Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 20.06.2007, Az.: 9 U 125/06
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 20.06.2007
- Aktenzeichen
- 9 U 125/06
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2007, 59349
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2007:0620.9U125.06.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Verden - 26.10.2006 - AZ: 4 O 616/04
- nachfolgend
- BGH - 09.02.2009 - AZ: II ZR 292/07
Fundstellen
- GmbHR 2007, 1036 (amtl. Leitsatz)
- NotBZ 2008, 32 (Volltext mit amtl. LS)
- OLGReport Gerichtsort 2007, 644-647
In dem Rechtsstreit
...
hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... und die Richter am Oberlandesgericht ... und ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 9. Mai 2007 für Recht erkannt:
Tenor:
- 1.
Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Verden vom 26.10.2006 wird zurückgewiesen.
- 2.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsrechtszuges.
- 3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages geleistet hat.
- 4.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I.
Der Kläger macht als Konkursverwalter Ansprüche geltend, die einem Schwesterunternehmen der Konkursschuldnerin gegen den Beklagten als deren Gesellschafter-Geschäftsführer zustehen sollen und auf die der Kläger durch Pfändungs- und Überweisungsbeschluss zugegriffen hat.
Der Kläger ist Verwalter der 1992 in Konkurs gefallenen H.M. GmbH. Der Beklagte war alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer dieser GmbH. Gleichzeitig war er von § 181 BGB befreiter Gesellschafter-Geschäftsführer und Liquidator der H.S. GmbH, der im vorliegenden Verfahren der Streit verkündet worden ist.
Im Jahre 1994 war der Kläger zugleich Konkursverwalter über das Vermögen der Streitverkündeten. In dieser Funktion erhob er am 19.04.1994 Klage gegen den jetzigen Beklagten vor dem LG Verden (4 O 137/94). Der Klage lag eine vom Kläger behauptete Forderung zwischen der Streitverkündeten und dem Beklagten zugrunde, die aus einem handelsrechtlichen Kontokorrent resultieren soll. Während des damaligen Prozesses wurde das Konkursverfahren über die Streitverkündete wieder aufgehoben. Die Einstellung des Konkursverfahrens wurde von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht, die 20 % der später titulierten Forderung der Konkursmasse H.M. GmbH gegen die Streitverkündete betrug. Dieser zunächst hinterlegte Betrag (111 154,85 €) wurde nach Titulierung der Forderung an den Kläger geleistet.
Nach Aufhebung des Konkursverfahrens über die Streitverkündete beauftragte der Beklagte in seiner Eigenschaft als deren Liquidator eine Rechtsanwaltskanzlei mit der Vertretung der Streitverkündeten. Durch diese und den Prozessbevollmächtigten des Beklagten wurde der vom Kläger begonnene Rechtsstreit wieder aufgenommen. Der Beklagte entzog sodann den Anwälten der Streitverkündeten das Mandat für die Streitverkündete. Im Termin zur mündlichen Verhandlung erschien für die Streitverkündete niemand. Daraufhin erwirkte der Beklagte ein klageabweisendes Versäumnisurteil, gegen das zunächst kein Einspruch eingelegt wurde.
Nach Auszahlung der Sicherheitsleistung von 111 154,85 € erwirkte der Kläger am 22.04.2003 wegen einer restlichen Gesamtforderung in Höhe von 634 284,40 € gegen die Streitverkündete als Schuldnerin und den Beklagten als Drittschuldner einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 22.04.1994. Durch diesen Beschluss wurden für den Kläger die nachfolgend benannten angeblichen Ansprüche der Streitverkündeten gegen den Beklagten gepfändet und dem Kläger zur Einziehung überwiesen:
"1. Anspruch auf Zahlung eines Betrages von 1 053 544,62 DM (entspricht 538.6689,81 €) nebst 4 % Zinsen seit dem 19.04.1994, rechtshängig gewesen in dem Rechtsstreit G. als Konkursverwalter der H.S. GmbH gegen W. - 4 O 137/94 LG Verden (Aller) -,
2. Anspruch auf Schadensersatz aus Untreue, vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung und positiver Vertragsverletzung, der daraus entstanden ist, dass der Drittschuldner nach Aufhebung des Konkursverfahrens der H.S. GmbH als Geschäftsführer der nunmehr aktivlegitimierten H.S. GmbH das Verfahren 4 O 137/94 LG Verden (Aller) wieder aufgenommen hat, sodann in dem Verhandlungstermin am 13.10.1994 klagabweisendes Versäumnisurteil gegen die H.S. GmbH hat ergehen lassen und gegen dieses Versäumnisurteil keinen Rechtsbehelf eingelegt hat."
