Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 25.11.2016, Az.: L 11 AS 567/16 B ER

Anspruch auf das zum Lebensunterhalt Unerlässliche; Anspruch auf Sozialhilfeleistungen; ausreisepflichtiger Ausländer; Selbsthilfemöglichkeit; Überbrückungsleistungen; Unionsbürger; Verlust der Freizügigkeitsberechtigung

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
25.11.2016
Aktenzeichen
L 11 AS 567/16 B ER
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2016, 43078
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
SG - 19.05.2016 - AZ: S 25 AS 163/16 ER

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Zum Anspruch auf Sozialhilfeleistungen für Unionsbürger nach § 23 Abs 1 Satz 3 SGB XII, wenn die zuständige Ausländerbehörde den Verlust der Freizügigkeitsberechtigung festgestellt hat (keine Ermessensreduzierung auf Null; BSG, Urteil vom 03.12.2015 x B 4 AS 44/15 R).

2. Ungeachtet der Frage der Durchsetzbarkeit, die davon abhängt, ob Rechtsmittel eingelegt worden sind, begründet bereits die bloße Verlustfeststellung eine Ausreisepflicht.

3. Zu den Voraussetzungen eines Leistungsausschlusses nach § 23 Abs 3 Satz 1, 1. Alt. SGB XII (Einreise mit dem Zweck der Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen).

4. Es ist aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten, das Existenzminimum auch derjenigen ausreisepflichtigen Ausländer sicherzustellen, die einem einfachgesetzlichen vollständigen Leistungsausschluss (hier: § 23 Abs 3 Satz 1 SGB XII) unterfallen. Für diesen vollständig von Sozialhilfeleistungen ausgeschlossenen Personenkreis besteht aber nur ein Anspruch auf das zum Lebensunterhalt Unerlässliche.

5. Die Bestimmung von Art und Umfang des zur Sicherstellung des zum Lebensunterhalt Unerlässlichen ist von den Umständen des Einzelfalls abhängig. Einen geeigneten Orientierungsmaßstab enthält der im Gesetzesentwurf der Bundesregierung für ein Gesetz zur Regelung von Ansprüchen ausländischer Personen in der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch und in der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialhilfe vom 7. November 2016 (BT Drucks. 18/10211) in Artikel 2 (Änderung des § 23 SGB XII) für solche "Überbrückungsleistungen" vorgesehene Leistungskatalog.

6. Der zuständige Leistungsträger ist nicht - wie bei Ansprüchen nach dem SGB XII oder nach dem SGB II - verpflichtet, ausreisepflichtigen EU Bürgern für den restlichen Zeitraum ihres noch bevorstehenden Kurzaufenthaltes die Kosten einer angemessenen eigenen Wohnung i.S.d. § 22 Abs 1 SGB II oder des § 35 Abs 2 SGB XII zu zahlen. Dies rechtfertigt sich u.a. aus den in der Begründung des o.g. Gesetzentwurfs (BT Drucks. 18/10211, S. 13 ff: Begründung zu Art 2) dargelegten Erwägungen, wonach der Umfang von Überbrückungsleistungen mit dem Ziel der Vermeidung von Fehlanreizen zur Wiedereinreise an den eingeschränkten Leistungen nach § 1a Abs 2 Asylbewerberleistungsgesetz orientiert ist. So kann der Unterkunftsbedarf auch z.B. durch das Angebot der Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft gedeckt werden. Ebenso wenig ist der zuständige Leistungsträger gezwungen, andere zur Sicherstellung des zum Lebensunterhalt Unerlässlichen erforderliche Leistungen ausschließlich in Geld zu erbringen. In Anlehnung an § 1a Abs 2 Satz 4 AsylbLG kommen stattdessen insbesondere auch Sachleistungen in Betracht.

6. In zeitlicher Hinsicht ist die Gewährung des zum Lebensunterhalt Unerlässlichen für Personen, die nach erfolgter Verlustfeststellung ausreisepflichtig sind, lediglich für die Zeit bis zur nächsten zumutbaren Ausreisemöglichkeit verfassungsrechtlich geboten. Grundsätzlich begegnet eine enge zeitliche Begrenzung der zum Lebensunterhalt unerlässlichen Leistungen keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn es sich um EU Bürger handelt, die aufgrund erfolgter Verlustfeststellung ausreisepflichtig sind. Dieser Personenkreis kann im Sinne einer Selbsthilfemöglichkeit darauf verwiesen werden, die erforderlichen Existenzsicherungsleistungen durch die Inanspruchnahme von Sozialleistungen im Heimatstaat zu realisieren (hier: Sozialhilfe in Bulgarien).

Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Braunschweig vom 19. Mai 2016 geändert.

Der Antragsgegner (Landkreis Peine - Der Landrat - Fachbereich Soziales) wird verpflichtet, den Antragstellern in der Zeit vom 8. April bis zum 31. Oktober 2016 Sozialhilfeleistungen im Umfang des zur Gewährleistung des Lebensunterhalts Unerlässlichen vorläufig zu gewähren.

Im Übrigen wird der Antrag auf Gewährung vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutzes abgelehnt.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Der Antragsgegner hat die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller in beiden Rechtszügen je zu einem Viertel zu tragen. Darüber hinaus findet eine Kostenerstattung nicht statt.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung des Antragsgegners zur Erbringung von Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende oder von Sozialhilfeleistungen an die Antragsteller.

