Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 21.04.1999, Az.: II 449/98 Ki

Rückforderung von Kindergeld wegen Überschreitens der Grenze für eigene Einkünfte und Bezüge des Kindes; Aufhebung eines Dauerverwaltungsakts mit Wirkung für die Vergangenheit

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
21.04.1999
Aktenzeichen
II 449/98 Ki
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1999, 20452
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:1999:0421.II449.98KI.0A

Verfahrensgegenstand

Kindergeld für den Sohn Oliver von Januar bis Dezember 1997 (Einspruchsbescheid vom 18.05.1998)

Amtlicher Leitsatz

Die Familienkasse kann die Festsetzung von Kindergeld nach § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO nach Ablauf eines Kalenderjahres mit Wirkung vom Beginn dieses Kalenderjahres ändern, wenn mit Ablauf des Kalenderjahres feststeht, daß die Einkünfte und Bezüge des Kindes den Grenzbetrag nach § 32 Abs. 4 S. 2 - 7 EStG überschritten haben.

Ist der der Gewährung des Kindergeldes zugrundeliegende Kindergeldbescheid nach Ablauf des Kalenderjahres jedoch schoneinmal - aus welchen Gründen auch immer - geändert worden, kann er, um nunmehr für das abgelaufene Kalenderjahr auch noch die Folgerungen aus dem Überschreiten des Grenzbetrags zu ziehen, nur noch bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 AO geändert werden, der Sachverhalt mithin insoweit erst nach Ergehen des letzten (Änderungs-)Bescheids bekanntgeworden ist.

In dem Rechtsstreit
hat der II. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts
nach mündlicher Verhandlung
in der Sitzung vom 21. April 1999,
an der mitgewirkt haben:
Vorsitzender Richter ... am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ...
ehrenamtlicher Richter ...
ehrenamtlicher Richter ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Der Kindergeld-Änderungs- und -Rückforderungsbescheid vom 21.04.1998 und der Einspruchsbescheid vom 18.05.1998 werden ersatzlos aufgehoben.

Die Revision wird zugelassen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der an die Klägerin zu erstattenden Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit leistet.

Tatbestand

1

Streitig ist die Rückforderung von Kindergeld wegen Überschreitens der Grenze für eigene Einkünfte und Bezüge des Kindes.

2

Die Klägerin (Kl'in) erhielt für ihren in Ausbildung befindlichen Sohn Oliver Kindergeld. Den Zahlungen für 1997 lag ein Kindergeldbescheid vom 18.09.1996 zugrunde. Noch im Jahr 1996 ging dem Beklagten (Bekl.) eine Ausbildungsbescheinigung vom 13.11.1996 für den Sohn der Kl'in zu, nach deren Inhalt der Sohn eine voraussichtliche Ausbildungsvergütung von brutto 13.600 DM im Jahr 1997 erhalten werde. In der Bescheinigung war die Rubrik, in der zusätzliche Leistungen, wie z.B. Urlaubs- und Weihnachtsgeld, aufzuführen sind, gestrichen. Daraufhin verfügte der Bekl. intern, dass das Kindergeld weiter zu gewähren sei. Am 08.12.1997 ging dem Bekl. eine neue Ausbildungsbescheinigung zu. Danach hatte der Sohn der Kl'in 1997 eine laufende Ausbildungsvergütung von insgesamt 14.480 DM und zusätzlich Urlaubs- und Weihnachtsgeld von 2.424 DM erhalten, mithin Bruttobezüge von insgesamt 16.904 DM.

3

Daraufhin hob der Bekl. mit Bescheid vom 20.02.1998 die Festsetzung des Kindergeldes mit Wirkung ab Januar 1998 auf, da die Bezüge des Kindes nach Abzug des Werbungskostenpauschbetrages die maßgebliche Grenze von 12.360 DM im Jahre 1998 voraussichtlich übersteigen würden.

4

Mit einem weiteren Bescheid vom 21.04.1998 änderte der Bekl. sodann die Festsetzung des Kindergeldes für das Streitjahr 1997 wegen Überschreitens der für 1997 maßgeblichen Grenze von 12.000 DM mit Wirkung ab Beginn des Jahres 1997 und forderte das überzahlte Kindergeld im Gesamtbetrag von 2.640 DM zurück. Der Einspruch der Kl'in hiergegen hatte keinen Erfolg. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt des Einspruchsbescheids vom 18.05.1998 verwiesen (Bl. 17 - 27 GA).

5

Mit der hiergegen gerichteten Klage macht die Kl'in geltend, die Kindergeldfestsetzung habe nicht geändert werden dürfen, weil sie ihren Mitteilungs- und Mitwirkungspflichten ausreichend nachgekommen sei, sie insbesondere dem Bekl. die Einkommensverhältnisse des Sohnes, soweit es ihr möglich gewesen sei, mitgeteilt habe. Es sei für den Bekl. ohne weiteres möglich und zumutbar gewesen, bereits vor Dezember 1997 über die geänderten Einkommensverhältnisse ausreichend unterrichtet zu sein. Der Bekl. habe damit seine Aufklärungspflicht verletzt.

