Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 07.03.2016, Az.: L 15 AS 185/15 B ER

Vorläufige Gewährung von SGB-II-Leistungen an EU-Ausländer; Leistungsausschluss; Verhinderung einer unangemessenen Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen; Keine obligatorische Hilfe zum Lebensunterhalt nach Maßgabe des Dritten Kapitels SGB XII; Kein regelhafter Anspruch auf Sozialhilfe für vom Anspruch auf Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II ausgeschlossene Ausländer bei Aufenthalt zur Arbeitsuche

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
07.03.2016
Aktenzeichen
L 15 AS 185/15 B ER
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2016, 12042
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2016:0307.L15AS185.15B.ER.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Bremen - 07.09.2015 - AZ: S 36 AS 1472/15 ER

Fundstellen

  • KommJur 2016, 7 (Pressemitteilung)
  • NZS 2016, 318
  • ZfSH/SGB 2016, 332-335

Redaktioneller Leitsatz

1. An seiner Rechtsprechung, dass der bei Fehlen eines anderweitigen Aufenthaltsrechts sowohl auf arbeitsuchende wie auf wirtschaftlich passive Unionsbürger anwendbare Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II in keinem dieser beiden Anwendungsfälle gegen EU-Recht verstößt und daher Leistungsansprüche nach dem SGB II wirksam ausschließt, hält der Senat fest.

2. Diese Frage ist nunmehr entschieden durch Urteil des EuGH vom 15. September 2015 (Rs. C-67/14); der 4. und der 14 Senat des BSG haben sich dem in ihrer neuesten Rechtsprechung angeschlossen.

3. Der EuGH hat ausgeführt, dass ein Unionsbürger Zugang zu Sozialleistungen - hierzu gehören auch die Leistungen nach dem SGB II - nur verlangen kann, wenn sein Aufenthalt im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaates die Voraussetzung der Richtlinie 2004/38 erfüllt.

4. Ließe man zu, dass Personen, denen kein Aufenthaltsrecht nach der Richtlinie 2004/38 zusteht, unter den gleichen Voraussetzungen wie Inländer Sozialleistungen beanspruchen könnten, liefe dies dem im zehnten Erwägungsgrund dieser Richtlinie genannten Ziel zuwider, eine unangemessene Inanspruchnahme der Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaates durch Unionsbürger zu verhindern.

5. Der weitergehenden Auffassung des BSG, dass der zuständige Sozialhilfeträger bedürftigen EU-Bürgern, die nach Ablauf eines sechsmonatigen Aufenthalts nicht oder nicht mehr über eine materielle Freizügigkeitsberechtigung zur Arbeitssuche verfügen, aufgrund einer Reduzierung des ihm insoweit nach § 23 Abs. 1 S. 3 SGB II eingeräumten Ermessens im Regelfall obligatorisch Hilfe zum Lebensunterhalt nach Maßgabe des Dritten Kapitels SGB XII zu gewähren hat, vermag sich der Senat nicht anzuschließen.

Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragsgegners hin wird der Beschluss des Sozialgerichts Bremen vom 7. September 2015 aufgehoben.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