Der Kläger legte mit Schriftsatz vom 24.12.2004 als Nebenintervenient Einspruch gegen das in dem Rechtsstreit 4 O 137/94 ergangene Versäumnisurteil ein. Das LG Verden hat den Einspruch als unzulässig verworfen. Der 16. Zivilsenat des OLG Celle hat die dagegen gerichtete Berufung zurückgewiesen.
Der Kläger hat vorgetragen, die Streitverkündete habe für den Beklagten ein Verrechnungskonto eingerichtet, das bei Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Streitverkündeten einen Saldo von 1 053 544,62 DM aufgewiesen habe. Der Beklagte habe als Geschäftsführer bzw. Liquidator der Streitverkündeten vorsätzlich Sorgfaltspflichten verletzt, indem er das Versäumnisurteil gegen die Streitverkündete herbeigeführt und dadurch das Vermögen der Gesellschaft geschädigt habe. Wegen des weiteren erstinstanzlichen Vorbringen und der Gründe der abweisenden Entscheidung des Landgerichts wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Begehren in vollem Umfang weiter. Die Berechtigung der Forderung ergebe sich aus der vom Beklagten in Auftrag gegebenen testierten und vom Beklagten festgestellten Bilanz. Bei objektiver Zweifelhaftigkeit der Rechtslage sei der Beklagte verpflichtet gewesen, die Ansprüche der Streitverkündeten gegen ihn persönlich klären zu lassen. Die Annahme eines konkludent erklärten Verzichts auf den gepfändeten Erfüllungsanspruch der Streitverkündeten durch den 16. Zivilsenat des OLG Celle habe alle Beteiligten überrascht. Gegen einen derartigen Verzicht spreche, dass ein Forderungserlass in den Büchern der Streitverkündeten nicht dokumentiert worden sei und auch nicht in den damaligen Rechtsstreit eingeführt worden sei. Insbesondere fehle eine Dokumentation i.S.d. § 35 Abs. 4 Satz 2 GmbHG.
Ein etwaiger Forderungsverzicht habe gegen § 30 GmbHG verstoßen. Es sei sowohl eine Unterbilanz als auch eine Überschuldung der Streitverkündeten eingetreten, wie sich aus der später titulierten Forderung der Konkursmasse der H.M. GmbH in Höhe von rund 550 000,00 € (ohne Zinsen und Kosten) ergebe; diese Forderung habe bereits zum Zeitpunkt des angeblichen Verzichts auf den gepfändeten Erfüllungsanspruch bestanden. Auf der Aktivseite hätten den Passivposten der Betrag von rund 100 000,00 € sowie die gepfändete Forderung in Höhe von rund 550 000,00 € gegenübergestanden. Mit dem Verzicht auf den letztgenannten Aktivposten sei schlagartig die Überschuldung und die Unterbilanz eingetreten. Das Landgericht habe verkannt, dass der Forderungsverzicht gem. § 30 GmbHG mit Wirkung gegenüber dem Kläger nicht wirksam möglich gewesen sei. Aus der Entscheidung BGHZ 136, 125 sei nicht abzuleiten, dass die Entscheidung BGH 95, 188 obsolet geworden sei. Ein Anspruch aus § 31 GmbHG sei vom Pfändungs- und Überweisungsbeschluss erfasst.
Unzutreffend sei die Erwägung des Landgerichts, der Beklagte sei nicht zu einem Handeln gegen sich selbst verpflichtet gewesen. Einen derartigen Rechtssatz gebe es nicht. Im Übrigen beziehe er sich nur auf das Unterlassen von Aktivitäten, nicht aber auf die Vernichtung einer Forderung durch aktives Tun.
