Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 21.02.2006, Az.: 1 A 231/04

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
21.02.2006
Aktenzeichen
1 A 231/04
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2006, 44440
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGGOETT:2006:0221.1A231.04.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
OVG Niedersachsen - 08.09.2008 - AZ: 7 LA 80/06

Amtlicher Leitsatz

Eine niedersächsische Stiftungsuniversität unterliegt nicht dem Nichtversicherungsprinzip des Landes. Als Betreiberin einer atomrechtlichen Anlage ist sie zur Erbringung einer Deckungsvorsorge verpflichtet. Die Haftungsübernahme/-freistellung des Landes ist keine sonstige finanzielle Sicherheit.

Tatbestand:

1

Die Klägerin wendet sich gegen die Erbringung einer atomrechtlichen Deckungsvorsorge.

2

Mit Bescheid vom 1. Juli 2003 genehmigte der Beklagte der Klägerin für die Fakultät Physik aufgrund der §§ 11 Abs. 2 und 14 der Strahlenschutzverordnung - StrlSchV - i.V.m. § 17 des Atomgesetzes - AtG - den Betrieb eines Linearbeschleunigers "Pelletron" und eines Schwerionenbeschleunigers "IONAS". Daneben erließ der Beklagte unter dem 1. Juli 2003 einen sogenannten Deckungsvorsorgefestsetzungsbescheid bezüglich des genehmigten Betriebes des Linearbeschleunigers und des Schwerionenbeschleunigers. Auf der Grundlage des § 13 Abs. 1 AtG i.V.m. § 14 Abs. 1 Nr. 7 StrlSchV und der §§ 5, 6, 13 der atomrechtlichen Deckungsvorsorge-Verordnung - AtDeckV - wurde die Höhe der Deckungssumme für den Linearbeschleuniger auf 1,5 Millionen Euro und für den Schwerionenbeschleuniger auf 0,5 Millionen Euro bestimmt. Als Art der Vorsorge wurde der Abschluss von Haftpflichtversicherungen gefordert.

3

Gegen diesen Deckungsvorsorgefestsetzungsbescheid erhob die Klägerin am 23. Juli 2003 Widerspruch und führte zur Begründung aus, der Abschluss einer Haftpflichtversicherung sei nicht notwendig, weil sie als Stiftung des öffentlichen Rechts bei eventuellen Schäden vom Land Niedersachsen freigestellt werde. Dies folge aus § 6 des Gesetzes betreffend die Errichtung und Finanzierung von Stiftungen als Träger niedersächsischer Hochschulen vom 11. Dezember 2002 (Nds. GVBl. 2002, 768) und § 7 der Verordnung über die Errichtung der Stiftung "I. Stiftung öffentlichen Rechts" vom 17. Dezember 2002 - StiftVO-UGÖ - (Nds. GVBl. 2002, 812 f.). Der Umstand, dass sich die Rechtsträgerschaft für die Universität geändert habe, führe nicht zu einer Verpflichtung zur Erbringung einer Deckungsvorsorge. Die von der Universität als Körperschaft wahrgenommenen Aufgaben hätten sich nicht verändert. Die Stiftungsuniversitäten würden über § 55 Abs. 3 Nds. Hochschulgesetz - NHG - die in § 47 NHG genannten staatlichen Aufgaben als eigene Aufgaben wahrnehmen. Das Land Niedersachsen trage gemäß § 56 Abs. 3 Nr. 1 NHG mit einer jährlichen Finanzhilfe einen Großteil der zur Erfüllung des Stiftungszwecks notwendigen Mittel. Außerdem sei die Universität in der Verfügung über das ihr übereignete Grundvermögen beschränkt und könne über das Vermögen nur mit Genehmigung des Fachministeriums verfügen (§ 56 Abs. 2 NHG). Weiterhin unterliege die Universität in ihrer Wirtschaftsführung der Prüfung durch den Landesrechnungshof (§ 57 Abs. 6 NHG). Des Weiteren unterstehe die Stiftung gemäß § 62 Abs. 1 NHG der Rechtsaufsicht des Fachministeriums. Schließlich bestimme § 1 NHG, dass auch die Hochschulen in Trägerschaft von Stiftungen des öffentlichen Rechts in staatlicher Verantwortung stünden. Dies zeige, dass die Universität aufgrund bestehender gesetzlicher Regelungen in die Verwaltung eingebunden und auch in ihrer Finanzierung maßgeblich vom Land abhängig sei. Darüber hinaus habe der Landesgesetzgeber bezweckt, die Stiftungsuniversitäten in Bezug auf die Schadenshaftung gegenüber Hochschulen in staatlicher Trägerschaft nicht schlechter zu stellen. Vielmehr solle sich nach den Vorstellungen des Gesetzgebers nichts an der Versicherungspflicht ändern, da das Land ohnehin die Kosten für derartige Versicherungen über die jährliche Finanzhilfe zu tragen habe. Unter diesen Gesichtspunkten sei sie in analoger Anwendung des § 13 Abs. 4 AtG nicht zur Deckungsvorsorge verpflichtet.