Die gem. §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts (SG) Bremen vom 7. September 2015 ist begründet. Zu Unrecht hat das SG den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragstellern vorläufig und unter dem Vorbehalt der Rückforderung Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für die Zeit vom 1. September 2015 bis zum 29. Februar 2016 zu gewähren. Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86 b Abs. 2 S. 2 SGG haben nicht vorgelegen, da die Antragsteller einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht haben. Die 1989 geborene Antragstellerin zu 1) ist im Jahre 2014 aus ihrem Heimatstaat J. mit ihren dort im Juli 2010 und im Juni 2013 geborenen Söhnen, den Antragstellern zu 2) und 3), in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Sie wohnt seitdem in K. und hat hier am 26. Juli 2015 den Antragsteller zu 4) zur Welt gebracht. Keines der Kinder besucht bisher eine allgemeinbildende Schule. Zu dem ebenfalls aus J. stammenden Ehemann der Antragstellerin zu 1) bzw. Vater der Antragsteller zu 2) bis 4) besteht bereits seit längerem kein Kontakt mehr. Ein am 15. Januar 2015 von der Antragstellerin zu 1) begonnenes Arbeitsverhältnis als Bauhelferin bei der Fa. "L." kündigte der Arbeitgeber bereits zum 28. Februar 2015 wieder; laut Kündigungsschreiben vom 26. Februar 2015 (Bl. 135 d. Verwaltungsakte) aufgrund der Rücknahme eines aktuellen Bauauftrages. Einem Anspruch der Antragsteller auf Weiterbewilligung der ihnen wegen des o.g Arbeitsverhältnisses zuletzt noch bis zum 31. August 2015 gewährten SGB II-Leistungen steht der Ausschlussgrund nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II entgegen. Ausgenommen von Leistungen nach dem SGB II sind nach dieser Vorschrift Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt, und ihre Familienangehörigen. Die Antragsteller gehören zu diesem Personenkreis. Die Voraussetzungen für ein anderes Aufenthaltsrecht nach dem Freizügigkeitsgesetz/EU (FreizügG/EU) oder ggf. dem begrenzt subsidiär anwendbaren Aufenthaltsgesetz (vgl. hierzu Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 30. Januar 2013 - B 4 AS 54/12 R) liegen bei ihnen nicht vor. Da die Antragstellerin zu 1) in der Zeit ihres Aufenthaltes in der Bundesrepublik nicht für mehr als ein Jahr erwerbstätig gewesen ist und sich nicht bereits seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat, scheidet ein Daueraufenthaltsrecht nach § 4a Abs. 1 FreizügG/EU ebenso aus wie die unbefristete Fortwirkung eines Aufenthaltsrechts als Arbeitnehmerin gem. § 2 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 FreizügG/EU. Auch die Voraussetzung eines abgeleiteten Aufenthaltsrechts als Familienangehörige nach § 3 FreizügG/EU liegen nicht vor. Das SG hat zutreffend darauf hingewiesen, dass unter dem rechtlichen Gesichtspunkt früherer Erwerbstätigkeit allenfalls eine Fortgeltung des Arbeitnehmerstatus' im Anschluss an die o.g. Beschäftigung der Antragstellerin zu 1) als Bauhelferin bis zum 26. Februar 2015 in Betracht kommt. Ein fortgeltendes Aufenthaltsrecht als Arbeitnehmerin hat indes gem. § 2 Abs. 3 S. 2 FreizügG/EU wegen unfreiwilliger Arbeitslosigkeit lediglich für sechs Monate ab dem Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bestanden. Dementsprechend hat der Antragsgegner den Antragstellern, ohne dass dies rechtlich zu beanstanden ist, mit Bescheid vom 12. August 2015 (den seitens der Antragsteller hiergegen eingelegte Widerspruch hat der Antragsgegner bislang nicht beschieden) Leistungen über den 31. August 2015 hinaus versagt. Entgegen den Ausführungen des SG in dessen mit der vorliegenden Beschwerde angefochtenen Beschluss steht der Antragstellerin zu 1) ein darüber hinausgehender Leistungsanspruch weder in direkter noch in entsprechender Anwendung von § 2 Abs. 3 S. 1. Nr. 1 FreizügG/EU