Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 10.03.2016, Az.: L 8 SO 366/14

Kosten für eine Pflegefachkraft; Aufenthalt in einer stationären Einrichtung; Umfang des Anspruchs auf Krankenhausbehandlung; Übernahme der Pflege des Patienten

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
10.03.2016
Aktenzeichen
L 8 SO 366/14
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2016, 18460
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2016:0310.L8SO366.14.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Hannover - 05.09.2014 - AZ: S 4 SO 316/10

Redaktioneller Leitsatz

1. Infolge der Kollisionsnorm des § 63 Satz 3 SGB XII ist der Anspruch auf häusliche Pflege (§ 65 Abs. 1 Satz 2 SGB XII i.V.m. § 63 Satz 1 SGB XII) während der Dauer des Aufenthaltes in einer stationären Einrichtung ausgeschlossen.

2. Durch die Regelung des § 63 Satz 3 SGB XII wollte der Gesetzgeber erreichen, dass ambulante und stationäre Leistungen nicht zugleich erbracht werden.

3. Der Anspruch auf Krankenhausbehandlung gemäß § 39 SGB V umfasst auch die Übernahme der Pflege des Patienten.

4. Infolge der Nichterfüllung eines Behandlungsauftrages - die Pflege betreffend - ergibt sich ein Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung gemäß §§ 281 Abs. 1 und 2, 280 Abs. 1 und 3 BGB sowie unter Umständen wegen der fehlerhaften Beratung und Aufklärung zudem ein Anspruch aus § 280 Abs. 1 BGB auf Schadensersatz wegen einer Nebenpflichtverletzung, ferner ein Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag.

Tenor:

Auf die Berufung des Beigeladenen zu 2. wird das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 5. September 2014 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Frage, ob der Kläger während seines Krankenhausaufenthaltes in der Zeit vom 23. April 2010 bis 30. April 2010 einen Anspruch auf Übernahme der Kosten für eine Pflegefachkraft hatte.

Der im Jahr 1955 geborene Kläger, bei dem ein Grad der Behinderung von 100 und die Merkzeichen G, aG, H und RF anerkannt sind, ist pflegebedürftig. Er leidet unter einer fortschreitenden Muskeldystrophie. Er bezieht eine Rente wegen voller Erwerbsminderung und eine VBL-Rente sowie Pflegegeld nach der Pflegestufe 3. Außerdem erhielt der Kläger bereits vor dem streitgegenständlichen Zeitraum laufende Pflegesachleistungen von der Beklagten unter Anrechnung des ihm gewährten Pflegegeldes (so etwa mit Bewilligungsbescheid vom 25. Februar 2010 für die Zeit vom 1. Januar 2010 bis 31. Juli 2010). Die häusliche Pflege erfolgte ambulant durch den Pflegedienst Taurus. Der Kläger hatte selbst keine Pflegekräfte angestellt.

Der Kläger musste sich in der Zeit vom 23. April 2010 bis 30. April 2010 einer Herzschrittmacher-Implantation in der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) unterziehen, die einen vollstationären Krankenhausaufenthalt erforderlich machte. Bereits vor der Aufnahme wies er im Rahmen eines Vorgesprächs auf den Umfang seines Pflegebedarfs hin. Seinem unwidersprochenen Vortrag nach erhielt er von der MHH daraufhin die Auskunft, eine Pflege in solchem Umfang könne nicht von ihr geleistet werden, so dass er eine Pflegeperson und einen eigenen Lifter mitbringen müsse.

Sodann beantragte der gesetzlich bei der Barmer GEK pflichtversicherte Kläger mit Schreiben vom 19. April 2010 bei der namens und im Auftrag der Beklagten handelnden Landeshauptstadt Hannover (LHH) die Kostenübernahme für eine Assistenzkraft während seines Krankenhausaufenthaltes mit der Begründung, dass ihm ein solcher Anspruch ebenso zustehen müsse wie Menschen, die ihren Pflegebedarf durch von ihnen selbst beschäftigte Pflegekräfte sicherstellen.

Die LHH lehnte den Antrag mit Bescheid vom 21. April 2010 mit der Begründung ab, ein Anspruch auf häusliche Pflege für die Dauer des stationären Krankenhausaufenthaltes gemäß § 63 SGB XII bestehe nicht, da sowohl die medizinische als auch die pflegerische Versorgung von der Einrichtung sicherzustellen und daher durch das Krankenhauspersonal zu erbringen sei. § 66 Abs. 4 Satz 2 SGB XII sei vorliegend nicht einschlägig, da der Kläger seine Pflege durch einen ambulanten Pflegedienst und damit nicht durch von ihm beschäftigte besondere Pflegekräfte sicherstelle.

Der Kläger nahm während seines stationären Aufenthaltes in der MHH die Leistungen des Pflegedienstes Taurus in Anspruch, für die er eine auf den 27. Mai 2010 datierende Rechnung über 1.327,90 EUR erhielt; die Rechnung wurde von ihm beglichen.

Mit seinem am 5. Mai 2010 gegen den Ablehnungsbescheid vom 21. April 2010 erhobenen Widerspruch wandte der Kläger ein, das Krankenhaus sei nicht in der Lage gewesen, die notwendige Assistenzkraft zu stellen, so dass eine durchgehende Leistungsnotwendigkeit der Beklagten bestanden habe.

