Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 07.02.2006, Az.: 4 A 22/04

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
07.02.2006
Aktenzeichen
4 A 22/04
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2006, 44415
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGGOETT:2006:0207.4A22.04.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
OVG Niedersachsen - 23.11.2006 - AZ: 11 LC 80/06

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Die Ärztekammer Niedersachsen ist berechtigt, von einem Krankenhaus eine Gebühr für die Inanspruchnahme der bei ihr eingerichteten "Lebendspendekommission des Landes Niedersachsen" zu erheben (wie VG Hannover, Urteil vom 9.10.2003 - 8 A 2009/03 -).

  2. 2.

    Zur Frage der Rückwirkung einer Gebührensatzung (wie VG Hannover, Urteil vom 2.6.2004 - 5 A 2792/03 -).

Tatbestand

1

Unter dem 2. Dezember 2002 beantragte die Klägerin - ein Universitätskrankenhaus - die Erstellung einer gutachtlichen Stellungnahme durch die bei der Beklagten errichtete Lebendspendekommission des Landes Niedersachsen nach § 8 Abs. 3 des Transplantationsgesetzes - TPG - zu der Frage, ob begründete tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Einwilligung der Organspenderin K. L. in die am 16. Dezember 2002 beabsichtigte Organspende zugunsten ihrer Schwester M. L. nicht freiwillig erfolgt oder das Organ Gegenstand verbotenen Handeltreibens nach § 17 TPG ist.

2

Die Lebendspendekommission erstattete nach Anhörung der Organspenderin in ihrer Sitzung am 6. Dezember 2002 unter dem gleichen Tage das beantragte Gutachten und fand keine Hindernisse im Sinne von § 8 Abs. 3 TPG für die beabsichtigte Transplantation. Das Gutachten wurde der Klägerin unter dem 9. Dezember 2002 übersandt.

3

Mit dem hier streitbefangenen Bescheid vom 14. März 2003 setzte die Beklagte gegen die Klägerin eine Gebühr für die Erstberatung des vorbezeichneten Antrages durch die Lebendspendekommission in Höhe von 405,00 € fest und forderte die Klägerin zur Leistung bis zum 11. April 2003 auf.

4

Den hiergegen von der Klägerin erhobenen Widerspruch wies die Beklagte nach am 21. Januar 2004 erfolgter Beschlussfassung durch ihren Vorstand mit einem Widerspruchsbescheid vom 22. Januar 2004 zurück.

5

Mit ihrer am 9. Februar 2004 beim Verwaltungsgericht Hannover erhobenen Klage verfolgt die Klägerin die Aufhebung des Gebührenbescheides weiter. Das Verwaltungsgericht Hannover hat sich mit Beschluss vom 24. Februar 2004 für örtlich unzuständig erklärt und die Sache an das Verwaltungsgericht Göttingen verwiesen.

6

In der Sache ist die Klägerin der Auffassung, dass die Beklagte zur Gebührenerhebung nicht berechtigt sei, weil die Lebendspendekommission des Landes Niedersachsen bei ihr lediglich errichtet sei. Dieses begründe noch keine Berechtigung zur Gebührenerhebung. Dessen ungeachtet sei eine Gebührenerhebung durch § 14a Abs. 6 des Kammergesetzes für die Heilberufe - HKG - spezialgesetzlich ausgeschlossen. Danach bestehe lediglich die Ermächtigung der Beklagten, mit der Klägerin einen Vertrag über die Kostenerstattung zu schließen. Komme dieser nicht zustande, habe sich die Beklagte beim Land Niedersachsen schadlos zu halten, zumal die Krankenkassen die streitbefangenen Gebühren nicht erstatten würden. Schließlich liege eine unzulässige rückwirkende Gebührenerhebung vor, wobei in der erst nach Erstattung der gutachtlichen Stellungnahme verkündeten Gebührensatzung auch noch ein DM- statt ein Euro-Betrag ausgewiesen sei. Wegen der Rückwirkung habe sie die Kosten auch nicht in ihre Pflegesätze einstellen können.