zu. Nach dieser Regelung bleibt das Aufenthaltsrecht für Arbeitnehmer und selbständig Erwerbstätige unberührt bei vorübergehender Erwerbsminderung infolge Krankheit oder Unfall. Es bedarf vorliegend keiner Entscheidung, ob der Rechtsansicht des SG zu folgen ist, wonach die bis zum 26. Juli 2015 währende Schwangerschaft der Antragstellerin zu 1) vorliegend einer krankheits- oder unfallbedingten vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit (vgl. hierzu Dienelt, in Renner, Ausländerrecht, 9. Auflage 2011, § 2 FreizügG/EU Rn. 86 f) gleichzusetzen ist, mit der Folge, dass schwangere Frauen, die ihre Erwerbstätigkeit oder Arbeitsuche wegen der körperlichen Belastungen im Spätstadium ihrer Schwangerschaft und nach der Geburt des Kindes aufgeben, die Arbeitnehmereigenschaft behalten, sofern sie innerhalb eines angemessenen Zeitraums nach der Geburt ihres Kindes ihre Beschäftigung wieder aufnehmen oder eine andere Stelle finden (so Tewocht in Beck scher Online-Kommentar, Ausländerrecht, Kluth/Heusch, 9. Edition, Stand: 01.11.2015, § 2 FreizügG/EU Rn. 46 unter Hinweis auf EuGH Urteil vom 19.6.2014 - C-507/12 - Saint Prix, wonach der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union -AEUV- dahin auszulegen ist, dass eine Frau, die ihre Erwerbstätigkeit oder Arbeitsuche wegen der körperlichen Belastungen im Spätstadium ihrer Schwangerschaft und nach der Geburt des Kindes aufgibt, die Arbeitnehmereigenschaft im Sinne dieser Vorschrift behält, sofern sie innerhalb eines angemessenen Zeitraums nach der Geburt ihres Kindes ihre Beschäftigung wieder aufnimmt oder eine andere Stelle findet). Vorliegend hat die Antragstellerin zu 1) weder ihre Beschäftigung als Bauhelferin zum 26. Februar 2015 wegen und im Spätstadium ihrer Schwangerschaft aufgeben müssen noch hat sie innerhalb eines angemessenen Zeitraums nach der Geburt des Antragstellers zu 4) ihre Beschäftigung wieder aufgenommen oder ein neues Beschäftigungsverhältnis begründet - auszugehen wäre diesbezüglich nach der o.g. Rechtsprechung des EuGH (juris, Rn. 41) anknüpfend an Art. 8 der Richtlinie 92/85/EWG des Rates vom 19. Oktober 1992 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz (zehnte Einzelrichtlinie im Sinne des Artikels 16 Absatz 1 der Richtlinie 89/391/EWG) (ABl. L 348, S. 1) von der Zeitdauer des Mutterschaftsurlaubs von mindestens 14 Wochen. Die Antragstellerin zu 1) hat die Wiederaufnahme einer mehr als nur unwesentlichen Erwerbstätigkeit bei der Fa. "L." nach der Geburt des Antragstellers zu 4) nicht glaubhaft gemacht. Der Senat vermag dem, nach zunächst erfolgter Vorlage eines von der Antragstellerin zu 1) und dem Arbeitgeber am 1. September 2015 unterschriebenen Arbeitsvertrages über eine Beschäftigung ab dem 1. September 2015 als Reinigungskraft, nunmehr mit einem am 1 August 2015 unterschriebenen "korrigierten" Arbeitsvertrag belegten Vortrag der Antragsteller, wonach die Antragstellerin zu1) bereits drei Tage nach der Entbindung des Antragstellers zu 4) zum 1. August 2015 ein erneutes - unstreitig bereits Ende September 2015 wieder beendetes - Arbeitsverhältnis als Bauhilfe bei dem genannten Betrieb aufgenommen habe, nicht zu folgen. Erhebliche Zweifel hieran ergeben sich neben der kurzen Zeitdauer zwischen der Geburt des Antragstellers zu 4) und der behaupteten Arbeitsaufnahme zum 1. August 2015 auch aus der Tatsache, dass die Antragstellerin zu 1) dieses Beschäftigungsverhältnis zum Zeitpunkt der Stellung ihres Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bei dem SG am 14. August 2015 nicht erwähnt hat, obgleich es zu diesem Zeitpunkt bereits vereinbart worden und auch begonnen haben soll. Für ein lediglich aus Gefälligkeit fingiertes Arbeitsverhältnis spricht auch die Tatsache, dass der Inhaber der Fa. M., der die Antragstellerin zu 1) bereits zu einer Vorsprache