Mit "Einstellungs- und Rücknahmebescheid" vom 19. Mai 2010 hob die LHH den Bewilligungsbescheid über die Gewährung von Pflegegeld für die Zeit vom 24. April 2010 bis 29. April 2010 gemäß § 45 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) auf und forderte einen Betrag von 45,68 EUR von dem Kläger zurück.

Die Beklagte wies den Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid vom 21. April 2010 nach Beteiligung sozial erfahrener Dritter mit Widerspruchsbescheid vom 18. Juni 2010 zurück, da der Kläger gemäß § 27 Abs. 1 SGB V einen vorrangigen Anspruch auf Versorgung durch das Klinikpersonal habe. Ein Anspruch nach § 63 SGB XII scheide wegen der Aufnahme in einer stationären Einrichtung aus. Die Ausnahmeregelung des § 66 Abs. 4 SGB XII beziehe sich nur auf Pflegebedürftige, die ihren Hilfebedarf durch Assistenzkräfte im Wege des Arbeitgebermodells sicherstellen würden.

Am 23. Juli 2010 hat der Kläger sodann Klage vor dem Sozialgericht (SG) Hannover mit der Begründung erhoben, Krankenhauspflege beschränke sich gemäß § 39 SGB V auf die Behandlungspflege. Grundpflege, die nicht im Zusammenhang mit der zu behandelnden Erkrankung stehe, falle grundsätzlich nicht in den Leistungsumfang der Krankenhauspflege. Die Übernahme der Grundpflege sei bereits aufgrund der Schwere seiner Erkrankung ausgeschlossen, da er praktisch bewegungsunfähig sei.

Die Beklagte hat erstinstanzlich eingewandt, die Krankenhausbehandlung umfasse im Rahmen des Versorgungsauftrags alle Leistungen, die im Einzelfall nach Art und Schwere der Krankheit für die medizinische Versorgung im Krankenhaus notwendig seien. Krankenhäuser seien daher dazu verpflichtet, den Patienten seinem Gesundheitszustand entsprechend grundpflegerisch zu versorgen. Die unzureichende Ausrüstung des Krankenhauses könne nicht zu Lasten der Beklagten gehen. Zudem habe der Kläger bei seinem Vorgehen den Nachrang der Sozialhilfe nicht beachtet.

Das SG hat mit Beschluss vom 12. September 2013 den für den Kläger zuständigen Träger der gesetzlichen Krankenversicherung (Beigeladene zu 1.) gemäß § 75 Abs. 2 SGG beigeladen, da er als leistungspflichtig in Betracht komme sowie ohne Angabe einer Rechtsnorm das Land Niedersachsen als Träger des Krankenhauses (Beigeladener zu 2.), da sich gegen dieses ein Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag ergeben könne.

Die Beigeladene zu 1. hat erstinstanzlich vorgetragen, ihrer Verpflichtung zur vollstationären Krankenhausbehandlung vollumfänglich nachgekommen zu sein. Gemäß § 39 SGB V müsse das Krankenhaus auch die Krankenpflege von Schwerstpflegebedürftigen der Pflegestufe 3 sicherstellen, wenn dies im Einzelfall erforderlich sei. Der Kläger habe die zusätzliche Pflege jedoch ohne Abstimmung mit dem Krankenhaus organisiert und sich auch nicht über eine unzureichende Krankenpflege seitens des Krankenhauses beschwert. Ferner werde auf § 2 Abs. 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) aufmerksam gemacht.

Der Beigeladene zu 2. hat erstinstanzlich eingewandt, er hafte nicht für die entstandenen Kosten, da der Kläger die Pflegeleistungen eigenständig angefordert habe, die seiner Auffassung nach die Beklagte zu tragen habe. Dies ergäbe sich aus § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V. Die Betreuung des Klägers habe im Rahmen des normalen Krankenhausbetriebes nicht ohne weiteres übernommen werden können. Ferner ergäbe sich ein Anspruch gegen die Beklagte aus § 65 Abs. 1 Satz 2 SGB XII.

Das SG hat mit Urteil vom 5. September 2014 den Beigeladenen zu 2. verurteilt, dem Kläger die Kosten für die Inanspruchnahme der Pflegedienstleistungen in der Zeit der vollstationären Krankenhausaufnahme vom 23. April 2010 bis 30. April 2010 in Höhe von 1.327,90 EUR zu erstatten. Die Beklagte habe den Antrag zu Recht abgelehnt, da der Anspruch auf häusliche Pflege während eines stationären Aufenthalts ruhe. Der Ausnahmetatbestand des § 63 Satz 4 SGB XII greife vorliegend nicht ein, da im Falle des Klägers die Pflege nicht durch von ihm beschäftigte besondere Pflegekräfte im Arbeitgeber- oder Assistenzmodell nach § 66 Abs. 4 Satz 2 SGB XII, sondern durch einen ambulanten Pflegedienst erfolge. Gemäß § 39 Abs. 1 Satz 3 SGB XII (gemeint: SGB V) obliege die Übernahme sämtlicher medizinisch erforderlicher Pflegleistungen während eines Krankenhausaufenthaltes stets dem Krankenhaus. Ein Pflegenotstand im behandelnden Krankenhaus solle nicht dazu führen, dass der Sozialhilfeträger eintreten müsse (Bayerisches Landessozialgericht - LSG -, Urteil vom 28. Januar 2012 L 8 SO 166/12 -). Vorliegend sei der Beigeladene zu 2. seiner Verpflichtung zur umfassenden pflegerischen Versorgung, für die er eine Vergütung gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 KEntgG erhalte, nicht nachgekommen. Der Kläger habe gegen den Beigeladenen zu 2. einen Anspruch aus öffentlich-rechtlicher Geschäftsführung ohne Auftrag.

