Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 21.02.2006, Az.: 1 A 2/05

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
21.02.2006
Aktenzeichen
1 A 2/05
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2006, 44441
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGGOETT:2006:0221.1A2.05.0A

Amtlicher Leitsatz

Die Ausschlussfrist des § 14 Abs. 3d der Satzung der Rechtsanwaltsversorgung Niedersachsen ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt die Anerkennung von Kindererziehungszeiten.

2

Die am .... 1956 geborene Klägerin ist seit November 1989 als zugelassene Rechtsanwältin Mitglied bei der Beklagten. Unter dem 16. Februar 1990 beantragte die Klägerin die Befreiung von der Versicherungspflicht bei der damaligen Bundesversicherungsanstalt für Angestellte - BfA - ab dem 1. März 1990. Diesem Begehren entsprach die BfA mit Bescheid vom 24. April 1990. Seit dem 1. März 1990 leistete die Klägerin Pflichtbeiträge an die Beklagte.

3

Mit Schreiben vom 3. November 1989 informierte die Beklagte die Klägerin über ihre Rechtsgrundlagen und übersandte ihr eine Informationsbroschüre mit entsprechenden Inhalten und weiterführenden Hinweisen. Mit Schreiben vom 7. September 1990 teilte die Klägerin der Beklagten mit, sie nehme seit dem 25. August 1990 Mutterschutz in Anspruch und der mutmaßliche Tag der Entbindung sei der 6. Oktober 1990. Für die Mutterschutzzeit und die Zeit des Bezuges des Erziehungsgeldes werde auf eine Beitragsfreistellung verzichtet. Gleichzeitig bat die Klägerin um Mitteilung, ob der Verzicht auf die Beitragsfreistellung und die freiwillige Fortzahlung der Beiträge Auswirkungen auf die Anrechnung von Kindererziehungszeiten in der Rentenversicherung habe. Daraufhin teilte die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 27. September 1990 mit, dass der Verzicht auf die Beitragsfreistellung während der Mutterschutzfrist und des Erziehungsurlaubs bei dem Versorgungswerk auf die Zuerkennung von Zusatzzeiten gemäß § 14 Abs. 3 d der Satzung keinen Einfluss habe. Es könnten jedoch nur Zusatzzeiten für die Zeiträume gewährt werden, in denen nach der Geburt keine gebührenauslösende Tätigkeit ausgeübt werde. Am 29. September 1990 wurde der klägerische Sohn K. geboren. Mit Schreiben vom 25. November 1991 informierte die Klägerin die Beklagten darüber, dass sie sich noch bis zum 29. März 1992 im Erziehungsurlaub befinde und auf eine Beitragsfreistellung für den Erziehungsurlaub verzichte. Derzeit sei kein Einkommen vorhanden. Sobald sie ihre volle Arbeitstätigkeit wieder aufnehme, werde sie dies mitteilen. Den monatlichen Beitrag werde sie weiter entrichten.

4

Aus Anlass eines Ehescheidungsverfahrens vor dem Amtsgericht Duderstadt ermittelte die Beklagte die Rentenanwartschaften der Klägerin (vgl. Schreiben der Beklagten an das Amtsgericht Duderstadt vom 25. Juli 2003). Daraufhin bat die Klägerin die Beklagte mit Schreiben vom 11. August 2003 um Klärung ihrer Erziehungszeiten für das Jahr 1990. Mit Schreiben vom 13. August 2003 teilte die Beklagte der Klägerin mit, sie habe seinerzeit auf die Beitragsfreistellung während der Mutterschutzfrist und des Erziehungsurlaubs verzichtet. Eine Anrechnung von Kindererziehungszeiten erfolge nur auf Antrag, der schriftlich binnen einer Ausschlussfrist von 3 Jahren nach jeder Geburt zu stellen und zu begründen sei.

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Mit Schreiben vom 21. Oktober 2003 und 23. Februar 2004 beantragte die Klägerin die Anerkennung von Erziehungszeiten für den Sohn K. vom 1. Oktober 1990 bis zum 30. September 1991.

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Mit Bescheid vom 4. Mai 2004 lehnte die Beklagte diesen Antrag ab und führte zur Begründung aus, gemäß § 14 Abs. 3 d der Satzung könnten weiblichen Mitgliedern auf Antrag für Zeiträume bis zu 12 Monaten für jede Geburt weitere Zusatzzeiten angerechnet werden. Der Antrag sei schriftlich binnen einer Ausschlussfrist von 3 Jahren nach jeder Geburt zu stellen und zu begründen. Obwohl die Geburt des Sohnes K. bereits am 29. September 1990 erfolgt sei, habe die Klägerin den Anerkennungsantrag erst im Oktober 2003/März 2004 gestellt.

