Landgericht Stade
Urt. v. 28.07.2022, Az.: 3 O 57/22

Beitragsanpassungen in der privaten Krankenversicherung; Zur Wirksamkeit der Beitragsanpassung in der privaten Krankenversicherung; Kein Auskunftsanspruch zur Höhe der auslösenden Faktoren

Bibliographie

Gericht
LG Stade
Datum
28.07.2022
Aktenzeichen
3 O 57/22
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2022, 68648
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

In dem Rechtsstreit
der XXX
Klägerin
Prozessbevollmächtigte: XXX
Geschäftszeichen: 804122-21
gegen
XXX,
Beklagte
Prozessbevollmächtigte: XXX
Geschäftszeichen: 60/22
hat die 3. Zivilkammer des Landgerichts Stade im schriftlichen Verfahren gemäß § 128 ZPO mit einer Erklärungsfrist bis zum 14.07.2022 am 28.07.2022 durch den Richter am Landgericht XXX als Einzelrichter
für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.

    Die Klage wird abgewiesen.

  2. 2.

    Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

  3. 3.

    Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

  4. 4.

    Der Streitwert wird auf 20.690,12 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Erhöhung von Beiträgen für die private Krankenversicherung der Klägerin und die Rückzahlung von Beiträgen sowie über diesbezügliche Auskunftsbegehren der Klägerin.

Die Klägerin ist seit dem 01.06.2001 bei der Beklagten - vormals firmierend unter "Central Krankenversicherung Aktiengesellschaft" - privat krankenversichert. Für die weiteren Einzelheiten des Versicherungsverhältnisses mit der Versicherungsnummer 513/040909508 wird ergänzend Bezug genommen auf die Anlagenkonvolute KGR1.

Die Beklagte nahm folgende Änderungen der monatlichen Beiträge in dem Tarif CV3H1 vor:

im Tarif CV3H1 die Beitragsanpassung zum 01.01.2013 in Höhe von 16,95 €

im Tarif ETB42 die Beitragsanpassung zum 01.01.2014 in Höhe von 5,61 € (unbestritten)

im Tarif CV3H1 die Beitragsanpassung zum 01.01.2015 in Höhe von 20,90 €

im Tarif CV3H1 die Beitragsanpassung zum 01.01.2019 in Höhe von 81,58 € (unter Anrechnung einer Gutschrift von 42,94 €)

im Tarif CV3H1 die Beitragsanpassung zum 01.01.2020, wobei die Höhe der Anpassung zwischen den Parteien streitig ist

im Tarif CV3H1 die Beitragsanpassung zum 01.01.2021, wobei die Höhe der Anpassung zwischen den Parteien streitig ist

im Tarif CV3H1 die Beitragsanpassung zum 01.01.2022 in Höhe von 75,06 € (unter Anrechnung einer Gutschrift von 13,23 €)

Hierüber informierte sie die Klägerin jeweils mit einem Mitteilungsschreiben nebst Informationsblatt und übersandte gleichzeitig einen Nachtrag zum Versicherungsschein. Auf die als Anlagen zum Schriftsatz vom 10.07.2022 zur Akte gereichten Informationsblätter sowie die wörtliche Wiedergabe der Belehrungen in der Klageschrift (vgl. Bl. 11ff. d.A.) wird Bezug genommen.

Die Beklagte hat folgende befristete Limitierungsgutschriften erteilt:

im Tarif ETB42: für 12 Monate also insgesamt 124,92 € in Höhe von 10,41 € (vom 01.01.2014 bis zum 01.12.2014)

im Tarif CV3H1: für 12 Monate also insgesamt 515,28 € in Höhe von 42,94 € (vom 01.01.2019 bis zum 23.06.2022)

im Tarif CV3H1: für 12 Monate also insgesamt 55,80 € in Höhe von 4,65 € (vom 01.01.2020 bis zum 31.12.2021)

im Tarif CV3H1: für 6 Monate also insgesamt 79,38 € in Höhe von 13,23 € (vom 01.01.2022 bis zum 23.06.2022)

Die Klägerin zahlte jeweils unter Berücksichtigung der Limitierungsgutschriften die erhöhten Beiträge. Auf die Berechnung auf Seite 5 des Schriftsatzes der Klägerin vom 04.07.2022 (Bl. 70 d.A.) und das Anlagenkonvolut KGR 1 wird Bezug genommen.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 29.12.2021 machte die Klägerin außergerichtlich erfolglos die Unwirksamkeit der Erhöhung der Prämien geltend und verlangte Rückzahlung zu viel gezahlter Prämienanteile.