7

Die Klägerin beantragt,

den Gebührenbescheid der Beklagten vom 14. März 2003 und deren Widerspruchsbescheid vom 22. Januar 2004 aufzuheben.

8

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

9

Sie verteidigt den angefochtenen Gebührenbescheid und ist der Auffassung, alternativ entweder zur Gebührenerhebung oder zum Vertragsschluss über die Kostenerstattung mit der Klägerin ermächtigt zu sein. Im Übrigen seien die Gebühren pflegesatzfähig. Die Klägerin habe auch bereits vor Verkündung der Gebührensatzung mit der Erhebung von Gebühren rechnen müssen.

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Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen, die dem Gericht zur Einsichtnahme übersandt wurden.

Entscheidungsgründe

11

Die Klage ist unbegründet.

12

Die Heranziehung der Klägerin zu einer Gebühr in Höhe von 405,00 € für die durch die bei der Beklagten errichtete Lebendspendekommission des Landes Niedersachsen erfolgte Erstbegutachtung des Antrages vom 2. Dezember 2002 nach § 8 Abs. 3 TPG ist rechtmäßig.

13

Die Heranziehung findet ihre Rechtsgrundlage in § 8 Abs. 2 HKG i.V.m. Art. 2 § 1 Abs. 1 und § 2 der am 23.11.2002 beschlossenen und am 19.12.2002 ausgefertigten Gebührensatzung der Beklagten (Nds. ÄBl. 2/2003, S. 51) - GS -.

14

I. Nach § 8 Abs. 3 Satz 2 TPG als Materie des Bundesrechts ist u.a. Voraussetzung für die Zulässigkeit der Organentnahme an einem Lebenden, dass die nach Landesrecht zuständige Kommission, deren Mindestzusammensetzung Satz 3 der Vorschrift regelt, gutachtlich dazu Stellung genommen hat, ob begründete tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Einwilligung des Organspenders in die Organspende nicht freiwillig erfolgt oder das Organ Gegenstand verbotenen Handeltreibens nach § 17 TPG ist. Die gutachtliche Stellungnahme bietet dem verantwortlichen Arzt eine zusätzliche verfahrensrechtliche Sicherheit über das Vorliegen einer rechtswirksamen Einwilligung des Organspenders sowie für den Ausschluss der Strafbarkeit des Arztes wegen Übertragung eines Organs in Kenntnis des Umstandes, dass es Gegenstand verbotenen Handeltreibens ist (Begründung zu § 7 Abs. 3 E-TPG, BT-Drs. 13/4355; Höfling, TPG, § 8 Rdnr. 113). Das Nähere, insbesondere zur Zusammensetzung der Kommission, zum Verfahren und zur Finanzierung, liegt gemäß § 8 Abs. 3 Satz 4 TPG in der Zuständigkeit des Landesrechts.

15

Der niedersächsische Landesgesetzgeber hat die in diesem Zusammenhang notwendigen Ausführungsbestimmungen zum Transplantationsgesetz durch Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Änderung des Kammergesetzes für die Heilberufe und zur Errichtung einer Psychotherapeutenkammer vom 16.12.1999 (Nds. GVBl. S. 423) vorgenommen und mit Wirkung zum 24. Dezember 1999 (Art. 4 des Gesetzes) in das Kammergesetz für die Heilberufe die Vorschrift des § 14a eingefügt, die in Absatz 1 bestimmt, dass bei der Beklagten die "Lebendspendekommission des Landes Niedersachsen" errichtet wird, deren nicht weisungsgebundene Mitglieder vom Vorstand der Beklagten im Einvernehmen mit dem zuständigen Fachministerium bestellt werden. Damit ist die Lebendspendekommission eine Einrichtung der Beklagten geworden, wie auch aus der systematischen Eingliederung des § 14a in das Zweite Kapitel des Kammergesetzes für die Heilberufe mit der Überschrift "Aufgaben" deutlich wird. Die Beklagte ist danach gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 HKG berechtigt, für Amtshandlungen und besondere Leistungen ihrer Einrichtung Gebühren zu erheben und sich Auslagen erstatten zu lassen, wobei sie die Gebühren gemäß Satz 2 der Vorschrift durch Gebührensatzung zu regeln hat.