am 19. Februar 2015 bei dem Antragsgegner als Dolmetscher begleitet hat, gleichzeitig Vermieter der Antragsteller ist und der o.g. Betrieb unter der gleichen Anschrift wie der Wohnungsanschrift der Antragsteller firmiert. Da im Falle der Antragsteller andere sich aus dem FreizügG/EU oder dem AufenthG ergebende Aufenthaltsrechte nicht in Betracht kommen, ist nach alledem vom Vorliegen eines Leistungsausschlusses des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II auszugehen. An seiner Rechtsprechung, dass der bei Fehlen eines anderweitigen Aufenthaltsrechts sowohl auf arbeitsuchende wie auf wirtschaftlich passive Unionsbürger anwendbare Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II in keinem dieser beiden Anwendungsfälle gegen EU-Recht verstößt und daher Leistungsansprüche nach dem SGB II wirksam ausschließt, hält der Senat fest (grundlegend: Beschluss des Senats vom 15. November 2013 - L 15 AS 365/13 B ER). Diese Frage ist nunmehr entschieden durch Urteil des EuGH vom 15. September 2015 - Rechtssache N. - C-67/14). Der 4. und der 14 Senat des BSG haben sich dem in ihrer neuesten Rechtsprechung angeschlossen (Terminbericht Nr. 54/15 vom 3. Dezember 2015 - Urteile zu den Az. B 4 AS 59/13 R, B 4 AS 43/15 R und B 4 AS 44/15 R sowie Terminbericht Nr. 61/15 vom 16. Dezember 2015 Urteile zu den Az. B 14 AS 15/14 R, B 14 AS 17/14 R und B 14 AS 33/14 R). Nach den Vorabentscheidungen des EuGH vom 11. November 2014 (Rechtssache O. - C-333/13 -, Juris) und nunmehr vom 15. September 2015 (Rechtssache N., aaO.) hindert der Charakter der unterhaltssichernden Leistungen nach dem SGB II als "besondere beitragsunabhängige Geldleistungen" im Sinne von Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 einen Mitgliedsstaat dann nicht am Erlass von Regelungen, mit denen Staatsangehörige anderer Mitgliedsstaaten vom Bezug ausgeschlossen werden, wenn diesen kein Aufenthaltsrecht nach der Richtlinie 2004/38 (Freizügigkeitsrichtlinie; in Deutschland umgesetzt durch das FreizügG/EU) zusteht (EuGH, O., aaO., Rn. 69, 84, N., Rn. 49). Hiervon ist jedenfalls bei Unionsbürgern, die - z.B. mangels Ausübung einer mehr als unwesentlichen Arbeitstätigkeit (s.o.) - nicht über ausreichende Existenzmittel verfügen und keinen hinreichenden Bezug zum deutschen Arbeitsmarkt haben, auszugehen (EuGH, aaO., Rn. 66, 67, 78). Der Ausschluss der Antragsteller von unterhaltssichernden Leistungen nach dem SGB II stellt sich danach auch auf der Grundlage der o.g. Vorabentscheidungen des EuGH abschließend als europarechtskonform dar. Der EuGH hat vielmehr ausgeführt, dass ein Unionsbürger Zugang zu Sozialleistungen - hierzu gehören auch die Leistungen nach dem SGB II - nur verlangen kann, wenn sein Aufenthalt im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaates die Voraussetzung der Richtlinie 2004/38 erfüllt. Ließe man zu, dass Personen, denen kein Aufenthaltsrecht nach der Richtlinie 2004/38 zusteht, unter den gleichen Voraussetzungen wie Inländer Sozialleistungen beanspruchen könnten, liefe dies dem im zehnten Erwägungsgrund dieser Richtlinie genannten Ziel zuwider, eine unangemessene Inanspruchnahme der Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaates durch Unionsbürger zu verhindern (Urteil O., C-333/13, Rdnr. 74). Da die Antragsteller sich nicht auf ein anderes Aufenthaltsrecht nach dem FreizügG/EU oder dem AufenthG berufen können - die im FreizügG/EU geregelten Freizügigkeitstatbestände entsprechen den nach der Richtlinie 2004/38 geregelten Aufenthaltsrechten - ist mithin vom Vorliegen eines Leistungsausschlusses des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II auszugehen. Das Ergebnis des vorliegenden Eilverfahrens schließt einen Anspruch der Antragsteller auf Gewährung der in ihrem Einzelfall unabweisbar geboten Sozialhilfeleistungen gem. § 23 Abs. 1 S. 3 