Verwaltungsgericht Braunschweig
Beschl. v. 18.11.2002, Az.: 5 B 180/02

Stellen eines Antrags auf Aktenversendung im Rahmen eines laufenden Verwaltungsstreitverfahrens durch den Prozessbevollmächtigten für den von ihm vertretenen Beteiligten

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
18.11.2002
Aktenzeichen
5 B 180/02
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2002, 30659
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGBRAUN:2002:1118.5B180.02.0A

Fundstellen

  • JurBüro 2003, 210-211 (Volltext mit amtl. LS)
  • NVwZ-RR 2003, 911-912 (Volltext mit red. LS)

Verfahrensgegenstand

Ausländerrecht, Antrag nach § 80 V VwGO

In der Verwaltungsrechtssache
...
hat das Verwaltungsgericht Braunschweig - 5. Kammer -
am 18. November 2002
durch
die Berichterstatterin ...
beschlossen:

Tenor:

Auf die Erinnerung vom 10.9.2002 wird die Kostenrechnung vom 6.9.2002 aufgehoben.

Die Entscheidung ergeht gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

1

Die gem. § 5 Abs. 1 Satz 1 GKG statthafte Erinnerung, über die die Berichterstatterin nach § 87a VwGO entscheidet (BVerwG, Beschl. v. 14.2.1996 - 11 VR 40/95 -, NVwZ 96, 786) ist begründet. Der Erinnerungsführer als Prozessbevollmächtigter in einem verwaltungsgerichtlichen Streitverfahren macht zu Recht geltend, nicht selbst in eigener Person Schuldner der Auslage für die Versendung von Akten nach § 56 Abs. 2 GKG zu sein.

2

Der Erinnerungsführer hat mit dem Antragsschriftsatz vom 4.6.2002 Akteneinsicht beantragt. Da der Erinnerungsführer seinen Geschäftssitz in Stuttgart hat, hat das VG Braunschweig zu Recht diesen Antrag als Antrag auf Übersendung der Akten in die Kanzlei gewertet und mit Verfügung vom 5.7.2002 die Akten übersandt. In dieser Verfügung wurde der Erinnerungsführer "gebeten", die Auslagenpauschale gem. § 56 Abs. 2, 64 GKG in Höhe von 8,- EUR auf das Konto des VG Braunschweig zu übersenden. Bereits mit der Aktenrücksendung unter dem 12.7.2002 trat der Beschwerdeführer seiner persönlichen Inanspruchnahme für die Aktenübersendungspauschale entgegen. Nach Abschluss des Verwaltungsstreitverfahrens durch - stattgebenden - Beschluss vom 24.7.2002 und nach Erlass des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 30.8.2002 hat das Gericht unter dem 6.9.2002 den Erinnerungsführer im Wege der Kostenrechnung zur Tragung der Aktenübersendungspauschale verpflichtet. Die dagegen eingelegte Erinnerung ist zulässig und begründet.

3

Gemäß § 56 Abs. 2 GKG ist Schuldner der Auslagen für die Versendung von Akten nur derjenige, der die Versendung beantragt hat. Zwar spricht der Wortlaut dieser Vorschrift dafür, den Erinnerungsführer als Kostenschuldner anzusehen, da er die Formulierung "ich erbitte Akteneinsicht" gewählt hat, während er den Antrag nach § 80 Abs.5 VwGO "namens und im Auftrag" des Antragstellers gestellt hat.

4

Bei verständiger Würdigung dieser Anträge, die allgemeiner Gepflogenheit entsprechen, insbesondere im Hinblick auf die Stellung des Prozessbevollmächtigten im Verwaltungsstreitverfahren ergibt sich aber, dass der Erinnerungsführer den mit dem Akteneinsichtsantrag verbundenen Übersendungsantrag nicht für sich als Person, sondern als Bevollmächtigter des Antragstellers für diesen gestellt hat. Nach § 85 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 ZPO, die über § 173 VwGO im Verwaltungsprozessrecht Anwendung finden (Baumbach u.a., ZPO, 58. Aufl., Rn. 41 zu § 85), sind die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären und das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich. Aus dieser Regelung i.V.m. § 63 VwGO, in dem die Prozessbevollmächtigten nicht als Beteiligte am Verwaltungsstreitverfahren aufgeführt sind, folgt, dass es dem Wesen der Tätigkeit als Prozessbevollmächtigter entspricht, im Rahmen des laufenden Verwaltungsstreitverfahrens (anders als im Kostenverfahren) Anträge nicht für sich selbst, sondern für den von ihm vertretenen Beteiligten am Verwaltungsstreitverfahren zu stellen.

