Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 07.06.2007, Az.: 4 AR 24/07
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 07.06.2007
- Aktenzeichen
- 4 AR 24/07
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2007, 59315
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2007:0607.4AR24.07.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hannover - 21 O 18/07
- LG Hildesheim - 10 O 178/06
Fundstellen
- BauR 2007, 1462 (red. Leitsatz)
- BauR 2008, 402-403 (Volltext mit amtl. LS)
- IBR 2007, 458 (Volltext mit red. LS u. Anm.)
In dem Verfahren
...
hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht H. und die Richter am Oberlandesgericht S. und P. am 7. Juni 2007 beschlossen:
Tenor:
Das Landgericht H. ist zuständig.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei, Auslagen werden nicht erstattet.
Gründe
I.
Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche wegen der nach Auffassung der Klägerin fehlerhaften Vergabe von Bauleistungen durch die Beklagte. Die Klägerin, die sich an der Ausschreibung von Fliesenarbeiten durch die Beklagte beteiligt hatte, macht geltend, einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 41 879,30 EUR gegen die Beklagte zu haben, weil sie aufgrund fehlerhafter Anwendung der Vergabevorschriften zu Unrecht nicht den Zuschlag für die Durchführung dieser Arbeiten bekommen habe.
Nachdem die Klägerin den Rechtsstreit beim Landgericht H. zunächst vor der allgemeinen Zivilkammer anhängig gemacht hatte, hat diese das Verfahren auf Antrag der Beklagten mit Beschluss vom 28. September 2006 an die Kammer für Handelssachen verwiesen. Diese hat die Parteien alsdann mit Verfügung des Vorsitzenden vom 5. Dezember 2006 (Bl. 67 d. A.) darauf hingewiesen, dass fraglich erscheine, ob das Landgericht H. überhaupt zuständig sei, weil gemäß § 14 ZustVO das Landgericht Ha. für Kartellsachen ausschließlich zuständig sei und Ansprüche aus der Verletzung von Vergabevorschriften unter dem Begriff der "Kartellsache" fielen.
Obwohl beide Parteien gegen diese Rechtsauffassung erhebliche Einwände vorgebracht haben und ein Antrag auf Verweisung der Sache an das Landgericht Ha. - Kammer für Kartellsachen - nicht gestellt worden ist, hat das Landgericht H. - Kammer für Handelssachen - in einem aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 12. Dezember 2006 ergangenen Beschluss seine funktionale Unzuständigkeit erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht Ha. - Kammer für Kartellsachen - abgegeben.
Das Landgericht Ha. hat daraufhin mit Beschluss vom 22. März 2007 die Übernahme der Sache abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, dass die Entscheidung des Landgerichts H. gesetzwidrig erfolgt sei, weil es sich bei der Sache nicht um eine Kartellsache handele, die in die ausschließliche Zuständigkeit des Landgerichts Ha. falle. Die Klage werde gar nicht auf kartellrechtliche Anspruchsgrundlagen gestützt, derartige Anspruchsgrundlagen kämen auch nicht ernsthaft in Betracht. Gegenstand des Rechtsstreits seien im BGB geregelte Anspruchsgrundlagen, in deren Zusammenhang lediglich zu prüfen sei, ob die Vorschriften der VOB Teil A beachtet worden seien. Eine Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses des Landgerichts H., bei dem es sich aufgrund des fehlenden Antrags der Parteien im Übrigen auch nur um eine Abgabeentscheidung handele, sei nicht gegeben. Die Abgabe sei im Hinblick auf das Fehlen von Anknüpfungspunkten für die Zuständigkeit der Kammer für Kartellsachen willkürlich erfolgt.
Des Weiteren hat das Landgericht Ha. die Sache in dem Beschluss vom 22. März 2007 dem Senat zur Zuständigkeitsbestimmung vorgelegt.
II.
Das Landgericht H. war gemäß § 37 Abs. 1 ZPO auf den Vorlagebeschluss des Landgerichts Ha. vom 22. März 2007, über den der Senat als das zunächst höhere Gericht zu entscheiden hat, gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO als zuständiges Gericht zu bestimmen, nachdem sich zuvor sowohl das Landgericht H. als auch das Landgericht Ha. durch die Beschlüsse vom 12. Dezember 2006 und 22. März 2007 rechtskräftig für sachlich unzuständig erklärt hatten. Das Landgericht H., an dessen örtlicher Zuständigkeit keine Zweifel bestehen, ist sachlich und funktional zuständig, weil es sich um eine bürgerlichrechtliche Streitigkeit handelt und der Abgabebeschluss des Landgerichts H. vom 12. Dezember 2006 nicht als bindend anzusehen ist.
Bei dem vorliegenden Verfahren ist keine Kartellsache gegeben, sondern eine schlichte bürgerlich-rechtliche Streitigkeit, bei deren Entscheidung lediglich Vergabevorschriften zu berücksichtigen sind. Dies hat nicht zur Folge, dass die Sache als Kartellsache einzustufen ist. Es geht um einen Anspruch aus Verschulden bei Vertragsschluss, der vor den allgemeinen Zivilgerichten zu verhandeln ist.
Die Abgabeentscheidung des Landgerichts H. kann schon deshalb keine Bindungswirkung entfalten, weil sie ohne gesetzliche Grundlage ergangen ist. Eine Anwendung des § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO kommt nicht in Betracht. Die Verweisung des Rechtsstreits nach § 281 ZPO setzt gemäß § 281 Abs. 1 ZPO einen Antrag des Klägers auf Verweisung voraus. Ein solcher Antrag ist hier nicht gestellt worden. Vielmehr haben beide Parteien übereinstimmend - durchweg zutreffend - vorgetragen, dass kein Anlass besteht, die Sache an die Kartellkammer beim Landgericht Ha. abzugeben, weil eine Kartellsache nicht gegeben ist. Diesen Ausführungen in den Schriftsätzen vom 7. Dezember 2006 (Bl. 68 ff.) und vom 28. Dezember 2006 (Bl. 82 ff.) sowie vom 12. Januar 2007 (Bl. 95 ff.) ist im Prinzip nichts hinzuzufügen. Eine Kartellsache liegt in keinem Fall vor. Dass Vorschriften aus dem Vergaberecht bei der Entscheidung zu berücksichtigen sind, ist für die Bestimmung der funktionalen Zuständigkeit unerheblich, weil einerseits eine besondere Kammer für Vergabesachen nicht eingerichtet ist, andererseits der Rechtsstreit aber auch nicht allein aufgrund der Tatsache, dass Vergabevorschriften zu berücksichtigen sind, das Gepräge einer "Vergabesache" bekommt. Es handelt sich um eine reguläre bürgerlich-rechtliche Streitigkeit, für deren Entscheidung das Landgericht H. - Kammer für Handelssachen - sachlich und örtlich zuständig ist.