Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 20.04.1999, Az.: VI 502/95
Verhältnis von Buchwertfortführung bei Betriebsaufspaltung und verdeckter Gewinnausschüttung bei Veräußerung eines Grundstücks unter Wert
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 20.04.1999
- Aktenzeichen
- VI 502/95
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1999, 18002
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1999:0420.VI502.95.0A
Rechtsgrundlage
- § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG
Tatbestand
Die Beteiligte streiten um den Ansatz einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA).
Die Klägerin wurde zum 14. März 1980 gegründet. Gegenstand des Unternehmens ist ... . Im Streitjahr waren am Stammkapital in Höhe von 50.000,00 DM Herr ... A... zu 60 v.H. und Herr ... B... zu 40 v.H. beteiligt. Zu der Firmengruppe A/B gehören weitere Gesellschaften. Bis zum 31. Dezember 1990 war die Klägerin Eigentümerin des mit einer Lagerhalle und dem Bürogebäude bebauten Grundstücks ... .
Mit Wirkung zum 1. Januar 1991 übertrug die Klägerin dieses Grundstück samt Gebäuden auf die neugegründete A... und B... GbR, an der Herr A... zu 60 v.H. und Herr B... zu 40 v.H. beteiligt waren. Die GbR stellte dieses Grundstück als steuerliches Sonderbetriebsvermögen der außerdem gegründeten C... GmbH & Co. KG zur Verfügung, die wiederum mit der Klägerin einen Dienstleistungsvertrag unter anderem über die Überlassung von Büro- und Lagerräumen schloß. Die Übertragung des Grundstücks erfolgte entgeltlich zum Buchwert in Höhe von 1.693.084,00 DM. Der Ausweis des Grundstücksabgangs bei der Klägerin erfolgte dementsprechend zum Buchwert; die GbR aktivierte das Grundstück mit den Anschaffungskosten in dieser Höhe. Von der Aufdeckung der stillen Reserven wurde abgesehen.
Der ursprüngliche Bescheid über Körperschaftsteuer für 1991, dem die Angaben in der Steuererklärung zugrunde lagen, stand unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
Nach einer Betriebsprüfung vertrat das Finanzamt (FA) die Auffassung, die Buchwertfortführung sei unzulässig. Die Differenz zwischen unstreitigem Verkehrswert des Grundstücks und dem erzielten Erlös in Höhe des Buchwertes betrage 346.916,00 DM und stelle eine vGA dar. Mit dem nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Körperschaftsteuerbescheid vom 27.02.1995 erfaßte das FA die hier streitige vGA und stellte die Ausschüttungsbelastung her.
Nach erfolglosem Einspruchsverfahren hat die Klägerin Klage erhoben. Auch bei der umgekehrten Betriebsaufspaltung, nämlich bei Übertragung eines Wirtschaftsgutes von der Betriebskapitalgesellschaft auf eine Besitzpersonengesellschaft, stehe dem Steuerpflichtigen das Wahlrecht darüber zu, ob eine Aufdeckung der stillen Reserven erfolgen solle oder nicht. Dieses Wahlrecht sei den Vorschriften der §§ 20 ff. Umwandlungssteuergesetz nachgebildet. An einer gesetzlichen Grundlage fehle es bisher. Voraussetzungen für die Nutzung dieses Wahlrechts im Zuge der Begründung einer Betriebsaufspaltung seien das Vorliegen eines einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen sowie die Übertragung von Vermögensgegenständen, die zumindest eine wesentliche Betriebsgrundlage darstellten. Diese Voraussetzungen lägen hier unstreitig vor. Bei einer sogenannten normalen Betriebsaufspaltung, nämlich bei Übertragung eines Wirtschaftsgutes von der Besitzpersonengesellschaft auf eine Betriebskapitalgesellschaft, bestehe zweifellos das Wahlrecht. Im umgekehrten Fall müßten ebenfalls die Wirtschaftsgüter steuerfrei auf eine neugegründete Besitzpersonengesellschaft übertragen werden können. Eine Aufdeckung der stillen Reserven wäre nur dann zu fordern, wenn die künftige Besteuerung der im übertragenen Wirtschaftsgutes ruhenden stillen Reserven nicht mehr sichergestellt sei. Hier bliebe das Wirtschaftsgut aber weiter steuerlich verstrickt. Rechtsprechung und Literatur räumten in diesen Fällen das Wahlrecht ein. Die Grundsätze zu den vGA dürften dem nicht entgegen stehen.