Das Land Niedersachsen hat durch die MHH als Beigeladener zu 2. am 6. November 2014 Berufung gegen das ihm am 7. Oktober 2014 zugestellte Urteil des SG mit der Begründung eingelegt, das Land könne als zur Zahlung Verurteilter das Rechtsmittel einlegen. Das Sozialgericht habe den Beigeladenen zu 2. - im Gegensatz zur Beigeladenen zu 1. - lediglich einfach beigeladen. Die Voraussetzungen für eine Verurteilung gemäß § 75 Abs. 5 SGG lägen nicht vor. Allein die Tatsache, dass das Land Niedersachsen Träger der MHH ist, lasse noch nicht auf ein hoheitliches Handeln schließen. Der Behandlung habe ein privatrechtlicher Behandlungsvertrag zugrunde gelegen. Es liege kein Fall des sozialen Entschädigungsrechtes vor. Auch seien die Voraussetzungen einer Geschäftsführung ohne Auftrag nicht gegeben. Der Anspruch nach § 39 Abs. 1 SGB V richte sich gegen die gesetzliche Krankenversicherung.

Der Beigeladene zu 2. beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen,

1. das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 5. September 2014 aufzuheben,

2. die Klage abzuweisen, hilfsweise den Rechtsstreit an das Sozialgericht Hannover zurückzuver- weisen.

Der Kläger und die Beklagte beantragen schriftsätzlich,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beigeladene zu 1. hat keinen Antrag gestellt.

Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagte sei zur Zahlung der Kosten verpflichtet. Der Bundestagsdrucksache 16/12855, Seite 45, sei zu entnehmen, dass die Übernahme der Pflegekosten in stationären Einrichtungen notwendig ist, da Art und Umfang der Pflegebedürftigkeit über die für die stationäre Behandlung einer Krankheit erforderliche Krankenpflege hinausgehe. Eine Verurteilung des Beigeladenen zu 2. sei gemäß § 75 Abs. 5 SGG nur dann möglich, wenn die Angelegenheit mit einer solchen des sozialen Entschädigungsrechtes gleichgesetzt werden könnte.

Die Beklagte nimmt im Rahmen des Berufungsverfahrens Bezug auf das Urteil des Bayerischen LSG vom 28. Januar 2014 - L 8 SO 166/12 - und ebenso wie die Beigeladene zu 1. auf ihren erstinstanzlichen Vortrag.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einem Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Die Akten sind Gegenstand der Beratung gewesen.

Entscheidungsgründe

Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 i.V. mit § 153 Abs. 1 SGG ohne mündliche Verhandlung über die form- und fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Beigeladenen zu 2. Die Berufung ist ohne Zulassung statthaft, da sie eine Leistung in Höhe von 1.327,90 EUR betrifft (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Der Beigeladene zu 2. ist zur Erstattung verurteilt worden und damit beschwert.

Die Berufung des Beigeladenen zu 2. ist begründet. Das Urteil des SG vom 5. September 2014 ist aufzuheben, da hierdurch der Beigeladene zu 2. zu Unrecht zur Erstattung der Kosten für die Pflegefachkraft in Höhe von 1.327,90 EUR verurteilt worden ist.

Die Verurteilung eines Beigeladenen anstelle des Beklagten ist nach § 75 Abs. 5 SGG - nur - zulässig, wenn es sich um einen Versicherungsträger, einen Träger der Grundsicherung für Arbeitssuchende, einen Träger der Sozialhilfe, einen Träger der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz oder in Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechtes um ein Land handelt. Hierzu zählen Ansprüche nach dem Gesetz zur Entschädigung der Opfer des Krieges (BVG) oder dem Opferentschädigungsgesetz. Der in Streit stehende Anspruch auf Erstattung der Pflegekraftkosten stellt keinen solchen Fall dar. Im Ergebnis wirkt sich deshalb nicht aus, dass das SG anstelle des Landes Niedersachsen, vertreten durch die MHH, eigentlich die MHH selbst als Körperschaft des öffentlichen Rechts hätte beiladen müssen. Auch diese hätte gemäß § 75 Abs. 5 SGG nicht verurteilt werden können, da es sich bei ihr nicht um einen Versicherungsträger, einen Träger der Grundsicherung, einen Träger der Sozialhilfe oder ein Land handelt.

Dabei kann dahinstehen, ob der Beigeladene zu 2. notwendig gemäß § 75 Abs. 2 SGG beigeladen worden ist, denn er hätte jedenfalls einfach gemäß § 75 Abs. 1 SGG beigeladen werden können, da seine berechtigten Interessen durch die Entscheidung berührt werden, indem zivilrechtliche Ansprüche gegen ihn im Raum stehen (hierzu später). Im Hinblick auf die grundsätzlich bestehende Berechtigung der Beiladung ist es unerheblich, in welcher Form die Beiladung ob als einfache oder als notwendige erfolgt ist (BSG, Urteil vom 9. August 2006 - B 12 KR 22/05 R - juris Rn. 16), zumal durch die Beiladung der Beigeladene zu 2. Beteiligter des Rechtsstreits (§ 69 Nr. 3 SGG) geworden ist.

