Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 10.09.2001, Az.: 5 MA 2142/01

amtsangemessene Beschäftigung; amtsgemäße Beschäftigung; konkret funktionelles Amt; Multivisceral-Transplantation; Professor; Universitätsprofessor

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
10.09.2001
Aktenzeichen
5 MA 2142/01
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2001, 40347
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 22.05.2001 - AZ: 3 B 3078/01

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Ein durch einstweilige Anordnung regelungsbedürftiges Recht eines Universitätsprofessors gegenüber seiner Universität, ihm die Durchführung einer Multivisceral-Transplantation (Leber und Dünndarm) zu ermöglichen, besteht nicht, wenn nicht glaubhaft gemacht ist, dass durch die Weisung, diese Operation nicht durchzuführen, das Recht, dem Amt im statusrechtlichen und abstrakt-funktionellen Sinn entsprechend ("amtsgemäß") beschäftigt zu werden, verletzt oder die Bestimmung des mit dem konkret-funktionellen Amt verbundenen Aufgabenbereiches ermessensfehlerhaft ist.

Tatbestand:

1

Ein Universitätsprofessor beabsichtigte bei einer seiner Patientinnen auf deren Wunsch eine kombinierte Leber-Dünndarm-Transplantation durchzuführen. Da ihm dies von seiner Universität untersagt wurde, beantragte er bei dem Verwaltungsgericht die Universität durch einstweilige Anordnung zu verpflichten, ihm diese Operation zu ermöglichen.

2

Das Verwaltungsgericht hat diesen Antrag abgelehnt.

3

Der gegen diese Entscheidung gerichtete Antrag auf Zulassung der Beschwerde hat ebenfalls keinen Erfolg gehabt.

Entscheidungsgründe

4

Entgegen der Auffassung des Antragstellers gehört die Durchführung einer kombinierten Leber-Dünndarm-Transplantation nicht zu dem Aufgabenbereich des ihm übertragenen Amtes im statusrechtlichen und abstrakt-funktionellen Sinne. Auch das dem Antragsteller übertragene Amt im konkret-funktionellen Sinne (Dienstposten) ist durch die Aufforderung, die beabsichtigte Transplantation bei der Patientin K. nicht durchzuführen, nicht betroffen. Deshalb ist die begehrte Regelungsanordnung (§ 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO) nur gerechtfertigt, wenn glaubhaft gemacht (§§ 123 Abs. 3 VwGO, 920, 294 ZPO) ist, dass zwischen dem Antragsteller und der Antragsgegnerin ein Rechtsverhältnis besteht, aus dem ein Anspruch des Antragstellers hergeleitet werden kann, ihm die beabsichtigte Operation zu ermöglichen.

5

Es bestehen keine ernstlichen Zweifel hinsichtlich der Annahme des Verwaltungsgerichts, dass ein solcher Anspruch nicht glaubhaft gemacht ist.

