Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 28.05.2013, Az.: L 9 U 113/12
Abgrenzung zur unternehmerähnlichen Tätigkeit; arbeitnehmerähnliche Tätigkeit; Ausästen eines Baumes; Baumfällarbeiten; besondere Gefährlickeit der Tätigkeit; besonderes Fachwissen; Gesetzliche Unfallversicherung; Handlungstendenz; nachbarschaftliches Verhältnis; Unfallversicherungsschutz; Wie-Beschäftigter
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 28.05.2013
- Aktenzeichen
- L 9 U 113/12
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2013, 64255
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG - 21.05.2012 - AZ: S 16 U 89/10
Rechtsgrundlagen
- § 2 Abs 2 S 1 SGB 7
- § 2 Abs 1 Nr 1 SGB 7
- § 7 Abs 1 SGB 4
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Das Fällen oder Ausästen eines Baumes in einigen Metern Höhe überschreitet das Maß dessen, was üblicherweise in einem nachbarschaftlichen Verhältnis gegenseitig geleistet wird mit der Folge, dass eine derartige Tätigkeit als Wie-Beschäftigung unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung nach § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII stehen kann.
2. Für die Begründung des Versicherungsschutzes nach § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII ist es unerheblich, ob der Verunfallte über ein konkretes (subjektives) Sonderwissen und entsprechende Fähigkeiten verfügt.
Entgegen SG Hamburg, Urteil vom 21.09.2012 - S 40 U 232/11 - juris
Tenor:
Auf die Berufung des Berufungsklägers werden das Urteil des Sozialgerichts Braunschweig vom 21. Mai 2012 und der Bescheid des Berufungsbeklagten vom 27. November 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03. Juni 2010 aufgehoben.
Es wird festgestellt, dass es sich bei dem Unfallereignis vom 13. Mai 2008 um einen Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung gehandelt hat.
Der Berufungsbeklagte hat dem Berufungskläger seine notwendigen außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Anerkennung eines Arbeitsunfalls nach den Vorschriften des Siebten Buches Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Unfallversicherung – (SGB VII).
Der am 09. Juli 1958 geborene Kläger und Berufungskläger war 22 Jahre bei den kommunalen C. Entwässerungsbetrieben beschäftigt. Zu den Arbeitsaufgaben des Berufungsklägers gehört unter anderem das Reinigen von Schächten und Gräben und das Fällen und Auslichten von Bäumen. Seit 1993 wohnt er in D. (ca. 2.500 Einwohner) im Landkreis E.. Die 79 Jahre alte Zeugin, Frau F. G., ist seitdem seine Nachbarin.
Die Zeugin G. wollte eine auf ihrem ca. 1.000 qm großen Grundstück befindliche etwa sechs Meter hohe Tanne fällen lassen, weil sie der Meinung war, dass der Baum zu hoch geworden sei. Hiervon erzählte sie dem Berufungskläger, der sich spontan bereit erklärte, diese Arbeiten auszuführen, wenn er Zeit dazu habe.
Am Morgen des Unfalltages, dem 13. Mai 2008, kam der Berufungskläger zu der Zeugin G. an den Zaun, als diese gerade mit Gartenarbeiten beschäftigt war. Sie unterhielten sich über das Fällen der Tanne und der Berufungskläger erklärte, dass er die Arbeiten gerne an diesem Tage ausführen wolle. Da sie selbst keine Feuerstelle hat, bot die Zeugin G. dem Berufungskläger an, dass er das Holz mitnehmen und für seine Feuerstelle verwenden könne.