Der Freistellungsantrag sei zulässig, weil der Kläger die festgesetzten Kosten bisher nicht an den Notliquidator gezahlt habe, da die Beteiligten über eine vom Kläger erklärte Aufrechnung stritten.
Der Kläger beantragt,
das angefochtene Urteil zu ändern und den Beklagten zu verurteilen,
- 1.
an die vom Kläger verwaltete Konkursmasse der H.M. GmbH ... mit Sitz in T. 554 229,56 € nebst 4 % Zinsen auf 538 668,81 € seit dem 19.04.1994 und auf 15 560,75 € seit dem 13.09.2006 zu zahlen;
- 2.
die vom Kläger verwaltete Konkursmasse der H.M. ... mit Sitz in T. von sämtlichen Kosten freizustellen, die ihr in dem Rechtsstreit H.S. GmbH ./. W. - 4 O 137/94 LG Verden/16 U 314/05 OLG Celle - oder im Zusammenhang mit diesem Rechtsstreit entstanden sind oder noch entstehen werden, soweit diese Kosten nicht schon Gegenstand des Zahlungsantrags zu Ziffer 1. sind.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Es fehle sowohl an einer Pflichtverletzung des Beklagten als auch an einem möglichen Schaden. Eine handelsrechtliche Kontorkorrentabrede habe es zwischen der Streitverkündeten und dem Beklagten nicht gegeben. Der Kläger habe dazu nicht substantiiert vorgetragen. Die Bezugnahme auf Posten, Konten oder Kundenbestände in Bilanzen sei nicht ausreichend.
Der Kläger werfe dem Beklagen bei genauerer Betrachtung nur ein Unterlassen vor. Darin sei keine Pflichtverletzung zu erblicken. Die Herbeiführung der Aufhebung des Konkursverfahrens sei in Übereinstimmung mit den übrigen Gläubigern erfolgt. Die Beantragung eines Versäumnisurteils sei zulässig gewesen. Die Fortsetzung des vom Kläger als Konkursverwalter über die Streitverkündete begonnenen Rechtsstreits sei ihm nicht zumutbar gewesen. Der Rechtsstreit sei mangels wirksamer Forderung der Streitverkündeten völlig aussichtslos gewesen.
Der bestellte Notliquidator sei in dem Rechtsstreit der Streitverkündeten nach Einspruch des Klägers auf Seiten des Beklagten beigetreten und habe damit zumindest konkludent einen Verzicht erklärt. Von diesem Verzicht würden auch etwaige Schadensersatzforderungen der Streitverkündeten erfasst.
Die erhobene Einrede der Verjährung greife gegen sämtliche Schadensersatzansprüche und gegen den Anspruch aus § 31 GmbHG durch, selbst wenn man die rückwirkende Veränderung des § 31 Abs. 5 GmbHG am 15.12.2004 berücksichtige. Die 10-Jahres-Frist sei bei Klagerhebung am 24.12.2004 bereits abgelaufen gewesen. Für die Verjährungsberechnung sei der Tag nach Erlass des Versäumnisurteils maßgebend, also der 14.10.1994. Der Anspruch aus § 43 GmbHG sei nach fünf Jahren ohne Rücksicht auf subjektive Erfordernisse verjährt gewesen. Ein vermeintlicher Schadensersatzanspruch wegen Verletzung der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht sei unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Beklagte Alleingesellschafter und Geschäftsführer der GmbH gewesen sei, ebenfalls verjährt. Die Haftung des Alleingesellschafters sei auf Fälle einer Beeinträchtigung des Stammkapitals beschränkt, weshalb keine andere Verjährung als die des § 31 Abs. 5 GmbHG gerechtfertigt sei. Der angebliche Anspruch aus §§ 823 Abs. 2 BGB, 266 StGB oder aus § 826 BGB sei unter Zugrundelegung des § 852 BGB a.F. verjährt. Es komme nicht auf eine Kenntniserlangung durch den nunmehr bestellten Notliquidator an. Maßgebend sei vielmehr, dass der Kläger selbst im Jahre 1994 als Konkursverwalter der Streitverkündeten erstmalig gegen den Beklagten vorgegangen sei. Die positive Kenntnis des Klägers im Jahre 1994 sei für die deliktsrechtliche Verjährung maßgebend. § 266 StGB komme bei einer Ein-Mann-GmbH nicht zur Anwendung. Zudem fehle es für alle deliktischen Ansprüche an den subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen, zu denen der Kläger nicht einmal substantiiert vorgetragen habe.