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Das Bundesrecht hat nach § 8 Abs. 3 Satz 4 TPG offen gelassen, wer Kostenschuldner für die gutachtliche Stellungnahme der Lebendspendekommission ist. Da der niedersächsische Landesgesetzgeber jedoch durch § 14a Abs. 3 Satz 1 HKG bestimmt hat, dass die Kommission den schriftlichen Antrag der niedersächsischen Einrichtung verhandelt, in der ein Organ entnommen werden soll, ist gemäß § 8 Abs. 2 Satz 4 HKG i.V.m. § 5 Abs. 1 Satz 1 des Niedersächsischen Verwaltungskostengesetzes - NVwKostG - das Krankenhaus oder die andere Einrichtung Kostenschuldner, in der die Organentnahme stattfinden soll, weil diese durch die Antragstellung Anlass zur Amtshandlung gegeben hat. Die niedersächsische Rechtslage entspricht derjenigen in den anderen Bundesländern (vgl. Höfling, aaO, Rdnr. 135).

17

Die Klägerin genießt als nach kaufmännischen Grundsätzen handelndes Universitätskrankenhaus (Bereich Humanmedizin) gemäß § 8 Abs. 2 Satz 4 HKG i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 2 NVwKostG keine persönliche Gebührenfreiheit (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 2.2.2005, NVwZ-RR 2005, S. 515; s. zur kaufmännischen Wirtschaftsführung auch § 14 Abs. 3 der Verordnung über den Bereich Humanmedizin der A. B. vom 17.12.2002, Nds. GVBl. S. 836). Eine persönliche Gebührenfreiheit ist von der Klägerin auch nicht geltend gemacht worden.

18

Der Gebührenerhebung steht nicht § 14a Abs. 6 Satz 1 HKG entgegen. Nach dieser Vorschrift kann die Beklagte mit Einrichtungen wie der Klägerin Verträge über die Kostenerstattung schließen. Die Vorschrift beinhaltet eine Ermächtigung zum Vertragsschluss. Vorliegend ist es unstreitig zwischen den Beteiligten nicht zu einer vertraglichen Einigung über die Kostenerstattung gekommen, ohne dass es darauf ankommt, wer die Nichteinigung zu vertreten hat. Dass § 14a Abs. 6 Satz 1 HKG die einseitige Kostenerhebung nach § 8 Abs. 2 HKG nicht ausschließt, folgt bereits unmittelbar daraus, dass es die Klägerin dann andernfalls durch eine Verweigerung des Vertragsschlusses unmittelbar in der Hand hätte, sich gänzlich von ihrer Kostenpflicht zu befreien. Denn es entsprach dem Willen des Gesetzgebers, mit den entstandenen Kosten für die Anrufung der Lebendspendekommission grundsätzlich die antragstellende Einrichtung zu belasten (Entwurf des Zweiten Gesetzes zur Änderung des HKG, LT-Drs. 14/986, S. 4 und 7; ebenso VG Hannover, Urteile vom 9.10.2003 - 8 A 2009/03 - und 2.6.2004 - 5 A 2792/03 -).

19

Der Gebührenerhebung steht auch nicht § 14a Abs. 6 Satz 2 HKG entgegen, der bestimmt, dass das Land Niedersachsen die Kosten erstattet, soweit diese nicht von Dritten getragen werden. Die Vorschrift begründet lediglich eine subsidiäre Ausfallhaftung des Landes, die der Entstehung der Gebührenschuld bereits systematisch nicht entgegen gehalten werden kann.