Die Klägerin beantragt,
den Körperschaftsteuerbescheid für 1991 vom 27.02.1995 in Gestalt des Einspruchsbescheids vom 07.08.1995 zu ändern und die Steuer unter Außerachtlassung einer vGA in Höhe von 346.916,00 DM anderweitig niedriger festzusetzen.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es verweist auf die Begründung des Einspruchsbescheids. Das bei einer normalen Betriebsaufspaltung bestehende Wahlrecht bezüglich der Aufdeckung der stillen Reserven sei hier nicht anwendbar. Das Wahlrecht werde eingeräumt, soweit die Versteuerung der stillen Reserven beim jeweiligen Steuerpflichtigen sichergestellt sei, denn nach herrschender Meinung sei eine Entnahme nicht gegeben, wenn Wirtschaftsgüter von einem Betrieb auf einen anderen Betrieb des Steuerpflichtigen übertragen würden. Bei einer Kapitalgesellschaft seien indes keine Entnahmen möglich. Bei dem hier vorliegenden Sachverhalt führe die Übertragung des Grundstücks auf die GbR auch dazu, dass die spätere Erfassung der stillen Reserven bei der Körperschaftsteuer der Klägerin ausgeschlossen werde. Die eventuell spätere Erfassung der stillen Reserven bei der Einkommensbesteuerung der Gesellschafter der GbR sei nicht geeignet, die gesetzlichen Regelungen über die vGA nicht anzuwenden.
Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.
Gründe
Das Gericht durfte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten auf mündliche Verhandlung verzichtet haben. Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der angegriffene Steuerbescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Das Finanzamt hat zu Recht die Differenz zwischen Verkehrswert und Buchwert des auf die A... und B... GbR übertragenen Grundstücks als vGA angesehen.
Unter einer vGA im Sinne des § 8 Abs. 3 Satz 2 Körperschaftsteuergesetz (KStG) ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) zu verstehen, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, sich auf die Höhe des Einkommens auswirkt und in keinem Zusammenhang mit einer offenen Ausschüttung steht. Für den größten Teil der entschiedenen Fälle hat der Bundesfinanzhof (BFH) eine Veranlassung der Vermögensminderung durch das Gesellschaftsverhältnis angenommen, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte (ständige Rechtsprechung; vergleiche z.B. BFH-Urteil vom 21. Dezember 1994 I R 98/93, BFHE 176, 413, BStBl II 1995, 419 mit weiteren Nachweisen).
Die Voraussetzungen für die Annahme einer vGA liegen hier vor. Die Klägerin hat ihren Gesellschaftern A... und B... als Gesellschafter der neu gegründeten A... und B... GbR ihr Betriebsgrundstück zu einem unter dem Verkehrswert liegenden Entgelt veräußert. Die verhinderte Vermögensmehrung ist mit der Differenz zwischen Veräußerungserlös und Verkehrswert zu ermitteln und beträgt unstreitig 346.916,00 DM. Die Veräußerung eines Wirtschaftsgutes unter Wert wirkt sich bei der Klägerin gewinnmindernd aus. Betriebliche Gründe für die verbilligte Überlassung des Betriebsgrundstückes der Klägerin an die GbR sind nicht geltend gemacht und auch nicht ersichtlich; die Vermögensminderung der Klägerin ist deshalb durch das Gesellschaftsverhältnis bedingt, denn einem fremden Dritten hätte sie ihr Betriebsgrundstück vermutlich nicht zu einem unter dem Verkehrswert liegenden Preis veräußert.
