Verwaltungsgericht Stade
Urt. v. 28.08.2002, Az.: 4 A 1044/01

Eingliederungshilfe; Kraftfahrzeug

Bibliographie

Gericht
VG Stade
Datum
28.08.2002
Aktenzeichen
4 A 1044/01
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2002, 43526
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Eingliederungshilfe für die Anschaffung eines Kraftfahrzeuges.

Tatbestand:

1

Die Klägerin begehrt von dem Beklagten, ihr im Rahmen der Eingliederungshilfe eine Beihilfe für die Anschaffung eines Kraftfahrzeuges zu gewähren.

2

Die am 17. August 1975 in V. mit einem Herzfehler geborene Klägerin ist türkische Staatsangehörige und leidet seit einer (dritten) im Januar 1990 durchgeführten Herzoperation, nach der sie acht Wochen im Koma gelegen hatte, an einer schweren celebralen Schädigung, und zwar unter anderem an einer rechtsbetonten spastischen Tetraplegie (= gleichzeitige Lähmung aller vier Gliedmaßen) sowie einem Zustand nach Aphasie (= Verlust des Sprechvermögens infolge Erkrankung des Sprachzentrums im Gehirn) und Apraxie (= durch zentrale Störungen bedingte Unfähigkeit, sinnvolle und zweckmäßige Bewegungen auszuführen). Sie ist geistig, körperlich und seelisch zu 100 % mit den Merkmalen "aG" (außergewöhnliche Gehbehinderung), "H" (Hilflosigkeit) und "B" (ständige Begleitung notwendig) behindert und auf die Nutzung eines Rollstuhles angewiesen.

3

Nachdem sie in der Zeit vom 5. Juni 1990 bis zum 18. März 1992 sowie vom 21. Juli 1993 bis zum 10. November 1993 stationär in dem Neurologischen Rehabilitationszentrum für Kinder und Jugendliche der Einrichtung F. in B. behandelt worden war, besuchte sie anschließend - ebenfalls in B. - die L.-S.-Schule, eine Sonderschule für Körperbehinderte. Am 1. September 1996 wurde die Klägerin in den Arbeitstrainingsbereich der von der Lebenshilfe betriebenen Werkstatt für Behinderte (W.-A.-Werkstätten) in V. aufgenommen. Seit dem 1. September 1998 ist sie im dem Arbeitsbereich der W.-A.-Werkstätten beschäftigt, wobei die Kosten dieser Beschäftigung aus Mitteln der Eingliederungshilfe getragen werden. Neben ihrem Werkstattlohn erhält die Klägerin seit September 1999 ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt. Sie lebt bei ihren Eltern in V.-E. und wird von diesen betreut und versorgt. Der Transport zu den W.-A.-Werkstätten erfolgt durch den Fahrdienst der Lebenshilfe und dessen Kosten werden ebenfalls aus Eingliederungshilfemitteln getragen.

4

Bereits im Oktober 1993 hatte der Vater der Klägerin, der zu ihrem Betreuer bestellt ist, eine Kraftfahrzeugbeihilfe für den Erwerb eines gebrauchten Toyota-Busses beantragt. Diesen Antrag lehnte das Nds. Landesamt für Zentrale Soziale Aufgaben (Landessozialamt) durch Bescheid vom 10. März 1994 ab. Der hiergegen erhobene Widerspruch wurde am 7. Juni 1995 zurückgenommen.

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Am 8. September 2000 beantragte der Betreuer der Klägerin erneut eine Beihilfe für die Anschaffung eines Kraftfahrzeuges, wobei er darauf hinwies, dass er nach der erstmaligen Ablehnung im Jahre 1994 das Kraftfahrzeug aus eigenen Mitteln habe kaufen können, nun aber arbeitslos sei und keinen finanziellen Spielraum mehr habe.

