Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 27.06.2007, Az.: 3 U 273/06

Verjährung von Schadensersatzansprüchen aus einer Beratungspflichtverletzung im Rahmen einer Geldanlage; Voraussetzungen für die Annahme einer Kenntnis des Gläubigers von den anspruchsbegründenden Umständen

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
27.06.2007
Aktenzeichen
3 U 273/06
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2007, 38286
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2007:0627.3U273.06.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hildesheim - 15.11.2006 - AZ: 6 O 196/06

Fundstelle

  • OLGReport Gerichtsort 2008, 174-175

Amtlicher Leitsatz

Zu den Voraussetzungen, bei deren Vorliegen von einer Kenntnis des Gläubigers von den den Anspruch begründenden Umständen auszugehen ist

In dem Rechtsstreit
hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf die mündliche Verhandlung vom 13. Juni 2007
unter Mitwirkung
der Richterin am Oberlandesgericht ... sowie
der Richter am Oberlandesgericht ... und ...
am 27. Juni 2007
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 15. November 2006 verkündete Urteil des Einzelrichters der 6. Zivilkammer des Landgerichts Hildesheim wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird gestattet, die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe eines die vollstreckbare Forderung um 10% übersteigenden Betrages abzuwenden, soweit nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit leisten, die die jeweils zu vollstreckende Forderung um 10% übersteigt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

1

I.

Der Kläger erwarb gemeinsam mit seiner inzwischen von ihm geschiedenen Ehefrau, deren vermeintliche Ansprüche er aus abgetretenem Recht ebenfalls verfolgt, im Jahr 2000 ein Hausgrundstück in V. zum Preis von 580.000 DM. Der Kaufpreis wurde, obwohl der Kläger über Eigenkapital in Höhe von ca. 240.000 DM verfügte, voll finanziert. Vom Eigenkapital wurde ein Teilbetrag in Höhe von 150.000 DM in eine Fondsbeteiligung - DWSFonds -investiert. Mit den Erträgen aus dieser Beteiligung sowie, sofern nötig, dem sukzessiven Verkauf von Anteilen sollte ein Teil der monatlichen, sich aus der Hausfinanzierung ergebenden Belastung im Umfang von 373,25 EUR aufgebracht werden.

2

Der Kläger wurde im Jahr 2003 geschieden. Infolge des Scheidungsverfahrens wurde das Hausgrundstück schließlich im Februar 2005 mit erheblichem Verlust zu einem Preis von 180.000 EUR veräußert. Nach Verwertung der Fondsbeteiligung ist eine restliche Darlehensverbindlichkeit in Höhe von 91.500 EUR verblieben, die der Kläger gemeinsam mit seiner geschiedenen Ehefrau abzutragen hat.

3

Mit der im April 2006 erhobenen Klage hat der Kläger Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte zu 1 als finanzierende Bank sowie den Beklagten zu 2, der das Geschäft angebahnt und, nach Behauptung des Klägers, gemeinsam mit der Beklagten zu 1 das Finanzierungskonzept entworfen hat, geltend gemacht. Er hat die Auffassung vertreten, die Beratung, die durch beide Beklagten gemeinsam erfolgt sei, sei fehlerhaft gewesen. Richtigerweise hätte das vorhandene Eigenkapital in die Hausfinanzierung eingebracht werden müssen. Über das mit dem von den Beklagten entworfenen Finanzierungskonzept verbundene Risiko sei er nicht aufgeklärt worden. Nach seiner Berechnung sind ihm durch die fehlerhafte Finanzierung Mehrkosten in Höhe von rd. 86.000 EUR entstanden.

4

Der Kläger hat beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 86.847,93 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 14. Juni 2006 zu zahlen.

5

Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen.

6

Die Beklagte zu 1 hat behauptet, der Kläger sei, als er an sie wegen einer Finanzierung herangetreten sei, bereits fest entschlossen gewesen, das Eigenkapital im Umfang von 150.000 DM in eine Fondsbeteiligung zu investieren. Auf Risikohinweise habe er nicht reagiert. Der Beklagte zu 2 hat ebenfalls vorgetragen, es sei die eigene Entscheidung des Klägers gewesen, die Fondsbeteiligung zu erwerben. Beide Beklagten haben die Einrede der Verjährung erhoben.