Zum Fällen des Baumes hatte der Berufungskläger eine Säge und ein Sicherungsseil von seiner Arbeitsstelle mitgebracht. Für den Aufstieg auf den Baum benutzte er eine Leiter, die ihm von der Zeugin G. zur Verfügung gestellt wurde, weil er eine Leiter in dieser Größe nicht zur Verfügung hatte. Die Zeugin widmete sich während der Baumfällarbeiten des Berufungsklägers weiterhin ihrer Gartenarbeit. Der Berufungskläger stieg in den Baum und wollte ihn vor dem Fällen zunächst auslichten, um die in der Umgebung vorhandenen Pflanzen nicht zu beschädigen. Bei dem Aufstieg in den Baum sicherte er sich mit einem Seil und einem Karabinerhaken. Bei der Durchführung dieser Arbeiten sägte der Berufungskläger versehentlich das Sicherungsseil durch und fiel auf den Boden, wobei er sich erhebliche Verletzungen zuzog, unter anderem eine inkomplette Querschnittslähmung.
Mit Schreiben vom 13. Mai 2009 meldete die AOK Niedersachsen bei dem Beklagten und Berufungsbeklagten einen Erstattungsanspruch nach § 111 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – an. Daraufhin erfragte der Berufungsbeklagte bei dem Berufungskläger und der Zeugin nähere Einzelheiten zu dem Unfallereignis (Fragebögen vom 09. Juni 2009, 29. Juni 2009 und 12. August 2009). Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Inhalte der ausgefüllten Fragebögen Bezug genommen (Bl. 13 ff., 21 ff. und 37 der Verwaltungsakte).
Mit Bescheid vom 27. November 2009 lehnte der Berufungsbeklagte die Anerkennung des Unfallereignisses vom 13. Mai 2008 als Arbeitsunfall ab, weil der Berufungskläger nicht als Wie-Beschäftigter tätig geworden sei. Es habe sich um eine reine Gefälligkeitsleistung gehandelt.
Dagegen legte der Berufungskläger unter dem 17. Dezember 2009 Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 03. Juni 2010, zugegangen am 07. Juni 2010, zurückgewiesen wurde.
Hiergegen hat der Berufungskläger am 07. Juli 2010 Klage zum Sozialgericht (SG) Braunschweig erhoben.
Das SG hat im Termin zur mündlichen Verhandlung am 21. Mai 2012 den Berufungskläger angehört und im Übrigen Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin G.. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift vom 21. Mai 2012 verwiesen.
Das SG hat mit Urteil vom 21. Mai 2012 die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass der Berufungskläger nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden habe, weil er unternehmerähnlich tätig geworden sei.
Gegen das ihm am 14. Juni 2012 zugestellte Urteil hat der Berufungskläger am 18. Juni 2012 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen Bremen eingelegt.
Der Berufungskläger bezieht sich auf seinen erstinstanzlichen Vortrag und trägt ergänzend vor, dass er nicht unternehmerähnlich tätig geworden sei. Er habe mit seiner Nachbarin lediglich einen bestimmten Termin vereinbart, weil er aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit nicht jederzeit auf Abruf hätte tätig werden können. Es sei aber gerade nicht vorgesehen gewesen, dass der Berufungskläger jederzeit nach seiner eigenen Bestimmung das Grundstück der Zeugin hätte betreten und den Baum selbständig hätte auslichten können. Er habe lediglich eine Säge und ein Sicherungsseil mitgebracht. Die übrigen erforderlichen Gerätschaften, z.B. eine Leiter, habe die Zeugin gestellt.
Der Berufungskläger beantragt,
1. das Urteil des Sozialgerichts Braunschweig vom 21. Mai 2012 aufzuheben,
2. den Bescheid der Berufungsbeklagten vom 27. November 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03. Juni 2010 aufzuheben und
3. festzustellen, dass es sich bei dem Unfallereignis vom 13. Mai 2008 um einen Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung gehandelt hat.
Der Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen:
Er bezieht sich auf seine ihre Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden und tritt der erstinstanzlichen Entscheidung bei.
Der Senat hat im Termin zur mündlichen Verhandlung am 28. Mai 2013 Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeuginnen G. und H.. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift vom 28. Mai 2013 verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die sonstigen Inhalte der Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Berufungsbeklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung, Beratung und Entscheidungsfindung.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist begründet.
Das SG hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Denn die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen den Berufungskläger in seinen Rechten.