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Mit Widerspruchsbescheid vom 21. Oktober 2004 wies die damalige Bezirksregierung Braunschweig den Widerspruch der Klägerin zurück und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, eine Befreiung von der Pflicht zur Deckungsvorsorge gemäß § 13 Abs. 4 Satz 1 AtG liege nicht vor. Befreit seien demnach nur der Bund und die Länder, nicht aber öffentlich-rechtliche Stiftungen oder Körperschaften in den Ländern, die grundsätzlich eigene, von den Ländern verschiedene Rechtssubjekte darstellten. Damit müsse die Klägerin die Deckungsvorsorge erbringen. Selbst wenn § 1 S. 1 Nr. 2 i.V.m. § 3 AtDeckV als Nachweis für eine Deckungsvorsorge auch eine sonstige finanzielle Sicherheit zulasse, genüge die Haftungsübernahme des Landes Niedersachsen in § 7 Abs. 1 StiftVO-UGÖ nicht den Anforderungen an eine solche sonstige finanzielle Sicherheit. Nach § 4 Abs. 4 AtDeckV dürfe die Deckungsvorsorge bis zur festgesetzten Höhe nicht für andere als solche Schadensersatzverpflichtungen bestimmt sein, die sich gerade aus dem Betrieb der Anlage zur Erzeugung ionisierender Strahlungen ergebe, für die die Deckung übernommen werde. Danach sei die Deckungsvorsorge nur für den Ersatz von Schäden gemäß § 26 Abs. 1 Satz 1 AtG sowie für andere gesetzliche Schadensersatzverpflichtungen im Sinne der Bestimmung des § 13 Abs. 5 AtG bestimmt. Die in § 7 Abs. 1 StiftVO-UGÖ geregelte Haftungsübernahme habe demgegenüber einen weiten Anwendungsbereich. Das Land Niedersachsen habe dort eine pauschale, aber auch summenmäßig begrenzte Einstandspflicht für Haftpflichten der Stiftungsuniversität übernommen. So greife die Haftung des Landes erst bei Schäden von mehr als 10.000 Euro ein. Der Bereich unterhalb dieses Betrages werde vom Haftungseintritt nicht abgedeckt. Die Höchstgrenze der Haftungsübernahme werde aufgrund der tatsächlichen Vermögensverhältnisse der Klägerin den geforderten Betrag von 2 Millionen Euro möglicherweise deutlich übersteigen. Es sei aber durch diese Regelung nicht sichergestellt, dass die Haftung bis zur Höhe dieses Betrages ausschließlich für Schäden zur Verfügung stehe, die durch den Betrieb der genehmigten Anlagen entstehe. Dem Prinzip der Ausschließlichkeit der Deckungsvorsorge werde die Haftungsübernahme des Landes nicht gerecht. Es sei vielmehr möglich, dass durch ein anderes Schadensereignis der sich aus § 7 Abs. 2 Satz 1 StiftVO-UGÖ ergebene Höchstbetrag bereits in Anspruch genommen worden sei, wenn ein von der Deckungsvorsorge abzudeckender Schaden eintrete. Mit den atomrechtlichen Vorschriften zur Deckungsvorsorge sei dies aber nicht zu vereinbaren. Die Haftungsübernahme stehe auch im Widerspruch zu § 158 c Abs. 1 des Versicherungsvertragsgesetzes - VVG -. Diese Vorschrift garantiere, dass die Versicherung im Verhältnis zum Dritten auch dann leiste, wenn sie im Verhältnis zum Versicherungsnehmer von der Leistung befreit sei. Soweit sie befreit sei, könne sie den Versicherungsnehmer in Regress nehmen. Dadurch solle sichergestellt werden, dass die stets zahlungsfähige Versicherung jedenfalls erst einmal den Schaden begleiche. Gemäß § 14 Abs. 1 und 2 AtG finde diese Vorschrift auch Anwendung, wenn die Vorsorge durch eine sonstige finanzielle Sicherheit erbracht werde. Eine andere sonstige finanzielle Sicherheit im Sinne von § 1 Nr. 2 AtDeckV, die den Anforderungen genüge und insbesondere unverzüglich zur Verfügung stehe, liege nach alledem nicht vor. Folglich sei die Klägerin verpflichtet, die Deckungsvorsorge durch Abschluss von Haftpflichtversicherungen zu erbringen.