Da die Berufung des Beigeladenen zu 2. bereits mit seinem Hauptantrag erfolgreich ist, war über den Hilfsantrag, mit dem der Beigeladene zu 2. eine Zurückverweisung des Rechtsstreits an das SG gemäß § 159 SGG begehrt, nicht mehr zu entscheiden.

Auch wenn allein der Beigeladene zu 2. Berufung gegen das Urteil des SG eingelegt hat, ist dennoch über den Anspruch gegen die Beklagte und die Beigeladene zu 1. zu befinden, da gegen diese die Klage vom SG abgewiesen worden ist (Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 75 Rn. 18a; BSGE 9, 67). Dies macht auch die Überlegung deutlich, dass die Verurteilung eines Beigeladenen nur subsidiär in Betracht kommt und voraussetzt, dass die Klage gegen den Beklagten keinen Erfolg haben kann (BSG, Urteil vom 15. November 1979 - 11 RA 9/79 -). Im Ergebnis kann daher dahingestellt bleiben, ob die Berufungserwiderung des Klägers mit Schriftsatz vom 17. Dezember 2014 eine Anschlussberufung beinhaltet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrte Leistung gegenüber der Beklagten oder der Beigeladenen zu 1. Neben der Aufhebung des Urteils des SG ist demzufolge die Klage abzuweisen.

Streitgegenständlich ist allein der Ablehnungsbescheid der LHH vom 21. April 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 4. Mai 2010. Die Beklagte ist zuständiger Sozialhilfeträger für die begehrte Kostenübernahme der Pflegefachkraft. Die sachliche Zuständigkeit der Beklagten als örtlicher Sozialhilfeträger (§ 97 Abs. 1 SGB XII i. V. mit § 1 Abs. 2 Satz 1, § 9 Abs. 4 Niedersächsisches Gesetz zur Ausführung des SGB XII - Nds. AG SGB XII -) beruht darauf, dass die begehrte Leistung keine teilstationäre oder stationäre Leistung der Hilfe zur Pflege darstellt (§ 97 Abs. 1, 2 Satz 1 SGB XII i.V.m. § 6 Abs. 1, 2 Nr. 1 Nds. AG SGB XII). Die örtliche Zuständigkeit der Beklagten ergibt sich aus § 98 Abs. 1 SGB XII.

Weder der Bescheid über die Bewilligung häuslicher Pflege vom 25. Februar 2010 noch der Einstellungs- und Rücknahmebescheid vom 19. Mai 2010 hinsichtlich des für die Zeit vom 24. April 2010 bis 29. April 2010 bewilligten Pflegegeldes gemäß § 86 SGG als actus contrarius hierzu sind Gegenstand des Verfahrens. So geht der Bewilligungsbescheid auf einen anderen Antrag als den vom 19. April 2010 zurück. Ihm liegt ein anderer Regelungsgehalt bei einem anderen Sachverhalt zugrunde, nämlich allein die im häuslichen Umfeld und nicht während einer stationären Unterbringung durchgeführte Pflege.

Ein Kostenerstattungsanspruch des Klägers gegen die Beklagte scheidet aus, da infolge der Kollisionsnorm des § 63 Satz 3 SGB XII der Anspruch auf häusliche Pflege (§ 65 Abs. 1 Satz 2 SGB XII i.V.m. § 63 Satz 1 SGB XII) während der Dauer des Aufenthaltes in einer stationären Einrichtung ausgeschlossen ist. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des SG in seinem Urteil Bezug genommen. Durch die Regelung des § 63 Satz 3 SGB XII wollte der Gesetzgeber erreichen, dass ambulante und stationäre Leistungen nicht zugleich erbracht werden (Krahmer/Sommer in: LPK, SGB XII, 9. Aufl. 2012, § 63 Rn. 6; H. Schellhorn in: Schellhorn/Hohm/Scheider, SGB XII, 19. Aufl. 2015, § 63 Rn. 8).

Auch die durch das Gesetz zur Regelung des Assistenzpflegebedarfs im Krankenhaus vom 30. Juli 2009 eingefügte Rückausnahme des § 63 Satz 4 SGB XII i.V.m. § 66 Abs. 4 Satz 2 SGB XII ist im Falle des Klägers nicht einschlägig, da - wie das SG zutreffend ausgeführt hat - hiervon nur die besondere Versorgungsform im Wege des Arbeitgeber- oder Assistenzmodells erfasst ist. Danach gilt die Regelung des § 63 Satz 3 SGB XII nicht für vorübergehende Aufenthalte in einem Krankenhaus nach § 108 SGB V, soweit Pflegebedürftige nach § 66 Abs. 4 Satz 2 SGB XII ihre Pflege durch von ihnen beschäftigte besondere Pflegekräfte sicherstellen. Vor seinem stationären Aufenthalt wurde der Kläger jedoch nicht im Wege des Arbeitgebermodells, sondern von einem ambulanten Pflegedienst betreut, für den die Beklagte durch die Erbringung von Sachleistungen aufkam. Der Kläger hat dabei Dienstleistungen des Pflegedienstes im Wege eines zivilrechtlichen Vertrages auf der Grundlage des § 611 BGB (Pflegevertrag) in Anspruch genommen. Gemäß § 120 Abs. 1 Satz 1 SGB XI übernimmt der zugelassene Pflegedienst bei häuslicher Pflege auch gegenüber dem Pflegebedürftigen die Verpflichtung, diesen nach Art und Schwere seiner Pflegebedürftigkeit, entsprechend der von ihm in Anspruch genommenen Leistungen, zu pflegen und hauswirtschaftlich zu versorgen. Um einen Arbeitsvertrag hat es sich nicht gehandelt. Der Kläger hat keine besonderen Pflegekräfte beschäftigt.