6

Die Kl'in beantragt,

den Bescheid vom 21.04.1998 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 18.05.1998 ersatzlos aufzuheben.

7

Der Bekl. beantragt,

die Klage abzuweisen.

8

Er hält an seiner Begründung im Einspruchsbescheid fest. Ergänzend weist er darauf hin, dass der Bescheid vom 20.02.1998 einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung ab - und nur ab - Januar 1998 geändert habe. Der ursprüngliche Dauerverwaltungsakt sei für den Zeitraum bis Dezember 1997 insoweit unberührt geblieben. Ein Verwaltungsakt bleibe nämlich wirksam, soweit er nicht aufgehoben werde.

Entscheidungsgründe

9

Die Klage ist begründet. Das Arbeitsamt dürfte das schon ausgezahlte Kindergeld nicht mehr zurückfordern.

10

1.

Der Kl'in steht allerdings für das Jahr 1997 nach materiellem Recht kein Kindergeld für ihren Sohn Oliver zu, da der Sohn im Kalenderjahr 1997 Einkünfte von mehr als 12.000 DM bezogen hatte, nämlich eine Ausbildungsvergütung einschließlich Urlaubs- und Weihnachtsgeld von 16.904 DM, sodass nach Abzug des Werbungskostenpauschbetrages von 2.000 DM - höhere Werbungskosten des Sohnes sind nicht geltend gemacht - Einkünfte von 14.904 DM verbleiben.

11

Nach § 63 Abs. 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) werden nur Kinder im Sinne von § 32 Abs. 1 EStG berücksichtigt. Hat das Kind, wie im Streitfall, das 18. Lebensjahr vollendet und befindet es sich in Ausbildung, so bestimmt § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG, dass das Kind nur berücksichtigt wird, wenn es Einkünfte oder Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt und geeignet sind, von nicht mehr als 12.000 DM (nachfolgend: Grenzbetrag) im Kalenderjahr hatte. Da die Einkünfte des Sohnes der Kl'in diesen Grenzbetrag unstreitig überstiegen, bestand für 1997 kein Anspruch auf Kindergeld.

12

2.

Indes war es dem Bekl. aus verfahrensrechtlichen Gründen verwehrt, die Kindergeldfestsetzung entsprechend zu ändern und das Kindergeld von der Kl'in zurückzufordern.

13

a)

Die Festsetzung von Kindergeld und die Änderung von Bescheiden über die Gewährung von Kindergeld richtet sich nach den Vorschriften der Abgabenordnung (AO) über Steuervergütungen. Denn seit 1996 wird Kindergeld nach § 31 Satz 3 EStG als Steuervergütung gezahlt. Gemäß § 155 Abs. 6 AO sind auf Steuervergütungen die für die Steuerfestsetzung geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden, wozu insbesondere auch die Vorschriften über die Aufhebung und Änderung von Steuerbescheiden gehören (§ 172 ff AO). Ergänzt werden diese Vorschriften durch die besonderen Änderungsvorschriften des § 70 Abs. 2 und 3 EStG. Hierbei handelt es sich um zusätzliche Korrekturvorschriften, die erforderlich wurden, weil die Festsetzung von Kindergeld regelmäßig einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung darstellt, der Rückgriff auf die (allerdings auf Dauerverwaltungsakte auch nicht unbedingt zugeschnittenen) Korrekturtatbestände der §§ 130, 131 AO durch § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 d AO ausdrücklich ausgeschlossen ist und die AO eine dem § 48 Sozialgesetzbuch (SGB) X entsprechende Regelung nicht enthält (Seewald/Felix, Kindergeldrecht, § 70 EStG, Rdnr. 41; Berlebach, Steuerlicher Familienleistungsausgleich, § 70 EStG, Rdnr. 10; Bergkämper/Kanzler in Herrmann-Heuer-Raupbach, § 70 EStG, Rdnr. 13).

14

b)

Nach Auffassung des Senats ist bei Überschreiten des Grenzbetrags des § 32 Abs. 4 Sätze 2 - 7 EstG, was aus logischen Gründen erst mit Ablauf des Kalenderjahres eintreten kann, die Aufhebung oder Änderung einer Kindergeldfestsetzung mit Wirkung ab Beginn des Kalenderjahres entgegen der Auffassung eines Teiles der Literatur und Finanzgerichte (Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 17.08.1997 VII 604/96 Ki, Revision eingelegt, EFG 1998, 109; Seewald/Felix a.a.O., Rdnr. 43, Weber-Grellet in Schmidt, § 70 EStG, Rdnr. 4, beide unter Hinweis auf das genannte Urteil) nicht nach § 70 Abs. 2 EStG möglich. Das Überschreiten des Grenzbetrags mit Ablauf des betreffenden Kalenderjahres ist vielmehr ein Ereignis mit steuerlicher bzw. kindergeldrechtlicher Rückwirkung, sodass ein bestandskräftiger Kindergeldbescheid nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO mit Wirkung vom Beginn des Kalenderjahres geändert werden kann (so die wohl herrschende Meinung: Berlebach a.a.O. § 70 EStG, Rdnr. 14; Bergkämper/Kanzler a.a.O., § 70 EStG, Rdnr. 13; Hessisches Finanzgericht, Urteil vom 13.05.1997 2 K 5477/96, EFG 1997, 1261; Tz. 70.4.2 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 i.V.m. Tz. 63.4.1.2 Abs. 7 der Dienstanweisung zur Durchführung des steuerlichen Familienleistungsausgleichs (DAFamEStG, BStBl I 1998, 386 ff).