20

Dritter ist "namentlich die Krankenkasse" (LT-Drs. 14/986, S. 4) bzw. der Organempfänger. Durch Art. 5 Nr. 2 des GKV-Gesundheitsreformgesetzes 2000 vom 22.12.1999 (BGBl. I S. 2626, 2650) wurde § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 der Bundespflegesatzverordnung - BPflV - mit Wirkung zum 1. Januar 2000 (Art. 22 Abs. 5 des Gesetzes) dahingehend ergänzt, dass zu den nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz - KHG - dem Grunde nach pflegesatzfähigen Kosten der Organbereitstellung für Transplantationen im Falle von Lebendspenden auch die Kosten der gutachtlichen Stellungnahme nach § 8 Abs. 3 Satz 2 TPG gehört. Damit hat der Bundesgesetzgeber die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass dem Krankenhaus, in dem das Organ entnommen wird, die ihm entstehenden Kosten für die Anrufung der Lebendspendekommission von dem Selbstzahler oder der gesetzlichen Krankenkasse über den entsprechend kalkulierten und vereinbarten Pflegesatz anteilig abgegolten werden. Von dieser Rechtslage ist auch der niedersächsische Landesgesetzgeber bei der Ausgestaltung der Kostenvorschrift des § 14a Abs. 6 HKG ausgegangen (LT-Drs. 14/986, aaO, S. 4 und 7f.). Ob die Klägerin die Kosten für die Anrufung der Lebendspendekommission tatsächlich zum Gegenstand ihrer Pflegesatzvereinbarungen mit den Krankenversicherern gemacht hat, ist unerheblich, weil es in die von ihr zu vertretende Sphäre fällt, von § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BPflV Gebrauch zu machen und die entsprechenden Kosten in die Kalkulation der Pflegesätze einzustellen. Ein etwaiges Versäumnis, von der jedenfalls seit dem 1. Januar 2000 ausdrücklich bestehenden Möglichkeit Gebrauch zu machen, ist weder der Beklagten noch dem Land Niedersachsen anzulasten. Auch ist der Einwand der Klägerin unerheblich, sie habe vor Verkündung der Gebührensatzung im Februar 2003 keine Kenntnis von der Gebührenhöhe gehabt und hätte sie deshalb nicht zum Gegenstand einer Pflegesatzvereinbarung machen können. Hinsichtlich der durch Satzung festzusetzenden Höhe der Gebühren war der Ärztliche Direktor der Klägerin durch die Beklagte ausweislich der zur Gerichtsakte in Ablichtung gereichten Urkunde bereits unter dem 29. Januar 2002 zu einem Gespräch eingeladen worden (Bl. 56 d.A.). Dessen ungeachtet hatte die Klägerin im Falle der vorläufigen Nichtberücksichtigung der Gebühren in den Pflegesätzen gemäß § 12 Abs. 3 Satz 3 BPflV (= § 12 Abs. 7 Satz 3 BPflV a.F.) die Möglichkeit, im Voraus mit den Vertragsparteien zu vereinbaren, dass ihr Budget nach Verkündung der Gebührensatzung teilweise neu vereinbart wird.

21

Ebenso ist im Gebührenstreit unerheblich, ob im Falle des Fehlens einer Pflegesatzvereinbarung die Kosten gegen den Selbstzahler durchgesetzt werden konnten. Denn vorliegend steht nicht ein etwaiger Erstattungsanspruch der Klägerin gegen das Land Niedersachsen, sondern der vorausgehende Gebührenanspruch der Beklagten im Streit. Im Übrigen hat die Klägerin hierzu bezogen auf den Fall der Organempfängerin M. L. weder vorgetragen, noch sind entsprechende Umstände sonst ersichtlich. Darüber hinaus müsste die Beklagte vor konkreter Geltendmachung der subsidiären Ausfallhaftung des Landes Niedersachsen ihren gegen den Dritten bestehenden Kostenerstattungsanspruch an das Land Niedersachsen abtreten.

