Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 28.06.2007, Az.: 16 W 34/07
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 28.06.2007
- Aktenzeichen
- 16 W 34/07
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2007, 59368
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2007:0628.16W34.07.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Lüneburg - 07.05.2007 - AZ: 1 OH 2/05
Fundstelle
- BauR 2008, 2094 (red. Leitsatz)
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners zu 1 wird der Beschluss des Einzelrichters der 1. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg vom 7. Mai 2007 aufgehoben. Das Landgericht wird angewiesen, nach Maßgabe der Beschlussgründe ergänzend Beweis zu erheben.
Beschwerdewert: 15.000 €
Gründe
I.
Unter dem 14. Juli 2005 erstellte der Sachverständige Dipl. -Ing. Dr. B. sein schriftliches Sachverständigengutachten (Bl. 177), das er am 10. Mai 2006 um eine schriftliche Stellungnahme auf Antrag der Antragsteller ergänzte (Bl. 92). Der Antragsgegner zu 1 beantragte daraufhin, den Sachverständigen abzulösen, hilfsweise, ihn zwecks Erläuterung seines Gutachtens mündlich anzuhören (Bl. 113). Er hat gemeint, der Sachverständige sei nicht kompetent, weil er nicht erkannt habe, dass es sich bei dem Dach um ein so genanntes "Kaltdach" handele (Bl. 113). Dem Ablösungsantrag hat das Landgericht nicht entsprochen. Es hat den Sachverständigen seine schriftlichen Gutachten erläutern lassen (Bl. 142). An der Anhörung hat für den Antragsteller auch der Dipl.-Ing. C. teilgenommen. Das Protokoll über die Anhörung ist an die Vertreter des Antragsgegners zu 1 am 15. Februar 2007 herausgegangen. Am 23. Februar 2007 hat der Antragsgegner zu 1 angekündigt, es sei eine weitere Stellungnahme erforderlich, weil die Anhörung ergeben habe, dass es verschiedene Möglichkeiten der Sanierung gäbe (Bl. 148). Mit Schriftsatz vom 20. März 2007 hat der Antragsgegner eine Stellungnahme des Dipl.-Ing. C. mit der Behauptung vorgelegt, die Mängel an dem Warmdach - es handele sich nicht um ein Kaltdach (Bl. 154) - seien einfacher und kostengünstiger zu beseitigen. Unter Bezugnahme auf diese Stellungnahme hat er eine weitere Aufklärung beantragt, die das Landgericht mit Beschluss vom 7. Mai 2007 abgelehnt hat (Bl. 165).
Dagegen wendet sich der Antragsgegner zu 1 mit seiner sofortigen Beschwerde.
II.
Die am 23. Mai 2007 beim Landgericht Lüneburg rechtzeitig eingelegte Beschwerde ist zulässig und begründet.
Das selbständige Beweisverfahren ist nicht beendet. Es endet nach einhelliger Meinung jedenfalls dann nicht mit der Übersendung des schriftlichen Gutachtens, wenn eine Partei innerhalb angemessener Frist Ergänzungsfragen stellt. Dies gilt auch für den Fall, dass sich nach Vorlage des schriftlichen Gutachtens und der danach erfolgten Anhörung des Sachverständigen noch Fragen ergeben (OLG Hamm, 12 W 40/04 = BauR 2005, 752). Wird nach der Anhörung innerhalb angemessener Frist eine ergänzende Stellungnahme beantragt, so ist weiter Beweis zu erheben, falls der Sachverständige die Frage nicht bereits überzeugend - insbesondere frei von Widersprüchen - beantwortet hat.
Der Sachverständige Dr. B. hat die sich stellenden Fragen teilweise noch nicht beantwortet.
Sowohl der Sachverständige Dr. B. als auch der vom Antragsgegner zu 1 herangezogene Architekt C. gehen übereinstimmend davon aus, dass die Schäden an den Balken durch aus der Raumluft abgespaltenes Kondensat hervorgerufen worden sind. Das bedeutet: Die Luftfeuchte ist von der Lufttemperatur abhängig (relative Luftfeuchte). Warme Luft kann mehr Feuchtigkeit speichern als kalte Luft. Kühlt sich warme Luft ab, steigt die Luftfeuchtigkeit in der abgekühlten Luft an. Dies kann so weit gehen, dass die abgekühlte Luft die in der warmen Luft gespeicherte Feuchte nicht mehr halten kann. Die Feuchtigkeit schlägt sich als Kondensat nieder (Brillengläser beschlagen, Wasser tropft aus der Klimaanlage). Dieses allgemeine Phänomen hat der Sachverständige Dr. B. auf Seite 8 seines Erstgutachtens beschrieben.
