Landgericht Stade
Beschl. v. 26.10.2022, Az.: 4 S 30/22

Taxi; Mietwagen; Regelgrenze; entgangener Gewinn; Mietwagenkosten bei unfallbedingtem Ausfall eines Taxis

Bibliographie

Gericht
LG Stade
Datum
26.10.2022
Aktenzeichen
4 S 30/22
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2022, 65868
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
AG Stade - 09.06.2022 - AZ: 61 C 346/21

Amtlicher Leitsatz

Eine Unverhältnismäßigkeit gem. § 251 II BGB von Mietwagenkosten lässt sich nicht anhand einer "Regelgrenze" (z.B. 200% Mietwagenkosten gegenüber entgangenem Gewinn) ermitteln. Es sind die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen.

In dem Rechtsstreit
XXX
Beklagte und Berufungsklägerin
Prozessbevollmächtigte: XXX
gegen
XXX,
Kläger und Berufungsbeklagter
Prozessbevollmächtigte: XXX
hat die 4. Zivilkammer des Landgerichts Stade am 26.10.2022 durch XXX beschlossen:

Tenor:

Die Kammer beabsichtigt, die Berufung gegen das am 09.06.2022 verkündete Urteil des Amtsgerichts Stade, Az.: 61 C 346/21, durch Beschluss zurückzuweisen.

Die Beklagte erhält Gelegenheit, binnen 2 Wochen ab Zugang dieses Beschlusses zur beabsichtigten Verfahrensweise Stellung zu nehmen.

Der Berufungsstreitwert wird auf bis 2.000,00 € festgesetzt.

Gründe

Die Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 ZPO liegen vor, da die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat.

Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert keine Entscheidung des Berufungsgerichtes und auch eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten.

Das angefochtene Urteil, auf das zur Darstellung des Sachverhaltes gemäß § 540 ZPO verwiesen wird, beruht weder auf einem Rechtsfehler (§ 513 Abs. 1, Alt. 1, § 546 ZPO) noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen - auch in Ansehung der Berufungsbegründung - eine andere Entscheidung mit dem Ziel der Klageabweisung (§ 513 Abs. 1, Alt 2 ZPO). Nach § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht oder die nach § 529 ZPO zugrunde zulegenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Dabei ist die Kammer gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO an die vom Amtsgericht festgestellten Tatsachen gebunden, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten.

Im vorliegenden Fall ist unter keinem der vorgenannten Gesichtspunkte eine Änderung der angefochtenen Entscheidung des Amtsgerichts veranlasst. Zunächst wird zur Vermeidung von Wiederholungen vollumfänglich auf die ausführlichen und zutreffenden Ausführungen des Amtsgerichts im Urteil vom 09.06.2022, dort S. 9 ff, verwiesen.

Wie sowohl das Amtsgericht als auch die Beklagte in der Berufungsbegründung zutreffend ausführen, ist der Eigentümer eines gewerblich genutzten Fahrzeugs bei dessen Beschädigung nicht von vornherein auf die Geltendmachung seines entgangenen Gewinns zu verweisen, sondern kann grundsätzlich statt dessen die (höheren) Kosten für die Anmietung eines Ersatzfahrzeugs verlangen (BGH VersR 1985, 283). Die Grenze der Ersatzfähigkeit ist bei einem beschädigten Taxi erst überschritten, wenn die Anmietung eines Ersatzfahrzeugs nur mit unverhältnismäßigen Aufwendungen möglich ist (§ 251 Abs. 2 S. 1 BGB). Diese Grenze der Unverhältnismäßigkeit wird nicht alleine durch den Gewinnentgang des Unternehmers bestimmt, den der Mietwagen verhindern soll. Der Ausfall von Einnahmen beim Verzicht auf einen Mietwagen ist nur ein Gesichtspunkt innerhalb einer anzustellenden Gesamtbetrachtung des Interesses des Geschädigten an der ungestörten Fortführung seines Betriebes. Ebenso sind auch dessen sonstige schutzwürdige Belange zu berücksichtigen, z. B. sein Anliegen, den guten Ruf seines Betriebes nicht zu gefährden, mit vollem Wagenpark disponieren zu können, die sachliche Restkapazität an Kraftfahrzeugen nicht übermäßig beanspruchen zu müssen usw. (BGH VersR 1985, 283; weitere Faktoren s. BGH VersR 1994, 64). Eine "Regelgrenze" (von z. B. 200% Mietwagenkosten gegenüber entgangenem Gewinn) gibt es nicht (BGH VersR 1994, 64). Damit ist nur in Ausnahmefällen die Erstattung von Mietwagenkosten ausgeschlossen, wenn nämlich die Inanspruchnahme eines Mietwagens für einen wirtschaftlich denkenden Geschädigten aus der maßgebenden Sicht ex ante unternehmerisch geradezu unvertretbar ist (BGH VersR 1985, 283).

Unter Berücksichtigung dieser Ausführungen ist es nicht zu beanstanden, dass das Amtsgericht nach der durchgeführten Beweisaufnahme zu dem Ergebnis gekommen ist, dass die geltend gemachten Mietwagenkosten nicht unverhältnismäßig gem. § 251 II BGB sind und der Kläger insoweit seiner sekundären Darlegungslast ausreichend nachgekommen ist. Die Kammer berücksichtigt hierbei nicht nur die Angaben der Zeugin XXX, sondern auch den Umstand, dass die Miete für das Taxi pro Tag lediglich 180,- € betrug. Unter Berücksichtigung der Angaben der Zeugin XXX zur Auslastung des Taxis und des Umstands, dass es keine Regelgrenze gibt, in welchem Verhältnis Mietwagenkosten zu einem entgangenen Gewinn stehen dürfen, kommt die Kammer mit dem Amtsgericht zu dem Ergebnis, dass eine Unverhältnismäßigkeit gem. § 251 II BGB hier nicht vorliegt. Unter Berücksichtigung der Umstände dieses Einzelfalls war es nicht erforderlich, dass der Gewinnausfall noch konkreter dargelegt wird.

Ebenfalls nicht zu beanstanden ist, dass das Amtsgericht ersparte Eigenaufwendungen in Höhe von 5 % (nicht wie die Beklagte in der Berufungsbegründung vorträgt in Höhe von 3 %) abgezogen hat. Diese Schätzung ist jedenfalls vertretbar (vgl. u.a. OLG Celle, Urt. v. 29. 2. 2012 ? 14 U 49/11).

Die Beklagte möge unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen erwägen, die Berufung im Kosteninteresse zurückzunehmen.