Die Klägerin ist der Ansicht, die Erhöhungen seien aus formellen Gründen unwirksam. Es sei nicht ersichtlich, aus welchem Grund eine Prämienerhöhung erfolgt sei. Es werde nicht deutlich, welche maßgebliche Rechnungsgrundlage sich verändert habe. Die Beklagte verwende nur allgemeine, das Verfahren einer Beitragsanpassung generell beschreibende Angaben, was nicht ausreichend sei.

Die Prämienanpassung sei auch aus materiell-rechtlichen Gründen unwirksam, soweit diese unterhalb der Schwellenwerte des §§ 203, 155 VAG VVG liege, weil die einschlägige AVB-Klausel, die diese Anpassung regele, unwirksam sei.

Mit der Klage hat die Klägerin zunächst die Herausgabe sämtlicher Unterlagen über die Beitragsanpassungen in den Jahren 2013 bis 2022 geltend gemacht. Mit Schriftsatz vom 04.07.2022 hat die Klägerin den dahingehenden Anspruch auf die Auskunft über die Höhe der auslösenden Faktoren für die Neukalkulation der letzten 10 Jahre beschränkt.

Die Klägerin beantragt zuletzt,

  1. 1)

    Es wird festgestellt, dass folgende Beitragsanpassungen des Monatsbeitrags in der zwischen der Klägerseite und der Beklagten bestehenden Kranken-/ Pflegeversicherung mit der Versicherungsnummer 513/040909508 unwirksam sind:

    1. a)

      im Tarif CV3H1 die Beitragsanpassung zum 01.01.2013 in Höhe von 16,95 €

    2. b)

      im Tarif CV3H1 die Beitragsanpassung zum 01.01.2015 in Höhe von 20,90 €

    3. c)

      im Tarif CV3H1 die Beitragsanpassung zum 01.01.2019 in Höhe von 81,58 €

    4. d)

      im Tarif CV3H1 die Beitragsanpassung zum 01.01.2020 in Höhe von 3,83 €

    5. e)

      im Tarif CV3H1 die Beitragsanpassung zum 01.01.2021 in Höhe von 0,47 €

    6. f)

      im Tarif CV3H1 die Beitragsanpassung zum 01.01.2022 in Höhe von 75,06 €

      und der Gesamtbeitrag unter Berücksichtigung der erfolgten Absenkungen, um insgesamt 198,79 € zu reduzieren ist.

  2. 2)

    Es wird festgestellt, dass folgende Beitragsanpassungen des Monatsbeitrags in der zwischen der Klägerseite und der Beklagten bestehenden Kranken-/ Pflegeversicherung mit der Versicherungsnummer 513/040909508 unwirksam waren:

    1. a)

      im Tarif ETB42 63,00 die Beitragsanpassung zum 01.01.2014 in Höhe von 5,61 €

      und die Klägerseite nicht zur Zahlung des jeweiligen Erhöhungsbetrages verpflichtet war.

  3. 3)

    Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerseite 7.105,32 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

  4. 4)

    Es wird festgestellt, dass die Beklagte

    1. a)

      der Klägerseite zur Herausgabe der Nutzungen verpflichtet ist, die sie aus dem Prämienanteil gezogen hat, den die Klägerseite auf die unter 1) und 2) aufgeführten Beitragserhöhungen gezahlt hat,

    2. b)

      die nach 4a) herauszugebenden Nutzungen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu verzinsen hat.