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Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17. Dezember 2004 zurück und führte zur Begründung weiter aus, die entsprechende Antragsfrist der Satzung sei am 29. September 1993 abgelaufen, also mehr als 10 Jahre vor der jetzigen Antragstellung. Die Bedenken der Klägerin gegen die Zulässigkeit und Wirksamkeit der Satzungsbestimmungen würden nicht geteilt. Der Leistungsausschluss sei nicht unangemessen kurz und berücksichtige vielmehr, dass es nach so langen Zeiträumen erfahrungsgemäß schwierig zu überprüfen sei, ob alle Voraussetzungen für die Gewährung von Zusatzzeiten erfüllt seien. Die Klägerin sei auch ausreichend über die einschlägigen Bestimmungen des Versorgungswerkes aufgeklärt worden. Sie habe zeitnah im Zusammenhang mit ihrem Wechsel von der BfA die Informationsbroschüre der Beklagten erhalten, was sie auch nicht in Abrede nehme. Die Frage der Zusatzzeiten sei von der Klägerin seinerzeit auch offenbar erörtert worden, wie sich aus dem Schriftwechsel im September 1990 ergebe. Den Abrechnungsbescheinigungen für die Jahre 1990 und 1991 sei zu entnehmen, dass die Klägerin womöglich keine gebührenauslösende Tätigkeit ausgeübt habe (darauf deute ihr Schreiben vom 25. November 1991 hin). Dem stehe jedoch entgegen, dass ausweislich der Abrechnungsbescheinigung für das Jahr 1990 und der von ihrem damaligen Arbeitgeber unterzeichneten undatierten Gehaltsbescheinigung (Eingang bei der Beklagten am 14. März 1991) die Klägerin ab dem 1. Januar 1991 ein monatliches Bruttogehalt in Höhe von 1.400,00 DM erhalten habe. Eine entsprechende Versorgungsabgabe sei durch Bankeinzug eingegangen. Durch die hierdurch eingetretene Minderung des Einkommens des Arbeitgebers seien von diesem entsprechend geringere Beiträge abgeführt worden. Die Klägerin habe also unabhängig von der Frage der Versäumnis der Antragsfrist keinen Nachteil durch die von ihr behauptete Nichtausübung des Berufes gehabt, was aber seinerzeit Beweggrund für die Schaffung von Anrechnungszeiten gewesen sei. Der klägerische Arbeitgeber habe für sie - aus welchen Gründen auch immer - weiterhin Beiträge entrichtet und zwar auch in gegenüber den Vorjahren unveränderter Höhe.

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Am 21. Januar 2005 hat die Klägerin Klage erhoben und ihr Vorbringen vertieft, die Satzungsbestimmung des § 14 Abs. 3 d sei nichtig, da ein sachlicher Grund für eine Ausschlussfrist nicht erkennbar sei. Ihr Arbeitgeber habe auch 1990 und 1991 schon den Höchstbeitrag unabhängig von seinem Einkommen an die Beklagte bezahlt. Sie wäre ohne die Geburt ihres Sohnes (ihres dritten Kindes) in zeitlich wesentlich größerem Maße, vermutlich sogar in Vollzeit erwerbstätig gewesen.

9

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 4. Mai 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17. Dezember 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, eine Zusatzzeit gemäß § 14 Abs. 3d der Satzung der Beklagten für den Sohn K. der Klägerin, geboren am 29. September 1990, für die Zeit vom 1. Oktober 1990 bis zum 30. September 1991 anzuerkennen.

10

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

11

Zur Begründung verweist sie auf die Entscheidung des VG Lüneburg vom 8. Oktober 2003 zum Aktenzeichen 5 A 247/02, in der die Satzungsbestimmung des § 14 Abs. 3d als rechtmäßig angesehen worden sei. Die Fristüberschreitung sei vorliegend evident. Zusatzzeiten könnten in der Sache auch nur gewährt werden, wenn keine gebührenauslösenden Tätigkeiten ausgeübt und keine Beiträge an das Versorgungswerk gezahlt worden seien. Für die Klägerin seien unstreitig Beiträge wegen einer Angestelltentätigkeit bezahlt worden. Wer Lohn oder Gehalt erhalte, werde auch arbeiten müssen. Zusätzlich habe die Klägerin hier Erziehungsgeld bezogen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

13

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 4. Mai 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17. Dezember 2004 ist rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Anerkennung von Zusatzzeiten vom 1. Oktober 1990 bis zum 30. September 1991 bei der Berechnung ihrer Versicherungsjahre.

