Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 27.04.1999, Az.: VII 377/98
Verwirklichung eines Grundstückserwerbs bei Abschluss des Vertrages durch einen vollmachtlosen Vertreter
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 27.04.1999
- Aktenzeichen
- VII 377/98
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1999, 20453
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1999:0427.VII377.98.0A
Rechtsgrundlage
- § 24 Abs. 4 S. 1 GrEStG
Verfahrensgegenstand
Verwirklichung eines Grundstückserwerbs i.S.d. § 24 Abs. 4 S. 1 GrEStG 1997 bei Abschluß des Vertrages durch einen vollmachtlosen Vertreter.
Grunderwerbsteuer
In dem Rechtsstreit
hat der VII. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts
nach mündlicher Verhandlung
in der Sitzung vom 27. April 1999
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird auf Kosten der Klägerin abgewiesen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob ein Grundsteuererwerb mit 2 oder 3,5% Grunderwerbsteuer der Besteuerung zu unterwerfen ist.
Die Kl kaufte von der D AG Liegenschaften im Werte von DM. Der notarielle Vertrag datiert vom 30. Dezember 1996. Für die D AG ist ihr Handlungsbevollmächtigter R L aufgetreten, jedoch als vollmachtloser Vertreter. Dies ist im notariellen Vertrag vom 30. Dezember 1996 besonders hervorgehoben und wurde von der Veräußerin mit Schreiben vom 11. März 1998 bestätigt.
Mit Schreiben vom 16. Oktober 1997 teilte der den Kaufvertrag beurkundende Notar mit, dass am 16. Oktober 1997 die Genehmigung der Vertretenen bei ihm eingegangen sei. Daraufhin setzte der Beklagte für den Erwerbsvorgang die Grunderwerbsteuer fest,wobei er einen Steuersatz von 3,5% der Steuerbemessung zugrunde legte. Hiergegen richtet sich die Klage, mit der die Kl begehrt, dass lediglich ein Steuersatz in Höhe von 2% bei der Bemessung der Steuer angewandt wird.
Zur Begründung beruft sich die Kl darauf, dass der Erwerbsvorgang bereits mit Vertragsabschluss im Jahre 1996 verwirklicht worden sei. Denn für Rechtsgeschäfte unter einer aufschiebenden Bedingung gelte der Rechtsvorgang als in dem Moment der Vereinbarung als verwirklicht. Da dieser Grundsatz nach Boruttau-Viskorf, Kommentar zum Grunderwerbsteuergesetz, § 23, Rdz. 25 auch für genehmigungsbedürftige Rechtsgeschäfte gelte, sei bereits mit Vertragsabschluss im Dezember 1996 der Erwerbsvorgang verwirklicht.
Die Kl beantragt,
die mit vorläufigem Grunderwerbsteuerbescheid vom 24. Oktober 1997 festgesetzte Grunderwerbsteuer unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 18. Mai 1998 auf DM herabzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte meint, erst mit der Genehmigung sei die Bindung der Beteiligten entstanden.
Wegen des weitergehenden Vorbringens der Beteiligten wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die beigezogene Grunderwerbsteuerakte des Beklagten unter der St.Nr.: Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Zu Recht hat der Beklagte den Erwerbsvorgang mit dem ab 1. Januar 1997 geltenden Steuersatz von 3,5% (§ 11 Abs. 1 Grunderwerbsteuergesetz in der Fassung des Gesetzes vom 20. Dezember 1996: GrEStG 1997) der Grunderwerbsteuer unterworfen.
Dies ergibt sich aus § 23 Abs. 4 Satz 1 GrEStG 1997. Hiernach ist § 11 Abs. 1 GrEStG 1997 erstmals auf Erwerbsvorgänge anwendbar, die nach dem 31. Dezember 1996 verwirklicht worden sind. Nach der Rechtsprechung ist ein Erwerbsvorgang i.S.d. § 23 verwirklicht, wenn das auf einen Erwerbsvorgang abzielende Wollen in rechtsgeschäftliche Erklärungen umgesetzt worden ist, wenn also die Vertragspartner im Verhältnis zueinander gebunden sind, und zwar unabhängig davon, ob dieser Rechtsvorgang bereits die Entstehung der Steuer auslöst oder nicht (Boruttau-Viskorf, Kommentar zum Grunderwerbsteuergesetz, 14. Auflage 1997, § 23 Rdz. 24 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung).
Der Grundstückserwerb der Kl ist erst in 1997 verwirklicht worden. Denn eine Bindung der Vertragsparteien ist erst mit der Genehmigung eingetreten. Bis zur Genehmigung hatte die Veräußerin es in der Hand, ob der Vertrag wirksam wird oder ob er unwirksam bleibt. Erst mit der Genehmigung war das Vertragsverhältnis wirksam geworden (§ 177 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch) und hatte Bindungswirkung für beide Beteiligten.
Hiergegen kann die Kl nicht unter Hinweis auf Boruttau- Viskorf, GrEStG, § 23 Rdz. 25 einwenden, dass für Rechtsgeschäfte unter einer aufschiebenden Bedingung der Rechtsvorgang als in dem Moment der Vereinbarung als verwirklicht gelte und dass diese Grundsätze auch für genehmigungsbedürftige Rechtsgeschäfte gelten. Denn in der Kommentarstelle wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass diese Grundsätze nicht für eine Potestativbedingung (Wollensbedingung) gelte. Diese Einschränkung, die von den Kl nicht wiedergegeben worden ist, ist schlüssig und steht im Einklang mit der oben wiedergegebenen Rechtsprechung. Denn von einer Bindung kann nur dann gesprochen werden, wenn die Beteiligten sich eindeutig entschieden haben. Hängt die Wirksamkeit eines Vertrages aber von einer Wollensbedingung eines Vertragspartners ab, so ist eine eindeutige Bindung noch nicht hergestellt.
Der Senat sieht die vorliegende atypische Vertragsgestaltung -nämlich dass ein Handlungsbevollmächtigter als Vertreter ohne Vertretungsmacht auftritt und daß sich die Vertretene 10 Monate Zeit läßt, um den Vertrag zu genehmigen, als Versuch der Beteiligten an, die vom Bundesgesetzgeber kurzfristig und überraschend eingeführte Erhöhung der Grunderwerbsteuer zu vermeiden. Da der Gesetzgeber aber in § 23 Abs. 4 Satz 1 GrEStG 1997 eine eindeutige Übergangsregelung geschaffen hat, die vorliegend die Anwendung des erhöhten Steuersatzes vorschreibt, sieht der Senat keine Möglichkeit, die Kl von dieser Steuererhöhung auszunehmen.
Die Klage mußte folglich mit der Kostenfolge des § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung abgewiesen werden.
Die Revision ist nicht zugelassen worden.