Bei dem Ereignis vom 13. Mai 2008 handelt es sich um einen Arbeitsunfall im Sinne von § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII. Danach sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer dem Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII sind Beschäftigte kraft Gesetzes versichert. Der Berufungskläger stand jedoch in keinem Beschäftigungsverhältnis zu der Zeugin, weshalb Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII vorliegend ausscheidet.
Ferner sind jedoch gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII Personen versichert, die wie nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII Versicherte tätig werden (sog. Wie-Beschäftigte).
Danach kommt es für die Anwendung von § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII darauf an, dass es sich um eine mehr oder weniger vorübergehende, ernstliche, dem in Betracht kommenden fremden Unternehmen zu dienen bestimmte Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert handelt, die dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entspricht und ungeachtet des Beweggrundes für den Entschluss, tätig zu werden unter solchen Umständen tatsächlich geleistet wird, dass sie einer Tätigkeit aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses ähnlich ist (vgl. hierzu Kruschinsky in: Brackmann, Handbuch des Sozialversicherungsrechts - Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Rdnr. 804 mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung des BSG).
Insoweit scheidet eine Haftung der Berufungsbeklagten vorliegend nicht bereits deswegen aus, weil zwischen dem Berufungskläger und der Zeugin ein nachbarschaftliches Verhältnis besteht. Denn die von dem Berufungskläger vorgenommene Tätigkeit, das Ausästen eines Baumes in einigen Metern Höhe, geht weit über den Rahmen dessen hinaus, was in einem nachbarschaftlichen Verhältnis üblicherweise gegenseitig geleistet wird. Die Tätigkeit beim Fällen sowie dem Auslichten eines Baumes von sechs Meter Höhe ist nicht vergleichbar mit anderen Tätigkeiten, die im Rahmen eines guten nachbarschaftlichen Verhältnisses üblicherweise erbracht werden. Dies ergibt sich schon aus den mit dieser Tätigkeit unweigerlich verbundenen Gefahren. Tätigkeiten beim Baumausästen in dieser Höhe werden nach Kenntnis des Senats zunehmend auch nicht mehr von Gartenbauunternehmen ausgeführt, sondern von spezialisierten Firmen, die über spezielles Werkzeug (etwa einen Hubwagen oder Klettergeschirr) verfügen. Angesichts dessen verbleibt es bei der Grundregel, wonach so genannte Gefälligkeitsleistungen allein den Versicherungsschutz nicht von vornherein ausschließen. Ausnahmen hiervon gelten nur dann, wenn es sich um verhältnismäßig geringfügige Hilfeleistungen handelt, die unter Nachbarn wechselseitig üblich sind (vgl. Senatsurteil vom 14.12.2007 – L 9 U 5/05 – juris m.w.N.). Da es sich bei der Tätigkeit des Berufungsklägers nicht um eine solch verhältnismäßig geringfügige Hilfeleistung handelt, wird der Versicherungsschutz nicht durch die vorhandene Nachbarschaft ausgeschlossen.
Nach der Überzeugung des Senats ist es entgegen der Auffassung des SG Hamburg (Urteil vom 21.09.2012 – S 40 U 232/11 – juris) insoweit auch unerheblich, ob der Verunfallte über ein konkretes (subjektives) Sonderwissen und entsprechende Fähigkeiten verfügt. Denn dieser Ansicht ist schon deswegen nicht zu folgen, weil sie von falschen tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht. Es ist nach der Kenntnis des Senats keineswegs so, dass eine objektiv gefährliche Tätigkeit für einen „Fachmann“ ein beherrschbares Risiko darstellt und die Gefährlichkeit auch aus Sicht eines objektiven Betrachters neutralisiert (so aber SG Hamburg, a.a.O., Rn. 60). Die Auffassung des SG wird bereits durch die Lebenswirklichkeit widerlegt, denn auch und gerade Fachleute, die im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit gefährliche Arbeiten verrichten müssen, erleiden Arbeitsunfälle, etwa Dachdecker, Holzfäller oder Forstwirte.