  5. 5)

    Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerseite Auskunft über die jeweilige Höhe der auslösenden Faktoren für die Neukalkulation der Prämien des Versicherungsvertrages mit der Versicherungsnummer 513/040909508 der letzten zehn Jahre seit Rechtshängigkeit in allen versicherten Tarifen mit Ausnahme der Pflegepflichtversicherung PVN zu erteilen.

  6. 6)

    Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerseite einen Betrag in Höhe von 1.054,10 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit für die außergerichtliche anwaltliche Rechtsverfolgung zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zum 1.1.2020 und 01.01.2021 habe es schon keine Beitragsanpassung im Sinne des § 203 VVG gegeben, sondern es sei lediglich die befristete Limitierungsgutschrift verändert worden, was zu einer Änderung der Beiträge geführt habe.

Die übrigen Prämienanpassungen seien formal nicht zu beanstanden. Diese entsprächen jeweils den Anforderungen, die der Bundesgerichtshof (BGH) in seinen Urteilen vom 16.12.2020 näher definiert habe. Es werde in den Mitteilungsschreiben der Beklagten hinreichend deutlich, dass sich die Rechnungsgrundlage "Versicherungsleistungen" verändert habe.

Die für die Prämienanpassung einschlägige Klausel in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Beklagten sei auch materiell-rechtlich wirksam.

Die Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung.

Für den weiteren Vortrag wird auf die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze und Unterlagen ergänzend Bezug genommen.

Der Kläger hat die Klage mit Schriftsatz vom 04.07.2022, der Beklagten zugestellt am 04.07.2022, umgestellt auf die o. g. Leistungsanträge.

Entscheidungsgründe

I. Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Das Landgericht Stade ist gemäß § 215 VVG örtlich zuständig, da die Klägerin ihren Wohnsitz im Bezirk des Gerichts hat. Die sachliche Zuständigkeit folgt aus § 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG.

2. Der auf die Unwirksamkeit der Beitragsanpassung gerichtete Feststellungsantrag (Antrag zu 1 und 2) ist zulässig. Ein feststellungsfähiges gegenwärtiges Rechtsverhältnis liegt vor. Allein mit dem von der Klägerin erstrebten Leistungsurteil auf Rückzahlung überzahlter Beiträge (Antrag zu 3) wäre nicht rechtskräftig festgestellt, dass er (sofern die Klage begründet wäre) zukünftig nicht zur Zahlung des sich aus den streitgegenständlichen Beitragsanpassungen ergebenden Erhöhungsbetrages verpflichtet ist (BGH, Urteil vom 16.12.2020, Az. IV ZR 294/19, juris). Auch könnte sich dies bei künftigen Beitragsanpassungen auswirken, da ggf. von einem anderen Beitrag als Ausgangsrechnungsgrundlage auszugehen wäre.

3. Die Klage ist in der Sache unbegründet.

Die von der Klägerin beanstandeten Beitragsanpassungen entsprechen den formalen Voraussetzungen und stützen sich auch auf eine wirksame materiell-rechtliche Grundlage. In den Jahren 2020 und 2021 hat eine Beitragsanpassung schon nicht stattgefunden, da lediglich eine befristete Limitierungsgutschrift reduziert (2020) und schließlich weggefallen (2021) ist und ferner ein gesetzlicher Zuschlag erhöht wurde (2020 und 2021).

a) Beitragserhöhung zum 01.01.2013

(1) Die Beitragserhöhung zum 01.01.2013 entspricht den formellen Voraussetzungen des § 203 Abs. 5 VVG und ist wirksam erfolgt. Der Versicherer ist gemäß § 203 Abs. 2 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) berechtigt, die Prämie neu festzusetzen, wenn sich die für die Prämienkalkulation maßgebliche Rechnungsgrundlage nicht nur vorübergehend verändert hat, sofern ein unabhängiger Treuhänder die technischen Berechnungsgrundlagen überprüft und der Prämienanpassung zugestimmt hat. Maßgebliche Rechnungsgrundlagen sind gemäß § 203 Abs. 2 S. 3 VVG die "Versicherungsleistungen" und die "Sterbewahrscheinlichkeit".

