Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 09.11.2002, Az.: 14 U 124/00
Anspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 09.11.2002
- Aktenzeichen
- 14 U 124/00
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2002, 32141
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2002:1109.14U124.00.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hannover - 14.02.2000 - AZ: 20 O 3229/99
Rechtsgrundlagen
- § 823 Abs. 1 BGB
- § 847 BGB
Der 14. Zivilsenat hat
auf die mündliche Verhandlung vom 22. August 2000
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... und
die Richter am Oberlandesgericht ... und ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 20. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 14. Februar 2000 teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Unter Abweisung der weitergehenden Klage werden die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger als Schmerzensgeld für die aus dem Verkehrsunfall vom 7. November 1993 gegen 17:40 Uhr auf der L. zwischen G. und L. erlittenen Verletzungen über bereits gezahlte 20.000 DM hinaus weitere 15.000 DM nebst 4 % Zinsen hierauf seit dem 16. September 1999 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger alle derzeit nicht hinreichend sicher absehbaren immateriellen Schäden aus dem vorgenannten Unfall zu ersetzen.
Von den erstinstanzlichen Kosten tragen der Kläger 1/5 und die Beklagten als Gesamtschuldner 4/5. Die - Kosten des Berufungsverfahrens fallen den Beklagten als Gesamtschuldnern zur Last.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beschwer beträgt weniger als 60.000 DM.
Entscheidungsgründe
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen
Die zulässige Berufung des Klägers hat vollen Erfolg.
Der Kläger hat aus dem Verkehrsunfall vom 7. November 1993, für den die Beklagten unstreitig aus §§ 823 Abs. 1, 847 Abs. 1 BGB vollständig einzustehen haben, Anspruch auf ein weiteres Schmerzensgeld in Höhe von 15.000 DM.
Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes sind unter anderem folgende Gesichtspunkte zu berücksichtigen:
Der Kläger war nach dem Unfall zunächst bewusstlos. Er musste in einer knapp einstündigen Rettungsaktion von der Feuerwehr mit Spreitzer und Blechschere aus dem Unfallwagen befreit werden und war beim Eintreffen in der Notaufnahme wach. Er erlitt im Wesentlichen folgende Verletzungen:
Ober- und Unterschenkelbruch
Schädel-Hirn-Trauma 1.-2. Grades
ausgedehnte Rissquetschwunde mit Teilskalpierung über der Stirn
Lungenkontusion links mit Thoraxtrauma
Abschürfungen im Beckenbereich.
Er befand sich zunächst zwei Tage auf der Intensivstation und wurde danach bis zum 25. November 1993 stationär weiterbehandelt. Anschließend waren über 40 krankengymnastische Behandlungstermine erforderlich. Erst am 23. August 1994 war der Kläger subjektiv beschwerdefrei, zeigte aber immer noch ein leicht hinkendes Gehbild.
Vom 22. September bis zum 2. Oktober 1995 wurden in stationärer Behandlung Implantate aus Ober- und Unterschenkel entfernt. Während der Behandlung wurde auch eine Thoraxdränage gelegt. Der Kläger musste danach zeitweise Unterarmgehstützen benutzen und war erneut in krankengymnastischer Behandlung.
Bei einer Untersuchung am 23. September 1996 in der MHH wurde festgestellt: Das Abrollen des Fußes war noch nicht sehr flüssig; es lag eine - bleibende - Beindifferenz von 1,5 cm vor; die Narbe am Knie war druckdolent; es bestand Muskelverschmächtigung des linken Ober- und Unterschenkels sowie eine 3 cm lange Narbe im Bereich der Tibia; auf Dauer besteht ca. 20 % MdE.
Bei einer Untersuchung am 18. Mai 2000 sind als bleibende Unfallfolgen noch festgestellt worden die Narbe auf der Stirn, eine Bänderschwäche des linken Sprunggelenks und eine geringe Umfangsverminderung der linken Wade im Vergleich zur rechten Wade.
Der Kläger ist durch den Unfall nicht mehr wehrdiensttauglich.
Besonderes Gewicht bei der Bemessung kommt dabei der erheblichen und dauerhaft entstellenden Narbe zu, die der Kläger bei dem kurz vor seinem 20. Geburtstag erlittenen Unfall davongetragen hat. Diese ist - wovon sich der Senat im Termin selbst überzeugen konnte - auch 7 Jahre nach dem Unfallgeschehen deutlich sichtbar; sie beginnt hoch auf der Stirn über dem rechten Auge und verläuft zunächst senkrecht nach unten bis in den Bereich der Augenhöhle, von dort waagerecht quer über den Nasenrücken bis zum linken Auge. Der Kläger hat im Termin glaubhaft geschildert, die Narbe subjektiv selbst wie in der Reaktion von Dritten erheblich wahrzunehmen.
Aus der bisherigen Rechtsprechung hat sich der Senat an ansatzweise vergleichbaren Fällen orientiert, wie sie in der 19. Auflage der ADAC-Schmerzensgeldtabelle veröffentlicht sind. In den Fällen mit den Nummern 1792, 1798 und 1806 wurde das Schmerzesgeld jeweils mit 35.000 DM bemessen. Soweit in den Fällen unter den Nummern 1728, 1739 und 1752 jeweils insgesamt 30.000 DM zugesprochen worden sind, ist zu berücksichtigen, dass die Entscheidungen 1728 und 1752 jeweils bereits rund 10 Jahre alt sind, der Entscheidung 1728 keine und den Entscheidungen 1739 und 1752 deutlich weniger einschneidende entstellende Narbenbildung, namentlich im Gesicht zugrunde lagen und der Geschädigte in den Entscheidungen 1728 und 1739 nicht ein vergleichbares jugendliches Alter aufwies.
Insgesamt erachtet der Senat vor diesem Hintergrund im Streitfall ein Schmerzensgeld von 35.000 DM als angemessen. Unter Berücksichtigung der bereit erfolgter Zahlung in Höhe von 20.000 DM waren mithin weitere 15.000 DM zuzusprechen.
Der Kläger auch mit seinem Feststellungsantrag bezüglich gegenwärtig nicht absehbarer immaterieller Zukunftsschäden Erfolg. Ausweislich des für die Zweitbeklagte erstellten "Fachchirurgischen Zusammenhangsgutachtens" des Prof. Dr. H. T. vom 16. Dezember 1996 (Bl. 19-45 d.A.) ist ausdrücklich davon auszugehen, "dass es auch im Spätverlauf noch zu neurologischen Komplikationen kommen kann und zwar insbesondere zur Ausbildung eines Krampfleidens." (Bl. 39 d.A.). Damit ist jedenfalls eine für die Annahme des erforderlichen Feststellungsinteresses hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür gegeben, dass dem Kläger in Zukunft weitere, gegenwärtig nicht absehbare immaterielle Schäden drohen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92 Abs. 1 ZPO; die weiteren Nebenentscheidungen folgen aus §§ 708 Nr. 10, 713, 546 ZPO.