Die Antragsteller sind bulgarische Staatsangehörige. Nach eigenen Angaben halten sich die Antragstellerin zu 1) (geb. I.), die Antragstellerin zu 3) (geb. J.) und der Antragsteller zu 4) (geb. K.) seit April 2015 in der Bundesrepublik Deutschland auf; die Antragstellerin zu 2) (geb. L.) folgte im Juli 2015 nach. Die Antragstellerin zu 1) hat keinen Beruf erlernt und war bereits in Bulgarien ohne Beschäftigung. Sie lebt vom Kindsvater der Antragsteller zu 2) bis 4) seit etwa zwei Jahren getrennt. Nach eigenen Angaben war vorrangiges Ziel der Einreise in die Bundesrepublik Deutschland die Arbeitsuche der Antragstellerin zu 1). Die Mutter der Antragstellerin zu 1), die bereits seit November 2013 in Deutschland lebte, sollte nach Angaben der Antragsteller unterstützend bei der Betreuung und Erziehung der Antragsteller zu 2) bis 4) tätig werden; sie kehrte jedoch bereits 2015 nach Bulgarien zurück. Der Antragsgegner (in seiner Eigenschaft als zugelassener kommunaler Leistungsträger nach § 6b SGB II) gewährte den Antragstellern für die Zeit von August 2015 bis Januar 2016 zunächst vorläufig Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende (Bescheid vom 4. September 2015, Änderungsbescheide vom 12. und 16. November 2015). Auf den Weiterbewilligungsantrag vom 11. Januar 2016 bewilligte er laufende Grundsicherungsleistungen für die Zeit ab 1. Februar bis zum 30. April 2016 unter Anrechnung von Kindergeld und Unterhaltsvorschussleistungen in Höhe von 998,44 Euro monatlich und zusätzlich einmalige Schulbedarfe für die Antragstellerinnen zu 2) und zu 3) in Höhe von 30,- Euro. Die von den Antragstellern geltend gemachten Kosten der Unterkunft wurden in voller Höhe berücksichtigt.

Mit Bescheid vom 10. Februar 2016 stellte der Antragsgegner (Fachdienst Ordnungswesen - Ausländerangelegenheiten) den Verlust der Freizügigkeitsberechtigung der Antragsteller nach § 2 des Gesetzes über die Allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU) sowie die Verpflichtung der Antragsteller zur unverzüglichen Ausreise aus dem Bundesgebiet fest. Zur Begründung gab der Antragsgegner an, dass die Antragsteller nicht nachgewiesen hätten, zum begünstigten Personenkreis der Freizügigkeitsberechtigten zu gehören, da die Antragstellerin zu 1) weder als Arbeitnehmerin, Selbständige oder Erbringerin oder Empfängerin von Dienstleistungen tätig sei. Sie sei bislang nicht erwerbstätig. In der gesamten Zeit seit ihrer Einreise habe sie keine Nachweise über Bemühungen vorgelegt, sich um eine Arbeitsstelle zu bemühen; auch habe sie in den vergangen sechs Monaten keine Anstrengungen unternommen, sich zumindest um ein ergänzendes Einkommen auf der Grundlage einer geringfügigen Beschäftigung zu bemühen. Gegen den Bescheid vom 10. Februar 2016 haben die Antragsteller Klage vor dem Verwaltungsgericht (VG) Braunschweig erhoben (Az: M.). Das VG hat - soweit ersichtlich - noch nicht entschieden.

Mit Bescheid vom 9. März 2016 (Az: N.) nahm der Antragsgegner den Bewilligungsbescheid vom 14. Januar 2016 für den Monat April 2016 nach § 45 Sozialgesetzbuch - Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) zurück. Die Leistungsbewilligung sei mangels Freizügigkeitsberechtigung der Antragsteller von Anfang an rechtswidrig gewesen. Eine Rücknahme für die Vergangenheit erfolge nicht, weil den Antragstellern die Rechtswidrigkeit des Bescheides nicht bekannt gewesen sei und sie auf den Bestand der Bewilligung vertraut hätten. Mit weiterem Bescheid vom 9. März 2016 (Az: N.) lehnte der Antragsgegner einen Weiterbewilligungsantrag der Antragsteller vom 7. März 2016 für den Bewilligungszeitraum vom 1. Mai bis zum 31. Oktober 2016 ab, da die Antragsteller nicht freizügigkeitsberechtigt wären. Mit im Wesentlichen identischer Begründung lehnte der Antragsgegner (Fachbereich Soziales) mit einem weiteren Bescheid vom 9. März 2016 einen Antrag der Antragsteller vom 24. Februar 2016 auf die Gewährung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch - Zwölftes Buch - Sozialhilfe (SGB XII) ab - (Az O.). Die Antragsteller legten mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 1. April 2016 Widerspruch ein, über den - soweit ersichtlich - eine Entscheidung noch nicht ergangen ist.

Am 8. April 2016 haben sie beim SG Braunschweig um die Gewährung einstweiligen gerichtlichen Rechtsschutzes nachgesucht und zur Begründung im Wesentlichen geltend gemacht, dass sich die Antragstellerin zu 1) um einen Arbeitsplatz bemüht habe. Diesem Bemühen sei aufgrund ihrer fehlenden Deutschkenntnisse kein Erfolg beschieden gewesen. Trotz der Feststellung des Verlustes der Freizügigkeit sei weiterhin ein Anspruch auf Sozialleistungen gegeben.

