Verwaltungsgericht Stade
Urt. v. 14.08.2002, Az.: 1 A 227/02
Erlass; Ermäßigung; Gebühr; Gebührenerlass; Gebührenermäßigung; Partei; Parteienprivileg; politische Partei; Sondernutzungserlaubnis; Verwaltungsgebühr; Wahlkampfkostenerstattung
Bibliographie
- Gericht
- VG Stade
- Datum
- 14.08.2002
- Aktenzeichen
- 1 A 227/02
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2002, 43814
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- Art 21 GG
- § 1 Abs 4 PartG
- § 5 PartG
- § 4 KAG ND
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Eine Ermäßigung oder ein Erlass von Gebühren kommt auch im Falle von kleinen Parteien (hier DKP), die keine Wahlkampfkostenerstattung erhalten, nur in Betracht, wenn sich durch die Gebühren eine erdrückende Wirkung ergibt. Im Falle einer regelmäßigen vorhersehbaren gleichartigen Inanspruchnahme ist jedoch eine Ermäßigung zu gewähren
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen eine Verwaltungsgebühr der Beklagten, die anlässlich der Einrichtung eines Info-Standes auf einem öffentlichen Parkplatz erhoben wurde.
Am 3. Dezember 2001 beantragte die Vorsitzende der Klägerin eine Genehmigung zur Aufstellung eines Info-Standes mit Zeitungsverkauf. In dem Antrag hieß es: "Für den 8.12.01 in der Zeit von 10.00 bis 16.00 Uhr beantrage ich für die D.-Partei den o.g. ZeitungsInfostand auf dem öffentlichen Parkplatz vor der M.-Schule." Unter dem 6. Dezember 2001 erteilte die Beklagte der Klägerin die beantragte Sondernutzungserlaubnis in dem bezeichneten Umfang. Zugleich setzte sie die Kosten nach der Verwaltungskostensatzung auf 70,00 DM fest.
Mit Schreiben des Prozessbevollmächtigten vom 21. Dezember 2001 legte die Klägerin am 27. Dezember 2001 Widerspruch gegen die Kostenentscheidung ein. Es lägen hier keine Erkenntnisse darüber vor, dass der Rat die festgesetzte Höhe der Gebühr gebilligt hätte. Bei der Bemessung von Sondernutzungsgebühren gemäß § 21 NStrG müsste darüber hinaus Art und Ausmaß der Einwirkung auf die Straße und den Gemeingebrauch berücksichtigt werden. Die Gebührensatzung der Beklagten differenziere insoweit gar nicht. Der Informationsstand habe nicht wesentlich auf Art und Ausmaß des Gemeingebrauchs eingewirkt. Die Höhe der Gebühr sei danach unangemessen. Im Übrigen lege Artikel 21 GG fest, dass die Parteien bei der politischen Willensbildung des Volkes mitwirkten. Dies habe auch Ausstrahlungen auf das kommunale Satzungsrecht. Das Mitwirkungsrecht dürfe nicht durch die Erhebung hoher Gebühren eingeschränkt werden. Insbesondere sei hier zu berücksichtigen, dass der unmittelbare Anlass der Durchführung des Informationsstandes die Ankündigung der Jugendorganisation der N.-Partei gewesen sei, durch O.-S. zu marschieren.
Durch Bescheid vom 7. Januar 2002 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Verwaltungskostensatzung der Beklagten stütze sich nicht auf das Niedersächsische Straßengesetz. Es würden keine Sondernutzungsgebühren erhoben, sondern lediglich eine Verwaltungsgebühr für den Bearbeitungsaufwand zur Ausstellung der Sondernutzungserlaubnis. Die Verwaltungsgebührensatzung stütze sich auf die Niedersächsische Gemeindeordnung und das Niedersächsische Kommunalabgabengesetz. Die Satzung lege einen Gebührenrahmen von 5,11 bis 511,29 Euro bzw. 10,00 bis 1.000,00 DM fest. Der Bearbeitungsaufwand für die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis werde regelmäßig mit 70,00 DM bzw. jetzt 35,70 Euro beziffert. Nach der Allgemeinen Gebührenordnung (AllGO) würden gemäß Ziffer 91.5.1 35,70 Euro erhoben. Zugleich wurde durch Kostenfestsetzungsbescheid die Rechtsbehelfsgebühr auf 53,55 Euro nach der Verwaltungskostensatzung festgesetzt. Gegen diese Kostenfestsetzung legte die Klägerin wiederum durch Schreiben vom 7. Februar 2002 Widerspruch ein.