7

Das Landgericht hat die Klage, dem Verjährungseinwand der Beklagten folgend, abgewiesen. Die Verjährung sei drei Jahre nach Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes, mithin zum 31. Dezember 2004 eingetreten. Auf die Frage, ob und gegebenenfalls wann dem Kläger die Voraussetzungen eines möglichen Ersatzanspruchs sowie die Person des Schädigers bekannt geworden seien, komme es nicht an. Unabhängig hiervon seien jedoch auch die subjektiven Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB gegeben.

8

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers, der, nunmehr gestützt auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach in sogenannten Überleitungsfällen der Beginn der Verjährung von den subjektiven Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB abhängig ist (BGH XI ZR 44/06), sich gegen die Abweisung der Klage durch das Landgericht als verjährt wendet. In der Sache selbst wiederholt er die Behauptung, die gewählte Finanzierung sei von beiden Beklagten ohne Darstellung der Risiken und ohne ihm Alternativen vorzuschlagen umgesetzt worden.

9

Er beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 86.847,93 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5%Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

10

hilfsweise,

unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und des Verfahrens den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.

11

Die Beklagten beantragen,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

12

Sie verteidigen das angefochtene Urteil unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Sach- und Rechtsvortrags. Insbesondere vertreten sie die Auffassung, ein möglicher Ersatzanspruch des Klägers sei selbst dann verjährt, wenn man auf die subjektiven Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB abstelle: Aufgrund der ihm monatlich zugegangenen Depot-Auszüge habe der Kläger gewusst, dass seine Beteiligung am DWSFonds deutlich an Wert verloren habe. Wegen der Notwendigkeit, die monatlich eingeplanten Tilgungsbeiträge für die Darlehen aus der Fondsbeteiligung aufzubringen, hätte Monat für Monat eine höhere Anzahl von Fondsanteilen veräußert werden müssen, um den notwendigen Zuschuss zur Finanzierung der Kredite zu erlangen. Damit sei offenkundig gewesen, dass das ursprüngliche Finanzierungskonzept mit erheblichen, sich tatsächlich verwirklichenden Risiken verbunden war. Die entsprechenden Kenntnisse habe der Kläger schon im Jahr 2001, spätestens 2002 aufgrund der ihm zugegangenen Abrechnungen erlangt.

13

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils, wegen des Berufungsvorbringens der Parteien auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

14

II.

Die Berufung des Klägers ist zulässig, hat jedoch im Ergebnis keinen Erfolg.

15

1.

Nach dem -streitigen -Vortrag des Klägers ist allerdings von einer Pflichtverletzung der Beklagten zu 1 und 2 auszugehen. Sofern diese, wie vom Kläger behauptet, ohne Darstellung einer Alternative übereinstimmend ein Finanzierungskonzept entwickelt haben, nach dessen Inhalt der Kläger, statt sein vorhandenes Eigenkapital teilweise oder vollständig in die Hausfinanzierung einzubringen, dieses in erheblichem Umfang in einen Fonds investierte, begründet dies den Vorwurf der Verletzung von Pflichten, wie sie sich aus dem zwischen den Parteien nach dem Vortrag des Klägers geschlossenen Beratungsvertrag ergeben. Die Einbringung des Eigenkapitals in den DWS-Fonds war risikoreich: Rechnerisch war sie nur dann vorteilhaft, wenn Erträge und Wertzuwachs aus der Fondsbeteiligung höher waren als die Zinsen, die der Kläger auf das bei der Beklagten zu 1 insoweit aufgenommene Darlehen zu zahlen hatte. Gesichert war eine solche Wertentwicklung des Fonds keinesfalls; ob sie zu erwarten war, war nicht verlässlich zu prognostizieren. Diese Umstände und die dadurch mit dem Finanzierungskonzept verbundenen Risiken hätten dem Kläger im Einzelnen dargelegt werden müssen. Diese Pflicht bestand im Verhältnis zum Beklagten zu 2, der -insoweit unstreitig -das Finanzierungskonzept entwickelt hat; darüber hinaus aber auch gegenüber der Beklagten zu 1, wenn diese, wie vom Kläger behauptet, in die Entwicklung und Darstellung des Finanzierungskonzepts eingebunden war.

16

2.

Letztlich kann jedoch die Frage der Pflichtverletzung ebenso dahinstehen wie die, ob und in welchem Umfang dem Kläger und seiner geschiedenen Ehefrau durch das umgesetzte Finanzierungskonzept ein Schaden entstanden ist. Etwaige Ansprüche des Klägers und seiner geschiedenen Ehefrau sind jedenfalls verjährt.