Mit Beschluss vom 19. Mai 2016 hat das SG den Antragsgegner verpflichtet, den Antragstellern vorläufig und unter dem Vorbehalt der Rückforderung für die Zeit ab der Beantragung gerichtlichen Eilrechtsschutzes bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache, längstens jedoch bis zum 31. Oktober 2016 Leistungen nach dem SGB XII in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Im Übrigen hat es den Antrag abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass zum einen die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Antragsteller gegen die Rücknahme der Bewilligung von Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende nicht in Betracht komme, da an der Rechtmäßigkeit des Rücknahmebescheids vom 9. März 2016 keine durchgreifenden Zweifel bestünden. So sei der zurückgenommene Bewilligungsbescheid vom 14. Januar 2016 von Anfang an rechtswidrig gewesen. Die Antragsteller unterfielen - unabhängig von der Feststellung des Verlustes ihrer Freizügigkeitsberechtigung, die aufgrund der Anfechtung vor dem VG Braunschweig noch nicht bestandskräftig sei - dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II, da sich das Aufenthaltsrecht der Antragstellerin zu 1) allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergebe. Ein sonstiges Aufenthaltsrecht sei nicht festzustellen. Auch die weiteren Voraussetzungen für die Rücknahme der Bewilligung seien erfüllt. Da die Antragsteller von Leistungen ausgeschlossen seien, komme darüber hinaus für die Zeit ab Mai 2016 auch nicht der Erlass einer einstweiligen Anordnung im Hinblick auf die Gewährung von SGB II-Leistungen in Betracht.

Der Antragsgegner sei jedoch als gleichzeitig zuständiger Sozialhilfeträger im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Antragstellern für die Zeit ab der Beantragung einstweiligen gerichtlichen Rechtsschutzes am 8. April 2016 bis zum Ende des von ihm festgelegten Ablehnungszeitraums am 31. Oktober 2016 vorläufig und unter Anrechnung des von den Antragstellern bezogenen Kindergelds und Unterhaltsvorschusses Leistungen nach § 23 Abs 1 Satz 3 SGB XII in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Dies ergebe sich unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG). Danach sei das dem Leistungsträger für die Leistungsgewährung eingeräumte Ermessen - wie hier - bei einem verfestigten Aufenthalt nach Ablauf von sechs Monaten auf Null reduziert. Zwar werde diese Rechtsprechung kritisiert. Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bestehe jedoch kein Anlass, davon abzuweichen. Eine Klärung habe in der Hauptsache zu erfolgen.

Gegen den ihnen am 24. Mai 2016 zugestellten Beschluss richtet sich die am 15. Juni 2016 eingelegte Beschwerde des Antragsgegners (Fachbereich Soziales).

Zur Begründung macht er im Wesentlichen geltend, dass Unionsbürger unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des 9. und des 15. Senats des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen (Beschlüsse vom 22. Februar 2016 - L 9 AS 1335/15 B ER und vom 7. März 2016 - L 15 AS 185/15 B ER) auch keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB XII hätten, wenn ihre Einreise ausschließlich zum Zweck der Arbeitsuche oder zur Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen erfolgt sei. Die Antragstellerin zu 1) sei seit ihrer Einreise weder erwerbstätig gewesen, noch habe sie in dieser Zeit Deutschkenntnisse erworben oder Nachweise hinsichtlich ihrer Bemühungen um eine Arbeitsstelle vorgelegt. Die vorgetragene Bemühung um eine Arbeitsmarktintegration sei nicht nachzuvollziehen.

Die Antragsteller treten dem Beschwerdebegehren entgegen. Sie tragen vor, dass die Antragstellerin zu 1) um eine Arbeitsmarktintegration bemüht sei. Mit Schreiben vom 13. Juli 2016 ist vorgetragen worden, dass die Antragstellerin zu 1) seit dem 13. Juli 2016 bei der Firma Edeka als Putzfrau auf 450-Euro-Basis eingestellt worden sei. Trotz gerichtlicher Aufforderung haben die Antragsteller aber einen Arbeitsvertrag nicht vorgelegt. Mit Schreiben vom 28. Juli 2016 haben sie dann angegeben, dass die Antragstellerin zu 1) in P. bei der Firma „Café Q.“ seit dem 27. Juli 2016 als Putzfrau drei- bis viermal wöchentlich jeweils drei Stunden arbeite. Mit Schriftsatz vom 2. September 2016 ist sodann einen Arbeitsvertrag über eine Beschäftigung der Antragstellerin zu 1) als Kellnerin der Firma Café Q. mit einer Arbeitszeit von „4,5 Wochenstunden an 2 Tagen“ für eine Vergütung von 200,- Euro vorgelegt worden. Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 27. September 2016 haben die Antragsteller wiederum vorgetragen, dass die Antragstellerin zu 1) als Reinigungskraft bei der Firma „Café Q.“ beschäftigt sei und am 28. September 2016 mit einem Integrationskurs „Deutsch“ bei der Kreisvolkshochschule P. beginnen werde. Eine Bescheinigung über eine tatsächliche Teilnahme ist bislang nicht vorgelegt worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und die von dem Antragsgegner als Verwaltungsvorgänge vorgelegten Unterlagen Bezug genommen.

II.

Die nach §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und zulässige Beschwerde des Antragsgegners hat im tenorierten Umfang Erfolg.