Am 11. Februar 2002 hat die Klägerin gegen den Kostenfestsetzungsbescheid vom 6. Dezember 2001 in der Fassung des hier am 14. Januar 2002 zugestellten Widerspruchsbescheides Klage erhoben. Die Beklagte habe ihr Ermessen, ob von der Erhebung der Gebühr ganz oder teilweise abgesehen werden kann, nicht ausgeübt. An dem Info-Stand habe ein öffentliches Interesse bestanden, weil gegen die Jungen N. demonstriert werden sollte. Darüber hinaus wäre das Recht der Klägerin als Partei durch die Erhebung der Gebühr eingeschränkt.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 6. Dezember 2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 7. Januar 2002 aufzuheben, soweit darin Kosten festgesetzt wurden.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Erhebung der Gebühren entspreche der Verwaltungskostensatzung, und die Beklagte habe das ihr zustehende Ermessen pflichtgemäß ausgeübt. Von der Erhebung einer Gebühr könne ganz oder teilweise abgesehen werden, wenn dies im öffentlichen Interesse geboten sei. Ein öffentliches Interesse an einer Gebührenbefreiung sei nur zu bejahen, wenn aus sozialpolitischen, bildungspolitischen oder strukturpolitischen Gründen der Gemeinde auf die Erhebung einer Verwaltungsgebühr verzichtet werden sollte. Aus dem Antrag der Klägerin vom 3. Dezember 2001 sei nicht ersichtlich gewesen, dass es sich um eine Veranstaltung gegen den geplanten Marsch der Jungen N. gehandelt habe. Diese Veranstaltung sei auch gar nicht durchgeführt worden. Aus dem Antrag der Klägerin musste geschlossen werden, dass es sich um einen Zeitungsverkauf im Interesse der Klägerin gehandelt habe. Daran bestehe kein öffentliches Interesse. Das Recht der Klägerin auf Mitwirkung führe nicht dazu, dass Gemeindeflächen unentgeltlich zur Verfügung zu stellen sind und dass auf die Erhebung von Verwaltungsgebühren verzichtet werden müsse.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Streitakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat keinen Erfolg. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin daher nicht in ihren Rechten.
Die erhobene Verwaltungsgebühr findet ihre Rechtsgrundlage in der Satzung der Stadt O.-S. über die Erhebung von Verwaltungskosten im eigenen Wirkungskreis (Verwaltungskostensatzung vom 28.02.1994). Nach § 1 dieser Satzung werden für Amtshandlungen und sonstige Verwaltungstätigkeiten im eigenen Wirkungskreis der Stadt Gebühren und Auslagen (Kosten) erhoben, wenn die Beteiligten hierzu Anlass gegeben haben. Die Höhe der Kosten bemisst sich gemäß § 2 der Satzung nach dem Kostentarif, der Bestandteil der Satzung ist. Gemäß Tarif-Nr. 6 werden für Genehmigungen, Erlaubnisse, Ausnahmebewilligungen und andere zum unmittelbaren Nutzen der Beteiligten vorgenommene Verwaltungstätigkeiten, wenn keine andere Gebühr vorgeschrieben ist, 5,11 bis 511,29 Euro bzw. 10,00 bis 1.000,00 DM erhoben. Nach § 3 der Verwaltungskostensatzung ist dann, wenn für den Ansatz von Gebühren durch den Kostentarif ein Rahmen bestimmt ist, bei der Festsetzung der Gebühr das Maß des Verwaltungsaufwandes sowie der Wert des Gegenstandes zur Zeit der Beendigung der Verwaltungstätigkeit zu berücksichtigen. Die Beklagte orientiert sich bei der Erteilung von Sondernutzungserlaubnissen regelmäßig an der Höhe, die sich bei Erteilung einer solchen nach dem Straßen- und Wegegesetz aus der Verordnung über die Gebühren und Auslagen für Amtshandlungen und Leistungen (Allgemeine Gebührenordnung - AllGO -) vom 05.06.1997, Nds. GVBl. S. 171, zuletzt geändert am 19.12.2001, Nds. GVBl. S. 826, ergibt. Nach der Tarif-Nr. 91.5.1 AllGO ergibt sich ebenfalls eine Gebühr in Höhe von 35,70 Euro. Die Heranziehung dieser Vorschrift erscheint sachgerecht, weil es sich auch hier lediglich um die Verwaltungskosten, nicht etwa um die Sondernutzungsgebühren selbst handelt.