Die Neufestsetzungen der Prämien werden gemäß § 203 Abs. 5 VVG zu Beginn des zweiten Monats wirksam, der auf die Mitteilung der Neufestsetzung und der hierfür maßgeblichen Gründe an den Versicherungsnehmer folgt.

Dass sich die Berechnungsgrundlage für die Prämienkalkulation in den hier streitigen Zeiträumen materiell jeweils in einem Maße verändert hat, dass eine Prämienanpassung gerechtfertigt war (Überschreitung des maßgeblichen Schwellenwerts) und dass dies auch von einem unabhängigen Treuhänder überprüft und dem zugestimmt wurde, ist zwischen den Parteien unstreitig.

Im Streit stand insbesondere die formelle Ordnungsmäßigkeit der gemäß § 203 Abs. 5 VVG erforderlichen Mitteilungsschreiben. Denn nach dem Bundesgerichtshof wird bei einer Prämienanpassung nach § 203 Abs. 2 VVG erst durch die Mitteilung einer den Anforderungen des § 203 Abs. 5 VVG genügenden Begründung die für die Wirksamkeit der Neufestsetzung der Prämie angeordnete Frist in Lauf gesetzt (BGH, Urteil vom 16.12.2020, Az. IV ZR 294/19, juris).

Die Notwendigkeit, gemäß § 203 Abs. 5 VVG dem Versicherungsnehmer die "hierfür maßgeblichen Gründe" mitzuteilen, erfasst nach dem Bundesgerichtshof auch die "Neufestsetzung" der Prämie nach § 203 Abs. 2 VVG. Ein Wirksamwerden der Prämienanpassung ohne eine solche Mitteilung oder trotz einer inhaltlich unzureichenden Mitteilung schließt das Gesetz daher aus (BGH aaO.).

Die Mitteilung der maßgeblichen Gründe für die Neufestsetzung der Prämie nach § 203 Abs. 5 VVG erfordert die Angabe der Rechnungsgrundlage (also "Versicherungsleistungen" oder "Sterbewahrscheinlichkeit", vgl. § 203 Abs. 5 S. 3 VVG), deren nicht nur vorübergehende Veränderung die Neufestsetzung nach § 203 Abs. 2 S. 1 VVG veranlasst hat. Dagegen muss der Versicherer nicht mitteilen, in welcher Höhe sich diese Rechnungsgrundlage verändert hat. Er hat auch nicht die Veränderung weiterer Faktoren, welche die Prämienhöhe beeinflusst haben, wie z. B. des Rechnungszinses, anzugeben. Das ergibt die Auslegung des § 203 Abs. 5 VVG aus dem Wortlaut der Norm, der Gesetzessystematik, der Entstehungsgeschichte sowie dem Sinn und Zweck der Vorschrift. Die Mitteilung erfüllt den Zweck, dem Versicherungsnehmer zu verdeutlichen, dass weder sein individuelles Verhalten noch eine freie Entscheidung des Versicherers Grund für die Beitragserhöhung war, sondern dass eine bestimmte Veränderung der Umstände dies aufgrund gesetzlicher Regelungen veranlasst hat (BGH aaO.).

Jedoch muss der Versicherungsnehmer den Erhöhungsschreiben konkret entnehmen können, dass eine Veränderung der Rechnungsgrundlage über dem Schwellenwert erfolgt ist (BGH aaO.).

Insgesamt sind allerdings keine übermäßig hohen Anforderungen an die Mitteilung der maßgeblichen Gründe zu stellen (OLG Celle, Urteil vom 20.08.2018, Az. 8 U 57/18, juris Rn. 99).

(2) Den vorstehenden formellen Anforderungen wird die Mitteilung über die Beitragsänderung zum 01.01.2013 gerecht.