Das SG hat mit dem angegriffenen Beschluss vom 19. Mai 2016 zutreffend festgestellt, dass die Antragsteller keinen Anspruch auf die Gewährung von Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende gegen das Jobcenter haben. Daher kommt für den Monat April 2016 weder die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Antragsteller gegen den Rücknahmebescheid des Antragsgegners vom 9. März 2016 nach Maßgabe des § 86b Abs 1 Nr 1 SGG in Betracht noch für die Zeit ab Mai 2016 der Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen den Antragsgegner (Jobcenter) nach Maßgabe des § 86b Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGG (1). Ebenso wenig ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen den Antragsgegner bezüglich der Erbringung von Leistungen nach § 23 Abs 1 Satz 3 SGB XII möglich (2). Die Antragsteller haben lediglich einen Anspruch auf Sozialhilfeleistungen im Umfang des zum Lebensunterhalt Unerlässlichen (Überbrückungsleistungen) (3).

(1) Weder die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Antragsteller für die Zeit bis Ende April 2016 noch der Erlass einer die Gewährung von SGB II-Leistungen betreffenden einstweiligen Anordnung für die Zeit ab Mai 2016 kommen in Betracht. Die Antragsteller sind von Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende ausgeschlossen. Damit ist sowohl die Rücknahme der Bewilligung von Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende für den Monat April 2016 als auch die Leistungsablehnung für die Zeit vom 1. Mai bis zum 31. Dezember 2016 bei summarischer Prüfung rechtmäßig, so dass weder eine Grundlage für eine Vollzugsaussetzung gegeben noch ein Anordnungsanspruch anzunehmen ist. Dass die Antragsteller nach Maßgabe des § 7 Abs1 Satz 2 Nr 2 SGB II von den Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen sind, hat das SG bereits zutreffend festgestellt. Das SG ist insoweit davon ausgegangen, dass sich die Antragsteller auf kein anderes Aufenthaltsrecht als das zum Zweck der Arbeitsuche der Antragstellerin zu 1) berufen können (vgl. insoweit BSG, Urteile vom 3. Dezember 2015 - B 4 AS 43/15 R; B 4 AS 44/15 R; B 4 AS 59/13 R und vom 16. Dezember 2015 - B 14 AS 33/14 R). Soweit jedoch nicht einmal davon ausgegangen werden kann, dass sich die Antragstellerin zu 1) zum Zweck der Arbeitsuche in die Bundesrepublik Deutschland begeben hat (vgl. dazu unten), steht den Antragstellern keine Freizügigkeitsberechtigung bzw. kein Aufenthaltsrecht zu, da ein anderer Aufenthaltsgrund im Sinne des FreizügG/EU nicht ersichtlich ist. Für diese Fälle hat das BSG entschieden, dass Unionsbürger ohne materielle Freizügigkeitsberechtigung bzw. Aufenthaltsrecht „erst recht“ von den Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen sind (BSG Urteile vom 03.12.2015 - B 4 AS 44/15 R - Rn. 19 ff. und - B 4 AS 59/13 R - Rn. 14).

Insbesondere ist kein Aufenthaltsrecht der Antragstellerin zu 1) als Arbeitnehmerin (vgl. § 2 Abs 2 Nr 1 FreizügG/EU vom 30. Juli 2004 - BGBl I, S 1950) und kein Aufenthaltsrecht der Antragsteller zu 2) bis 4) als Familienangehörige (vgl. § 2 Abs 1 Nr. 6 i.V.m. §§ 3, 4 FreizügG/EU) nachzuvollziehen. So bestehen bei summarischer Prüfung erhebliche Bedenken im Hinblick auf die behauptete Eingehung eines Arbeitsverhältnisses durch die Antragstellerin zu 1). Diese ergeben sich zunächst vor dem Hintergrund der Widersprüche im Vortrag der Antragsteller. So haben diese mit Schriftsatz vom 13. Juli 2016 vorgetragen, dass die Antragstellerin zu 1) seit dem 13. Juli 2016 bei der Firma Edeka in R. (Stadtteil von P.) als Putzfrau auf 450-Euro-Basis eingestellt worden sei. Trotz gerichtlicher Aufforderung (Verfügung vom 14. Juli 2016) haben sie insoweit weder einen Arbeitsvertrag noch Kopien von Gehaltsabrechnungen vorgelegt. Vielmehr haben sie mit anwaltlichem Schriftsatz vom 28. Juli 2016 dann ausgeführt, dass die Antragstellerin zu 1) seit dem 27. Juli 2016 als Putzfrau drei bis viermal wöchentlich mit einem Beschäftigungsumfang von jeweils drei Stunden bei der Firma „Café Q.“ in P. beschäftigt sei. Mit Schriftsatz vom 2. September 2016 haben die Antragsteller demgegenüber einen Arbeitsvertrag zwischen der Antragstellerin zu 1) und der Firma „Café Q.“ vorgelegt, nach dem die Antragstellerin zu 1) seit dem 26. Juli 2016 als Kellnerin mit einer regelmäßigen Arbeitszeit von 4,5 Wochenstunden an zwei Tagen mit einer monatlichen Vergütung in Höhe von 200,- Euro eingestellt worden sei. Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 27. September 2016 ist dann erneut angegeben worden, dass die Antragstellerin zu 1) als Reinigungskraft in der Firma „Café Q.“ eingestellt worden sei. Bereits angesichts dieser widersprüchlichen Angaben ist nicht mit der erforderlichen überwiegenden Wahrscheinlichkeit nachzuvollziehen, dass die Antragstellerin zu 1) tatsächlich eine Beschäftigung aufgenommen hat. Es ist nicht auszuschließen, dass insoweit Gefälligkeitsbescheinigungen vorgelegt worden sind. Dafür spricht darüber hinaus der Umstand, dass die zur Glaubhaftmachung eines angeblichen Arbeitsverhältnisses vorgelegte Verdienstabrechnungen keine Angaben zu einer Bankverbindung enthalten, obwohl die Antragstellerin zu 1) über ein Girokonto bei der Kreissparkasse P. verfügt, auf das der Antragsgegner die bisher gewährten Leistungen überwiesen hat (vgl. Bescheid vom 4. September 2015 - Bl. 119 BA). Damit ist nicht glaubhaft gemacht worden (vgl. zum Erfordernis der Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs für den Erlass einer einstweiligen Anordnung: § 86b Abs 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 ZPO), dass die Antragstellerin zu 1) über den für die Begründung eines Aufenthaltsrechts nach § 2 Abs 2 Nr 1 FreizügG/EU und damit für die Vermeidung eines Anspruchsausschlusses nach § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II erforderlichen Arbeitnehmerstatus verfügt. Auch ein von den Antragstellern zu 2) und 3), die die Schule besuchen, abzuleitendes Aufenthaltsrecht der Antragstellerin zu 1) ist nicht festzustellen (vgl. dazu BSG, Urteil vom 16.12.2015 - B 14 AS 33/14 R - Rn. 24 ff.)

