Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 04.06.2007, Az.: 12 UF 50/07

Zulässigkeit der Trennung der Geschwister bei einer Aufenthaltsentscheidung über Kinder

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
04.06.2007
Aktenzeichen
12 UF 50/07
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2007, 50605
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2007:0604.12UF50.07.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Bückeburg - 02.02.2007 - AZ: 51 F 146/05

Fundstellen

  • FamRZ 2007, 1838-1839 (Volltext mit red. LS)
  • OLGReport Gerichtsort 2008, 69-70

Verfahrensgegenstand

Die elterliche Sorge

In der Familiensache
...
hat der 12. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Celle
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ...,
den Richter am Oberlandesgericht ... und
den Richter am Oberlandesgericht ...
am 4. Juni 2007
beschlossen:

Tenor:

  1. I.

    Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Bückeburg vom 2. Februar 2007 teilweise geändert und das Aufenthaltsbestimmungsrecht für M1. S., geboren am ... 1995, auf den Antragsgegner übertragen.

    Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

  2. II.

    Es wird davon abgesehen, Gerichtsgebühren für das Beschwerdeverfahren zu erheben.

    Im Übrigen werden die Kosten des Verfahrens zwischen den Parteien

    gegeneinander aufgehoben.

  3. III.

    Beschwerdewert: 3.000 EUR.

Gründe

1

I.

Aus der zwischenzeitlich geschiedenen Ehe der Eltern sind die drei gemeinsamen Kinder M., geboren ... 1995, M., geboren ... 1996, und M., geboren am ... 1997, hervorgegangen. Nach der Trennung im November 2005 zog der Antragsgegner (Vater) am 28. Dezember 2005 aus der Ehewohnung aus und ist seitdem im Haus seiner Mutter, das nur wenige Kilometer entfernt liegt, wohnhaft. Die Kinder verblieben zunächst bei der Antragstellerin (Mutter). Nachdem die Mutter erklärt hatte, sie beabsichtige, zu ihrem neuen Lebensgefährten nach F. zu ziehen, erging am 29. Juli 2006 im einstweiligen Anordnungsverfahren ein Beschluss des Familiengerichts. Dadurch wurde das Aufenthaltsbestimmungsrecht für M.2 vorläufig auf die Mutter und das Aufenthaltsbestimmungsrecht für M.3 und M.1 dem Vater übertragen. Die Mutter verzog dann mit M.2 nach F. Zur Jahreswende 2006/2007 spitzte sich die Situation zu. Alle drei Kinder hielten sich bei der Mutter zu Besuch auf. Nachdem der Vater angekündigt hatte, die Kinder nicht abholen zu können, erließ das Familiengericht eine Verbleibensanordnung für die Kinder. Seit Beginn des Jahres 2007 leben somit alle drei Kinder im Haushalt der Mutter in F.

2

Nach Anhörung der Beteiligten, des Jugendamtes und der den Kindern beigeordneten Verfahrenspflegerin hat das Familiengericht mit der angefochtenen Entscheidung vom 2. Februar 2007 das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Kinder auf die Mutter übertragen und es im Übrigen beim gemeinsamen Sorgerecht belassen. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, die Kinder müssten zukünftig zusammen leben. Dabei sei die Mutter geeigneter zur Erziehung und Betreuung der Kinder als der Vater, weil diese eher in der Lage sei, sich auf die Bedürfnisse der Kinder einzulassen und die Mutter im Übrigen die aktivere sei. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Begründung der Entscheidung vom 2. Februar 2007 Bezug genommen.

3

Gegen diese Entscheidung richtet sich die befristete Beschwerde des Vaters, mit der dieser zunächst erstrebt hat, das Aufenthaltsbestimmungsrecht für alle drei Kinder zu erhalten. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt, dass die Kinder von der Mutter nicht optimal betreut würden. So gäbe es schulische Probleme. Die Kinder hätten keinen Freundeskreis. Die Wohnverhältnisse in der Städtischen Wohnung in F. seien ungünstiger als bei ihm. Insbesondere M.1 habe immer wieder den Wunsch geäußert, beim Vater zu leben. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Beschwerdebegründung Bezug genommen.

4

Die Mutter hat die angefochtene Entscheidung verteidigt.

5

Die Verfahrenspflegerin hat die Kinder anlässlich ihres Aufenthaltes beim Vater während der Osterferien sowie im Haushalt der Mutter in F. angehört und hierüber berichtet. Das Jugendamt der Stadt F. hat umfangreiche Berichte eingereicht. Wegen der Einzelheiten wird auf die Berichte Bezug genommen.

6

Aufgrund der Anhörung hat der Vater beantragt, die angefochtene Entscheidung nur teilweise zu ändern und ihm das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Kinder M.1 und M.3 zu übertragen.

7

Die Mutter hat einer Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts von M.1 auf den Vater zugestimmt und im Übrigen beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

8

Wegen des Ergebnisses der Anhörung der Kinder und der Eltern durch den Berichterstatter wird auf den Anhörungsvermerk vom 1. Juni 2007 Bezug genommen.

9

II.

Auf die zulässige befristete Beschwerde des Vaters ist die angefochtene Entscheidung des Familiengerichts zu ändern, soweit das Kind M.1 betroffen ist. Entsprechend dem übereinstimmenden Antrag der Eltern, ist in Abänderung der angefochtenen Entscheidung dem Vater das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht für M.1 zu übertragen. Im Übrigen hat es bei der Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts hinsichtlich der Kinder M.3 und M.2 auf die Mutter zu verbleiben. Hinsichtlich M.2 beruht die Entscheidung auch auf dem übereinstimmenden Antrag der Eltern.