Die Freistellung von Kosten des Vorprozesses entbehre einer Anspruchsgrundlage. Es handele sich nicht um einen kausalen Folgenschaden behaupteter Pflichtverletzungen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Dem Kläger steht der mit dem Antrag zu 1) geltend gemachte Schadensersatzanspruch nicht zu. Der Erfüllungsanspruch der Streitverkündeten ist ebensowenig Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits wie ein etwaiger eigener Anspruch des Klägers als Gläubiger der Streitverkündeten wegen Existenzvernichtung. Unbegründet ist der Antrag zu 2), weil die Prozesskosten des vorangegangenen Verfahrens 4 O 137/94 LG Verden durch eine Intervention des Klägers ausgelöst wurden, für die kein Zurechnungszusammenhang mit etwaigen deliktischen oder gesellschaftsrechtlichen Pflichtverletzungen des Beklagten besteht.
1. Erfüllungsanspruch
a) Der Senat hat erwogen, ob der Kläger als Vollstreckungsgläubiger den von der Streitverkündeten gegen den Beklagten geltend gemachten primären Zahlungsanspruch kraft seiner Einziehungsermächtigung (§ 835 ZPO) im vorliegenden Verfahren parallel zu dem Verfahren 4 O 137/94 LG Verden erheben kann. Dieser Anspruch ist zwar von der Pfändung des Klägers erfasst (GA 14 unten). Er ist jedoch mit der vorliegenden Klage nicht geltend gemacht worden. Diese Annahme beruht auf den eigenen ausdrücklichen Erklärungen des Klägers (S. 2 und 7 f. der Klage; S. 3 des Schriftsatzes vom 7. Juni 2006) und steht weiterhin in Einklang mit der jetzigen Sicht des Klägers, wie sein Prozessbevollmächtigter auf Befragen in der mündlichen Verhandlung erklärt hat.
Der Senat geht davon aus, dass der primäre Zahlungsanspruch und der im vorliegenden Verfahren erhobene Schadensersatzanspruch trotz einheitlich lautenden Klageantrags zwei verschiedene Streitgegenstände betreffen. Der nach dem zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff für die Abgrenzung zusätzlich maßgebliche Lebenssachverhalt unterscheidet sich in den jeweils für die Subsumtion relevanten Merkmalen, auch wenn Überschneidungen gegeben sind. Der Zahlungsantrag betrifft präjudizielle Merkmale des Schadensersatzanspruchs, für den es wesentlich auf die Behauptung einer Pflichtverletzung des Beklagten ankommt.
Eine abweichende rechtliche Bewertung zugunsten eines einheitlichen Streitgegenstandes ist nicht ausgeschlossen, wenn man es als einheitliches und übergreifendes Rechtsschutzziel des Vollstreckungsgläubigers ansieht, die Befriedigung seiner Vollstreckungsforderung aus dem behaupteten Zahlungsanspruch als dem maßgeblichen Vermögensgegenstand der Streitverkündeten auf der Grundlage des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses ungeachtet der zugrundeliegenden materiell-rechtlichen Anspruchsgrundlagen zu erreichen. Zur Klärung dieser Grundsatzfrage hat der Senat die Revision zugelassen.
b) Für den Senat kam es angesichts der Streitgegenstandsfestlegung nicht mehr darauf an, die weiteren Zweifelsfragen zu entscheiden, die bei abweichender Entscheidung relevant wären. Im Hinblick auf die Revisionszulassung werden sie skizziert.