Der Senat weist vorsorglich darauf hin, dass es der Antragstellerin zu 1) unbenommen bleibt, im Hauptsacheverfahren ihren Arbeitnehmerstatus i.S.d. § 2 Abs 2 Nr 1 FreizügG/EU nachzuweisen und im Falle eines solchen Nachweises ihren Anspruch auf SGB II-Leistungen ggf. im Klageweg zu realisieren. Für den Erlass einer entsprechenden einstweiligen Anordnung fehlt es dagegen - wie bereits dargelegt - an der entsprechenden Glaubhaftmachung des Arbeitnehmerstatus.

(2) Entgegen dem SG war der Antragsgegner (Fachbereich Soziales) nicht im Wege der Regelungsanordnung zu verpflichten, den Antragstellern Hilfe zum Lebensunterhalt nach Maßgabe des § 23 Abs 1 Satz 3 SGB XII zu erbringen. So ist zunächst kein verfestigter Aufenthaltsstatus der Antragsteller festzustellen, der nach der Rechtsprechung des BSG im Rahmen des § 23 Abs 1 Satz 3 SGB XII zu einer Ermessensreduzierung mit der Folge einer Leistungsverpflichtung des Antragsgegners führen würde. Zwar ist mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die Antragsteller nicht in der Lage sind, ihren Lebensunterhalt im Sinne des § 19 Abs 1 SGB XII i.V.m. § 27 Abs 1 SGB XII i.Vm. § 35 SGB XII (vollständig) aus eigenen Kräften und Mitteln zu decken und dass sie deshalb grundsätzlich sozialhilfeberechtigt sind. Jedoch hat der Antragsgegner als gleichzeitig zuständige Ausländerbehörde Schritte zur Beendigung des Aufenthalts der Antragsteller eingeleitet, was auch nach der Rechtsprechung des BSG eine Ermessensreduzierung ausschließt (vgl. insoweit BSG, Urteil vom 3. Dezember 2015 - B 4 AS 44/15 R - Rn 55 ff.). Denn der Antragsgegner (Fachdienst Ordnungswesen - Ausländerangelegenheiten) hat mit seinem Bescheid vom 10. Februar 2016 den Verlust der Freizügigkeitsberechtigung sowie die Verpflichtung der Antragsteller zur unverzüglichen Ausreise aus dem Bundesgebiet festgestellt. Damit ist - auch unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des BSG (vgl. Urteil vom 03.12.2015 - B 4 AS 44/15 R, Rn. 55) - keine Ermessensreduzierung auf Null zur Erbringung von Sozialhilfeleistungen gegeben. Dem steht nicht entgegen, dass die Antragsteller gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners Klage beim VG Braunschweig erhoben haben. Unabhängig von der Frage der Durchsetzbarkeit, die davon abhängt, ob Rechtsmittel eingelegt worden sind (vgl. § 7 Abs 1 Satz 4 FreizügG/EU), begründet bereits die bloße Verlustfeststellung eine Ausreisepflicht (vgl. Geyer in: Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, FreizügG/EU, § 7 Rn 3; Brinkmann in: Huber, Aufenthaltsgesetz, 2. Aufl. 2016,  FreizügG/EU, § 7 Rn 5). Dies entspricht dem Willen des Gesetzgebers, der durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.08.2007 (BGBl. I, S. 1970) das Erfordernis der Unanfechtbarkeit für die Begründung der Ausreisepflicht in § 7 FreizügG/EU ausdrücklich hat entfallen lassen (vgl. BT-Drs 16/5065, S. 211). Somit wirkt auch schon die Feststellung des Verlustes der Freizügigkeitsberechtigung einer Festigung des Aufenthaltsstatus entgegen.