Eine Ungleichbehandlung des Klägers gemäß Art. 3 Abs. 1 GG (vgl. dazu auch Meßling in: jurisPK-SGB XII, § 63 Rn. 28) zu solchen Personen, die Pflegekräfte im Wege des Assistenzmodells beschäftigen, kann in der Rückausnahme des § 63 Satz 4 SGB XII nicht gesehen werden. Die Ungleichbehandlung bzw. Privilegierung einer bestimmten Art der Pflegeerbringung war im Gesetzgebungsverfahren des Gesetzes zur Regelung des Assistenzpflegebedarfs im Krankenhaus vom 30. Juli 2009 (BT-Drucksache 16/12855) breit diskutiert worden. Spätestens seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Regelung des Assistenzpflegebedarfs in stationären Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen vom 20. Dezember 2012 (BT-Drucksache 17/10747) erscheint die Rechtsansicht, die eine Rückausnahme für Pflegeleistungen bei stationären Aufenthalten durch zugelassene ambulante Leistungserbringer annimmt (so insbesondere SG München, Beschluss vom 21. März 2011 - S 32 SO 51/11 ER -), nicht mehr vertretbar. Dem steht der Wortlaut des Gesetzes und die Verwerfung entsprechender Vorschläge im Gesetzgebungsverfahren (Gesetzesentwurf der Fraktion die Linke, Drucksache 17/10784) entgegen (Bayerisches LSG, Urteil vom 28. Januar 2014 - L 8 SO 166/12 -; Meßling in: jurisPK, SGB XII, § 63 Rn. 37, § 61 Rn. 30). Mit Art. 3 dieses Gesetzes ist allein eine Erweiterung auf Aufenthalte "in einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung", nicht jedoch auf weitere Leistungserbringer wie etwa ambulante Pflegedienste vorgenommen worden. Die besondere vertragliche Verpflichtung als Arbeitgeber einer Pflegeperson mit entsprechendem arbeitsrechtlichem Schutz rechtfertigt die Begünstigung des Modells der Assistenzpflege. Es handelt sich hierbei um ein über Jahre gewachsenes Modell zur Verwirklichung eines möglichst weitgehend selbstbestimmten Lebens der pflegebedürftigen Person. Diese Ausnahmeregelung war erstmals im Zuge der Einführung der Pflegeversicherung erforderlich geworden, da nach § 77 Abs. 1 Satz 3 SGB XI die Pflegekräfte mit dem Pflegebedürftigen, dem sie Leistungen der häuslichen Pflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung erbringen, kein Beschäftigungsverhältnis eingehen dürfen. Daher ist nur für dieses Modell der Gestaltung der Pflege eine Durchbrechung der Aufgaben- bzw. Zuständigkeitsverteilung zwischen Kranken- und Pflegeversicherung gerechtfertigt, da grundsätzlich nach dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherung stationäre Pflege vollumfassend ist. Ziel und Hintergrund der Ausnahmevorschrift des § 63 Satz 4 SGB XII ist nicht, einen Pflegenotstand im behandelnden Krankenhaus zu beheben; für die Übernahme sämtlicher benötigter Pflegeleistungen ist während eines Krankenhausaufenthalts immer das Krankenhaus zuständig (§ 39 Abs. 1 Satz 3 SGB V, vgl. dazu Meßling in: jurisPK-SGB XII, § 63 SGB XII, Rn. 37). So umfasst die stationäre Krankenbehandlung als komplexe Gesamtleistung auch Bereiche der Grundpflege und der Körperpflege, Ernährung und zum Teil der Mobilität (vgl. § 14 Abs. 4 Nr. 1, 2 und 3 SGB XI). Die Hauptleistung der stationären Behandlung (§ 39 SGB V - Krankenhausbehandlung) umfasst im Rahmen des Versorgungsauftrags des Krankenhauses alle Leistungen, die im Einzelfall nach Art und Schwere der Krankheit für die medizinische Versorgung der Versicherten im Krankenhaus notwendig sind, insbesondere ärztliche Behandlung (§ 28 Abs. 1 SGB V), Krankenpflege, Versorgung mit Arznei, Heil- und Hilfsmitteln, Unterkunft und Verpflegung (§ 39 Abs. 1 Satz 3 SGB V). Unter Krankenpflege versteht das Gesetz nach dem systematischen Zusammenhang die für die Kranken erforderlichen Pflegeleistungen, wie sie von Krankenschwestern, Pflegern und anderen Kräften erbracht werden (Brandts in: Kasseler Kommentar, SGB V, § 39 Rn. 80). Die Bestandteile der Komplexleistung, die nach Art und Schwere der Krankheit erforderlich werden können, sind - je nach den konkreten Erfordernissen - alle verfügbaren medizinischen Mittel, die ggf. auch durch Dritte zu erbringen sind (Brandts, a.a.O, § 39 Rn. 82). Eine Verlagerung der Verantwortung auf den Sozialhilfeträger ist vor diesem Hintergrund nur in Fällen des Arbeitgebermodells gerechtfertigt, um der betroffenen Person zu ermöglichen, ihr - oft mühsam organisiertes - Pflegesystem mit eigenen Pflegekräften aufrechtzuerhalten. Sofern der MHH die notwendige Ausstattung fehlte, um die Pflege des Klägers zu gewährleisten, oblag es ihr, sich ggf. der Hilfe Dritter zu bedienen. Die Aufnahme einer pflegebedürftigen Person im Krankenhaus kann nicht dazu führen, dass diese für den Zeitraum des stationären Aufenthaltes selbst die Pflege sicherstellen muss, wie es dem Kläger im Rahmen des Vorgesprächs mitgeteilt worden ist. Dies zeigt schon die Überlegung, dass es zu unüberwindbaren Abgrenzungsschwierigkeiten in der Praxis führen würde, welche Pflegemaßnahmen auf die zu behandelnde Krankheit und welche auf den Grundzustand des Patienten zurückzuführen sind.