Die Beklagte hat die Beitragsanpassungen durch Übersendung eines Nachtragsversicherungsscheins sowie eines Informationsschreibens mitgeteilt. Die Veränderung der Beiträge ist aus dem Nachtrag zum Versicherungsschein konkret erkennbar (vgl. Anlagenkonvolut KGR 1). Das für die Frage der hinreichenden Begründung der Beitragsanpassung vor allem maßgebliche Informationsblatt enthält indes die erforderlichen Informationen, aus denen sich ergibt, dass die Rechnungsgrundlage "Versicherungsleistungen" maßgeblich ist.

Unter der Überschrift "Was hat unser garantiertes Leistungsversprechen mit steigenden Beiträgen zu tun?" wird erläutert, unter welchen Voraussetzungen eine Beitragsanpassung jährlich erfolgt. An den Ausführungen wird insbesondere deutlich, dass es hierbei nicht um die individuelle Leistungsinanspruchnahme durch den Versicherungsnehmer geht.

Unter der Überschrift "Warum steigen die Ausgaben" wird ausführlich über die gestiegenen Kosten und die Gründe hierfür im Einzelnen informiert.

Insgesamt wird für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer, der dies aufmerksam liest, hinreichend deutlich, dass Auslöser der Prämienanpassung die gestiegenen Kosten und damit die "Versicherungsleistung" sind.

b) Auch die Erhöhung im Tarif ETB42 zum 01.01.2014 in Höhe von 5,61 € ist nach dem Vortrag der Klägerin wirksam. Die Ausführungen in dem beigefügten Informationsblatt (vgl. Seite 22f der Klageschrift, Bl. 12Rf. d.A.) entspricht weitgehend den Erläuterungen zu der Beitragsanpassung zum 01.01.2013. Auf die obigen Ausführungen wird insoweit Bezug genommen. Einleitend wird zudem - anders als noch in dem vorausgehenden Jahr - ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Hauptgrund für die Anpassung der starke Anstieg der Ausgaben für Versicherungsleistungen sei.

c) Die Beitragsanpassung zum 01.01.2015 ist ebenfalls wirksam. Auch hier wird in dem Informationsblatt einleitend darauf hingewiesen, dass der Hauptgrund für die Anpassung der starke Anstieg der Ausgaben für Versicherungsleistungen sei. Es folgen erneut die Ausführungen über die gesetzlichen Vorgaben und die Gründe für die Anpassung. Es wird auf die obigen Ausführungen verwiesen.

d) Auch die Beitragsanpassung zum 01.01.2019 ist wirksam. Das für die Frage der hinreichenden Begründung der Beitragsanpassung vor allem maßgebliche Informationsblatt enthält die erforderlichen Informationen, aus denen sich ergibt, dass die Rechnungsgrundlage "Versicherungsleistungen" maßgeblich ist.

Unter der Überschrift "Gesetzlich geregelt: jährliche Prüfung" wird erläutert, unter welchen Voraussetzungen eine Beitragsanpassung jährlich erfolgt. Hier wird u. a. auch mitgeteilt, dass dies entweder auf eine Veränderung der Ausgaben für Leistungen oder der Lebenserwartung zurückgehen könne und dass eine Verpflichtung zur Beitragsanpassung bestehe und dies nicht nach freiem Ermessen des Versicherers erfolgt. Auch wird deutlich, dass es hierbei nicht um die individuelle Leistungsinanspruchnahme durch den Versicherungsnehmer geht. Anschließend heißt es:

"In diesem Jahr ist der maßgebliche Grund für die Beitragsanpassung die Abweichung der Leistungsausgaben."

Unter der Überschrift "Gründe für steigende Kosten" wird ausführlich über die gestiegenen Kosten und die Gründe hierfür im Einzelnen informiert.