Darüber hinaus bestehen bei summarischer Prüfung überwiegende Anhaltspunkte dafür, dass ein Leistungsausschluss nach § 23 Abs 3 Satz 1, 1. Alt SGB XII gegeben ist. Nach dieser Vorschrift haben Ausländer und ihre Familienangehörigen, die eingereist sind, um Sozialhilfe zu erlangen, keinen Anspruch auf diese Leistung. Notwendig ist ein finaler Zusammenhang zwischen dem Einreiseentschluss und der Inanspruchnahme von Sozialhilfe. Dieser Zusammenhang besteht nicht nur, wenn der Wille, Sozialhilfe zu erlangen, der einzige Einreisegrund ist. Ausreichend ist es, wenn dieser Zweck neben anderen Zwecken prägend für den Entschluss zur Einreise gewesen ist (vgl. Coseriu in: jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 23 Rn 53 ff. m.w.N.; vgl auch BSG, Urteil vom 3. Dezember 2015 – a.a.O. - Rn 45 ff.). Dass die Antragsteller zur Inanspruchnahme von Unterstützungsleistungen nach Deutschland gekommen sind, legen die Umstände ihrer Einreise und ihres bisherigen Aufenthaltes nahe. So ist die Antragstellerin zu 1) - nach ihren Angaben im April 2015 (vgl. Seite 2 des Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz vom 8. April 2016) - mit zwei minderjährigen Kindern, den Antragstellern zu 3) und 4), die schulpflichtig bzw. aufgrund des geringen Alters noch erheblich betreuungsbedürftig waren bzw. sind, eingereist. Im Juli 2015 folgte die minderjährige Antragstellerin zu 2) nach, die auch noch schulpflichtig ist. Angesichts des Betreuungsbedarfs für ihre minderjährigen Kinder in deren konkreter Lebenssituation kann nicht nachvollzogen werden, dass die Antragstellerin zu 1) als Alleinerziehende davon ausgehen konnte, dass für sie die ernsthafte Möglichkeit für eine zeitangemessene Arbeitsaufnahme bestanden hat. Damit begegnet ihr Vortrag, hauptsächlich zur Arbeitsaufnahme eingereist zu sein, schon insoweit erheblichen Bedenken. Soweit sie sich darauf beruft, dass ihre Mutter die Kinderbetreuung übernehmen sollte, ist dies angesichts der bereits in 2015 erfolgten Rückkehr der Mutter nach Bulgarien nicht glaubhaft. Darüber hinaus verfügt die Antragstellerin zu 1) über keine Berufsausbildung; auch war sie nach eigenen Angaben schon in Bulgarien arbeitslos. Sie ist der deutschen Sprache offensichtlich nicht mächtig. So wird durch die Verwaltungsvorgänge belegt, dass sie maßgebliche Rechtshandlungen im Verwaltungsverfahren nur mit einer Bekannten, die als Dolmetscherin bzw. Vertreterin fungierte, vornehmen konnte (vgl. z.B. Bl. 133 -136 BA); Anträge sind grundsätzlich in fremder Schrift ausgefüllt und lediglich von ihr unterschrieben worden. Auch hat die Antragstellerin zu 1) für sich und für die Antragsteller zu 3) und 4) bereits am 10. Februar 2015, d.h. unmittelbar im zeitlichen Zusammenhang mit ihrer Einreise (die nach ihren Angaben jedoch erst im April 2015 stattgefunden haben soll) SGB II-Leistungen bei dem Antragsgegner beantragt (vgl. Bl. 1 BA). Auch vor diesem Hintergrund erscheint es nicht nachvollziehbar, dass Zweck der Einreise die Arbeitsuche war, zumal für die Zeit seit der Einreise bis zum gerichtlichen Beschwerdeverfahren keine Belege für eine Arbeitsuche vorgelegt worden sind. Auch hat sich die Antragstellerin offensichtlich erst im Laufe des zweitinstanzlichen gerichtlichen Eilverfahrens nachhaltig um einen Sprachkurs bemüht (vgl. die erst für den 28. September 2016 erfolgte Kurszusage der Kreisvolkshochschule P., Bl. 136 GA). Da ein anderer Zweck der Einreise weder vorgetragen noch ansonsten ersichtlich ist, legen all diese Umstände vorliegend nahe, dass sich die Antragsteller - zumindest auch deswegen – gezielt nach Deutschland begeben haben, um öffentliche Unterstützungsleistungen in Anspruch zu nehmen.

Im Ergebnis ist damit kein Anspruch der Antragsteller auf Sozialhilfeleistungen festzustellen (vgl. zur Europarechtskonformität eines Leistungsausschlusses für nicht erwerbstätige Angehörige anderer Mitgliedsstaaten, die von ihrer Freizügigkeit Gebrauch machen, um in den Genuss von beitragsunabhängigen Sozialhilfeleistungen zu kommen: EuGH, Urteil vom 11.11.2014, C-333/13 - Dano).

(3) Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist jedoch insoweit erfolgreich, als der Antragsgegner zur Erbringung von Sozialhilfeleistungen im Umfang des zur Gewährleistung des zum Lebensunterhalt Unerlässlichen zu verpflichten war.