5

Dies gilt auch für den Antrag auf Aktenübersendung im Rahmen des Akteneinsichtsrechts, das nach § 100 VwGO den Beteiligten - nicht dem Prozessbevollmächtigten - zusteht. Die anwaltliche Akteneinsichtnahme erfolgt regelmäßig nicht im eigenen Interesse des Rechtsanwalts, sondern im Interesse des jeweiligen Mandanten. Auch die Akteneinsichtnahme nach Übersendung der Akten in die Geschäftsräume liegt regelmäßig nicht nur im eigenen Interesse des Anwalts, sondern auch im Interesse des von ihm vertretenen Prozessbeteiligten, da im Interesse einer qualifizierten Beratung und Vertretung die Akteneinsichtnahme in den Kanzleiräumen gewöhnlich ein gründlicheres Aktenstudium und einfacheres Anfertigen von Aktenauszügen und Fotokopien mit sich bringt, als dies die Akteneinsichtnahme an Gerichtsstelle tut (VG Bremen, E. v. 18.6.1996 - 2 A 10/95 -, NVwZ RR 1997, 767 zur Erhebung einer Kostenpauschale für die Übersendung einer Behördenakte in eine Anwaltskanzlei). Danach ist regelmäßig davon auszugehen, dass der Antrag auf Aktenübersendung für den Antragsteller im Verwaltungsstreitverfahren gestellt ist ( im Ergebnis ebenso für den Zivilprozess: LG Bayreuth, E. v. 3.6.1996 - 3 O 222/96 -, [...];).

6

Die dieser Auffassung entgegenstehenden Entscheidungen (BVerfG, Beschl. v. 19.7.1995 - 2 BvR 1023/95 -, NJW 1995, 3177, LG Berlin, E. v. 16.5.1997 - 510 Qs 46/97 -, [...] ; vgl. auch: Hartmann, Kostengesetze 29. Auflage, Rn. 5 zu § 56 GKG) beziehen sich auf Akteneinsichtsanträge und Aktenübersendungsanträge von Strafverteidigern. Die Stellung des Strafverteidigers nach der StPO ist aber gerade im Hinblick auf das Akteneinsichtsrecht eine andere als im Verwaltungsprozessrecht und auch im zivilprozessualen Verfahren. Das Akteneinsichtsrecht nach § 147 StPO steht - anders als nach § 100 VwGO - ausdrücklich dem Verteidiger selbst zu, der Beschuldigte hat grundsätzlich kein Akteneinsichtsrecht (Baumbach u.a., StPO, 45.Aufl.,Rn.3 zu § 85 m.w.N.). Im Rahmen des § 147 StPO wird der Verteidiger also - anders als im Rahmen des § 100 VwGO - in Wahrnehmung eigener Rechte tätig.

7

Auch aus dem systematischen Verhältnis von § 56 Abs.2 GKG zu § 49 GKG ergibt sich keine Verpflichtung des Erinnerungsführers, die streitige Auslagenpauschale zu tragen. Beide Vorschriften knüpfen an die Stellung eines Antrags als kostenauslösendes Moment an, für wen der Antrag gestellt ist, ergibt sich nach dem o.G. aus den Regelungen des jeweiligen Prozessrechts.

8

Die dargestellte Lösung, als Kostenschuldner den Antragsteller des Verwaltungsstreitverfahrens anzusehen, führt auch nicht zu einem unpraktikablen Ergebnis. Dies wäre nur der Fall, wenn man im Rahmen des § 56 Abs.2 GKG "nur" den Antragsteller als Kostenschuldner ansähe, die Auslagenpauschale also nicht in die Regelung des § 58 GKG einbezöge wonach die Kostenschuldner als Gesamtschuldner haften und die Kostenschuldner nach § 54 GKG vorrangig gegenüber den anderen Kostenschuldnern herangezogen werden (so Hartmann, a.a.O., Rn.1 zu § 56). In diesem Falle wäre der Antragsteller des Verwaltungsstreitverfahrens selbst einziger Schuldner der Auslagenpauschale, mit allen Risiken für die Durchsetzung der Forderung.

9

Dieser Auffassung, der Schuldner der Pauschale nach § 56 Abs.2 GKG sei alleiniger Schuldner, ist aber aus der Systematik des GKG heraus nicht zuzustimmen. Wenn der Schuldner der Aktenübersendungspauschale nicht wie die anderen Kostenschuldner der §§ 49 ff GKG in die Regelung des § 58 GKG einbezogen werden sollte, hätte die diese Pauschale betreffende Regelung eine eindeutige Klarstellung enthalten oder im Anschluss an § 58 erfolgen müssen.

10

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 5 Abs. 6 GKG.

Schlingmann-Wendenburg