6

Mit Urkunde vom 20. April 1995 wurde der Antragsteller zum Universitätsprofessor der Besoldungsgruppe C 4 ernannt und ihm das Amt eines Universitätsprofessors für Transplantationschirurgie in Lehre, Forschung und Krankenversorgung an der Universität Göttingen übertragen. Nach § 50 Abs. 3 Satz 1 NHG richten sich Art und Umfang der wahrzunehmenden Aufgaben eines Professors nach der Ausgestaltung des Dienstverhältnisses und der Funktionsbeschreibung der Stelle. Die nähere Ausgestaltung des Dienstverhältnisses ergibt sich aus den Berufungsvereinbarungen. Das von dem Antragsteller zur Vorbereitung der Berufungsverhandlungen vorgelegte "Memorandum zur konzeptionellen Struktur der Abteilung für Transplantationschirurgie an der Georg-August-Universität Göttingen" vom 13. November 1993 ist nicht Gegenstand der Berufungsvereinbarungen geworden. In dem Berufungsprotokoll ist das Memorandum nicht erwähnt worden. Bei dem Memorandum handelt es sich um ein einseitiges Positionspapier des Antragstellers für seine Verhandlungen mit der Antragsgegnerin über seine Berufung. Diese Funktion wird deutlich aus dem an den Dekan des Fachbereichs Medizin gerichteten Scheiben vom 13. November 1993, in dem der Antragsteller auf das Memorandum hinweist, "das aus meiner Sicht im Wesentlichen grundsätzliche Gesichtspunkte für unsere Diskussion enthält". In dem Memorandum erläuterte der Antragsteller den Modellcharakter der neu aufzubauenden Abteilung für Transplantationschirurgie und die aus seiner Sicht zu verfolgenden Ziele. Auf S. 7 des Memorandums führte der Antragsteller aus, die zweite Phase (3 - 5 Jahre) solle der organisatorischen und inhaltlichen Konsolidierung der neu entwickelten klinischen und besonders wissenschaftlichen Strukturen dienen. Hierzu gehöre eine quantitative Ausweitung der klinischen Transplantationsaktivitäten, nämlich die Steigerung der Nieren- und Lebertransplantationen auf die angestrebten Zahlen (jeweils 50 - 80 pro Jahr) und andererseits Ausdehnung des Indikations- und Transplantationsspektrums, zum Beispiel Durchführung kombinierter Transplantationen mehrerer Organe, gegebenenfalls die Einrichtung von Pancreas-, Dünndarm- oder Multivisceraltransplantationen. Auf S. 8 bemerkte der Antragsteller, dass die Einführung der Transplantation anderer Organe (als Niere und Leber), wie Pancreas und Dünndarm, sowie auch die Übertragung mehrerer Organe (z.B. Niere und Leber, Multivisceraltransplantationen oder Kombination mit thorakalen Organen (Herz und/oder Lunge) unter anderem von medizinischen bzw. indikatorischen Erfordernissen, gemeinsamen Interessen und Möglichkeiten und auch der weiteren Entwicklung insgesamt abhängig sein werde. Von der Transplantation anderer Organe wie Dünndarm und auch von der gleichzeitigen Übertragung mehrerer Organe ist, wie die Niederschrift vom 20. Juli 1994 ausweist, bei dem Berufungsgespräch vom 15. Juli 1994 nicht mehr die Rede gewesen. Vielmehr sind hinsichtlich des Gebiets der hepatobilären Chirurgie zwischen der Abteilung Allgemeinchirurgie und der Abteilung Transplantationschirurgie folgende Zuständigkeiten festgelegt worden.

7

Abteilung Allgemeinchirurgie: Gallenblase und distale extrahepatische

8

Gallenwege,

9

Abteilung Transplantationschirurgie: Leber, proximale extrahepatische

10

Gallenwege und portalvenöses System.

11

Nicht gefolgt werden kann der Ansicht des Antragstellers, dass ihm mit der Übertragung der Zuständigkeit für die Chirurgie der Leber, der proximalen extrahepatischen Gallenwege und des portalvenösen Systems im Hinblick darauf, dass das portalvenöse System alle Blutgefäße umfasse, die aus dem gesamten Darmbereich das Blut in die Leber abführen, Leber, portalvenöses System und Darm eine anatomisch-funktionelle Einheit seien, auch die Aufgabe übertragen worden sei, Transplantationen der Leber und des Dünndarms durchzuführen. Da in den Berufungsvereinbarungen weder die Durchführung einer Dünndarm-Transplantation noch die Durchführung der Transplantation mehrerer Organe, wie sie der Antragsteller im vorliegenden Fall durchführen möchte, erwähnt sind, kann aus dem vom Antragsteller angenommenen anatomisch-funktionellen Zusammenhang zwischen dem portalvenösen System und dem Darmbereich nicht geschlossen werden, dass es zu dem mit seinem Amt verbundenen Aufgabenbereich gehört, die von ihm angestrebte Transplantation der Leber und des Dünndarms durchzuführen. Eine solche Operation stellt eine kombinierte Transplantation dar, die in dem Memorandum des Antragstellers als Pancreas-Dünndarm- oder Multivisceral-Transplantation bezeichnet und der 2. Phase (3 - 5 Jahre), also etwa der Zeit ab 1998 bis 2000, zugeordnet ist und -- wie es in dem Memorandum heißt -- "gegebenenfalls" eingerichtet werden soll. Die mit dem Zulassungsantrag geltend gemachte Behauptung, es handele sich um eine Standardmaßnahme, die lediglich einer der Erkrankung der Patientin angepassten Modifikation bedürfe, kann aus diesem Grund und auch deshalb nicht als glaubhaft gemacht angesehen werden, weil eine solche Operation in Deutschland bisher noch nicht durchgeführt wurde, lediglich in Großbritannien, Frankreich und den USA in wenigen Krankenhäusern erprobt wurde und es -- wie sich aus dem insoweit unwidersprochen gebliebenen Schreiben von P.. D. L.. vom 27. April 2001 ergibt -- der Praxis des Bereiches Humanmedizin der Antragsgegnerin entspricht, Dünndarm-Transplantationen im Kindesalter wegen der fehlenden Expertise, insbesondere hinsichtlich der postoperativen Versorgung an ein ausgewiesenes Zentrum im Ausland zu verweisen.