10

Der Senat überträgt hier das Aufenthaltsbestimmungsrecht für M.1 auf den Vater und bestätigt das Aufenthaltsbestimmungsrecht für M.2 und M.3 für die Mutter, weil diese Regelung dem Wohl der Kinder am besten entspricht. Die mit dieser Entscheidung verbundene Trennung der Geschwister ist ausnahmsweise gerechtfertigt. Hier besteht jeweils ein ganz besonderes enges und inniges Verhältnis zwischen M.1 und seinem Vater einerseits und M.2 und seiner Mutter andererseits. Beide Eltern haben dies akzeptiert und im Beschwerdeverfahren ihre Anträge entsprechend angepasst. Bereits die Diplom-Psychologin Z. von der Beratungsstelle für Eltern, Kinder und Jugendliche beim Landkreis S. hat in ihrem Gutachten vom 10. August 2006 festgestellt, dass die beiden Brüder jeweils ganz enge Bindungen an einen Elternteil haben. Zu dieser Einschätzung kamen auch die jeweiligen Mitarbeiter der beteiligten Jugendämter.

11

Würde man abweichend von diesen engen Bindungen beide Jungen mit ihrer Schwester dem einen oder anderen Elternteil zusprechen, würde man jeweils den Interessen eines der beiden Jungen nicht gerecht werden. Würde M.1 weiter bei der Mutter leben, so wäre seine Entwicklung belastet. Andererseits wäre die gedeihliche Entwicklung von M.2 in Frage gestellt, wenn er beim Vater leben müsste. Daher ist bei der hier gebotenen Gesamtabwägung eine Trennung der Geschwister ausnahmsweise gerechtfertigt.

12

Unter Berücksichtigung der Bindungen von M.3 zu ihrer Mutter einerseits und zu ihrem Bruder M.2 andererseits entspricht es dem Wohl von M.3 am besten, wenn das Aufenthaltsbestimmungsrecht für sie auf die Mutter übertragen wird. Zwischen M.3 und ihrem Bruder M.2 besteht eine enge Bindung. Beide besuchen zusammen dieselbe Klasse. M.2 hat sich in der Schule besser entwickelt, seitdem M.3 seit Beginn des Jahres 2007 mit in F. lebt. Dies ergibt sich aus den Angaben der Lehrer gegenüber dem Mitarbeiter des Jugendamtes der Stadt F. M.3 hat sowohl gegenüber dem Berichterstatter des Senats wie auch gegenüber der Verfahrenspflegerin bei ihrer Anhörung in F. eindeutig bekundet, dass sie bei der Mutter leben möchte. Diese Entscheidung ist zu respektieren.

13

Die Äußerungen von M.3 werden nicht durch ihre Angaben gegenüber der Verfahrenspflegerin bei der Anhörung im Haushalt des Vaters in Frage gestellt. Zwar hat M.3 damals angegeben, sie möchte lieber beim Vater leben. Diese Auskunft beruhte jedoch offensichtlich auf dem Umstand, dass M.3 und ihre Geschwister sich vor der Anhörung einige Tage beim Vater aufgehalten hatten. Ihre Angaben waren nach Einschätzung der Verfahrenspflegerin gerade durch den Aufenthalt beim Vater und der damit verbundenen Beeinflussung geprägt. Gerade deshalb hat die Verfahrenspflegerin es als erforderlich angesehen, alle Kinder noch einmal im Umfeld der mütterlichen Wohnung anzuhören.

14

Die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts für M.3 auf die Mutter ist auch unter dem Gesichtspunkt der engen Bindung geboten. Der Senat folgt insoweit der Beurteilung der Diplom-Psychologin Z. wie auch der Verfahrenspflegerin. Beide haben übereinstimmend ausgeführt, dass die Mutter eine tiefe emotionale Beziehung zu ihren Kindern hat. Der Vater hat dagegen eher Schwierigkeiten, sich in die Gefühle seiner Kinder einzufinden. Für ihn stehen andere Werte im Vordergrund.

15

Der Senat verkennt nicht, dass es bei der Mutter Defizite in der Betreuung der Hausaufgaben und der regelmäßigen Versorgung der Kinder gegeben hat. Diese traten insbesondere zu der Zeit auf, als alle drei Kinder bei der Mutter lebten. Der Senat geht davon aus, dass nach dem Wechsel von M.1 zum Vater sich die Verhältnisse im Haushalt der Mutter entspannen werden. Die Belastung mit den Auseinandersetzungen mit M.1 entfallen. Bei der gebotenen Gesamtabwägung kommt diesen Unzulänglichkeiten jedoch kein besonderes Gewicht zu. Insbesondere gilt dies angesichts des Umstandes, dass es auch beim Vater in der Vergangenheit Versäumnisse und Fehler gegeben hat.

16

Der Senat ist der Auffassung, dass zukünftig sowohl die Mutter als auch der Vater begleitende Hilfe durch die zuständigen Jugendämter benötigen. Sowohl die Mutter als auch der Vater werden als Alleinerziehende den Ansprüchen der Kinder gerade noch gerecht werden können. Insoweit erscheinen gelegentliche Hilfegespräche sinnvoll zu sein.

17

III.

Gem. § 131 Abs. 3 KostO wird davon abgesehen, Gerichtsgebühren für das Beschwerdeverfahren zu erheben.

18

Es entspricht billigem Ermessen, die übrigen Kosten des Beschwerdeverfahrens zwischen den Eltern gegeneinander aufzuheben, § 13 a Abs. 1 FGG.