aa) Die Rechtskraft der Abweisungsentscheidung des OLG Celle im Verfahren 16 U 314/05 / 4 O 137/94 LG Verden betrifft nur die Zulässigkeit des nebeninterventionistisch eingelegten Einspruchs des Klägers gegen das Versäumnisurteil vom 13.10.1994. Das abweisende Versäumnisurteil dürfte mangels ordnungsgemäßer Vertretung der Streitverkündeten nicht wirksam zugestellt worden und daher selbst nicht in materielle Rechtskraft erwachsen sein.
bb) Zu klären wäre ferner, ob der vom 16. Zivilsenat des OLG Celle im Vorverfahren vertretenen Ansicht zu folgen ist, dass der Beklagte über den Zahlungsanspruch wirksam im Sinne eines Forderungsverzichts verfügt hat. Stellt man die prozessuale Verfügung durch Beantragung eines abweisenden Versäumnisurteils und Nichteinlegung eines dagegen gerichteten Einspruchs nicht auf eine Stufe mit einer materiell-rechtlichen Verfügung durch Verzichtsvertrag, verlangt man also für eine materiell-rechtliche Wirkung der Verfügung den Abschluss eines Verzichtsvertrags zwischen Streitverkündeter und Beklagtem, käme es darauf an, ob der Beklagte mit seinem prozessualen Vorgehen unter Anwendung des § 181 BGB konkludente Verzichtserklärungen abgegeben hat. Zweifelhaft könnte ein Handeln mit Erklärungsbewusstsein sein, wenn man annimmt, dass sich die Aktivitäten für die Streitverkündete in einem Entzug des Mandats für die zuvor bestellten Prozessbevollmächtigten der Streitverkündeten und einem prozessualen Agieren gegen statt für die Streitverkündete erschöpften. Dem entspricht es, dass der Beklagte sich zunächst auch nicht mit der Behauptung einer Verzichtsvereinbarung verteidigt hat.
Gegen einen materiell-rechtlichen Verzicht könnte auch eine fehlende Dokumentation in den Büchern der Streitverkündeten sprechen. Zu § 181 BGB ist das Erfordernis der Dokumentation im Interesse der Rechtssicherheit zum Schutz vor Manipulationen entwickelt worden ( BGHZ 75, 358, 363 = NJW 1980, 932, 933, für Ein-Mann-Gesellschaft; übernommen in § 35 Abs. 4 Satz 2 GmbHG). Darin ist zwar kein Formerfordernis zu sehen (Baumbach/Hueck, GmbH-Gesetz, 18. Aufl., § 35 Rdnr. 144), wohl aber eine Auslegungsregel, die nachträgliche Schlussfolgerungen auf vermeintlich konkludent abgegebene Erklärungen erschwert oder ausschließt. Als Auslegungsregel verstanden könnte die fehlende Dokumentation mangels anderweitiger eindeutiger Feststellungen gegen die Abgabe materiell-rechtlicher Verzichtserklärungen sprechen.
cc) Geht man davon aus, dass der primäre Zahlungsanspruch in dem Verfahren 4 O 137/94 LG Verden zwischen der Streitverkündeten und dem Beklagten noch rechtshängig ist, bedürfte ggf. der Klärung, ob der zusätzlichen Geltendmachung dieses Anspruchs im vorliegenden Verfahren - ausgehend von einem einheitlichen Streitgegenstand - die Einrede der Rechtshängigkeit entgegenstünde. Diese Schlussfolgerung könnte aus der Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats des BGH abgeleitet werden. Danach soll die Pfändung einer rechtshängigen Forderung nicht nur die Anwendung des § 265 ZPO nach sich ziehen; der Vollstreckungsgläubiger (hier: der Kläger), dessen Eintritt in das rechtshängige Verfahren anstelle des Vollstreckungsschuldners (hier: der Streitverkündeten) der Drittschuldner (hier: der Beklagte) abwehrt, soll nur die Stellung eines Streithelfers erlangen können; schließlich soll die Rechtskraft eines Urteils zwischen Vollstreckungsschuldner und Drittschuldner gem. § 325 ZPO auf den Vollstreckungsgläubiger erstreckt werden ( BGH NJW 1989, 39, 40 [BGH 25.05.1988 - VIII ZR 148/87], jedoch mit der Einschränkung für kollusives Zusammenwirken von Schuldner und Drittschuldner; BGH NJW 1983, 886, 887 [BGH 26.01.1983 - VIII ZR 258/81]; BGH NJW 1986, 3206, 3207 [BGH 12.03.1986 - VIII ZR 64/85]; Stein/Jonas/Brehm, ZPO 22. Aufl., § 829 Rdnr. 100, § 835 Rdnr. 23).