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) wegen einer besonderen Bedarfslage und eines diesbezüglich aus Art.1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 GG folgenden Anspruches auf Gewährleistung des soziokulturellen Existenzminimums nicht aus. Dieser Anspruch, bei dem es sich gegenüber dem im vorliegenden Verfahren geltend gemachten Anspruch auf ALG II um ein aliud handelt, wäre indes von den Antragstellern wegen seiner Abhängigkeit von einer auf den Einzelfall bezogenen Ermessensentscheidung beim Sozialhilfeträger unter Vorbringen der besonderen Umstände, die ihrer Ausreise ggf. auch längerfristig entgegenstehen, gesondert geltend zu machen, wobei nicht bereits der Umstand, dass Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums begehrt werden, eine Ermessenreduzierung auf Null begründet (vgl. hierzu Senatsbeschlüsse vom 15. November 2013, aaO., juris Rn. 66 f., vom 26. März 2014 - L 15 AS 16/14 B ER und vom 16. Oktober 2014 - L 15 AS 251/14 B ER - unter Hinweis auf BVerfG, Kammerbeschluss vom 12. Mai 2005, Az. 1 BvR 569/05). Von einer Beiladung des Sozialhilfeträgers ist deshalb abzusehen. Der weitergehenden Auffassung des BSG in dessen Urteil vom 3. Dezember 2015 (Az. B 4 AS 44/15 R, Rn. 36 ff bei juris, dem folgend der 14. Senat des BSG, Terminbericht Nr. 61/15 - betreffend das am 16. Dezember 2015 entschiedene Verfahren zum Az. B 14 AS 15/14 R -; LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 15. Januar 2016, Az. L 28 AS 3053/15 B ER; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 8. Dezember 2015, Az. L 8 SO 281/15 B ER; a.A. SG Berlin, Beschluss vom 11. Dezember 2015, Az. S 149 AS 7191/13, juris; LSG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 11. Februar 2016, Az. L 3 AS 668/15 B ER; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschl. v. 22. Februar 2016, Az. L 9 AS 1335/15 B ER), dass der zuständige Sozialhilfeträger bedürftigen EU-Bürgern, die nach Ablauf eines sechsmonatigen Aufenthalts nicht oder nicht mehr über eine materielle Freizügigkeitsberechtigung zur Arbeitssuche verfügen, aufgrund einer Reduzierung des ihm insoweit nach § 23 Abs. 1 S. 3 SGB II eingeräumten Ermessens im Regelfall obligatorisch Hilfe zum Lebensunterhalt nach Maßgabe des Dritten Kapitels SGB XII zu gewähren hat, vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Nach § 23 Abs. 3 S. 1 SGB II haben Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt, und ihre Familienangehörigen keinen Anspruch auf Sozialhilfe. Dieser Anspruchsausschluss gilt - nicht anders als derjenige gem. § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II - auch nach der Rechtsprechung des BSG (aaO., Rn. 19 ff und 48 bei juris) - "erst recht" für Ausländer, denen es an jeder materiellen Freizügigkeitsberechtigung fehlt, weil sie, ohne anderweitig freizügigkeitsberechtigt zu sein, keine Beschäftigung suchen oder dies nach Ablauf von sechs Monaten lediglich noch ohne fortdauernde Aussicht auf Erfolg tun. Soweit § 23 Abs. 1 S. 3 SGB XII vorsieht, dass auch solchen Ausländern Sozialhilfe geleistet werden kann, soweit dies im Einzelfall gerechtfertigt ist, lässt sich die Vereinbarkeit dieser Leistungsermächtigung mit dem Anspruchsausschluss gem. § 23 Abs. 3 S. 1 SGB XII allein darauf zurückführen, dass § 23 Abs. 1 S. 3 SGB XII gerade keinen Anspruch auf Sozialhilfe begründet, sondern lediglich eine auf Ausnahmefälle beschränkte Ermessensentscheidung des zuständigen Sozialhilfeträgers eröffnet (vgl. etwa Coseriu in jurisPK-SGB XII, § 23 SGB XII Rn. 75 sowie BSG, aaO., Rn. 51 m.w.N.). Bereits die Ausübung von Ermessen wird hierbei von § 23 Abs. 1 S. 3 SGB XII nach seinen insoweit eindeutigen tatbestandlichen Voraussetzungen nur dann erlaubt, wenn der Einzelfall sie rechtfertigt (vgl. Coseriu, aaO., Rn. 26). Soweit demgegenüber das BSG schon für