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Der Beklagte lehnte die beantragte Kraftfahrzeugbeihilfe nach vorheriger Anhörung durch Bescheid vom 9. April 2001 ab und begründete dies unter anderem wie folgt: Nach § 8 Eingliederungshilfeverordnung zu § 47 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) - EinglHVO - gelte die Hilfe zur Beschaffung eines Kraftfahrzeuges als Hilfe im Sinne des § 40 Abs. 1 Nr. 2 BSHG. Sie werde in angemessenem Umfang geleistet, wenn der Antragsteller wegen Art und Schwere der Behinderung zum Zwecke seiner Eingliederung - vor allem in das Arbeitsleben - auf die Benutzung eines Kraftfahrzeuges angewiesen sei. Hinsichtlich des Eingliederungszweckes werde durch die Verwendung des Tatbestandsmerkmales "vor allem in das Arbeitsleben" deutlich gemacht, dass hierin der Schwerpunkt der Versorgung mit einem Kraftfahrzeug liege. Damit seien zwar andere Gründe nicht von vornherein ausgeschlossen, sie müssten jedoch mindestens vergleichbar gewichtig sein. Dazu gehöre, dass die Notwendigkeit der Benutzung ständig, also in der Regel täglich, und nicht nur vereinzelt oder gelegentlich bestehe. Die Klägerin sei in dem Arbeitsbereich der Werkstatt für Behinderte tätig und eine Eingliederung in das Arbeitsleben sei insoweit bereits erfolgt. Eine Vermittelbarkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sei aufgrund der bei ihr vorliegenden Behinderung nicht möglich. Die Fahrten zur Werkstatt für Behinderte würden bereits durch den Einsatz eines Fahrdienstes aus Mitteln der Eingliederungshilfe sichergestellt. Vergleichbar gewichtige Gründe, die einer Eingliederung in das Arbeitsleben entsprächen, seien im Falle der Klägerin nicht gegeben. Fahrten zum Arzt und zu ärztlich verordneten Maßnahmen fielen in die Zuständigkeit der gesetzlichen Krankenkasse. Soweit nach § 40 Abs. 1 Nr. 8 BSHG eine Maßnahme der Eingliederungshilfe die Hilfe zur Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft sei, gehörten hierzu nach § 19 EinglHVO vor allem Maßnahmen, die geeignet seien, dem Behinderten die Begegnung und den Umgang mit Nichtbehinderten zu ermöglichen oder zu erleichtern sowie die Hilfe zum Besuch von Veranstaltungen oder Einrichtungen, die der Geselligkeit, der Unterhaltung oder kulturellen Zwecken dienten. Dies bedeute aber nicht, dass für solche Zwecke eine Hilfe zur Beschaffung eines ständig zur Verfügung stehenden Kraftfahrzeuges geleistet werden müsse. Der von Zeit zu Zeit anfallende Fahrbedarf zur Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft oder aus Anlass von Besorgungen sei anderweitig abzudecken, zum Beispiel durch die Inanspruchnahme eines Behindertenfahrdienstes. In seinem Zuständigkeitsbereich führe das Deutsche Rote Kreuz - Kreisverband V. e. V. - einen Fahrdienst für Behinderte durch, den auch die Klägerin in Anspruch nehmen könne.

7

Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 10. Mai 2001 Widerspruch ein und begründete diesen wie folgt: Sie nehme neben der Arbeit in der Werkstatt für Behinderte noch zahlreiche andere Termine wahr, die sie aufgrund ihrer Behinderung nur durch die Inanspruchnahme eines Kraftfahrzeuges erreichen könne. Monatlich kämen mindestens 28 Fahrten zusammen, und zwar acht Fahrten zur Krankengymnastik, vier Fahrten zum türkischen Sprachunterricht, mindestens drei Fahrten zum Arzt, mindestens fünf bis sechs Einkaufsfahrten, ein Friseurbesuch und fünf bis sechs Freundschaftsbesuche am Wochenende oder abends. Sie müsse demnach im Monat annähernd bzw. mehrmals täglich ein Kraftfahrzeug in Anspruch nehmen. Die Fahrten seien jeweils wegen ihrer Behinderung mit einem enormen Aufwand verbunden und stellten auch für ihre Betreuer eine hohe Belastung dar. Es wäre daher nicht nur eine große Erleichterung für sie und ihre Betreuer, wenn diese Ziele, wie bisher, eigenständig und unkompliziert mit einem eigenen Kraftfahrzeug erreicht werden könnten, sondern der Einsatz eines Kraftfahrzeuges sei darüber hinaus unabdingbar erforderlich, um ihr eine Teilnahme am Leben in der Gesellschaft zu ermöglichen.

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Den Widerspruch der Klägerin wies das Landessozialamt durch Widerspruchsbescheid vom 10. Juli 2001, zugestellt am 11. Juli 2001, zurück, wobei im Wesentlichen die Begründung in dem angefochtenen Ablehnungsbescheid des Beklagten wiederholt und vertieft wurde.

