Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 21.11.2002, Az.: 18 WF 53/02

Beschwerde gegen eine Kostenentscheidung des Amtsgerichts; Notwendige Differenzierung zwischen den Kosten für Auslagen und den Gerichtsgebühren im Rahmen der Kostentragungspflicht; Entsprechende Anwendung des § 94 Kostenordnung (KostO) auf zu erstattende Auslagen; Bestimmung des Kostenschuldners bei familienrechtlichen Verbleibensanordnungen und deren Aufhebungen

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
21.11.2002
Aktenzeichen
18 WF 53/02
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2002, 29854
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2002:1121.18WF53.02.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Dannenberg - 24.01.2002 - AZ: 51 F 264/01

Fundstelle

  • FamRZ 2004, 390-391 (Volltext mit red. LS)

Verfahrensgegenstand

Herausgabe von J. H.

In der Familiensache
hat der 18. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Celle
durch
am 21. November 2002
beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2 und 3 wird die Kostenentscheidung im Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Dannenberg vom 24. Januar 2002 geändert und Ziffer 4 des Beschlusstenors wie folgt neu gefasst:

Eine Gerichtsgebühr wird nicht erhoben, außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Für das Beschwerdeverfahren werden Gerichtskosten nicht erhoben, außergerichtliche Auslagen sind nicht zu erstatten.

Beschwerdewert: Gebührenstufe bis 3.000 EUR.

Gründe

1

Die zulässige Beschwerde der Beteiligten zu 2 und 3, der Pflegeltern von J. H., ist begründet. Die Pflegeeltern sind entgegen der Ansicht des Amtsgerichts weder an den Auslagen noch an den Gerichtskosten des Verfahrens zu beteiligen.

2

I.

Das Amtsgericht hatte mit der angefochtenen Entscheidung dem Antrag der Kindesmutter auf Aufhebung der bestehenden Verbleibensanordnung vom 19. Oktober 2000 (51 F 360/98 AG Dannenberg), nach der das betroffene Kind J. bei den Pflegeeltern zu verbleiben hat, aufgehoben und die Herausgabe J. aus der Obhut der Pflegeltern an die Mutter beschlossen.

3

Im zugrundliegenden Verfahren hatte das Amtsgericht dem Kind eine Verfahrenspflegerin bestellt und ein psychologisches Sachverständigengutachten eingeholt. Die Sachverständige hat auf Antrag der Pflegeltern ihr Gutachten in der mündlichen Verhandlung vom 24. Januar 2002 noch näher erläutert. Allein für die Sachverständige sind Kosten in Höhe von insgesamt 6.941,14 EUR entstanden.

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Das Amtsgericht hat mit der angefochtenen Entscheidung den Pflegeeltern 1/2 der Gerichtsgebühren und 1/3 der Auslagen des Verfahrens erster Instanz als Gesamtschuldner auferlegt. Gegen diese Kostenentscheidung wenden sich die Pflegeeltern mit Erfolg.

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II.

Bei der Kostentragungspflicht ist zwischen den Kosten für Auslagen und den Gerichtsgebühren zu unterscheiden.

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1.

Der Senat teilt die Auffassung des Amtsgerichts nicht, nach der die Kostentragungspflicht von Auslagenüber § 94 KostO zu beurteilen ist. § 94 KostO enthält nach dem Wortlaut ausschließlich eine Regelung für Gerichtsgebühren und nicht für Auslagen (z.B. Sachverständigenkosten). Eine Ausweitung des ausdrücklichen Regelungsbereichs von § 94 KostO auch auf Auslagen widerspricht der Systematik des Gesetzes, ist aber auch im übrigen nicht angezeigt. Der Gesetzgeber hatte mehrfach die Möglichkeit und den Anlass dafür, die Regelung des § 94 KostO auch auf Auslagen auszudehnen, ohne hiervon Gebrauch zu machen (§ 94 KostO) wurde zuletzt im Rahmen der Änderungen des Kindschaftsreformgesetzes v. 16.12.1997 (BGBl I S. 2942) und durch die Gesetze vom 4.5.1998 (BGBl I, 833) und vom 11.12.2001 (BGBl I S. 3513) geändert) (vgl. hierzu auch OLG Hamm FamRZ 1995, 1365 ff [OLG Hamm 19.12.1994 - 15 W 403/94]; BayObLG FamRZ 1998, 37 ff). Für eine entsprechende Anwendung des § 94 KostO auch auf Auslagen ist mithin kein Raum.

