Landgericht Verden
Urt. v. 26.10.2006, Az.: 4 O 616/04
Bibliographie
- Gericht
- LG Verden
- Datum
- 26.10.2006
- Aktenzeichen
- 4 O 616/04
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2006, 43741
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGVERDN:2006:1026.4O616.04.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- OLG Celle - 20.06.2007 - AZ: 9 U 125/06
- BGH - 09.02.2009 - AZ: II ZR 292/07
In dem Rechtsstreit
...
hat die 4. Zivilkammer des Landgerichts Verden auf die mündliche Verhandlung vom 28. September 2006 durch
den Vorsitzenden Richter am Landgericht ...
die Richterin am Landgericht ... und
die Richterin ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
Das Urteil ist gegen Leistung einer Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger ist Verwalter der in Konkurs gefallenen ....
Der Beklagte war alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der ... Ebenso war er von § 181 BGB befreiter Geschäftsführer und Liquidator der ..., der Streitverkündeten.
Im Jahre 1994 war der Kläger auch Konkursverwalter über das Vermögen der Streitverkündeten. Als solcher erhob er am 19. April 1994 Klage gegen den hiesigen Beklagten vor dem Landgericht Verden. Der Klage lag eine vom Kläger behauptete Forderung zwischen der Streitverkündeten und dem Beklagten zugrunde, die aus einem handelsrechtlichen Kontokorrent resultieren sollte. Während des Prozesses wurde das Konkursverfahren über die Streitverkündete aufgehoben. Die Einstellung des Konkursverfahrens wurde von einer Sicherheitsleistung in Höhe von 20 % der später titulierten Forderung der Konkursmasse ... abhängig gemacht, dieser Betrag (...) wurde später an den Kläger als Sicherheit geleistet.
Nach Aufhebung des Konkursverfahrens beauftragte der Beklagte in seiner Eigenschaft als Liquidator der Streitverkündeten eine Rechtsanwaltskanzlei mit deren Vertretung. Durch diese und die Prozessbevollmächtigten des Beklagten wurde der Rechtsstreit wieder aufgenommen. Im Termin zur mündlichen Verhandlung erschien für die Streitverkündete jedoch niemand, der Beklagte erwirkte daraufhin ein klageabweisendes Versäumnisurteil, gegen das zunächst kein Einspruch eingelegt wurde.
Nach Auszahlung des zugunsten der später titulierten Hauptforderung gegen die Streitverkündete hinterlegten Betrages von ... € erwirkte der Kläger am 22. April 2003 wegen einer restlichen Gesamtforderung einschließlich Zinsen und Kosten in Höhe von ... € zuzüglich Zinsen gegen die Streitverkündete als Schuldnerin und den Beklagten als Drittschuldner einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts Achim (Az. NZS ...). Durch diesen Beschluss wurden für den Kläger die folgenden angeblichen Ansprüche der Streitverkündeten gegen den Beklagten gepfändet und ihm zur Einziehung überwiesen:
1. Anspruch auf Zahlung eines Betrages von ... DM (entspricht ... €) nebst 4 % Zinsen seit dem 19. April 1994, rechtshängig gewesen in dem Rechtsstreit ... als Konkursverwalter der ... gegen ... , 4 O 137/94 LG Verden (Aller).
2. Anspruch auf Schadensersatz aus Untreue, vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung und positiver Vertragsverletzung, der daraus entstanden ist, dass der Drittschuldner nach Aufhebung des Konkursverfahrens der ... als Geschäftsführer der nunmehr aktivlegitimierten ... das Verfahren 4 O 137/94 LG Verden (Aller) wieder aufgenommen hat, sodann in dem Verhandlungstermin am 13. Oktober 1994 klageabweisendes Versäumnisurteil gegen die ... hat ergehen lassen und gegen dieses Versäumnisurteil keinen Rechtsbehelf eingelegt hat.
Wegen des weiteren Inhalts des Beschlusses wird Bezug genommen auf Bl. 13-17 d. A.
Der Kläger legte daraufhin als Nebenintervenient Einspruch gegen das in dem Rechtsstreit 4 O 137/94 ergangene Versäumnisurteil ein.
Das LG Verden hat den Einspruch als unzulässig verworfen. Das OLG Celle hat die dagegen gerichtete Berufung verworfen.
Der Kläger trägt vor, die Streitverkündete habe für den Beklagten ein Verrechnungskonto eingerichtet, das bei Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Streitverkündeten einen Saldo von ... € aufgewiesen habe. Der Beklagte habe als Geschäftsführer bzw. Liquidator der Streitverkündeten Sorgfaltspflichten verletzt, indem er nicht für eine ordnungsgemäße Vertretung der Streitverkündeten im Rechtsstreit gesorgt habe, ein Versäumnisurteil gegen die Streitverkündete beantragt habe und nicht dafür gesorgt habe, dass für die Streitverkündete gegen das Versäumnisurteil ein Rechtsbehelf eingelegt werde. Er habe seine Pflichten als Geschäftsführer vorsätzlich verletzt und durch pflichtwidrige Verfügung über das Vermögen der Gesellschaft einen Schaden herbeigeführt.