Diese Auffassung ist kaum vereinbar mit der Ansicht des IX. Zivilsenats des BGH, dass Vollstreckungsgläubiger und Vollstreckungsschuldner gegen den Drittschuldner nach Überweisung einer nicht rechtshängigen gepfändeten Forderung unabhängig voneinander klagen können und ein vom Schuldner erzieltes Urteil keine Rechtskraftwirkung gegenüber dem Vollstreckungsgläubiger äußert ( BGHZ 147, 225, 232; s. ferner Stein/Jonas/Brehm § 829 Rdnr. 100 sowie die zu § 856 ZPO vertretenen Auffassungen, dazu Stein/Jonas/Brehm § 856 Rdnrn. 4 und 8). Die prozessualen Möglichkeiten der an einer Forderungspfändung und -überweisung Beteiligten hinsichtlich der gerichtlichen Forderungsdurchsetzung werden nicht danach unterscheidbar sein, ob die gepfändete Forderung im Zeitpunkt des Pfändungsbeschlusses bereits streitbefangen war.
dd) Für die Zuerkennung des Anspruchs bedürfte es wohl keiner Feststellungen zu einer handelsrechtlichen Kontokorrentabrede i.S.d. § 355 HGB. Wirkungen der § 355 ff. HGB sollen nicht herbeigeführt werden. Als substantiierter Sachvortrag des Klägers zur Existenz des Zahlungsanspruchs könnte die vorgelegte Bilanz per 31.12.1990 und deren schriftsätzliche Fortschreibung ausreichend sein. Die Rechtsnatur des Anspruchs ist zwar nicht erkennbar. Sie müsste aber auch nur für die Beurteilung der Verjährung aufgeklärt werden. Da der Beklagte zum Entstehungsgrund des Zahlungsanspruchs nichts behauptet hat, sondern sich auf pauschales Bestreiten verlegt hat, obwohl allein er substantiiert vorgetragen könnte, lässt sich der Eintritt der Verjährung nicht feststellen.
2. Schadensersatzansprüche
Schadensersatzansprüche stehen der Streitverkündeten gegen den Beklagten nicht zu, so dass die Pfändung des Klägers insoweit ins Leere ging. Der Senat geht davon aus, dass der Gesellschafter-Geschäftsführer einer Einmann-GmbH weder verpflichtet ist, gegen sich selbst eine etwaige Forderung der GmbH gerichtlich durchzusetzen, noch gehindert ist, die Vernichtung einer derartigen Forderung zu betreiben. Soweit er dabei gegen Pflichten zur Kapitalerhaltung verstößt, stehen der GmbH im Rahmen einer Binnenhaftung oder unmittelbar den Gesellschaftsgläubigern im Rahmen einer Außenhaftung spezifische Ansprüche zur Verfügung, die im vorliegenden Verfahren entweder mangels Pfändung nicht geltend gemacht werden können oder die nicht geltend gemacht worden sind.
a) Ein Anspruch aus Geschäftsführerhaftung gem. § 43 Abs. 2 und 3 S. 1 GmbHG scheidet nicht schon deshalb aus, weil der Beklagte sich als Alleingesellschafter in seiner Funktion als Geschäftsführer grundsätzlich die verbindliche Weisung erteilen konnte, bewusst zum Nachteil des Gesellschaftsvermögens zu wirken. Dies gilt nämlich nicht im Bereich des § 43 Abs. 3 GmbHG ( BGHZ 142, 92, 95 f. = NJW 1999, 2817, 2818). Ein etwaiger Anspruch ist jedoch nach § 43 Abs. 4 GmbHG verjährt.