den Regelfall eines mehr als sechs Monate währenden Aufenthalts eine Ermessensentscheidung des Sozialhilfeträgers nicht lediglich für eröffnet, sondern diese weitergehend im Sinne einer obligatorischen Sozialhilfegewährung für gebunden hält, wird zur Überzeugung des Senats die Reichweite der gesetzlichen Ermächtigung in § 23 Abs. 1 S. 3 SGB XII überschritten. Zugleich entsteht ein Widerspruch zu dem Anspruchsausschluss des § 23 Abs. 3 S. 1 SGB XII, da die Reichweite der vom BSG angenommenen Ermessensreduzierung den von § 23 Abs. 1 S. 3 SGB XII allenfalls vorgesehenen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung im Einzelfall zu einem regelhaften Leistungsanspruch aller EU-Bürger vom siebten Monat ihres Aufenthalts an verdichtet. Soweit sich das BSG bei der von ihm vertretenen Auslegung des § 23 Abs. 1 S. 3 SGB XII von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in dessen Urteil vom 18. Juli 2012 (Az. 1 BvL 10/10 u.a.) hat leiten lassen (BSG, aaO., Rn. 53, 57), lässt jene nach Auffassung des erkennenden Senats zudem auch die vom BSG vorgesehene Differenzierung zwischen einem Aufenthalt von bis zu sechs Monaten und einem darüber hinausgehenden Aufenthalt nicht zu. In der genannten Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass der Anspruch auf Gewährleistung des soziokulturellen Existenzminimums als Menschenrecht deutschen und ausländischen Staatsangehörigen gleichermaßen zustehe (aaO., Rn. 63), er seinem Umfang nach zwischen unterschiedlichen Gruppen Hilfebedürftiger nur dann differenzierend zu bemessen sei, wenn und soweit sich eine verschiedene Bedürfnislage feststellen lasse (aaO., Rn. 74) und er im Übrigen der Konkretisierung durch vom Gesetzgeber auszugestaltende Normen bedürfe (aaO., Rn. 64 ff). Soweit sich heraus Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des grundsätzlichen Anspruchsausschlusses nach § 23 Abs. 3 S. 1 SGB XII und seiner Ergänzung durch die auf Einzelfälle beschränkte Ermächtigung zu einer Leistungsgewährung nach Ermessen in § 23 Abs. 1 S. 3 SGB XII ergeben würden, wären diese nicht auf EU-Bürger mit einem Aufenthalt von mehr als sechs Monaten beschränkt; denn nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind die Anforderungen der Art. 1 Abs. 1 und 20 Abs. 1 GG an die Gewährleistung des soziokulturellen Existenzminimums vom Beginn eines Aufenthalts im Bundesgebiet an durchgängig zu verwirklichen (aaO., Rn. 94). Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit eines dem Wortlaut von § 23 Abs. 3 S. 1 und Abs. 1 S. 3 SGB XII folgenden Normverständnisses, das von der Geltung eines allgemeinen Anspruchsausschlusses für arbeitssuchende und ihnen gleichzustellende Ausländer sowie einer nur im Einzelfall eröffneten Möglichkeit zu einer Leistungsbewilligung im Ermessenswege ausgeht, wären damit ganz genereller Art und angesichts des nach seinem eindeutigen Wortlaut klaren Ausnahmecharakters von § 23 Abs. 1 S. 3 SGB XII nur durch eine Richtervorlage nach Art. 100 GG zu klären. Der Senat hält allerdings den Anspruchsausschluss in § 23 Abs. 3 S. 1 SGB XII und die auf Einzelfälle begrenzte Ermächtigung zu Ermessensleistungen in § 23 Abs. 1 S. 3 SGB XII für verfassungsrechtlich unbedenklich (so wohl auch Coseriu, aaO., Rn. 75). Gerade die Ausübung von Ermessen erlaubt es nämlich dem zuständigen Sozialhilfeträger, der individuellen Lebenssituation hilfebedürftiger Ausländer Rechnung zu tragen. An ihr hat sich auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Hilfegewährung auszurichten (BVerfG, aaO., Rn. 66, 69). Daran, dass das soziokulturelle Existenzminimum gewährleistet werden muss, bleibt der Sozialhilfeträger auch im Rahmen einer ihm eröffneten Ermessensentscheidung gebunden. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Dieser Beschluss ist für die Beteiligten unanfechtbar (§ 177 SGG).