Zudem entspricht es auch nicht der Lebenswirklichkeit, dass ein die Lebensverhältnisse klar überblickender durchschnittlicher und nicht leichtfertig handelnder Mensch bei der Beauftragung bzw. Vergabe von objektiv besonders gefährlichen Tätigkeiten nur einer Person bedienen würde, wenn sichergestellt ist, dass der Beauftragte über entsprechendes Sonderwissen verfügt, damit kein Schaden für Leib oder Leben an Sachen eintreten werde (so aber SG Hamburg, a.a.O., Rn. 61). Es stellt sich dabei nämlich bereits die Frage, nach welchen Kriterien man sich über dieses konkret vorhandene Sonderwissen im Rahmen von Nachbarschaftshilfe vergewissern soll. Ein Nachbar wird sicherlich nicht, falls derjenige Nachbar, den er um Hilfe bittet, angibt, dass er eine objektiv besonders gefährliche Tätigkeit ausüben könne, um die Vorlage von Qualifikationsnachweisen in Form von Abschlussprüfungen oder ähnlichem bitten, sondern sich auf das Wort des Nachbarn verlassen. Sogar ein Abschluss in einem bestimmten Beruf oder die Ausübung einer bestimmten beruflichen Tätigkeit besagt letztlich nicht, dass man bestimmte Arbeiten fehlerfrei ausführen kann, zumal die Berufsausbildung auch bereits Jahre oder Jahrzehnte zurückliegen kann und – wie bereits ausgeführt – auch Fachleute durchaus Fehler machen können.
Des Weiteren führt die Auffassung des SG Hamburg zu wenig nachvollziehbaren Ergebnissen. Sucht man sich nämlich bewusst jemanden mit möglichst wenig Fachwissen, dann bestünde gesetzlicher Unfallversicherungsschutz, während ein Helfer mit (wie auch immer geartetem) Fachwissen keinen Unfallversicherungsschutz genösse.
Schließlich stellt sich auch die grundsätzliche Frage, welche Art von Qualifikation ausreichen soll, um den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung auszuschließen bzw. um bei einer objektiv gefährlichen Tätigkeit das Risiko beherrschbar zu machen. Dies wäre letztlich nur durch Schaffung einer (neuen) Kasuistik zu klären. Der Berufungskläger ist weder Holzfäller noch Forstwirt, sondern im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit bei dem Abwasserverband unter anderem mit Baumsäge- und Baumfällarbeiten betraut. Selbst wenn man der Auffassung des SG Hamburg folgen würde, wäre das Kriterium des „Fachwissens“ daher vorliegend nach Auffassung des Senats nicht erfüllt.
Der Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII wird aber auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Berufungskläger - wie das SG meint - unternehmerähnlich gehandelt hat. Die Tätigkeit, die der Berufungskläger am 13. Mai 2008 verrichtet hat, ist objektiv der Tätigkeit eines Beschäftigten ähnlich. Hierbei ist auf das Gesamtbild abzustellen (vgl. Senatsurteil vom 14.12.2007 – L 9 U 5/05 – juris Rn. 25 m.w.N.).
Beurteilungsmaßstab für eine abhängige Beschäftigung in Abgrenzung zu der vom SG angenommenen unternehmerähnlichen Beschäftigung, die dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung nicht unterfällt, ist § 7 Abs. 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV), der für sämtliche Bereiche der Sozialversicherung gilt. Danach ist unter einer abhängigen Beschäftigung insbesondere die nichtselbstständige Arbeit in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (siehe exemplarisch BSG v. 31.05.2005 – B 2 U 35/04 R – juris – SozR 4-2700, § 2 Nr. 5) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Unternehmen ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich gekennzeichnet durch das eigene Unternehmerrisiko – das Tätigwerden auf eigene Rechnung das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte und eigener Betriebsmittel, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Weichen die Vereinbarungen von den tatsächlichen Verhältnissen ab, geben letztere den Ausschlag.