Nach der Rechtsprechung des BVerfG ist es verfassungsrechtlich geboten, das Existenzminimum auch für Menschen mit nur vorübergehendem Aufenthaltsrecht für die Zeit ihres noch bevorstehenden „Kurzaufenthaltes“ zu garantieren (vgl. BVerfG, Urteil vom 18. Juli 2012 – 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 - BVerfGE 132, 134, Rn 74ff.). Dieser Rechtsprechung entnimmt der erkennende Senat, dass - ebenfalls aus verfassungsrechtlichen Gründen - für die Zeit eines solchen Kurzaufenthaltes das Existenzminimum auch derjenigen ausreisepflichtigen Ausländer sichergestellt sein muss, die - wie vorliegend die Antragsteller - einem einfachgesetzlichen vollständigen Leistungsausschluss (hier: § 23 Abs 3 Satz 1 SGB XII) unterfallen. Insoweit sind im Verhältnis zu dem üblichen Niveau existenzsichernder Leistungen allerdings Einschnitte bei Art und Umfang der zu gewährenden Leistungen möglich (vgl. etwa: LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 20. März 2015 – L 19 AS 116/15 B ER -, Rn 32; Coseriu, a.a.O., Rn 76 ff.), so dass für den nach § 23 Abs 3 SGB XII eigentlich vollständig von Sozialhilfeleistungen ausgeschlossenen Personenkreis ein Anspruch auf das zum Lebensunterhalt Unerlässliche besteht (vgl. erneut: Coseriu, a.a.O., Rn 76 unter Hinweis auf BVerfG, Urteil vom 18. Juli 2012, a.a.O.). Hinsichtlich dieses Anspruchs auf das zum Lebensunterhalt Unerlässliche ist das Ermessen des zuständigen Leistungsträgers in aller Regel auf Null reduziert (Coseriu, a.a.O., Rn 76; vgl. zur geplanten Kodifizierung eines solchen Anspruchs auf sog. Überbrückungsleistungen: Gesetzentwurf der Bundesregierung für ein Gesetz zur Regelung von Ansprüchen ausländischer Personen in der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch und in der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialhilfe vom 7. November 2016, BT-Drucks. 18/10211, S. 6, Artikel 2: Änderung des § 23 SGB X.

Die Bestimmung von Art und Umfang der zur Sicherstellung des zum Lebensunterhalt Unerlässlichen dienenden Leistungen ist von den Umständen des Einzelfalls abhängig. Für einen geeigneten Orientierungsmaßstab hält der Senat insoweit den im Gesetzesentwurf der Bundesregierung für ein Gesetz zur Regelung von Ansprüchen ausländischer Personen in der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch und in der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialhilfe vom 7. November 2016 (BT-Drucks. 18/10211) in Artikel 2 (Änderung des § 23 SGB XII) für solche „Überbrückungsleistungen“ vorgesehenen Leistungskatalog. In diesem Umfang ist der Antragsgegner daher im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Antragstellern vorläufig das zum Lebensunterhalt Unerlässliche zu gewähren. Nachdem der Antragsgegner aufgrund der erstinstanzlich ergangenen einstweiligen Anordnung für den mittlerweile bereits abgelaufenen streitbefangenen Zeitraum (8. April bis 31. Oktober 2016) deutlich höhere Leistungen ausgezahlt hat (nämlich SGB XII-Leistungen in gesetzlicher Höhe), sind die Antragsteller aufgrund der vorliegenden Entscheidung des Senats (Gewährung nur des zum Lebensunterhalt Unerlässlichen statt SGB XII-Leistungen in gesetzlicher Höhe) zur sofortigen Rückzahlung der überzahlten Leistungen verpflichtet.

Der Senat weist für Fälle, in denen eine Entscheidung für die Zukunft und nicht nur - wie im vorliegenden Fall - für mittlerweile abgelaufene Zeiträume zu treffen ist, ergänzend auf Folgendes hin: Soweit ein Leistungsträger aus verfassungsrechtlichen Gründen zum Lebensunterhalt unerlässliche Leistungen zu erbringen hat, kann dies hinsichtlich des Unterkunftsbedarfs auch z.B. durch das Angebot der Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft erfolgen. Der zuständige Leistungsträger ist nicht - wie bei Ansprüchen nach dem SGB XII oder nach dem SGB II - verpflichtet, ausreisepflichtigen EU-Bürgern für den restlichen Zeitraum ihres noch bevorstehenden Kurzaufenthaltes die Kosten einer angemessenen eigenen Wohnung i.S.d. § 22 Abs 1 SGB II oder des § 35 Abs 2 SGB XII zu zahlen. Dies rechtfertigt sich u.a. aus den in der Begründung des o.g. Gesetzentwurfs (BT-Drucks. 18/10211, S. 13 ff: Begründung zu Art 2) dargelegten Erwägungen, wonach der Umfang von Überbrückungsleistungen mit dem Ziel der Vermeidung von Fehlanreizen zur Wiedereinreise an den eingeschränkten Leistungen nach § 1a Abs 2 Asylbewerberleistungsgesetz orientiert ist. Nach § 1a AsylbLG soll aber die Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft im Fall der Leistungseinschränkung der Regelfall sein (vgl. auch Oppermann in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 1a AsylbLG Rn 124 ff; siehe auch BT-Ducks. 13/11172, S. 7). Ebenso wenig ist der zuständige Leistungsträger gezwungen, andere zur Sicherstellung des zum Lebensunterhalt Unerlässlichen erforderliche Leistungen ausschließlich in Geld zu erbringen. In Anlehnung an § 1a Abs 2 Satz 4 AsylbLG kommen stattdessen insbesondere auch Sachleistungen in Betracht (z.B. Lebensmittel- und sonstige Gutscheine).

In zeitlicher Hinsicht ist die Gewährung des zum Lebensunterhalt Unerlässlichen für Personen, die nach erfolgter Verlustfeststellung ausreisepflichtig sind, lediglich für die Zeit des Kurzaufenthaltes verfassungsrechtlich geboten (vgl. hierzu erneut: BVerfG, Urteil vom 18. Juli 2012, a.a.O., Rn 74ff.), d.h. nur für die Zeit bis zur nächsten zumutbaren Ausreisemöglichkeit. Der o.g. Gesetzesentwurf der Bundesregierung sieht insoweit Leistungen längstens für einen Monat und nur einmalig in einem Zeitraum von zwei Jahren vor. Dieser Gesetzentwurf hat jedoch bislang jedoch weder das Gesetzgebungsverfahren durchlaufen noch ist er bereits in Kraft getreten. Mangels einer zum gegenwärtigen Zeitpunkt geltenden einfachgesetzlichen Regelung muss der Senat somit auch hinsichtlich des vorläufigen Leistungszeitraums eine den verfassungsrechtlichen Vorgaben (vgl. hierzu erneut: BVerfG, Urteil vom 18. Juli 2012, a.a.O.) entsprechende Einzelfallentscheidung treffen.