14

Die Klägerin hat die dreijährige Antragsfrist für die Zuerkennung der streitbefangenen Kindererziehungszeiten nach § 14 Abs. 3d der Satzung der Beklagten nicht eingehalten. Als Versicherungsjahre anzurechnen sind nach dieser Bestimmung auf Antrag Zeiträume bis zu 6 Monaten nach der bis zum 31. Dezember 1990 geltenden Fassung und bis zu 12 Monaten seit der ab 1. Januar 1991 geltenden Fassung für jede Geburt während der Mitgliedschaft für weibliche Mitglieder als weitere Zusatzzeit, sofern diese nachweisen, dass sie wegen der Geburt keine gebührenauslösende Tätigkeit ausgeübt haben und Ausfallzeiten aus diesem Grunde bei einem anderen Versorgungsträger nicht entstanden sind. Der Antrag ist schriftlich binnen einer Ausschlussfrist von 3 Jahren nach jeder Geburt zu stellen und zu begründen. Diese Ausschlussfrist, die nicht verlängerbar ist und nach Ablauf zum Erlöschen des Anerkennungsanspruchs führt, hat die Klägerin nicht beachtet und erst im Oktober 2003 einen Antrag auf Anerkennung von Erziehungszeiten für ihren im September 1990 geborenen Sohn K. gestellt. Selbst bei wohlwollendster Betrachtungsweise kann in den klägerischen Schreiben vom 7. September 1990 (das zudem vor der Geburt des Sohnes gefertigt worden war und bei der Beklagten einging) und vom 25. November 1991 eine dem § 14 Abs. 3d der Satzung des Beklagten genügende Antragstellung nicht gesehen werden.

15

Die dreijährige Ausschlussfrist ist auch rechtlich nicht zu beanstanden. § 14 Abs. 3d der Satzung dient insoweit dem Zweck, nach Ablauf von drei Jahren nach der Geburt von Kindern Klarheit darüber zu erhalten, inwieweit rentenerhöhende Zusatzzeiten wegen der Geburten zu berücksichtigen sind. Diese Frist soll in einem angemessenen Zeitraum aussagekräftige Daten für die erforderlichen Rückstellungen für die Renten der Mitglieder liefern. Zudem soll in zeitlicher Nähe zur Geburt eine verlässliche Überprüfung der Anerkennungsvoraussetzungen (so keine gebührenauslösende Tätigkeit wegen der Geburt) auch im Interesse des Mitgliedes ermöglicht werden. Der Ausschlussfrist liegen unter Würdigung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 5. April 2005 -1 BvR 774/02- (NJW 2005, 2443 ff.) vernünftige und mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende Erwägungen zugrunde, die sich im Rahmen der Gestaltungsfreiheit bewegen, die die Beklagte als Satzungsgeberin bei den berufsständigen Regelungen über die Altersrente ihrer Mitglieder hat (so bereits VG Lüneburg, Urteil vom 8. Oktober 2003 - 5 A 247/02 -). Denn bei einem rein beitragsfinanzierten Versorgungswerk wie der Beklagten, das anders als die gesetzliche Rentenversicherung keine Bundeszuschüsse zur Finanzierung von Kindererziehungszeiten erhält, ist im Vergleich zur gesetzlichen Rentenversicherung, die eine Antrags- und Ausschlussfrist für die Zuerkennung von Kindererziehungszeiten nicht kennt, die Bestimmung einer entsprechenden Frist sachlich gerechtfertigt. Auf dieser Grundlage erlangt die Beklagte zeitnah zu Geburten verlässliche und aussagekräftige Daten, um gegebenenfalls notwendig werdende Beitragsanpassungen in angemessener Art und Weise vornehmen und erforderliche Rückstellungen gewährleisten zu können. Die dreijährige Ausschlussfrist führt auch nicht zu einer unzumutbaren Erschwernis der Rechtsverfolgung bei der Geltendmachung von Kindererziehungszeiten. Ein entsprechender schriftlicher Antrag kann in angemessener Zeit nach der Geburt eines Kindes problemlos gestellt, begründet und belegt werden (vgl. VG Lüneburg, Urteil vom 8. Oktober 2003, a.a.O.). Soweit die Klägerin vorträgt, sie sei hinsichtlich der Anerkennung von Kindererziehungszeiten nicht ordnungsgemäß durch die Beklagte informiert worden, so überzeugt dies nicht. Der Klägerin ist bereits mit dem Eintritt in das Versorgungswerk eine ausführliche Informationsbroschüre übersandt worden, aus der sich die einschlägigen Rechtsgrundlagen (insbesondere die Satzungsbestimmung des § 14 und die dortige Ausschlussfrist des Abs. 3d) ergaben. Für die Klägerin hätte es als Rechtsanwältin folglich ein Leichtes sein müssen, sich anhand dieser Broschüre über diese relevante Frist zu informieren und rechtskundig zu machen, zumal sie zu dieser Thematik bereits im Jahre 1990 einen Schriftwechsel mit der Beklagten geführt hatte.

16

Damit kommt es auf die Frage, ob die Kindererziehungszeiten der Klägerin für ihren Sohn in der Sache überhaupt anerkennungsfähig sein könnten (etwa weil die Klägerin eine gebührenauslösende Tätigkeit nach der Geburt bei ihrem damaligen Arbeitgeber nach den ausgestellten und vorgelegten Verdienstbescheinigungen ausgeübt haben könnte), nicht entscheidungserheblich an.