Ein Anspruch gegen die Beklagte ergibt sich auch nicht aus § 14 Abs. 1 SGB IX, indem diese einen gegen die Beigeladene zu 1. gerichteten Antrag nicht rechtzeitig weitergeleitet hätte. Dafür verlangt § 14 Abs. 1 SGB IX als Tatbestandsvoraussetzung, dass Leistungen zur Teilhabe (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX) beantragt werden, die vorliegend nicht geltend gemacht werden. Der am 19. April 2010 bei der Beklagten gestellte Antrag, den der Kläger der Beigeladenen zu 1. gleichlautend übersandt hatte, richtete sich nur auf die Zusage einer Pflegekraft für die Dauer des stationären Aufenthaltes als Nebenleistung, nicht auf die Bewilligung der stationären Behandlung (§ 39 SGB V), die als solche schon keine Teilhabeleistung darstellt. Die begehrte Versorgung mit einer Pflegekraft stellt insbesondere keine Leistung der medizinischen Rehabilitation im Sinne des § 5 Nr. 1 i.V.m. § 26 SGB IX dar. Der eng zu fassende Begriff der medizinischen Rehabilitation ist nicht identisch mit dem der Krankenpflege. Gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB V erbringt die Krankenkasse ambulante Rehabilitationsleistungen in Rehabilitationseinrichtungen, sofern eine ambulante Krankenbehandlung nicht ausreicht. Nach § 40 Abs. 2 Satz 1 SGB V erbringt die Krankenkasse Leistungen der stationären Rehabilitation, sofern die Leistungen nach Abs. 1 nicht ausreichen. Diese Regelungen sind vorliegend nicht einschlägig, so dass es sich bei der begehrten Leistung nicht um eine medizinische Rehabilitationsleistung handelt. Insbesondere fehlt es an einer Komplexleistung im Sinne einer funktionalen Einheit (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 16. April 2015 - L 6 KR 56/12 - juris Rn. 36). Diese Begriffsdefinition des SGB V gilt auch für die Abgrenzung der medizinischen Rehabilitation im Sinne des SGB IX von den nicht zu den Teilhabeleistungen nach dem SGB IX zählenden Leistungen.

Ein Anspruch gegen die Beigeladene zu 1. auf Erstattung einer selbst beschafften Leistung nach § 13 Abs. 3 SGB V - im Hinblick darauf, dass der Kläger die Rechnung des Pflegedienstes selbst beglichen hat - scheidet ebenfalls aus.

Gemäß § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V sind, sofern die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte, die dem Versicherten dadurch für die selbstbeschaffte Leistung entstandenen Kosten von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Dies setzt voraus, dass die Krankenversicherung den Anspruch auf Krankenhausbehandlung rechtswidrig nicht rechtzeitig erfüllt hat (Brandts in: Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, SGB V, § 13 Rn. 61).