Der Antragsgegner zu 1 räumt die vom Gerichtssachverständigen Dr. B. festgestellte Tatsache ein, dass die Balken im Bereich der Mauerdurchführung oder -auflage feucht werden, dort Schimmel ansetzen und weiteren Schaden nehmen. Ob die Balken Schimmel ansetzen, weil sich das Kondensat in erster Linie im Randbereich der Außenwände, wo die Balken aufliegen, bildet, wie der Architekt C. meint (Bl. 154 unten), oder diese direkt feucht werden, das Kondensat sich auf den Holzbalken niederschlägt, ist unerheblich. Tatsächlich werden die Balken im Bereich der Mauerdurchführung feucht. Auch der Architekt C. hält es deshalb für erforderlich, dass die Auflager der Deckenbalken dicht verschlossen werden (Bl. 155). Einigkeit besteht auch darin, dass die beschädigten Balken und sonstigen Hölzer ausgetauscht werden müssen.
Der Antragsgegner zu 1 behauptet unter Berufung auf seinen Architekten C. lediglich,
- 1.
die abgehängte Decke sei mitursächlich für die Schäden, denn oberhalb der abgehängten Decke fehle es an Wärme und Luftzirkulation, weshalb an den Außenwänden im Bereich der Balkenauflage kalte Luft anstehe, die zu Kondensatbildung an den Außenwänden führe,
- 2.
die Deckenbalken müssten im Bereich der Mauerdurchführung nur abgedichtet, aber nicht so eingekürzt werden, dass sie in der Außenwand enden, sie könnten vielmehr weiterhin den Dachüberstand bilden, weil Holz als natürlicher Dämmstoff niemals eine Kältebrücke sei (Bl. 154).
Zu 1:
Dazu hat der Gerichtssachverständige Dr. B. bereits Stellung genommen. Auf die Frage der in Begleitung des Architekten C. erschienenen Vertreterin des Antragsgegners zu 1 hat der Sachverständige ausgeführt, die Akustikdecke habe mit den bauphysikalischen Problemen nichts zu tun, ob diese Decke vorhanden sei oder nicht, spiele keine Rolle (Bl. 142 R).
Tatsächlich hat der Sachverständige Dr. B. vielmehr aufgrund eigener Wahrnehmung festgestellt, dass Warmluft aus den Innenräumen über den Dachzwischenraum ins Freie abströmt, sich dabei abkühlt und im Bereich der Wanddurchführung der Balken zu Kondensatbildung führt. Dies sieht der Antragsgegner zu 1 ebenso. Die Stellungnahme des vom Antragsgegner eingeschalteten Architekten C. vom 23. Februar 2007 stellt sich insoweit als eine bloße Wiederholung der Parteibehauptung dar, mit der sich der gerichtlich bestellte Sachverständige bereits auseinandergesetzt hat, mag ihn dessen Urteil auch nicht überzeugen.
Zu 2:
Wie bereits ausgeführt, räumt auch der Antragsgegner zu 1 ein, dass es wegen der abströmenden Luft im Bereich der Balkenauflage durch das Außenmauerwerk zur Bildung von Kondensat kommt. Der Antragsgegner räumt ferner ein, dass zur Vermeidung der Kondensatbildung die Luftzwischenräume dicht verschlossen werden müssen. Umstritten ist hingegen, ob zur Vermeidung von Kondensatbildung die Balken in das Mauerwerk eingekürzt werden müssen und ob die weiteren Maßnahmen erforderlich sind (Erneuerung der Außenwanddämmung im Bereich der Balkenauflager, Herunterführen der oben liegenden Dampfbremse). Unklar ist, warum der Gerichtssachverständige Dr. B. dieser Ansicht ist, ob er das Kürzen der Balken lediglich für sinnvoll hält (Erstgutachten S. 16 unten), oder er meint, eine Schließung der Lücken sei ohne Einkürzung schwierig aber vielleicht doch möglich (Protokoll vom 1. Februar 2007, Seite 2, letzter Satz = Bl. 142 R), oder ob er meint, die hervorstehenden Balken seien eine Kältebrücke (so interpretiert C. den Gerichtssachverständigen, Bl. 154).
Folgende Fragen sind noch nicht überzeugend beantwortet:
- 1.
Erfordert die Herstellung eines mangelfreien Daches nach den anerkannten Regeln der Technik, dass die tragenden, in den Außenwänden aufliegenden Holzbalken nicht nach außen überstehen, sondern sie in der Außenwand enden? Bilden die Balken eine Kältebrücke, was der Architekt C. für unmöglich hält?
- 2.
Wird die Kürzung der Balken nur für sinnvoll gehalten (Erstgutachten S. 16 unten) oder empfohlen, weil eine nachträgliche Abdichtung ohne Kürzung in der Regel schwierig ist (Protokoll vom 1. Februar 2007, Seite 2, letzter Satz = Bl. 142 R)?
- 3.
Erscheint eine Abdichtung der Balken im Mauerauflager ohne Kürzung nicht unmöglich und erweist die Kürzung sich auch ansonsten als nicht erforderlich, hat das Unterbleiben der Kürzung Einfluss auf die vorgeschlagenen Mängelbeseitigungsarbeiten und die voraussichtlichen Kosten? Wie hoch sind diese?
Die Ausgestaltung der weiteren Beweiserhebung bleibt dem Landgericht vorbehalten (schriftliches Ergänzungsgutachten, Anhörung, Vorschuss).
Eine Entscheidung über die Kosten findet nicht statt.