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Am 25. November 2004 hat die Klägerin Klage erhoben und ihr Vorbringen vertieft, der Grundsatz der Nichtversicherung des Landes Niedersachsen gelte auch für sie. In Schadensfällen seien die entstehenden Ausgaben aus Haushaltsmitteln zu decken. So heiße es in der vorläufigen Verwaltungsvorschrift Nr. 12 zu § 34 der Landeshaushaltsordnung, dass dieser Grundsatz für alle Behörden und sonstigen Einrichtungen des Landes sowie für Zuwendungsempfänger, die eine institutionelle Förderung des Landes erhielten und überwiegend öffentlich finanziert seien, gelte. Auch eine Universität in der Trägerschaft einer öffentlich-rechtlichen Stiftung zähle hierzu, da es sich bei einer Trägerstiftung um einen Teil der mittelbaren Landesverwaltung handele. Die Übernahme der Erstattung von Schäden, für die sie, die Klägerin, Schadensersatz zu leisten habe, umfasse auch Schadensersatzverpflichtungen im Sinne des § 13 Abs. 1 Satz 1 AtG. Insoweit liege jedenfalls eine sonstige finanzielle Sicherheit im Sinne der §§ 1 S. 1 Nr. 2, 3 AtDeckV vor. Von daher sei der Umfang der vom Land gemäß § 7 Abs. 2 StiftVO-UGÖ zu übernehmenden jährlichen Schadenshöhe ausreichend, um die Erfüllung gesetzlicher Schadensersatzverpflichtungen zu gewährleisten, da das Immobilien-Grundstockvermögen der Stiftung zur Zeit vom Wirtschaftsprüfer auf etwa 600 Millionen Euro geschätzt werde. Die geforderte Deckungssumme von 2 Millionen Euro stehe somit in jedem Fall zur Verfügung. § 4 Abs. 4 AtDeckV könne insoweit nicht angewandt werden, da die Höchstgrenze der Haftungsübernahme die geforderte atomrechtliche Deckungssumme um ein Vielfaches übersteige. Selbst wenn der höchst unwahrscheinliche Fall eintreten sollte, dass aufgrund mehrerer anderer Schadensfälle der aus § 7 Abs. 2 Satz 1 StiftVO-UGÖ folgende Höchstbetrag bereits ausgeschöpft worden wäre, so übernehme das Land nach den Grundsätzen der Nichtversicherung von Landeseinrichtungen die Haftung. § 7 StiftVO-UGÖ stehe auch nicht im Widerspruch zu § 158 c Abs. 1 VVG. Die dort vorgesehene Garantie, dass die Versicherung im Verhältnis zum Dritten auch dann leiste, wenn sie im Verhältnis zum Versicherungsnehmer von der Leistung befreit sei, stehe nicht in Zweifel, da die Deckungssumme von insgesamt 2 Millionen Euro im Schadensfalle durch die Haftungsübernahme des Landes um ein Vielfaches gedeckt sei. Dass Bagatellschäden gemäß § 7 Abs. 2 Satz 2 StiftVO-UGÖ vom Land Niedersachsen nicht übernommen würden, sei unerheblich, da diese Schäden in jedem Fall von der Klägerin selbst getragen werden könnten. Im Übrigen werde ihre Einschätzung auch durch das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur in einem an sie gerichteten Schreiben vom 6. Mai 2005 geteilt.

6

Die Klägerin beantragt,

den Deckungsvorsorgefestsetzungsbescheid der Beklagten vom 1. Juli 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Braunschweig vom 21. Oktober 2004 aufzuheben.