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Die Klägerin hat am 13. August 2001 (Montag) Klage erhoben und wiederholt zur Begründung ihr bisheriges Vorbringen: Ergänzend macht sie unter anderem geltend:

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Bei den Benutzungsanlässen, die nicht im Zusammenhang mit ihrer Erkrankung und Behinderung stünden, handele es sich um typische, für einen Nichtbehinderten zum normalen Leben in der Gemeinschaft gehörende Fahrten und Anlässe. Dies gelte insbesondere für die am Wochenende und abends erfolgenden Besuche bei Freunden und Bekannten sowie die Besuche von kulturellen Veranstaltungen. Sie und ihre Familie seien fest in das kulturelle Leben der türkischen Gemeinde in der Bundesrepublik Deutschland eingebunden und nähmen regelmäßig an entsprechenden kulturellen Veranstaltungen im näheren, noch erreichbaren Umfeld um ihren Wohnort herum teil. Für ihre Gesamtpersönlichkeit, ihre Psyche und ihr gesamtes Krankheitsbild seien die regelmäßigen sozialen Kontakte, die ausschließlich aufgrund des erforderlichen täglichen Einsatzes eines Pkw möglich seien, wenigstens ebenso bedeutsam wie ihre berufliche Tätigkeit, deren Erreichen unstreitig durch den Fahrdienst gesichert werde. Ohne täglichen Einsatz eines ihr persönlich zur Verfügung stehenden Pkw, wobei ihr Vater und andere Familienmitglieder jederzeit als Fahrer eingesetzt werden könnten, müsse sie ihre sozialen Kontakte derart einschränken, dass ein normales, einem Nichtbehinderten ähnliches Leben nicht mehr möglich wäre.

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Im Übrigen würden entgegen der Vermutung des Beklagten Fahrten zum Arzt und sonstige im Rahmen der Krankenhilfe erforderliche Fahrten nicht über die Krankenversicherung abgedeckt. Ihr Betreuer habe schon früher wegen der Übernahme der Transportkosten unter anderem bei der AOK V. nachgefragt und sei abschlägig beschieden worden. Sie verweise insoweit auch auf eine Auskunft der AOK V. vom 25. Februar 2002, wonach bei ihr zwar notwendige Fahrten zum Arzt übernommen würden, bei ambulanten Fahrten zum Arzt gelte dies aber nur, wenn durch die Behandlung ein stationärer Aufenthalt vermieden oder verkürzt werde. Bei ihren Arztfahrten handele es sich aber weit überwiegend um solche ambulante Fahrten, für die eine Erstattung durch die AOK V. nicht zu erwarten sei. Auch die Inanspruchnahme des Behindertenfahrdienstes sei aufgrund organisatorischer Schwierigkeiten nicht in dem erforderlichen Umfange möglich.

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Die Klägerin beantragt,

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den Bescheid des Beklagten vom 9. April 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Nds. Landesamtes für Zentrale Soziale Aufgaben vom 10. Juli 2001 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihr die beantragte Kraftfahrzeugbeihilfe zu gewähren,

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hilfsweise,

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den Beklagten unter Aufhebung der Bescheide zu verpflichten, sie erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden,

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

18

Er erwidert im Wesentlichen:

19

Die Klägerin nehme für die berufliche Tätigkeit in der Werkstatt für Behinderte seinen Fahrdienst in Anspruch. Die Notwendigkeit, ein Kraftfahrzeug für berufliche Zwecke vorzuhalten, bestehe damit nicht. Fahrten zum Arzt oder sonstige im Rahmen der Krankenhilfe erforderliche Fahrten würden über die Krankenversicherung abgedeckt. Weiterhin habe die Klägerin die Möglichkeit, den in seinem Bereich existierenden DRK-Behindertenfahrdienst in Anspruch zu nehmen, der von ihr - auch für private Zwecke - genutzt werden könne. Das Maß der Nutzung eines Pkw würde sich folglich für die Klägerin, die im Übrigen keinen Führerschein besitze, auf Besuche und Veranstaltungen reduzieren, die sie außerhalb der Grenzen des Fahrbereichs des DRK-Fahrdienstes erreichen möchte. Die Klägerin stehe aber keineswegs ohne familiäre und verwandtschaftliche/freundschaftliche Hilfe da, so dass davon auszugehen sei, dass ihr auch Hilfe über Dritte zuteil werde, um so auch zu weiter entfernten kulturellen Veranstaltungen und Freunden zu gelangen. Schließlich sei der Wohnbereich der Klägerin in E. auch an das Stadtbusnetz der V. Verkehrsbetriebe (Linie 113) angeschlossen, deren Busse nahezu alle rollstuhlgerecht (Niederflurfahrzeuge ohne Stufen mit Ausfahrmöglichkeit für den Einstiegsbereich - Neerlingsystem -) ausgestattet seien, wobei allerdings eine Begleitperson, die den Rollstuhl anlifte, erforderlich sei, weil die Haltestellen keine erhöhten Einstiegsrampen hätten.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten (Beiakten A und B) und des Landesozialamtes (Beiakte C) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist unbegründet.