22

II. Die Heranziehung der Klägerin zu einer Gebühr für die am 6. Dezember 2002 erstellte gutachtliche Stellungnahme der Lebendspendekommission ist auch nicht wegen einer unzulässigen Rückwirkung der erst in der Februar-Ausgabe des Jahrgangs 2003 des Niedersächsischen Ärzteblatts (Heft 2/2003) verkündeten und gemäß Art. 2 § 2 rückwirkend zum 1. Januar 2002 in Kraft getretenen Gebührensatzung rechtswidrig. Gebührensatzungen, die im Sinne einer echten Rückwirkung nachträglich ändernd in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreifen und eine öffentliche Leistungspflicht auferlegen, sind zwar grundsätzlich unzulässig. Von diesem Grundsatz, der sich aus dem Rechtsstaatsprinzip in Art. 20 Abs. 3 GG ergibt, zu dessen wesentlichen Elementen die Rechtssicherheit gehört, die ihrerseits für den Herangezogenen in erster Linie Vertrauensschutz bedeutet, gibt es jedoch Ausnahmen. Das rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot darf jedoch allein aus zwingenden Gründen des gemeinen Wohls oder wegen eines nicht bzw. nicht mehr schützbedürftigen Vertrauens des Betroffenen durchbrochen werden. Liegt in diesem Sinne ein Grund vor, der es von Verfassungs wegen rechtfertigt, das rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot zu durchbrechen, so darf diese Durchbrechung gleichwohl nicht zu Ergebnissen führen, die den grundrechtlichen Schutz des Lebenssachverhalts verletzen, der von dem Eingriff betroffen ist (BVerfG, Beschluss vom 14.5.1986, BVerfGE 72, S. 200 = NJW 1987, S. 1749, 1752ff.; Beschluss vom 15.10.1996, BVerfGE 95, S. 64 = NJW 1997, S. 722, 723f.; Beschluss vom 3.12.1997, BVerfGE 97, S. 67 = NJW 1998, S. 1547, 1548).

23

So kommt der durch das Rechtsstaatsprinzip gewährleistete Vertrauensschutz insbesondere dort nicht in Frage, wo ein Vertrauen sachlich deshalb nicht schutzwürdig ist, weil in dem Zeitpunkt, auf den der Eintritt der Rechtsfolge von der Satzung zurückbezogen wird, mit einer solchen Regelung zu rechnen war (vgl. BVerfG, Urteil vom 19.12.1961, BVerfGE 13, S. 261, 271f.; Beschluss vom 15.2.1978, BVerfGE 48, S. 1, 20; Beschluss vom 15.10.1996, ebd.). Dies ist vorliegend der Fall. Die Klägerin konnte bei Antragstellung am 2. Dezember 2002 nicht davon ausgehen, dass ihre Anrufung der Lebendspendekommission gebührenfrei sein werde, auch wenn die Gebührensatzung zu diesem Zeitpunkt noch nicht verkündet war. Denn die Gebührensatzung war von der Beklagten bereits am 23. November 2002 beschlossen worden.

24

Im Übrigen war der Klägerin bereits seit 1999 bekannt, dass beabsichtigt ist, die jeweils antragstellende Einrichtung mit den Kosten der Anrufung der Lebendspendekommission zu belasten. Dies folgt aus der Begründung zum bereits oben zitierten Entwurf der Landesregierung für ein Zweites Gesetz zur Änderung des Kammergesetzes für die Heilberufe vom 1. September 1999 (LT-Drs. 14/968), in dem ausgeführt ist, dass "eine Refinanzierung der Ärztekammer Niedersachsen hinsichtlich der bei ihr entstehenden Kosten gegenüber den antragstellenden Einrichtungen vorgesehen" ist (Seite 4) und "die Ärztekammer Niedersachsen berechtigt ist, die entstandenen Kosten - und zwar auch dann, wenn es nicht zu der beabsichtigten Transplantation kommt - der antragstellenden Einrichtung in Rechnung zu stellen" (Seite 7).

25

Der Entwurf wurde sodann - wie bereits ausgeführt - als Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Änderung des Kammergesetzes für die Heilberufe und zur Errichtung einer Psychotherapeutenkammer vom 16.12.1999 beschlossen und ist mit Wirkung zum 24. Dezember 1999 durch Aufnahme des § 14a in das Kammergesetz für die Heilberufe in Kraft getreten (siehe oben). Die Klägerin war zu dem Gesetzentwurf angehört worden und hatte ausweislich Seite 8 der Begründung zum Gesetzentwurf ihre Auffassung geäußert, dass das Verfahren vor der Kommission für die potenziellen Spender- und Empfängerpersonen kostenfrei sein müsse. Dies hatte die Landesregierung abgelehnt. Danach ist das Vertrauen der Klägerin in eine Kostenfreiheit jedenfalls spätestens seit Ende 1999 nicht mehr geschützt (ebenso VG Hannover, Urteil vom 2.6.2004, aaO).