Zweifelhaft erscheint bereits das Vorliegen eines rechtswidrig nicht erfüllten Primäranspruchs, da die Beigeladene zu 1. ihrem aus § 39 SB V resultierenden Versorgungsauftrag nachgekommen ist. Der Kläger hat sich einer stationären Krankenhausbehandlung in der MHH unterzogen, für die die Beigeladene zu 1. die Kosten getragen hat. Der Behandlungspflicht des zugelassenen Krankenhauses steht ein Vergütungsanspruch gegenüber, der in aller Regel mit dem Anspruch des Versicherten auf die Krankenhausbehandlung korrespondiert (Brandts, a.a.O., § 39 Rn. 119 m.w.N.). Dabei umfasst der Anspruch auf die Krankenhausbehandlung gemäß § 39 SGB V auch die Übernahme der Pflege des Patienten (s.o.). Die MHH war daher nicht berechtigt, dem Kläger die notwendige Pflege unter Hinweis auf seine bereits vor Krankenhausaufnahme bestehende Pflegebedürftigkeit zu verweigern und die Behandlung davon abhängig zu machen, eine eigene Pflegekraft mitzubringen. Soweit sie in einem Fall wie dem vorliegenden die notwendigen Pflegeleistungen nicht durch das eigens beschäftigte Pflegepersonal sicherstellen kann, wäre sie gehalten gewesen, sich der Hilfe Dritter zu bedienen. Gemäß § 1 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) besteht der Grundsatz der Gewährleistung einer bedarfsgerechten Versorgung der Bevölkerung mit leistungsfähigen, eigenverantwortlich wirtschaftenden Krankenhäusern. Gemäß § 107 Abs. 1 KHG ist eine jederzeit verfügbare ärztliche, pflegerische und medizinisch-technische Leistungsbereitschaft im Krankenhaus erforderlich. Die Krankenhäuser müssen über ausreichende, ihrem Versorgungsauftrag entsprechende diagnostische und therapeutische Möglichkeiten verfügen, nach wissenschaftlich anerkannten Methoden arbeiten und gemäß § 107 Abs. 1 Nr. 2 und 3 KHG über jederzeit verfügbares ärztliches Pflege-, Funktions- und medizinisch-technisches Personal verfügen, um die gegenüber der Krankenversicherung zu erbringende Krankenhausbehandlung sachgerecht durchführen zu können. Die MHH als Leistungserbringer hat von der Beigeladenen zu 1. für die erbrachten Krankenhausleistungen, die nach § 2 Abs. 1 Satz 1 KHEntgG insbesondere die ärztliche Behandlung, Krankenpflege etc. umfassen, eine Vergütung gemäß § 2 Abs. 2 KHEntgG erhalten. Hierunter fallen solche allgemeinen Krankenhausleistungen, die unter Berücksichtigung der Art und Schwere der Krankheit für eine medizinisch zweckmäßige und ausreichende Versorgung des Patienten notwendig sind (§ 2 Abs. 2 Satz 1 KHEntgG). Sie beinhalten auch vom Krankenhaus veranlasste Leistungen Dritter (§ 2 Abs. 2 Satz 2 KHEntgG). Dabei erhält das Krankenhaus gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 KHEntgG für voll- und teilstationäre Leistungen Fallpauschalen nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Zusatzentgelte nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KHEntgG. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 KHEntgG werden mit diesen Entgelten (einschließlich der sogenannten gesonderten Zusatzentgelte gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KHEntgG) alle für die Versorgung des Patienten erforderlichen allgemeinen Krankenhausleistungen vergütet. Für die Vergütung der allgemeinen Krankenhausleistungen ist gemäß § 17b Abs. 1 Satz 1 KHG ein durchgängiges, leistungsorientiertes und pauschalierendes Vergütungssystem vorgesehen, das Komplexitäten und Komorbiditäten (= ein oder mehrere zur Grunderkrankung vorliegende, diagnostisch abgrenzbare Krankheitsbilder, die nicht ursächlich mit der Grunderkrankung zusammenhängen müssen) abbildet (§ 17b Abs. 1 Satz 2 KHG). Dabei fließen in die Fallpauschalen die Bewertungsrelation gemäß der Hauptdiagnosegruppe nach dem Fallpauschalenkatalog, die etwa auch Faktoren, die den Gesundheitszustand beeinflussen und "andere Inanspruchnahme des Gesundheitswesens" berücksichtigen (Anlage 1 G-DRG-Version 2010), Komplikationen und Komorbiditäten, eine etwaige Verlegung und die Belegungstage ein. Gemäß Ziffer 2010-36 der Liste des Zusatzentgelte-Katalogs (G-DRG-Version 2010, Anlage 4) ist ein Zusatzentgelt für die Versorgung von Schwerstbehinderten vorgesehen. Dieses ist dahingehend definiert (G-DRG-Version 2010, Anlage 6), dass ein Zusatzentgelt für Krankenhäuser gewährt werden kann, bei denen insbesondere wegen einer räumlichen Nähe zu einer entsprechenden Einrichtung oder Spezialisierung eine Häufung von schwerstbehinderten Patienten auftritt und hierdurch eine Vergütung des mit den DRG-Fallpauschalen nicht abgedeckten, wesentlichen zusätzlichen Aufwands, insbesondere im Pflegedienst, abgegolten werden soll. Hieran wird deutlich, dass - soweit nicht der Pflegeaufwand bereits durch die Fallpauschalen - unabhängig von der Ursächlichkeit der Pflegebedürftigkeit - abgegolten ist, eine zusätzliche Abrechnungsmöglichkeit über das Zusatzentgelt besteht, wenn unter den vorstehenden Voraussetzungen eine Wesentlichkeitsgrenze überschritten ist. Solange die Erforderlichkeit einer stationären Krankenhausbehandlung besteht, ist die Pflege vom Krankenhaus sicherzustellen, das aufgrund des pauschalierenden Systems auch für schwere Fälle entgolten wird.