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Die Kostentragungspflicht im Hinblick auf die Auslagen richtet sich damit allein nach §§ 1 ff KostO. Für Verbleibensanordnungen bzw. deren Aufhebungen nach § 1632 Abs. 4 BGB, die auch von Amts wegen möglich sind, ist Kostenschuldner nach § 2 Abs. 2 KostO derjenige, dessen Interessen im Verfahren wahrgenommen wurden.

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Auf die grundsätzliche Entscheidung der streitigen Frage, ob Pflegeeltern überhaupt Interessenschuldner in diesem Sinne sein können (was OLG Hamm FamRZ 1995, 1365 ff [OLG Hamm 19.12.1994 - 15 W 403/94] verneint und BayObLG FamRz 1996, 37 ff grundsätzlich bejaht), kommt es vorliegend ebensowenig an, wie auf die Frage, ob das Gericht hier überhaupt eine bindende Kostenentscheidung hinsichtlich der Auslagen treffen kann oder sich die Kostenfolge nicht bereits aus dem Gesetz ergibt. Denn jedenfalls kommt im vorliegenden Fall eine Auferlegung der Auslagen auf die Pflegeeltern nicht in Betracht. Jedenfalls vorliegend wurde das Verfahren nicht im Interesse der Pflegeeltern geführt. Das ergibt sich zum einen daraus, dass vorliegend nicht die Pflegeeltern, sondern die leiblichen Eltern mit einem Antrag das Verfahren in Gang gesetzt haben. Zum anderen ist aber auch zu beachten, dass das Verfahren nach § 1632 Abs. 4 BGB das öffentliche Interesse und das Interessen des Kindes in den Vordergrund stellt. So ist eine Verbleibensanordnung ausschließlich dann zulässig, wenn ohne sie das Wohl des Kindes gefährdet wäre. Zwar ist die Rechtsposition der Pflegeltern durch verschiedene Gesetzesänderungen in den letzten Jahren erheblich gestärkt worden. So können sie Anträge stellen und auch Rechtsmittel gegen Entscheidungen einlegen. Mit der originären von Art. 6 GG geschützten Elternstellung ist ihre Position dennoch nicht vergleichbar. Der Senat hält zwar eine Fallkonstellation nicht für ausgeschlossen, nach der Pflegeltern in einem Maße eigene Interessen in einem Verfahren auch nach § 1632 Abs. 4 BGB verfolgen, die auch eine Interessenschuldnerschaft nach § 2 Abs. 2 KostO zur Folge haben kann. Ein solcher Fall ist vorliegend aber auch unter Beachtung des zurückgezogen Einverständnisses der Pflegeltern, das Kind in eine "Clearingstelle" zu geben, nicht gegeben. Für die Änderung einer Verbleibensanordnung ist ein gerichtliches Verfahren vorgesehen, dessen Inanspruchnahme den Pflegeeltern nicht zum Nachteil gereichen kann. Im übrigen wären selbst in einer Clearingstelle Kosten entstanden, die keinesfalls die Pflegeltern hätten zahlen müssen. Es sind im übrigen auch nicht die Pflegeltern gewesen, die das kostenträchtige Sachverständigengutachten verursacht habe. Vielmehr hatte das Amtsgericht gemeint, eine Entscheidung nicht ohne vorheriges Gutachten treffen zu können. Das Gutachten ist damit nicht im Interesse der Pflegeeltern eingeholt worden, sondern im Interesse des Kindes. Wäre bereits von vornherein klar gewesen, dass die Verbleibensanordnung nicht mehr geboten ist, um eine Gefahr für das Kind abzuwenden, hätte es der Einholung des Gutachtens nicht bedurft. Eine Interessenschuldnerschaft der Pflegeltern scheidet mithin im vorliegenden Fall aus, weshalb auch die Belastung der Pflegeltern mit Auslagen nicht in Betracht kommt.

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2.

Zwar ist nach der Änderung des § 94 Abs. 3 S. 2 KostO die Auferlegung der Gerichtskosten in Verfahren nach § 1623 Abs. 4 BGB nicht mehr auf die Eltern beschränkt, vielmehr können grundsätzlich auch andere Verfahrensbeteiligte, zu denen auch die Pflegeltern zählen, mit Gerichtskosten belastet werden. Zahlungspflicht ist aber nur derjenige, den das Gericht nach billigem Ermessen bestimmt, wobei auch von der Erhebung der Kosten abgesehen werden kann. Aus den bereits unter 1. genannten Gründen entspricht es vorliegend nicht der Billigkeit, die Pflegeltern an den Gerichtskosten des Verfahren zu beteiligen. Von der Erhebung der Gerichtskosten ist - wie bei den Eltern - auch bei den Pflegeltern abzusehen.

Streitwertbeschluss:

Beschwerdewert: Gebührenstufe bis 3.000 EUR.