Grundsätzlich begegnet eine enge zeitliche Begrenzung der zum Lebensunterhalt unerlässlichen Sach- bzw. Geldleistungen keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn es sich - wie im vorliegenden Fall - um EU-Bürger handelt, die aufgrund erfolgter Verlustfeststellung ausreisepflichtig sind. Schließlich kann dieser Personenkreis im Sinne einer Selbsthilfemöglichkeit (vgl. zur Subsidiarität der in der Bundesrepublik Deutschland gewährten existenzsichernden Leistungen: § 2  SGB XII sowie § 9 SGB II) darauf verwiesen werden, die erforderlichen Existenzsicherungsleistungen durch die Inanspruchnahme von Sozialleistungen im Heimatstaat zu realisieren (ebenso: LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 4. Februar 2015 - L 2 AS 14/15 B ER -; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 9. Juni 2016 - L 31 AS 1158/16 B ER -; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 11. Februar 2016 – L 3 AS 668/15 B ER –, Rn 19; Bayerisches LSG, Beschluss vom 13. Oktober 2015 – L 16 AS 612/15 ER –, Rn 36; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 29. Juni 2015 – L 1 AS 2338/15 ER-B, L 1 AS 2358/15 B –, Rn 39; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 22. Februar 2016 - L 9 AS 1335/15 B -, Rn 86; SG Dortmund, Beschluss vom 11. Februar 2016 - S 35 AS 5396/15 ER - ; SG Freiburg, Beschluss vom 14. April 2016 - S 7 SO 773/16 ER -; SG Reutlingen, Urteil vom 23. März 2016 - S 4 AS 114/14 -; Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 7. November 2016, a.a.O., BT-Drucks 18/10211, Seite 12 - unter Hinweis auf die jederzeitige Rückkehrmöglichkeit und die in der EU geltenden sozialen Mindeststandards nach Artikel 13 der Europäischen Sozialcharta vom 18. Oktober 1961). Die Antragsteller des vorliegenden Verfahrens können jederzeit in ihren Heimatstaat Bulgarien zurückkehren und dort für den Fall der Hilfebedürftigkeit die allgemeine beitragsunabhängige Mindestsicherung in Form einer monatlichen sozialen Beihilfe aufgrund des bulgarischen Sozialhilfegesetzes von 1998 beanspruchen (vgl. zu den Einzelheiten des bulgarischen Sozialhilfesystems: BMAS, Sozialkompass Europa, Soziale Sicherheit im Vergleich; http://www.sozialkompass.eu/). Sollten hierbei Vollzugsdefizite auftreten, ist es den Antragstellern unbenommen, in ihrem Heimatstaat Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen. Die zeitliche Begrenzung von zum Lebensunterhalt unerlässlichen Sach- bzw. Geldleistungen auf wenige Wochen und damit auf den zur Bewerkstelligung einer geordneten Ausreise notwendigen Zeitraum ist nach alledem im Regelfall nicht zu beanstanden.

Im vorliegenden Einzelfall hat der erkennende Senat allerdings zu berücksichtigen, dass der streitbefangene Zeitraum (8. April bis 31. Oktober 2016) zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats bereits vollständig in der Vergangenheit liegt und - aufgrund der erstinstanzlichen Entscheidung - hierfür bereits durchgängig vorläufige SGB XII-Leistungen ausgezahlt worden sind. Im Rahmen des dem Senat beim Erlass einer einstweiligen Anordnung zustehenden Ermessens erfolgt die Verpflichtung des Antragsgegners daher in diesem Einzelfall ebenfalls für die Zeit ab Eingang des Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz bis zum Ende des im vorliegenden Beschwerdeverfahren streitbefangenen Zeitraums. Leistungspflichtig ist der Antragsgegner in seiner Eigenschaft als SGB XII-Leistungsträger (in Anlehnung sowohl an die Urteile des BSG vom 3. Dezember 2015, a.a.O., als auch an den Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 7. November 2016, a.a.O.).

Der teilweise zusprechenden Entscheidung des Senats steht nicht die Vorlagepflicht nach Artikel 100 Abs 1 Grundgesetz entgegen. Selbst wenn sich der Anspruch der Antragsteller auf das zum Lebensunterhalt Unerlässliche nicht aus einer verfassungskonformen Auslegung des § 23 SGB XII, sondern - angesichts des § 23 Abs 3 Satz 1 SGB XII einfachgesetzlich ausdrücklich vorgesehen vollständigen Leistungsausschlusses - direkt aus den Grundrechten der Antragsteller ergeben sollte, war der Senat gehalten, hinsichtlich der streitbefangenen existenzsichernden Leistungen selbst eine vorläufige Entscheidung nach § 86b SGG zu treffen (Verpflichtung zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes, vgl. im Einzelnen: LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 3. Dezember 2009 – L 15 AS 1048/09 B ER –, Rn 27 mit umfangreichen weiteren Nachweisen). Die Verpflichtung erfolgt vorläufig, d.h. vorbehaltlich des Ausgangs des Hauptsacheverfahrens.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nach Maßgabe des § 177 SGG unanfechtbar.