Ein Sachleistungsverschaffungsanspruch wandelt sich zudem nur dann gemäß § 13 Abs. 3 1. Alt. SGB V in einen Erstattungsanspruch, wenn die Leistung unaufschiebbar war, d.h. wenn sie sofort - ohne Möglichkeit eines nennenswerten zeitlichen Aufschubs - zu erbringen ist. Der Versicherte muss sich daher, soweit möglich, grundsätzlich vor der Inanspruchnahme der Leistung an die Krankenversicherung wenden (Brandts, a.a.O., § 13 Rn.76). Er hat die Krankenversicherung über die Notwendigkeit der Leistung zu informieren, sich dort beraten zu lassen und entsprechende Anträge zu stellen. Eine Ausnahme besteht dann, wenn es dem Versicherten aus medizinischen oder anderen Gründen nicht möglich war oder nicht zugemutet werden konnte, vor der Beschaffung die Krankenversicherung einzuschalten (Brandts, a.a.O, § 13 Rn. 76). Nicht rechtzeitig erbracht wurde die Leistung, wenn die Krankenversicherung dem Versicherten die Leistung nicht in einer der Dringlichkeit entsprechenden angemessenen Zeit zur Verfügung gestellt hat, obwohl dieser alles nach den konkreten Umständen Erforderliche und Zumutbare getan hat, um die Leistung als Sachleistung zu erhalten (Brandts, a.a.O, § 13 Rn. 80). Ein Unvermögen liegt nur vor, wenn eine Dienst- oder Sachleistungspflicht mit den im SGB V vorgesehenen persönlichen und sachlichen Mitteln in der gesetzlich vorgeschriebenen Qualität und Art und Weise nicht erfüllt werden kann und der Versicherte deswegen gezwungen ist, seinen Bedarf selbst zu decken (Helbig in: jurisPK, § 13 Rn. 43). Davon kann regelmäßig ausgegangen werden, wenn die Krankenversicherung mit dem Leistungsbegehren konfrontiert war und sich dabei ihr Unvermögen herausgestellt hat (BSG, Urteil vom 25. September 2000 - B 1 KR 5/99 R - juris Rn. 16). Ihr muss die Prüfung ermöglicht werden, ob die Leistung im Rahmen des Sachleistungssystems bereitgestellt werden kann und wie gegebenenfalls Abhilfe zu schaffen ist (Helbig, a.a.O., § 13 Rn. 43).

An einer Unaufschiebbarkeit der Leistung bzw. der Notwendigkeit zur Selbstbeschaffung der Leistung fehlt es vorliegend. So hat sich der Kläger mit Schreiben vom 19. April 2010 an die Beklagte gewandt und dort die Kostenübernahme für eine Assistenzkraft während des stationären Aufenthaltes in der MHH beantragt. Dies hat er damit begründet, dass nicht nachvollziehbar sei, weshalb das Gesetz zur Regelung des Assistenzpflegebedarfs nicht auf seinen Fall anwendbar sei. Da in einem Krankenhaus lediglich die medizinische Versorgung geleistet werde, er jedoch aufgrund seiner Grunderkrankung Hilfe im Bereich der Grundpflege und bei allgemeinen Tätigkeiten benötige, beantrage er die Kostenübernahme. Ein gleichlautendes Schreiben hat er an die Beigeladene zu 1 gerichtet. Dabei hat er jedoch nicht darauf hingewiesen, dass ihm die MHH im Rahmen einer persönlichen Vorsprache mitgeteilt hatte, eine Pflegeperson und einen eigenen Lifter mitbringen zu müssen, damit die Behandlung stattfinden könne. Hierdurch hat er der Beigeladenen zu 1. die Möglichkeit genommen, sich an die MHH wenden zu können, um die Erfüllung des Versorgungsauftrages des Krankenhauses als Leistungserbringer sicherzustellen und auf eine ordnungsgemäße Krankenpflege zu drängen.

Einem Kostenerstattungsanspruch gegenüber der Beigeladenen zu 1. steht ferner entgegen, dass die MHH als Leistungserbringer gegen ihre Aufklärungspflichten verstoßen und den Kläger falsch darüber in Kenntnis gesetzt hat, die Pflege sei nicht von ihr im Rahmen des Krankenbehandlungsauftrages zu gewährleisten (vgl. Brandts, a.a.O., § 13 Rn. 70).

Dem Kläger bleibt damit nur die Möglichkeit, seinen Anspruch auf dem Zivilrechtsweg gegenüber der MHH zu verfolgen. Infolge der Nichterfüllung des Behandlungsauftrages - die Pflege betreffend - ergibt sich ein Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung gemäß §§ 281 Abs.1, 2, 280 Abs. 1, 3 BGB sowie unter Umständen wegen der fehlerhaften Beratung und Aufklärung zudem ein Anspruch aus § 280 Abs. 1 BGB auf Schadensersatz wegen einer Nebenpflichtverletzung, ferner ein Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG. Der Kläger ist mit seinem Begehren hier erfolglos geblieben. Die Beigeladene zu 1. hat weder erst- noch zweitinstanzlich einen Antrag gestellt (vgl. auch § 154 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung). Der Beigeladene zu 2. hat lediglich aus formalen Gründen im Berufungsverfahren obsiegt, von einer Belastung des Klägers mit den Kosten des Beigeladenen zu 2. sieht der Senat unter Ausübung des ihm zustehenden Ermessens ab.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).