Die fünfjährige Verjährungsfrist ist nicht von einem subjektiven Erfordernis abhängig. Ihr Lauf begann gem. § 198 S. 1 BGB i.d.F. vor der Schuldrechtsreform von 2001 mit der Anspruchsentstehung (Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, 18. Aufl., § 43 Rdnr. 57; zum neuen Recht ebenso Palandt/Heinrichs, BGB, 66. Aufl. 2007, § 200 Rdnr. 1), also mit der behaupteten Pflichtverletzung. Der letztmögliche Zeitpunkt der Anspruchsentstehung knüpft an die schuldhafte Nichterhebung eines Einspruchs gegen das Versäumnisurteil im Verfahren 4 O 137/94 LG Verden an, die den Schaden der Streitverkündeten, nämlich den Forderungsverlust gegen den Beklagten, herbeigeführt hätte, sollte der Anspruch bejaht werden. Das ist der Ablauf der Einspruchsfrist gegen das Versäumnisurteil. Irrelevant bleibt dabei, dass aufgrund geschärfter juristischer Beurteilung noch heute wirksam Einspruch eingelegt werden kann, wenn man die Zustellung des Versäumnisurteils an den Beklagten als Geschäftsführer der Streitverkündeten als unwirksam ansieht. Es ist nicht ersichtlich, dass dem Beklagten diese mögliche rechtliche Bewertung zu irgendeinem Zeitpunkt zwischen 1994 und 1999 bewusst war oder er sie hätte erkennen können. Damit ist bereits im Jahre 1999 Verjährung eingetreten.
b) Deliktsrechtliche Ansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 StGB oder aus § 826 BGB bestehen nach Auffassung des Senats nicht. Wenn der Beklagte eine werthaltige Forderung der Streitverkündeten zu Fall gebracht haben sollte, wäre darin keine Untreue gegenüber der Streitverkündeten zu sehen. Wie der BGH zur Existenzvernichtungshaftung entschieden hat, ist der Gesellschafter an einer Deinvestition nicht gehindert (vgl. BGHZ 151, 181 = NJW 2002, 3024, 3025; BGH NJW-RR 2005, 375 = ZIP 2005, 117, 118). Die Einmann-GmbH braucht als Rechtsperson vor ihrem Alleingesellschafter-Geschäftsführer weder strafrechtlich noch deliktsrechtlich geschützt zu werden; sie hat kein Bestandsinteresse gegenüber ihrem Gesellschafter (vgl. Baumbach/Hueck/Fastrich, § 13 GmbHG Rdnr. 17 m.N. gegenteiliger Auffassungen). Dies gilt selbst dann, wenn durch dessen Aktivitäten das Stammkapital angegriffen wird. Die Kapitalerhaltungsregeln bestehen nur im Interesse der Gesellschaftsgläubiger. Zu deren Gunsten kommt im Rahmen einer Binnenhaftung der Anspruch aus § 31 GmbHG in Betracht. Im Rahmen einer Außenhaftung können unmittelbare deliktsrechtliche Ansprüche geschädigter Gesellschaftsgläubiger gegeben sein. Für deren Existenz bedarf es nicht der Annahme einer Untreue gegenüber der GmbH.
Der Senat hat auch insoweit die Revision zugelassen, weil die Rechtsprechung des BGH in Strafsachen ( BGH NJW 1989, 112, 113 [BGH 24.08.1988 - 3 StR 232/88]; s. auch BGH NJW 1999, 2817, 2818 [BGH 21.06.1999 - II ZR 47/98]; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack § 43 GmbHG Rdnr. 80) möglicherweise anders zu verstehen sein könnte.
c) In Betracht kommen könnte eine Durchgriffshaftung gegen den Beklagten wegen Existenzvernichtung der Streitverkündeten durch Vermögensabzug ( BGHZ 149, 10 = NJW 2001, 3622, 3623; BGH NJW 2002, 1803, 1805 [BGH 25.02.2002 - II ZR 196/00]; BGHZ 151, 181 = NJW 2002, 3024, 3025). Die Existenzvernichtungshaftung müsste dafür auf Sachverhalte wie im Streitfall ausgedehnt werden, in denen das Liquidationsstadium bereits von Gesetzes wegen durch Konkurseröffnung erreicht worden ist, die Liquidation dann aber nach Einstellung des Konkursverfahrens weder ordnungsagemäß durchgeführt worden noch die Liquidationsgesellschaft wieder zu einer werbenden Gesellschaft zurückentwickelt worden ist. Ein derartiger Anspruch, der den Gläubigern einer GmbH unmittelbar zusteht und deshalb einen anderen Streitgegenstand als die behaupteten gepfändeten Schadensersatzansprüche der Streitverkündeten betrifft, ist vom Kläger nicht geltend gemacht worden. Dies ergibt sich nicht nur aus einer Bewertung seines schriftsätzlichen Vorbringens, sondern auch aus seiner ausdrücklichen Erklärung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat.