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Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 9. April 2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides des Landesozialamtes vom 10. Juli 2001 erweist sich als rechtmäßig und verletzt die Klägerin daher nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

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Die Klägerin gehört, was auch zwischen den Beteiligten nicht umstritten ist, zu dem Personenkreis des § 39 Abs. 1 Satz 1 BSHG, dass heißt, aufgrund ihrer wesentlichen Behinderung hat sie Anspruch auf Gewährung von Eingliederungshilfe. Maßnahmen der Eingliederungshilfe sind nach § 40 Abs. 1 BSHG unter anderem die Versorgung mit Körperersatzstücken sowie mit orthopädischen oder anderen Hilfsmitteln (Nr. 2). Die Hilfe zur Beschaffung eines Kraftfahrzeuges gilt gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 EinglHVO als Hilfe im Sinne des § 40 Abs. 1 Nr. 2 BSHG. Zur Auslegung dieser Vorschriften hat das Nds. Oberverwaltungsgericht unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 8. Mai 1995 (12 L 5683/94) folgende Feststellungen getroffen, denen sich die erkennende Kammer anschließt:

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Nach § 8 Abs. 1 Satz 2 EingliederungshilfeVO ist eine Hilfe zur Beschaffung eines Kraftfahrzeuges an einen Behinderten dann - in angemessenem Umfang - zu gewähren, wenn der Behinderte wegen Art und Schwere seiner Behinderung zum Zwecke seiner Eingliederung, vor allem in das Arbeitsleben, auf die Benutzung eines Kraftfahrzeuges angewiesen ist. Hieraus ergibt sich, daß die Anschaffung eines Kraftfahrzeuges, mag diese für einen Behinderten wie den Kläger im Interesse der Aufrechterhaltung seiner Mobilität auch wünschenswert sein, nicht ohne weiteres aus Mitteln der Sozialhilfe zu fördern ist. Vielmehr muß für die Benutzung eines Kraftfahrzeuges eine Notwendigkeit gegeben sein (BVerwG, Urt. v. 27. Oktober 1977 - BVerwGE 55, 31 (33) = FEVS 26, 89). Auch wird der Eingliederungszweck durch die vom Verordnungsgeber in § 8 Abs. 1 Satz 2 EingliederungshilfeVO gewählte Formulierung, "vor allem in das Arbeitsleben", dahingehend eingeengt, daß zwar andere Gründe als die (Wieder-)Eingliederung in das Arbeitsleben nicht von vorneherein ausgeschlossen sind, daß diese anderen Gründe für eine Kraftfahrzeugbenutzung durch den Behinderten aber zumindest vergleichbar gewichtig wie die Teilnahme am Arbeitsleben, auf dem der Schwerpunkt der Versorgung mit einem Kraftfahrzeug nach dem Willen des Verordnungsgebers liegt (BVerwG, Urt. v. 27. Oktober 1977, aaO), sein müssen. Kommt somit der Benutzung eines Kraftfahrzeuges als Transportmittel von und zum Arbeitsplatz Leitbildfunktion zu, so bedeutet dies auch, daß der Behinderte, der ein Kraftfahrzeug zu anderen Zwecken als zur Eingliederung in das Arbeitsleben benutzen will, in ähnlicher Weise auf die Benutzung des Kraftfahrzeuges wie ein Erwerbstätiger angewiesen sein muß, weshalb die Notwendigkeit der Benutzung des Kraftfahrzeuges für ihn nicht nur vereinzelt und gelegentlich, sondern ständig, d. h. regelmäßig bestehen muß (vgl. BVerwG, Urt. v. 27. Oktober 1977, aaO):

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Ob die Klägerin hier wegen der von ihr angeführten Fahrten zum Zwecke der Eingliederung auf die Benutzung eines Kraftfahrzeuges angewiesen ist, muss in diesem Rechtsstreit nach den tatsächlichen Verhältnissen in der Zeit vom 8. September 2000 (Antragstellung) bis zum 11. Juli 2001 (Erlass des Widerspruchsbescheides) beurteilt werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 2. 11. 1993 - 5 C 25/91 -, FEVS 44, 441).