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Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

8

Zur Begründung vertieft er die Ausführungen in den angegriffenen Bescheiden und weist darauf hin, die Haftungsübernahmeregelung in § 7 der StiftVO-UGÖ genüge nicht den Anforderungen an eine atomrechtlichen Deckungsvorsorge. Die Haftungsübernahme des Landes greife erst bei einem Betrag ab 10.000 Euro ein und die Haftungssumme in Höhe der geforderten Deckungsvorsorge stehe nicht ausschließlich für die in § 4 Abs. 4 AtDeckV genannten Zwecke zur Verfügung. Die Folgerung der Klägerin, die geforderte Deckungssumme von 2 Millionen Euro stehe bei einem geschätzten unbeweglichen Anlagevermögen von ca. 600 Millionen Euro in jeden Fall zur Verfügung, sei unzutreffend. Die beiden Anlagen, für die eine Deckungsvorsorge Gegenstand des Verfahrens sei, seien nicht die einzigen derartigen Anlagen der Klägerin. Es lasse sich auch nicht völlig ausschließen (Restrisiko), dass katastrophale Unglücksfälle eintreten könnten, wie beispielsweise eine Freisetzung gefährlichster Viren aus Forschungslaboratorien der Klägerin, wodurch der Haftungshöchstbetrag ausgeschöpft würde. Damit stünde die geforderte Deckungssumme von 2 Millionen Euro für die nach dem Atomgesetz genehmigten Anlagen nicht mehr zur Verfügung. Das Atomgesetz und die atomrechtliche Deckungsvorsorgeverordnung seien Bundesrecht, das nicht zur Disposition des Landes stehe und deshalb nicht durch landesrechtliche Bestimmungen geändert werden könne.

9

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid des Beklagten vom 1. Juli 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der damaligen Bezirksregierung Braunschweig vom 21. Oktober 2004 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).

11

Der Beklagte hat in rechtlich nicht zu beanstandender Weise auf der Grundlage der §§ 13 Abs. 1 AtG, 14 Abs. 1 Nr. 7 StrlSchV, 1 S. 1 Nr. 2, 2, 13 Abs. 2 Nrn. 2 und 3 AtDeckV von der Klägerin die Erbringung einer Deckungsvorsorge in Form zweier Haftpflichtversicherungen für Deckungssummen in Höhe von 1,5 und 0,5 Millionen Euro für den Linearbeschleuniger "Pelletron" und den Schwerionenbeschleuniger "IONAS" gefordert. Nach § 13 Abs. 1 S. 1 AtG hat die Verwaltungsbehörde im Genehmigungsverfahren Art, Umfang und Höhe der Vorsorge für die Erfüllung gesetzlicher Schadensersatzverpflichtungen (Deckungsvorsorge) festzusetzen, die der Antragsteller zu treffen hat. Soweit es den Betrieb der genehmigten atomrechtlichen Anlagen angeht, ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass hier die Regeldeckungssummen des § 13 Abs. 2 Nrn. 2 und 3 AtDeckV einschlägig sind.

12

Die Klägerin ist zur Erbringung einer Deckungsvorsorge in Form einer Haftpflichtversicherung oder einer sonstigen finanziellen Sicherheit auch verpflichtet, da § 13 Abs. 4 S. 1 AtG keine Anwendung findet. Mit dem 1. Januar 2003 ist die I. gemäß § 55 Abs. 1 NHG in die Trägerschaft der Klägerin als rechtsfähige Stiftung des öffentlichen Rechts überführt worden. Die Klägerin nimmt in dieser Eigenschaft als Rechtsnachfolgerin des Landes Niedersachsen die Aufgaben des § 47 NHG als eigene Aufgaben wahr, ist Eigentümerin des beweglichen und unbeweglichen Stiftungsvermögens geworden (§ 56 Abs. 1 und 5 NHG) und in alle Forderungen, Rechte und Pflichten des Landes Niedersachsen eingetreten. Gemäß § 57 NHG hat die Klägerin einen eigenständigen Wirtschaftsplan mit Stellenplan nach kaufmännischen Grundsätzen aufzustellen, wobei nach § 57 Abs. 6 NHG u.a. § 34 der Landeshaushaltsordnung (und damit auch die hierzu ergangenen Verwaltungsvorschriften) ausdrücklich keine Anwendung findet. Aufgrund dieser rechtlichen Verselbständigung der Klägerin als rechtsfähige Stiftung des öffentlichen Rechts ist sie keine Einrichtung des Landes, die unter § 13 Abs. 4 S. 1 AtG fällt. Von dieser eindeutigen Rechtslage nach dem NHG für Stiftungsuniversitäten ist auch der Gesetzgeber bei der Beschlussfassung über das Gesetz betreffend der Errichtung und Finanzierung von Stiftungen als Träger niedersächsischer Hochschulen vom 11. Dezember 2002 (a.a.O.) ausgegangen. So wurden u.a. Regelungen bezüglich der Frage der Nichtversicherung wegen der Verselbständigung der Stiftungen und der daraus resultierenden Finanzierungslast für notwendig erachtet. Die entsprechenden gesetzgeberischen Erwägungen lauteten nach der Landtagsdrucksache 14/3795 Seite 7 wie folgt:

13

Die Stiftungen können sich gegen eintretende Haftpflicht- und Vermögensschäden nur durch den Abschluss von entsprechenden Versicherungen schützen. Die Beiträge hierfür müssten jedoch bei der Bemessung der Finanzhilfe berücksichtigt werden. Für das Land zumindest wäre es wirtschaftlicher, wenn es in analoger Anwendung des Nichtversicherungsprinzips die Stiftungen von den Schadensrisiken einschließlich Altlasten freistellen würde. Durch die entsprechende Anwendung der für die Einrichtungen des Landes geltenden Verfahren auf die Haftungsfreistellung der Stiftungen hat das Land die Möglichkeit, die Schadensregulierung zu steuern. Im Hinblick auf Art. 71 Nds. Verfassung muss die Haftungshöhe jedoch begrenzt werden. Da eine Kalkulation künftiger Schäden nicht möglich ist, kann nur der Wert des unbeweglichen Anlagevermögens die Grenze darstellen.

14

Diese Überlegungen, die entbehrlich gewesen wären, wenn § 34 Landeshaushaltsordnung, insbesondere das hierzu erlassene Nichtversicherungsprinzip direkt oder analog für anwendbar angesehen worden wäre, fanden ihren Niederschlag in § 6 des Gesetzes betreffend die Errichtung und Finanzierung von Stiftungen als Träger niedersächsischer Hochschulen vom 11. Dezember 2002 (a.a.O.). Danach wird die Landesregierung ermächtigt, durch Verordnung Regelungen zur Übernahme von Schäden durch das Land zu treffen, für die die Stiftung Schadensersatz nicht erhält oder Schadensersatz zu leisten hat. Die Schadensübernahme darf dabei den Gesamtwert des unbeweglichen Anlagevermögens der Stiftung am 1. Januar des betreffenden Jahres nicht überschreiten. Bagatellschäden bis 10.000 Euro im Einzelfall werden bis zu einer Gesamthöhe von 50.000 Euro je Geschäftsjahr nicht übernommen.

15

Von dieser Verordnungsermächtigung hat die Landesregierung durch die StiftVO-UGÖ Gebrauch gemacht und in dem dortigen § 7 Folgendes bestimmt:

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(1) Das Land übernimmt die Erstattung von Schäden, für die die Stiftung Schadensersatz nicht erhält oder Schadensersatz zu leisten hat. Dies umfasst Personen-, Sach- und Vermögensschäden, insbesondere Risiken, die sich ergeben

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1. für das bewegliche und unbewegliche Vermögen aus Feuer, Wasser, Sturm und Hagel,

18

2. für das bewegliche Vermögen aus Diebstahl und Beschäftigung und

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3. für Personen- und Sachschäden aus Betriebshaftpflicht einschließlich der Haftpflicht für Altlasten.

20

Satz 1 gilt nicht, soweit die Stiftung zum Abschluss einer Versicherung verpflichtet ist.

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(2) Die Übernahme ist jährlich auf den Gesamtwert des unbeweglichen Anlagevermögens der Stiftung am 1. Januar des betreffenden Jahres beschränkt. Bagatellschäden bis 10.000 Euro im Einzelfall werden bis zu einer Gesamthöhe von 50.000 Euro pro Geschäftsjahr nicht übernommen.

22

(3) Abs. 1 gilt nicht, soweit sich die Stiftung mit Zustimmung des für die Hochschulen zuständigen Ministeriums (im Folgenden: Fachministerium) gegen die Haftung für ein Risiko versichert hat.