Besonders zu berücksichtigende, im vorliegenden Fall eine abweichende Festsetzung rechtfertigende Gründe lagen nicht vor. Zwar bestimmt § 5 Abs. 2 der Verwaltungskostensatzung der Beklagten in Anlehnung an § 4 Abs. 3 NKAG, dass von der Erhebung einer Gebühr außer in den in Abs. 1 genannten Fällen ganz oder teilweise abgesehen werden kann, wenn daran ein öffentliches Interesse besteht. Ein derartiges öffentliches Interesse ergibt sich zunächst nicht daraus, dass es sich bei der Klägerin um eine Partei im Sinne des Artikels 21 GG handelt. Die persönliche Gebührenfreiheit ist in § 5 Abs. 1 Ziffer 5 a und b der Verwaltungskostensatzung der Beklagten in Anlehnung an § 4 Abs. 2 a und b NKAG geregelt. Die Klägerin zählt ersichtlich nicht zu dem Kreis der in diesen Vorschriften bezeichneten öffentlich-rechtlichen Personen. Dieser Kreis kann auch nicht auf die Parteien wegen des Parteienprivilegs generell erweitert werden. Dies wäre allein Aufgabe des Gesetzgebers bzw. des Satzungsgebers gewesen. Der Gesetzgeber bzw. der Satzungsgeber ist aber auch von Verfassungs wegen nicht verpflichtet, der Klägerin Gebührenfreiheit zu gewähren. Zwar ist die Tätigkeit der politischen Parteien gemäß Artikel 21 GG besonders geschützt (Parteienprivileg), dies bedeutet jedoch keinesfalls, dass daraus ein Anspruch auf Gebührenfreiheit hergeleitet werden kann. Vielmehr haben die Parteien gemäß § 1 Abs. 4 Parteiengesetz die ihnen zur Verfügung stehenden Mittel ausschließlich für die ihnen nach dem Grundgesetz und dem Parteiengesetz obliegenden Aufgaben einzusetzen. Zu diesen Aufgaben gehört gerade auch die Pflicht zur Information der Bevölkerung, z.B. durch Info-Stände und Broschüren. Die Beklagte als Trägerin öffentlicher Gewalt ist gemäß § 5 Parteiengesetz allein gehalten, alle Parteien auch hinsichtlich der Erhebung von Verwaltungskosten gleich zu behandeln. Ein darüber hinausgehender Anspruch auf Befreiung oder Erlass von Verwaltungskosten könnte sich allenfalls dann ergeben, wenn der Gebührenerhebung eine derart erdrückende Wirkung beikäme, dass die Partei in ihrem geschützten Bereich so beeinträchtigt wird, dass sie sich an der Willensbildung nicht mehr beteiligen kann. Das ist aber im vorliegenden Fall ersichtlich nicht der Fall. Allerdings hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung zu Recht darauf hingewiesen, dass kleinere Parteien, die keine Wahlkampfkostenerstattung bekommen, von einer Gebühr in der hier festgesetzten Höhe jedenfalls dann erheblich beeinträchtigt sein können, wenn diese des Öfteren oder gar regelmäßig Info-Stände aufstellen wollen. In einem Fall, in dem die Regelmäßigkeit vorhersehbar ist und jeweils der gleiche öffentliche Verkehrsraum in Anspruch genommen werden soll, wird die Beklagte insoweit gehalten sein, eine erhebliche Ermäßigung der Kosten vorzunehmen. Das folgt daraus, dass es sich hier nicht um eine Sondernutzungsgebühr handelt, sondern um Verwaltungskosten. Der Aufwand steigt aber in einem solchen Fall nicht für jeden Fall der Inanspruchnahme. In einem derartigen Fall dürfte allenfalls eine Verdoppelung der regelmäßig zu erhebenden Kosten für einen einmaligen Fall in Betracht kommen. Hier lag eine solche regelmäßige Inanspruchnahme aber nicht vor und war auch nicht beantragt. Die Klägerin kann die Befreiung von der Gebühr auch nicht daraus herleiten, dass der Info-Stand der Klägerin sich gegen einen Aufmarsch der N. richtete. Abgesehen davon, dass die Klägerin diesen Zweck der Beklagten in ihrem Antrag nicht mitgeteilt hat und dass dieser Aufmarsch tatsächlich nicht stattgefunden hat, ergibt sich dies auch daraus, dass es der Beklagten bei der Erteilung von Sondernutzungserlaubnissen und der Erhebung von Verwaltungskosten nicht zusteht, die politischen Inhalte zu bewerten und nach ihrem Ermessen zu begünstigen. Vielmehr ist auch insoweit von dem Gleichbehandlungsgrundsatz auszugehen, der seine Grenze allenfalls dann findet, wenn es sich um eine verfassungswidrige Tätigkeit eines Beteiligten handelt.
Die Klage hat daher keinen Erfolg und war mit der sich aus § 154 Abs. 1 VwGO ergebenden Kostenfolge abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.