26

Nach den Verhältnissen in dem genannten Zeitraum und unter Berücksichtigung der rechtlichen Maßstäbe war die Klägerin nicht zum Zwecke der Eingliederung auf die Benutzung eines (eigenen) Kraftfahrzeuges angewiesen. Dazu im Einzelnen:

27

Um die Eingliederung in das Arbeitsleben geht es der Klägerin erkennbar nicht und kann es ihr auch nicht gehen, weil sie bereits seit September 1998 in dem Arbeitsbereich der von der Lebenshilfe in V. betriebenen Werkstatt für Behinderte (W.-A.-Werkstätten) beschäftigt ist und eine Vermittlung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt aufgrund der Schwere und der Vielzahl der bei ihr gegebenen Behinderungen von vornherein ausscheidet. Da aber der Transport zu ihrer Arbeitsstätte durch den von dem Beklagten aus Eingliederungshilfemitteln finanzierten Fahrdienst der Lebenshilfe sichergestellt ist, müssen im Falle der Klägerin die Gründe für die Benutzung eines Kraftfahrzeuges gegenüber dem Zweck der Eingliederung in das Arbeitsleben zumindest vergleichbar gewichtig sein. Vergleichbar gewichtig kann zwar die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft im Sinne der §§ 39 Abs. 3 Satz 2, 40 Abs. 1 Nr. 8 BSHG sein, die gemäß § 19 EinglHVO (in der bis zum 19. 6. 2001 geltenden Fassung, danach weggefallen, vgl. BGBl. I S. 1046) unter anderem einerseits Maßnahmen, die geeignet sind, dem Behinderten die Begegnung und den Umgang mit nichtbehinderten Personen zu ermöglichen, zu erleichtern oder diese vorzubereiten (Nr. 1), und andererseits Hilfe zum Besuch von Veranstaltungen oder Einrichtungen, die der Geselligkeit, der Unterhaltung oder kulturellen Zwecken dienen (Nr. 2), umfasst. Hier dienen die von der Klägerin für die Benutzung eines Kraftfahrzeuges angeführten (durchschnittlich) 28 Fahrten im Monat aber diesen Eingliederungszweck entweder gar nicht oder jedenfalls nicht in dem erforderlichen Umfang einer ständigen Angewiesenheit auf ein Kraftfahrzeug.

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Soweit sich die Klägerin auf Fahrten zum Arzt (3 x im Monat) und zur Krankengymnastik (8 x im Monat) beruft, gehören diese Fahrten nicht zur Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft, sondern sind zur Erhaltung und/oder Besserung ihres Gesundheitszustandes erforderlich, so dass die damit im Zusammenhang stehenden Fahrtkosten im Rahmen der §§ 60 ff. Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) - Gesetzliche Krankenversicherung - von der Krankenkasse zu tragen sind und daher in diesem Zusammenhang bereits der Nachranggrundsatz des § 2 Abs. 1 BSHG greift. Demgegenüber kann sich die Klägerin nicht mit Erfolg auf die Auskunft der AOK V. vom 25. Februar 2002 berufen, weil diese Auskunft die differenzierte gesetzliche Regelung nur unvollständig bzw. missverständlich wiedergibt. Nach der Grundnorm des § 60 Abs. 2 Satz 1 SBG V sind durch eine Krankenbehandlung verursachte Fahrtkosten von der Krankenkasse zwar nur bei bestimmten, in dieser Vorschrift ausdrücklich genannten Sachverhalten zu tragen, während sie im Übrigen grundsätzlich dem Verantwortungsbereich des Versicherten zugerechnet werden. Dies gilt aber nicht, wenn die Regelung des § 60 Abs. 2 Satz 2 SBG V eingreift. Danach hat die Kasse unabhängig von der Art der Leistung einzutreten, wenn die Kosten den Versicherten unzumutbar belasten würden, sei es, dass er wegen seines geringen Einkommens nach § 61 SGB V überhaupt keine Eigenleistungen erbringen kann oder dass die entstehenden Aufwendungen gemäß § 62 SGB V eine von der Einkommenshöhe abhängige Grenze der zumutbaren Eigenbelastung überschreiten (vgl. auch: Bundessozialgericht, Urt. v. 18. 2. 1997 - 1 RK 23/96 -, NZS 1997, 420).