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Die Klägerin ist damit verpflichtet, eine atomrechtliche Deckungsvorsorge zu erbringen. Dabei stellt die Haftungsübernahme/-freistellung durch das Land keine sonstige finanzielle Sicherheit im Sinne der §§ 1 S. 1 Nr. 2, 3 Abs. 1 und 2 AtDeckV dar. Denn die Erbringung einer sonstigen finanziellen Sicherheit wird durch eine solche Haftungsübernahme/-freistellung nicht entbehrlich, wie die Anwendung des § 2 Abs. 2 AtDeckV über § 3 Abs. 3 AtDeckV verdeutlicht. Danach muss, sofern der Bund und die Länder verpflichtet sind, den zur Deckungsvorsorge Verpflichteten von Schadensersatzansprüchen freizustellen oder die Befriedigung der gegen ihn gerichteten Schadensersatzansprüche sicherzustellen, der Versicherungsvertrag oder der Vertrag über die sonstige finanzielle Sicherheit zu Gunsten der Bundesrepublik Deutschland oder des betroffenen Bundeslandes die Verpflichtung des Versicherers oder des die finanzielle Sicherheit Übernehmenden enthalten, der Verwaltungsbehörde jede Änderung des Vertrages, jedes Schadensereignis, jede Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen und jede Leistung zur Erfüllung von Schadensersatzverpflichtungen unverzüglich anzuzeigen, sobald ihm diese Umstände bekannt werden. Danach berührt die Haftungsübernahme/-freistellung des Landes Niedersachsen nicht die Verpflichtung der Klägerin zur Erbringung einer atomrechtlichen Deckungsvorsorge durch Abschluss von Versicherungsverträgen oder durch Nachweis einer sonstigen finanziellen Sicherheit. Denn eine geschädigte Person soll neben dem eigentlichen Erstattungspflichtigen (vorliegend dem Land Niedersachsen aufgrund seiner befreienden Schuldübernahme) einen liquiden Versicherer oder Dritten in Anspruch nehmen und ihm gegenüber seine Ansprüche ebenfalls realisieren können. Diese atomrechtliche Forderung resultiert aus den hohen Gefährdungs- und Verletzungsrisiken und den weitreichenden Schäden, die mit dem Betrieb einer atomrechtlichen Anlage verbunden sein können. Von daher liegt der atomrechtlichen Deckungsvorsorge die gleiche Intention wie bei einer Pflichtversicherung zugrunde, was auch die sinngemäße Anwendung der §§ 158 c bis 158 h VVG über die §§ 14 Abs. 1 und 2 AtG, 5 Abs. 4 AtDeckV zeigt. Da die Klägerin eine sonstige finanzielle Sicherheit nicht erbracht bzw. angeboten hat, hat der Beklagte mit dem Deckungsvorsorgefestsetzungsbescheid in rechtlich nicht zu beanstandender Weise den Abschluss von Haftpflichtversicherungen für die beiden Beschleuniger gefordert.

24

Unabhängig davon teilt die Kammer auch die Einschätzung des Beklagten und der damaligen Bezirksregierung Braunschweig in ihrem Widerspruchsbescheid vom 21. Oktober 2004, dass die Haftungsübernahme/-freistellung des Landes den atomrechtlichen Anforderungen an eine Deckungsvorsorge nicht genügen würde. Nach § 4 Abs. 4 AtDeckV darf die Deckungsvorsorge bis zur festgesetzten Höhe nicht für andere als die in den Absätzen 1 bis 3 genannten Verpflichtungen bestimmt sein oder verwendet werden. Die Haftung des Landes ist dagegen allgemein gefasst und zudem summenmäßig nach unten und oben begrenzt. So greift diese Haftung erst bei Schäden über 10.000 Euro im Einzelfall bzw. bei einer Gesamthöhe von mehr als 50.000 Euro je Geschäftsjahr ein. Die Haftung ist zudem durch den Gesamtwert des unbeweglichen Anlagevermögens am 1. Januar des betreffenden Jahres beschränkt.

25

Auch wenn es vorliegend nicht entscheidungserheblich ist, erscheint es fraglich, ob die Haftungsübernahme des Landes überhaupt zu Gunsten der Klägerin Platz greifen könnte. Denn nach § 7 Abs. 1 S. 3 StiftVO-UGÖ soll die Haftungsübernahme nach S. 1 dann nicht gelten, wenn die Klägerin zum Abschluss einer Versicherung verpflichtet ist. Hiervon dürften zunächst eindeutig Versicherungspflichten nach dem Pflichtversicherungsgesetz umfasst sein. Darunter könnte aber auch eine Verpflichtung fallen, die durch eine behördliche Entscheidung wie die vorliegende begründet wird. Dies hätte zur Folge, dass eine Haftungsübernahme des Landes für die Klägerin ausfiele und sie selbst uneingeschränkt neben einem Haftpflichtversicherer in der Haftung stünde.

26

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.