers hinsichtlich notwendiger Umbaumaßnahmen im Bereich der Grenzabstände.

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Die Bestimmungen des Brandschutzes sowie die noch zu definierenden Vorgaben der Denkmalschutzbehörde müssen – wie in dem Bauvorbescheid zutreffend ausgeführt – beachtet werden.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO. Angesichts der Tatsache, dass eine rechtliche Prüfung im Bauvorbescheid lediglich zu der bauplanerischen Seite sowie in geringerem Umfang zu den Grenzabständen erfolgt, hält die Kammer ein Unterliegen der Beklagten in Höhe von einem Drittel für angemessen. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nach § 162 Abs. 3 VwGO für erstattungsfähig zu erklären. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.