Ob eine Person wie ein Beschäftigter tätig geworden ist, richtet sich schon nach dem Wortlaut der Formulierung im Kern nach den Kriterien für eine Beschäftigung. § 2 Abs. 2 SGB VII will jedoch aus sozialpolitischen und rechtssystematischen Gründen Versicherungsschutz auch dann gewähren, wenn die Voraussetzungen eines Beschäftigungsverhältnisses nicht vollständig erfüllt sind und bei einer gegebenenfalls nur vorübergehenden Tätigkeit die Grundstruktur eines Beschäftigungsverhältnisses gegeben ist, weil eine ernstliche Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert vorliegt, die einem fremden Unternehmen dienen soll (Handlungstendenz) und dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmens entspricht, soweit diese Verrichtung einer Tätigkeit aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses ähnlich ist und nicht auf einer Sonderbeziehung z. B. als Familienangehöriger oder Vereinsmitglied beruht.
Für die Abgrenzung zwischen einer Tätigkeit als arbeitnehmerähnlicher Wie-Beschäftigter und einer unternehmerähnlichen Tätigkeit ist von der oben aufgezeigten Abgrenzung zwischen Beschäftigtem und Unternehmer auszugehen, hiervon sind jedoch gewisse Abstriche zu machen, weil nur eine arbeitnehmerähnliche Beschäftigung und eine unternehmerähnliche Tätigkeit gegenüberzustellen sind. Dabei ist zu beachten, dass bei einer Tätigkeit als Wie-Beschäftigter nicht alle Merkmale eines Beschäftigungsverhältnisses und bei einer unternehmerähnlichen Tätigkeit nicht alle Merkmale eines Unternehmers erfüllt sein müssen. So braucht bei einer Tätigkeit gemäß § 2 Abs. 2 SGB VII eine persönliche oder wirtschaftliche Abhängigkeit vom unterstützten Unternehmen nicht vorzuliegen, und für ein Unternehmen ist kein Geschäftsbetrieb oder auf Erwerb gerichtete Tätigkeit erforderlich.
Insoweit kommt es darauf an, ob - wie bei einem Unternehmer - die freie Verfügung über die eigene Arbeitskraft, den Arbeitsort und die Arbeitszeit vorliegt. Im Übrigen sind eine regel- und planmäßige Tätigkeit sowie ein Unternehmerrisiko für eine unternehmerähnliche Tätigkeit charakteristisch. Trägt der Betroffene ein wirtschaftliches Risiko, wird in der Regel von einer unternehmerähnlichen Tätigkeit auszugehen sein. Ist die verrichtete Tätigkeit einem Arbeits- oder Dienstvertrag ähnlich, liegt in der Regel eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit vor. Ist die Tätigkeit eher anderen Vertragsformen ähnlich, liegt eine unternehmerähnliche Tätigkeit vor.
In Konstellationen, in denen zwar ein nachbarschaftliches Verhältnis vorliegt, aber die erbrachte Hilfeleistung - wie hier - den Rahmen des in der Nachbarschaft Üblichen überschreitet, ist in aller Regel nur sehr schwer zu klären, ob die zugrunde liegenden Absprachen bestimmten Typformen des Bürgerlichen Rechts (Dienstvertrag oder Werkvertrag) entsprechen. Insoweit ist die gesetzliche Wertung zu berücksichtigen, dass die Tätigkeit in fremden Haushalten nach § 2 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 129 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung unterliegen soll.
Unter Berücksichtigung dieser Maßgaben liegen überwiegende Anhaltspunkte vor, die es gebieten, das Verhalten des Berufungsklägers am 13. Mai 2008 als arbeitnehmerähnlich zu bewerten.
Zwischen dem Berufungskläger und der Zeugin G. bestand eine konkrete Abrede hinsichtlich des Fällens eines ganz bestimmten Baumes. Dies spricht nach Überzeugung des Senats für eine Weisungsgebundenheit des Berufungsklägers, die für eine Arbeitnehmerähnlichkeit der von ihm ausgeübten Tätigkeit spricht. Der Berufungskläger sollte im Beisein mit der Zeugin den Baum auslichten, er konnte insoweit nicht nach eigener Maßgabe das Grundstück der Zeugin betreten und die Arbeiten vornehmen. Hiergegen spricht auch nicht, dass sich die Zeugin G. während der Baumfällarbeiten ihrer Gartenarbeit widmete. Denn auch in einem Arbeitsverhältnis findet keine ständige Beaufsichtigung der Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber statt, insbesondere wenn diese bereits in die von ihnen zu erledigenden Arbeiten eingewiesen worden sind.