12

Aus diesen Umständen ergibt sich, dass die Aufforderungen vom 10. und 27. April 2001, die beabsichtigte Operation zu unterlassen, weder das Amt des Antragstellers im statusrechtlichen und abstrakt-funktionellen Sinne noch das Amt im konkret-funktionellen Sinne betreffen. Das Amt im statusrechtlichen und abstrakt-funktionellen Sinne ist nicht betroffen, weil weder die Zugehörigkeit zur Laufbahn noch die Besoldungsgruppe, noch die verliehene Amtsbezeichnung verändert worden sind und ihm auch nicht eine Tätigkeit zugewiesen oder vorenthalten ist, die -- gemessen an seinem statusrechtlichen Amt, seiner Laufbahn und seinem Ausbildungsstand, d. h. dem abstrakten Aufgabenbereich seines statusrechtlichen Amtes -- "unterwertig" ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.1.1991 -- 2 C 16.88 --, BVerwGE 87, 310, 315; Urt. v. 1.6.1995 -- 2 C 20.24 --, BVerwGE 98, 334, 337, in dem eine Tätigkeitszuweisung, die dazu führte, dass ein Oberarzt an einer Universitätsfrauenklinik praktisch bei Operationen und Tätigkeiten im Bereich der Geburtshilfe nicht mehr zum Einsatz kam, als das Amt im statusrechtlichen und abstrakt-funktionellen Sinne betreffend angesehen wurde).

13

Das Amt im konkret-funktionellen Sinne ist nicht betroffen, weil -- wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt -- die Durchführung einer kombinierten Leber- und Dünndarm-Transplantation dem dem Antragsteller übertragenen Dienstposten noch nicht zugewiesen war.

14

Der Antragsteller kann also den von ihm glaubhaft zu machenden Anspruch weder aus dem Recht auf "amtsgemäße" (BVerwGE 98, 337) Beschäftigung noch aus dem Recht auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Bestimmung des mit dem konkret-funktionellen Amt verbundenen Aufgabenbereiches (vgl. hierzu: BVerfG, Urt. v. 8.2.1977 -- 1 BvR 79, 278, 282/70 --, BVerfGE 43, 242, 282, 283; OVG Lüneburg, Beschl. v. 17.12.1992 -- 5 M 5479/92 --; Beschl. v. 14.2.2000 -- 5 M 520/00 --, DVBl. 2000, 713; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 12.5.1999 -- 4 S 660/99 --, IÖD 1999, 270; Beschl. v. 31.8.1989 -- 4 S 1428/89 --, DVBl. 1990, 263) herleiten.