Insgesamt wird für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer, der dies aufmerksam liest, hinreichend deutlich, dass Auslöser der Prämienanpassung die gestiegenen Kosten und damit die "Versicherungsleistung" sind.

e) In Bezug auf die Änderungen zum 01.01.2020 besteht kein Anspruch auf Feststellung der Unwirksamkeit der Beitragsanpassung. Diesbezüglich liegt bereits keine Anpassung im Sinne des § 203 VVG bzw. § 16 AVB vor, da die Anpassung in vollem Umfang darauf beruht, dass die im Vorjahr gewährte Limitierungsgutschrift in Höhe von 42,55 € auf 4,65 € reduziert und zudem ein gesetzlicher Zuschlag erhöht wurde.

f) In Bezug auf die Änderungen zum 01.01.2021 besteht ebenfalls kein Anspruch auf Feststellung der Unwirksamkeit der Beitragsanpassung. Diesbezüglich liegt erneut keine Anpassung im Sinne des § 203 VVG bzw. § 16 AVB vor, da die Anpassung in vollem Umfang darauf beruht, dass die im Vorjahr gewährte Limitierungsgutschrift in Höhe von weggefallen ist. Zudem wurde der gesetzliche Zuschlag weiter erhöht.

g) Die Beitragsanpassung zum 01.01.2022 ist wirksam. Die Beklagte hat in dem Anpassungsschreiben (Bl. 99 d.A.) zunächst den allgemeinen Mechanismus der Prämienanpassung erklärt und dann die konkreten Gründe, nämlich die höheren Ausgaben und die Überschreitung des Schwellenwertes angesprochen. Abschließend hat sie die weiteren Faktoren der Prämienanpassung beschrieben. Insgesamt wird auch für diese Anpassung deutlich, dass Auslöser der Prämienanpassung die gestiegenen Kosten und damit die "Versicherungsleistung" sind.

h) Soweit die Klägerin auf die Unwirksamkeit der Rechtsgrundlage hinweist, folgt das Gericht ihr nicht. Die Frage der Wirksamkeit einer mit § 11 Abs. 2 RB/KK vergleichbaren Regelung ist mittlerweile vom BGH geklärt worden (BGH, Urteil vom 22.06.2022 - IV ZR 253/20).

i) Soweit die Klägerin behauptet, der Treuhänder habe keine vollständigen Unterlagen zur Verfügung gehabt, erfolgt der Vortrag ins Blaue hinein.

4. Soweit die Klägerin Auskunft über die Höhe der auslösenden Faktoren für die Neukalkulation in den streitgegenständlichen Tarifen für die letzten 10 Jahre verlangt (Antrag zu Ziffer 5), ist die Klage unbegründet. Die auslösenden Faktoren als solche gehen über die den einzelnen Versicherungsnehmer betreffenden personenbezogenen Daten hinaus und beziehen sich auf den gesamten Bestand (im jeweiligen Tarif). Ein Anspruch auf Offenlegung der für die versicherungsmathematische Berechnung der Tarife relevanten Entwicklung der Leistungsausgaben des Versicherungsbestandes lässt sich insbesondere aus der DSGVO nach Ansicht der Kammer nicht herleiten. Auch eine weitere Rechtsgrundlage für die Auskunft über die auslösenden Faktoren weit zurückliegender Beitragsanpassungen ist nicht ersichtlich.

5. Die geltend gemachten Nebenforderungen (Anträge zu 4 und 6) entfallen mit der Hauptforderung.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.

III. Der Streitwert wird auf 20.690,12 € festgesetzt.

Die Klägeranträge zu 1. und 2. werden mit 8.584,80 € (204,40 € x 42, § 9 ZPO) angesetzt und der Klageantrag zu 3. mit 7.105,32 €.

Der Auskunftsantrag (Antrag) ist in Ermangelung anderweitiger Anhaltspunkte unter Berücksichtigung der großen Anzahl an herausverlangten Dokumente und Informationen mit einem Wert von 5.000,00 € zu berücksichtigen. Die Teilrücknahme bleibt dabei außer Betracht.

Der Antrag zu 4. im Hinblick auf die gezogenen Nutzungen und der Antrag hinsichtlich der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten bleiben gemäß § 4 Abs. 1 ZPO außer Ansatz (vgl. OLG Köln, Urteil vom 07.07.2020, Az. 9 U 227/19, juris Rn. 86).