17

a)

Richtig ist zwar, wie der Kläger unter Hinweis auf die zwischenzeitlich ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung (BGH XI ZR 44/06) vorträgt, dass es für die Berechnung der Verjährungsfrist in den Fällen, in denen die Verjährung vor Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes vom 1. Januar 2002 zu laufen begonnen hat, für den Ablauf der Verjährung, der binnen drei Jahren eintritt, auf subjektive Elemente ankommt, mithin darauf, ob und gegebenenfalls wann der Kläger Kenntnis von den den Anspruch begründenden tatsächlichen Umständen und der Person des Ersatzpflichtigen erlangt hat.

18

b)

Auch unter Berücksichtigung dieser subjektiven Voraussetzungen ist allerdings der klägerische Anspruch verjährt. Die Kenntnis, dass das von den Beklagten nach Behauptung des Klägers uneingeschränkt und ohne Risikohinweise empfohlene Konzept risikobehaftet war und wirtschaftlich die mit ihm verbundenen Erwartungen nicht erfüllte, hat der Kläger frühzeitig, spätestens im Jahr 2002 erlangt.

19

Nach dem dargestellten Finanzierungskonzept sollte ein Teil der sich aus der Hausfinanzierung ergebenden monatlichen Belastung aus den Erträgen der Fondsbeteiligung, gegebenenfalls auch durch Verwertung von Anteilen, aufgebracht werden. Dies wäre bei der Entwicklung des Fonds, dessen Wert sich, wie sich aus allgemein zugänglichen Quellen (etwa www.fondsonvista.de) ersehen lässt, in den beiden Jahren vor Erwerb durch den Kläger mehr als verdoppelt hatte, jederzeit möglich gewesen. Diese sich im Finanzierungskonzept widerspiegelnde Erwartung ist jedoch von Beginn an enttäuscht worden. Bereits im ersten Jahr nach Erwerb der Fondsanteile durch den Kläger ist der Kurs des DWS-Fonds, wie sich aus der auch mit den Prozessbevollmächtigten der Parteien in der mündlichen Senatsverhandlung erörterten Kursentwicklung ergibt, massiv -um mehr als 30% -eingebrochen. Dies hatte die unmittelbare, für den Kläger aufgrund der ihm monatlich übersandten Depotauszüge erkennbare Folge, dass ständig mehr Fondsanteile veräußert werden mussten, um den monatlich eingeplanten Teilbetrag an Zinsen für die zu bedienenden Darlehen aufbringen zu können. Im Jahr 2002 hat sich diese Entwicklung weiter fortgesetzt.

20

Zum Ende des Jahres 2002 hatten sich die Kurse der Fondsbeteiligung nahezu halbiert. Bei dem hierdurch bedingten Verkauf von immer mehr Fondsanteilen hätten daher aus dem verbliebenen Bestand immer höhere Erträge erzielt werden müssen, um den monatlich festgelegten Beitrag zur Darlehensverzinsung und Tilgung zu erwirtschaften. Dies war, für den Kläger aufgrund der Depotauszüge deutlich, jedoch nicht der Fall.

21

c)

Mit dieser Entwicklung hatte sich das dem Finanzierungskonzept immanente Risiko, über das der Kläger seiner Behauptung nach durch die Beklagten nicht aufgeklärt worden ist, verwirklicht. Dem Kläger waren damit die Tatsachen, die er nunmehr zur Grundlage seines Ersatzbegehrens macht, bekannt; ebenso, dass -wenn überhaupt -die Beklagten hierfür verantwortlich gemacht werden konnten. Schon aufgrund der massiven Wertverluste des Fonds im Jahr 2001, jedenfalls aber der weiteren Entwicklung im Jahr 2002 hatte der Kläger damit Kenntnis über die nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB für einen Schadensersatzanspruch maßgeblichen Umstände. Etwaige Ersatzansprüche des Klägers waren damit bei Erhebung der Klage im Jahr 2006 bereits verjährt.

22

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Voraussetzungen, bei deren Vorliegen die Revision zuzulassen ist, sind nicht gegeben: Der vorliegende Sachverhalt ist vom Senat aufgrund von Einzelfallumständen entschieden worden.