3. Restitutionsanspruch aus § 31 GmbHG
Der Senat geht davon aus, dass der Kläger einen nach seinem Sachvortrag denkbaren Anspruch aus § 31 GmbHG nicht gepfändet hat. Dem steht entgegen der Auffassung des Klägers das Bestimmtheitserfordernis entgegen. Der Kläger hat ausdrücklich Schadensersatzansprüche wegen behaupteter Pflichtverletzungen des Beklagten gepfändet (Nr. 2 des Beschlusses vom 22.04.1994), zu denen der das Gesellschaftsvermögen zwecks Kapitalerhaltung restituierende Anspruch aus § 31 GmbHG nicht gehört; dieser Anspruch war auch nicht in dem Rechtsstreit 4 O 137/94 LG Verden rechtshängig gewesen (Nr. 1 a.a.O.), vielmehr war die Klage dort auf § 355 HGB oder Darlehen gestützt worden.
Insoweit hat der Senat die Revision zugelassen, damit die Grundsatzfrage geklärt werden kann, ob den Anforderungen an das Bestimmtheitserfordernis bereits genügt wird, wenn der Pfändungsgläubiger im Pfändungsantrag sein Interesse bekundet hat, das Gesellschaftsvermögen um einen infolge Manipulationen des Gesellschafter-Drittschuldners verlustig gegangenen Anspruch unabhängig von dessen Entstehungsgrund wieder aufzufüllen.
Dahingestellt bleiben kann, wie die Verjährung des behaupteten Anspruchs aus § 31 GmbHG zu bemessen ist. Allerdings neigt der Senat zu der Auffassung, dass eine derartige Forderung unter Heranziehung der Vorschrift des Art. 229 § 12 Abs. 2 EGBGB noch nicht verjährt ist, weil die neue Verjährungsfrist von 10 Jahren (Gesetz v. 9.12.2004, BGBl. I S. 3214) von der seit der Schuldrechtsmodernisierung vom 26.11.2001 vorübergehend geltenden Regelverjährung abweicht, die erst ab 01.01.2002 zu laufen begonnen hatte (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 66. Aufl. 2007, Art. 229 § 12 EGBGB Rdnr. 4 m.w.N.).
4. Freistellungsanspruch (Antrag zu 2.)
Ein Freistellungsanspruch besteht nicht; er wäre selbst dann nicht gegeben, wenn gegen den Beklagten Schadensersatzansprüche der Streitverkündeten bestünden. Die Fortsetzung des Versäumnisverfahrens 4 O 137/94 LG Verden durch Einspruch des Klägers beruht auf einer eigenen Willensentscheidung des Klägers über die Abschätzung der Risiken der Prozessführung. Der Kläger muss die ihm nachteilige Entscheidung des 16. Zivilsenats des OLG Celle, aus der sich die Belastung mit den Verfahrenskosten ergibt, als allgemeines Lebensrisiko hinnehmen. Deren Ergebnis ist dem Beklagten ebensowenig zurechenbar wie die Entscheidung des Klägers zur Aufnahme des Rechtsstreits. Überdies stellen die dem Kläger auferlegten Verfahrenskosten keinen Schaden der Streitverkündeten dar.
5. Nebenentscheidungen, Streitwert
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsrechtszuges gem. § 97 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Streitwertbeschluss:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 570 000 Euro festgesetzt. Dabei hat der Senat das Kosteninteresse für den Antrag zu 2) pauschaliert und wegen des Charakters eines Freistellungsanspruchs gegenüber einem Zahlungsanspruch im Wert herabgesetzt.