26

Dessen ungeachtet ist eine echte Rückwirkung zulässig, wenn durch sie nur ein ganz unerheblicher Schaden verursacht wird (sog. "Bagatellvorbehalt"; BVerfG, Beschluss vom 14.5.1986, aaO und Beschluss vom 15.10.1996, ebd. mwN). Auch diese Voraussetzung liegt hier vor, weil der Klägerin die Refinanzierung ihrerseits über die Pflegesätze (s.o.) bzw. einen Erstattungsanspruch gegen die Organempfängerin und subsidiär gemäß § 14a Abs. 6 Satz 2 HKG gegen das Land zusteht. Der Schaden der Klägerin erschöpft sich deshalb allenfalls in einem Zinsschaden (ebenso VG Hannover, Urteil vom 2.6.2004, aaO).

27

Bereits aus letzteren Erwägungen führt die Durchbrechung des rechtsstaatlichen Rückwirkungsverbots nicht zu einem Ergebnis, das den grundrechtlichen Schutz des Lebenssachverhalts verletzt, der durch die nachträgliche Änderung der Rechtsfolge betroffen ist. Soweit die Klägerin vorträgt, sie habe keine Möglichkeit gehabt, die Kosten für die Anrufung der Lebendspendekommission vor Verkündung der Gebührensatzung zum Gegenstand der Pflegesatzvereinbarungen zu machen, ist dies - wie bereits oben dargestellt - unzutreffend. Sie hatte hierzu jedenfalls dem Grunde nach seit Änderung der Bundespflegesatzverordnung zum 1. Januar 2000 Gelegenheit.

28

III. Die Beklagte war danach berechtigt, für die gutachtliche Stellungnahme der Lebendspendekommission vom 6. Dezember 2002 nachträglich eine Gebühr in Höhe von 793,00 DM (= abgerundet 405,00 €) gegen die Klägerin festzusetzen. Dass Art. 2 § 1 Abs. 1 GS einen Betrag in Deutsche Mark ausweist, ist bereits vor dem Hintergrund, dass der Gebührentatbestand die Tätigkeit der Lebendspendekommission in den Jahren 2000 bis 2002 betrifft, nicht zu beanstanden. Die Höhe der Gebühr ist weder von der Klägerin angegriffen worden, noch ist sie von Amts wegen am Maßstab des § 3 Abs. 2 NVwKostG zu beanstanden. Dies ergibt bereits ein Vergleich mit den Gebühren, die in den anderen Bundesländern erhoben werden und teilweise deutlich höher liegen (s. z.B. die Bayerische Verordnung über die Höhe der Vergütung nach Art. 5 Abs. 1 des Gesetzes zur Ausführung des Transplantationsgesetzes und des Transfusionsgesetzes [AGTTG] und über die Kostenerstattung nach Art. 5 Abs. 2 AGTTG vom 1.6.2001, BayGVBl. S. 310).

29

IV. Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.

30

Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit wegen der Kosten folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708, 711 ZPO.

31

Die Berufung war gemäß §§ 124a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Die Kammer misst der Frage, ob die "Lebendspendekommission des Landes Niedersachsen" eine Einrichtung der Beklagten geworden ist, grundsätzliche Bedeutung zu. Entsprechendes gilt für die Frage, ob die subsidiäre Ausfallhaftung des Landes in § 14a Abs. 6 Satz 2 HKG bereits der Entstehung der Gebührenschuld entgegen gehalten werden kann und bejahendenfalls, welche Anforderungen an den Gebührenschuldner zu stellen sind, sich die Kosten zuvor von einem Dritten erstatten zu lassen.