Die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Buchwertfortführung bei einer Betriebsaufspaltung stehen der Annahme einer vGA nicht entgegen. Die Grundsätze zur Buchwertfortführung bei Betriebsaufspaltung schließen eine vGA nicht aus, denn zwischen diesen beiden Instituten besteht kein direkter Zusammenhang dergestalt, dass bei der Zulässigkeit einer Buchwertfortführung beim Erwerber des Wirtschaftsgutes die Annahme einer vGA ausscheidet. Bei der Buchwertfortführung nach Betriebsaufspaltung geht es um die Frage, ob bei Erzielung eines Veräußerungsgewinns die stillen Reserven der Versteuerung zu unterwerfen sind. Führt ein Veräußerungsvorgang nicht zu einem Veräußerungsgewinn, wenn - wie hier - der Veräußerungspreis den Buchwert nicht übersteigt, so stellt sich auch nicht die Frage nach der Aufdeckung der stillen Reserven. Bei der Beurteilung, ob ein Veräußerungsvorgang eine vGA darstellt, ist wie oben ausgeführt dagegen zu prüfen, ob dem Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft ein Wirtschaftsgut zu einem unangemessen niedrigen Kaufpreis zugewendet worden ist. Das kann auch der Fall sein, wenn wegen der Veräußerung zum Preis in Höhe des Buchwertes ein Veräußerungsgewinn nicht entstanden ist. Zwar führt im Ergebnis der Ansatz einer vGA zur Aufdeckung und Verteuerung der stillen Reserven bei der Klägerin. Auch wenn die Voraussetzungen für die Buchwertfortführung nach Betriebsaufspaltung vorliegen würden, entfiele jedoch die vGA nicht. Gegenstand der vGA ist nämlich ein anderer als der der Erfassung eines Veräußerungsgewinns. Die vGA erfasst den gesamten Vermögensvorteil, der dem Gesellschafter zugewendet wird. Bei der Erfassung eines Veräußerungsgewinns werden nur die stillen Reserven des veräußerten Wirtschaftsgutes der Besteuerung unterworfen. Das kann wie hier dazu führen, dass eine vGA anzunehmen ist, obwohl kein Veräußerungsgewinn erzielt wird oder wenn stille Reserven gar nicht vorhanden sind (Urteil des BFH vom 29. Oktober 1991 VIII R 2/86, BStBl II 1992, 832 mit weiteren Nachweisen).
Abgesehen davon liegen die Voraussetzungen für die Buchwertfortführung nach einer Betriebsaufspaltung nicht vor. Die Folgen einer Betriebsaufspaltung sind im Gesetz nicht geregelt, sondern sind durch die Rechtsprechung entwickelt worden. Danach kann unter weiteren Voraussetzungen die Aufdeckung und Versteuerung stiller Reserven unterbleiben, wenn das veräußerte Wirtschaftsgut im betrieblichen Bereich eines Steuerpflichtigen verbleibt und die spätere steuerliche Erfassung der im Buchansatz für ein Wirtschaftsgut enthaltenen stillen Reserven gewährleistet ist. Das ist hier nicht der Fall, denn das fragliche Betriebsgrundstück wird dem Bereich der Körperschaftsteuerpflicht entzogen; die spätere Erfassung der anteiligen stillen Reserven bei der Körperschaftsteuer der Klägerin ist damit ausgeschlossen. Dass das Grundstück nach Veräußerung der Einkommensteuerpflicht der Gesellschafter unterliegt, ist unerheblich (Urteil des Finanzgerichts (FG) Münster vom 12. Oktober 1993, 1 K 5734/89 F, EFG 1994, 537). Des weiteren ist im zu entscheidenden Fall wegen der Veräußerung zum Buchwert kein Veräußerungsgewinn entstanden, der die Frage nach der Aufdeckung der stillen Reserven auslöst. Die Annahme einer vGA beruht wie ausgeführt auf anderen Gesichtspunkten, so dass eine analoge Anwendung der durch die Rechtsprechung entwickelten Grundsätze nicht in Betracht kommt. Schließlich bestehen Zweifel, ob die Voraussetzungen für eine Betriebsaufspaltung überhaupt vorliegen. Diese rühren daher, dass nicht das Betriebsgrundstück von der Klägerin an die A... und B... GbR veräußert wurde, die es wiederum der Klägerin verpachtet. Vielmehr ist hier das Grundstück einer neugegründeten GmbH & Co. KG zur Verfügung gestellt worden, die es ihrerseits der Klägerin zur Nutzung überließ. Die steuerliche Verstrickung im betrieblichen Bereich der Klägerin bzw. ihrer Gesellschafter erfährt dadurch eine weitere Lockerung.
Die Höhe der anzunehmenden vGA ist unstreitig. Bei der Überlassung des Betriebsgrundstücks unter Verkehrswert handelt es sich um eine andere Ausschüttung im Sinne des § 27 Abs. 3 Satz 2 KStG. Das Finanzamt hat zu Recht im Streitjahr die Ausschüttungsbelastung hergestellt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.