Der Kläger beantragt,
- 1.
an die vom Kläger verwaltete Konkursmasse ... mit Sitz in ... € nebst 4 % Zinsen auf ... € seit dem 19. April 1994 und auf ... € seit Zustellung dieses Schriftsatzes zu zählen,
- 2.
die vom Kläger verwaltete Konkursmasse der ... mit Sitz in ... von sämtlichen Kosten freizustellen, die ihr in dem Rechtsstreit ... gegen ... - 4 O 137/94 LG Verden/16 U 314/05 OLG Celle - oder im Zusammenhang mit diesem Rechtsstreit entstanden sind oder noch entstehen werden, soweit diese Kosten nicht schon Gegenstand des Zahlungsantrags zu Ziffer 1 sind.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte beruft sich auf entgegenstehende Rechtskraft durch das in dem Rechtsstreit Az. 4 O 137/94 ergangene Versäumnisurteil. Er ist der Ansicht, der Streitverkündeten hätten in dem Rechtsstreit 4 O 137/94 keinerlei Ansprüche gegen ihn zugestanden. Hilfsweise trägt er vor, die Streitverkündete habe, vertreten durch ihn, in dem Rechtsstreit einen wirksamen Verzicht auf etwaige Ansprüche erklärt. Der Beklagte wendet Verjährung ein.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf das weitere Vorbringen der Parteien in den gewechselten Schriftsätzen nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig.
Insbesondere greift der von der Beklagten erhobene Einwand entgegenstehender Rechtskraft nicht durch. Das in dem Verfahren 4 O 137/94 ergangene Versäumnisurteil ist nämlich laut Beschluss des OLG Celle vom 13. April 2006 nicht rechtskräftig, weil die Streitverkündete in dem Verfahren nach der Einstellung des Konkursverfahrens nicht mehr wirksam vertreten war. Der Beklagte hat als Geschäftsführer der Streitverkündeten und damit als deren Vertreter gegen sich selbst geklagt. Eine Person kann jedoch nicht auf beiden Seiten eines Prozesses stehen.
Die Klage bleibt in der Sache allerdings ohne Erfolg. Ansprüche des Klägers gegen den Beklagten sind nicht ersichtlich.
Ein Schadensersatzanspruch aus § 43 Abs. 2 GmbHG besteht nicht. Es fehlt insoweit an der erforderlichen Obliegenheitsverletzung durch den Beklagten. Gemäß § 43 Abs. 1 GmbHG haben Geschäftsführer in den Angelegenheiten der Gesellschaft die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden. Dass der Beklagte diesen Anforderungen zuwider gehandelt hat, ist nicht erkennbar. Zwar stand der Beklagte durch seine Bestellung als Geschäftsführer bzw. Liquidator der Streitverkündeten nach Einstellung des Konkursverfahrens auf beiden Seiten des Rechtsstreits und führte damit, wie das OLG Celle in dem Verfahren 16 U 314/05 festgestellt hat, einen unzulässigen In- Sich- Prozess. Dies allein begründet aber noch keine Obliegenheitsverletzung der Gesellschaft gegenüber.
Eine Pflichtverletzung durch den Beklagten kann weder darin gesehen werden, dass er nicht für eine ordnungsgemäße Vertretung in dem Verfahren 4 O 137/94 gesorgt hat, noch darin, dass er das Versäumnisurteil gegen die Streitverkündete beantragt und dagegen keinen Einspruch eingelegt hat. Wenn der Beklagte, wie er vorträgt, der Ansicht war, dass die Forderung nicht bestand, war das Versäumnisurteil die günstigste Möglichkeit, den Prozess zu beenden. Selbst wenn eine Forderung zwischen der Streitverkündeten und dem Beklagten bestanden hätte, ist das Verhalten des Beklagten als materiell-rechtlicher Verzicht auf die Forderung zu werten. Zu diesem Verzicht war er aufgrund seiner Stellung als von § 181 BGB befreiter Geschäftsführer und Alleingesellschafter auch berechtigt.
Ein solcher Forderungserlass stellt auch keinen Verstoß gegen das Kapitalerhaltungsgebot des § 30 GmbHG dar, der zur Unwirksamkeit des Erlasses zu führen vermag. Es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte gegen das Kapitalerhaltungsgebot verstoßen hat, denn an den Kläger wurden ... € ausgekehrt. Dieser Betrag ist höher als das gesetzliche Stammkapital. Nur dieses unterliegt aber der strengen Kapitalbindung des GmbHG (Baumbach/Hueck, 18. Aufl. 2006, § 30 GmbHG, Rn. 9). Im Übrigen kommt bei einem solchen Verstoß nur ein Anspruch aus § 31 GmbHG in Betracht. Vorliegend macht der Kläger jedoch keinen Anspruch der Gesellschaft auf Wiederherstellung der Forderung geltend, sondern den gepfändeten Anspruch aus § 355 HGB bzw. auf Schadensersatz.
Aufgrund dieser Erwägungen war vom Beklagten auch nicht zu verlangen, dass er entweder den Erlass des Versäumnisurteils gar nicht erst beantragt oder zumindest dagegen Einspruch einlegt, zumal niemand zum Handeln gegen sich selbst verpflichtet ist.
Da bereits die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruches ausa § 43 Abs. 2 GmbHG nicht vorliegen, kann dahinstehen, ob gemäß § 43 Abs. 4 GmbHG Verjährung eingetreten ist oder nicht.
Auch ein Anspruch des Klägers gegen den Beklagten aus den §§ 823 BGB, 266 StGB kommt nicht in Betracht, da der Beklagte als Liquidator der Streitverkündeten, wie dargestellt, auf einen etwaigen Anspruch der Streitverkündeten gegen ihn wirksam verzichtet hat. Aus den gleichen Gründen scheitert auch ein Anspruch aus positiver Vertragsverletzung.
Da der Kläger mit seiner Klage keinen Erfolg hat, hat er auch keinen Anspruch auf Freistellung von den in dem Rechtsstreit Az. 4 O 137/94 bzw. 16 U 314/05 angefallenen Kosten.
Die prozessualen Nebenentscheidungen finden ihre Grundlage in § 91 Abs. 1, 709 ZPO.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf ... € festgesetzt.