Der Berufungskläger hat zwar eine Säge und ein Sicherungsseil selber mitgebracht, die er im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit genutzt hat, aber im Übrigen wurde ihm eine Leiter von der Zeugin G. zur Verfügung gestellt. Denn die Zeugin H. hatte diesbezüglich ausgeführt, dass sie zu Hause über keine entsprechend hohe Leiter verfügt hätten. Dies spricht nach den oben genannten Kriterien für eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation der Zeugin, denn ein Unternehmer würde nicht ohne Leiter zu einem Kunden fahren, um dort Arbeiten an einem Baum vorzunehmen.
Die Tätigkeit des Berufungsklägers war nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme auch nicht überwiegend von Eigenwirtschaftlichkeit geprägt. Der Berufungskläger sollte zwar das Holz (als Brennholz für seinen Kamin) behalten dürfen. Dies ist jedoch bereits deswegen nicht entscheidend, weil selbst die Zahlung eines Entgelts keine eindeutige Zuordnung zulässt, da sowohl arbeitnehmerähnliche als auch unternehmerähnliche Tätigkeiten typischerweise gegen Entgelt verrichtet werden (vgl. Schmitt in: ders., SGB VII, 4. Auflage 2009, § 2 Rn. 170 m.w.N.). Im Übrigen hätte ein gewerbliches Unternehmen nur gegen eine Bezahlung in Geld gearbeitet und nicht die Entgegennahme von Holz in geringem Umfang ausreichen lassen. Hinzu kommt, dass die Zeugin H. ausgeführt hat, dass sie auf das Holz nicht angewiesen waren. Beide Zeuginnen haben zudem übereinstimmend ausgeführt, dass das Holz keine Gegenleistung für die Tätigkeit des Berufungsklägers sein sollte.
Im Übrigen stand vorliegend nach der Handlungstendenz des Berufungsklägers gerade keine eigenwirtschaftliche Tätigkeit im Vordergrund, sondern vielmehr die Gewährung von Nachbarschaftshilfe für die Zeugin. Denn für den Berufungskläger war dies ausweislich der Sitzungsniederschrift des SG vom 21. Mai 2012 eine „nachbarschaftliche Selbstverständlichkeit“, zumal er der Zeugin G. gesagt hatte, sie sei eine ältere Dame, die solche Arbeiten nicht mehr selbst vornehmen könne. Für die Zeugin G. war Nachbarschaftshilfe nach ihrer glaubhaften Einlassung eine Selbstverständlichkeit, weil man sich – so die Zeugin – auf dem Land eben einfach mal helfe, und sie dies von klein auf so gewohnt gewesen sei es nicht anders kenne. Die Art des nachbarschaftlichen Miteinanders haben die Zeuginnen G. und H. auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung zur Überzeugung des Senats glaubhaft dargelegt.
Schließlich hat es sich um eine ernstliche Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert gehandelt, die der Sphäre - „dem Unternehmen“ – der Zeugin G. zu dienen bestimmt gewesen ist. Die Zeugin hätte diese Arbeiten nicht selbst durchführen können, sondern hätte die Durchführung dieser Arbeiten einer dritten Person gegen die Zahlung eines Entgelts übertragen und durchführen lassen müssen.
Demgegenüber treten Gesichtspunkte, die für eine Wertung der Tätigkeit des Berufungsklägers als unternehmerähnlich sprechen – etwa, dass die Zeugin G. dem Berufungskläger weitgehend freie Hand bei der eigentlichen Durchführung der Arbeiten an dem Baum gelassen hat, in den Hintergrund und vermögen nicht zu einem anderen Ergebnis zu führen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der Regelung des § 193 SGG.
Ein Grund, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, ist nicht gegeben.