15

Der glaubhaft zu machende Anspruch kann daher nur dann bestehen, wenn der Antragsteller einen Anspruch auf Veränderung der mit dem ihm übertragenen Dienstposten (Amt im konkret-funktionellen Sinne) verbundenen Aufgaben hat. Über eine solche von dem betroffenen Beamten angeregte Veränderung hat der Dienstherr ebenso wie über eine von ihm selbst für erforderlich gehaltene Veränderung nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Aus der vorstehend zitierten Rechtsprechung ergibt sich, dass das dem Dienstherrn eingeräumte Ermessen weit und es gerechtfertigt ist, eine solche Veränderung des Aufgabenkreises im Bereich der Krankenversorgung aus jedem sachlichen Grund abzulehnen. Als solche sachliche Gründe macht die Antragsgegnerin geltend: Es handele sich bei der beabsichtigen Operation um einen Eingriff, der am Bereich Humanmedizin bei der Universität G. noch nicht durchgeführt worden ist und lediglich als Beginn eines entsprechenden auch künftig fortzusetzenden Angebots, kombinierte Leber-Dünndarm-Transplantationen durchzuführen, gerechtfertigt sein könnte. Ein solches Programm gegenwärtig zu beginnen, sei aber nicht gerechtfertigt, weil die gegenwärtigen Planungen (Beschluss des Vorstands Humanmedizin; Struktur- und Entwicklungsplan, dem Fakultätsrat und Klinikkonferenz zugestimmt haben) die Auflösung der Abteilung Transplantationschirurgie zum 31. März 2002 vorsehe, insbesondere aber auch deswegen, weil eine lückenlose postoperative Betreuung gegenwärtig noch nicht gesichert sei und es gegenwärtig wegen der fehlenden Expertise der Praxis des Bereichs Humanmedizin entspreche, Dünndarm-Transplantationen im Kindesalter an ein ausgewiesenes Zentrum im Ausland zu verweisen.

16

Daran, dass dies sachliche Gründe im Sinne der dargestellten Ermessensentscheidung sind, besteht kein Zweifel. Dass diese Gründe in tatsächlicher Hinsicht nicht zutreffen, hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht.

17

Da -- wie sich aus dem Vorstehenden ergibt -- mit der begehrten einstweiligen Anordnung lediglich die Erweiterung des Aufgabenbereichs im Rahmen des dem Antragsteller zugewiesenen, im übrigen unveränderten Dienstpostens (Amt im konkret-funktionellen Sinne) erstrebt wird, kann auch unter dem Gesichtspunkt der Freiheit der Wissenschaft, Forschung und Lehre und der Therapiefreiheit (Art. 5 Abs. 3 GG, §§ 50,124 Abs. 5, 121 Abs. 2 Satz 3 NHG und 2 Abs. 1 BÄO) die Untersagung der beabsichtigten Operation angesichts der vorstehenden sachlichen Gründe nicht als ermessensfehlerhaft angesehen werden.

18

Da aus diesen Gründen eine tragfähige Rechtsgrundlage für den mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung geltend gemachten Anspruch nicht besteht, bedarf es keines Eingehens auf die vom Verwaltungsgericht erörterte und vom Antragsteller in seinem Zulassungsantrag in Zweifel gezogene Frage, ob der Vorstand des Bereichs Humanmedizin für die dem Antragsteller erteilte Weisung zuständig war. Denn der geltend gemachte Anspruch besteht -- wie sich aus dem Vorstehenden ergibt -- gegenüber der Antragsgegnerin nicht, unabhängig davon, ob der Vorstand des Bereichs Humanmedizin oder -- wie der Antragsteller meint -- der Präsident tätig zu werden hatte (vgl. BVerwG, aaO, BVerwGE 98, 334 [BVerwG 01.06.1995 - BVerwG 2 C 20/94], 336/337).

19

Die Beschwerde ist auch nicht wegen besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten oder wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Die Fragen zur Abgrenzung der verschiedenen Amtsinhalte (Amt im statusrechtlichen, Amt im abstrakt-funktionellen und konkret-funktionellen Sinne) sind -- wie sich aus dem Vorstehenden ergibt -- in der Rechtsprechung ebenso geklärt wie die Fragen, die das Ermessen des Dienstherrn bei Veränderung des Amtes im konkret-funktionellen Sinne (des Dienstpostens) betreffen. Deshalb weist die Rechtssache weder besondere rechtliche Schwierigkeiten auf noch hat sie -- unabhängig davon, ob dieses Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zur Klärung grundsätzlicher Fragen geeignet ist -- eine grundsätzliche Bedeutung. Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich auch, dass die Rechtssache auch in tatsächlicher Hinsicht keine besonderen Schwierigkeiten aufweist. Denn auch soweit medizinische Fragen Berücksichtigung gefunden haben, waren sie auf Grund der fachkundigen Äußerungen des Antragstellers und von P.. D.. L. in dem hier entscheidungserheblichen Umfang zu beantworten.