29

Hinsichtlich der weiter geltend gemachten Einkaufsfahrten (6 x im Monat) und der einmaligen Fahrt aus Anlass eines Friseurbesuches ist ebenfalls nicht erkennbar, dass diese Fahrten dazu bestimmt sind, den Eingliederungszweck der §§ 40 Abs. 1 Nr. 8, 19 Nr. 1 und 2 EinglHVO zu erfüllen. Bei den Einkäufen und dem Friseurbesuch handelt es sich um einzelne für den Lebensunterhalt der Klägerin erforderliche Tätigkeiten. Es ist aber, wie auch § 11 Abs. 3 BSHG belegt, nicht Aufgabe der Eingliederungshilfe, den Lebensunterhalt eines Behinderten sicherzustellen (vgl. auch: VGH München, Urt. v. 13. 12. 1996 - 12 B 94.4117 -, m. w. N.).

30

Es bleiben danach im Falle der Klägerin im Monat aber nur noch zehn eingliederungshilferechtlich anerkennenswerte Fahrten, nämlich die im Zusammenhang mit dem türkischen Sprachunterricht (4 x) und dem Besuch von Freunden und Veranstaltungen (6 x) stehende Benutzung eines Kraftfahrzeuges. Legt man bei diesen Fahrten das oben beschriebene "Leitbild", wie es § 8 Abs. 1 Satz 2 EinglHVO aufweist, und die restriktive Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts an, so reichen durchschnittlich 2,5 Fahrten in der Woche nicht aus, um davon zu sprechen, solche Fahrten fänden "regelmäßig" und damit ständig statt.

31

Im Übrigen - und dies gilt unabhängig von dem konkreten Zweck der Fahrten - ist es für die Klägerin aber auch möglich und zumutbar, öffentliche Verkehrsmittel in Anspruch zu nehmen. Da nahezu alle in dem Stadtbusnetz der V. Verkehrsbetriebe eingesetzten Busse rollstuhlgerecht ausgestattet sind, kann sie mit der Linie 113 (E. - V.) über die unweit ihres Wohnbereiches (S. M.) gelegene Haltestelle " G. nicht nur in ca. 30 Minuten die V. Innenstadt, sondern über deren Endstation (ZOB) ebenso den benachbarten Bahnhof mit Anschluss an überörtliche Verkehrsverbindungen erreichen. Auch der Umstand, dass für das Anliften des Rollstuhles mangels erhöhter Einstiegsrampen an den Haltestellen eine Begleitperson erforderlich ist, stellt kein Problem dar, weil die Klägerin bei der Benutzung eines eigenen Kraftfahrzeuges gleichfalls zwingend - insbesondere als Fahrer - auf die Hilfe und Begleitung durch Andere angewiesen ist. Darüber hinaus steht ihr aber auch noch der in V. bestehende Behindertenfahrdienst des DRK zur Verfügung. Selbst wenn die Nutzung dieses Fahrdienstes mit gewissen Schwierigkeiten verbunden sein sollte, weil beispielsweise Anmeldungen ein bis zwei Tage vorher erfolgen müssen, also völlig spontane Besuche und Ausflüge ausscheiden, oder auch länger geplante Fahrten unter Umständen ausfallen oder verschoben werden müssen, wenn der Fahrdienst an einzelnen Tagen "ausgebucht" ist, rechtfertigt dies ebenso wenig wie der Umstand, dass die Stadtbusse nur Montag bis Samstag von ca. 5.40 Uhr bis ca. 19.30 Uhr verkehren, jedoch nicht, bei der Klägerin ein "Angewiesensein" auf ein Kraftfahrzeug anzunehmen. Die ständige und beliebige Verfügbarkeit eines Pkw in der eigenen Familie mag wünschenswert sein und auch zu einer Entlastung der die Klägerin betreuenden Familienangehörigen führen, eingliederungshilferechtlich spielt dies aber keine Rolle.