15

aa)

Den Vertretern der anderen Auffassung kann zwar darin gefolgt werden, dass die Entstehung des Kindergeldanspruchs u.a. im Hinblick auf die Verpflichtung zur monatlichen Auszahlung (§§ 31 S. 3,71 EStG) nicht von der Nichtüberschreitung des in§ 32 Abs. 4 Satz 2 bis 7 EStG geregelten Grenzbetrags abhängig sein kann, weil es sonst nicht monatlich laufend gewährt werden könnte, sondern der Anspruch unter der gesetzlichen auflösenden Bedingung entsteht, dass die Einkünfte und Bezüge des Kindes diese Grenzen nicht übersteigen; mit Ablauf des Kalenderjahres tritt dann bei Überschreiten des Grenzbetrags die auflösende Bedingung ein. Damit ändern sich zwar die rechtlichen Verhältnisse, die für den Anspruch auf Kindergeld erheblich sind und es lässt sich insoweit auch weiter die Auffassung vertreten, der Eintritt der auflösenden Bedingung habe Rückwirkung auf den Beginn des Kalenderjahres (so offenbar stillschweigend der VII. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts a.a.O.), denn dies entspricht Sinn und Zweck des Regelungsgehaltes der §§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 und 2, Satz 4 bis 7, 30 S. 3 und 71 EStG.Wenn damit auch die Anspruchsvoraussetzungen bei Eintritt der Bedingung mit Wirkung zum Beginn des Kalenderjahres entfallen, scheidet gleichwohl eine Änderung gemäß § 70 Abs. 2 EStG nach Ablauf des Kalenderjahres mit Wirkung ab dessen Beginn deshalb aus, weil diese Vorschrift auf den Zeitpunkt der Änderung der tatsächlichen Verhältnisse abhebt und nicht darauf, ob sich rechtliche Verhältnisse rückwirkend geändert haben. Hier ist vielmehr § 175 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AO einschlägig. Danach kann ein Bescheid (rückwirkend) geändert werden, wenn ein Ereignis mit steuerlicher, d.h. hier kindergeldrechtlicher Rückwirkung eintritt. Dieses ist für den Fall des Überschreitens des Grenzbetrages mit den Vertretern der wohl herrschenden Meinung zu bejahen. Nach dem Sinn und Zweck der Regelungen in §§ 30 S. 3, 71 EStG (monatliche Zahlung) und in § 32 Abs. 4 Satz 2 bis 7 EStG (keine Berücksichtigung eines Kindes bei Überschreiten des Grenzbetrages) handelt es sich insoweit um ein Ereignis mit tatbestandlicher Rückwirkung.

16

bb)

Dies folgt auch aus der Systematik der vor der Verlagerung des Kindergeldrechts in das Einkommensteuerrecht maßgebenden Änderungsvorschriften der §§ 44 ff SGB X und der durch die Verlagerung in das Einkommensteuerrecht erforderlich gewordenen Ergänzung der Änderungsvorschriften der AO durch § 70 Abs. 2 und 3 EStG.

17

Der die Kindergeldzahlung bewilligende Verwaltungsakt ist wie bisher ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, da er sich nicht in einem einmaligen Verbot oder Gebot oder in einer einmaligen Gestaltung der Rechtslage erschöpft, sondern ein auf Dauer berechnetes Rechtsverhältnis, nämlich die Gewährung von wiederkehrenden Leistungen zum Gegenstand hat. Aufgrund der Ausgestaltung des Kindergeldes als Steuervergütung (§ 31 Satz 2 EStG) kann die Durchbrechung der Bestandskraft einer Kindergeldfestsetzung gemäß § 155 Abs. 6 AO nur gemäß §§ 173 ff AO erfolgen, mithin nach den Vorschriften über die Änderung von Steuerbescheiden, dieaber nicht auf Dauerverwaltungsakte zugeschnitten sind. Deshalb musste der Gesetzgeber zusätzliche Änderungsvorschriften in § 70 Abs. 2 und 3 EStG aufnehmen. Diese sind § 48 SGB X nachgebildet. Allerdings enthält § 48 SGB X in seinem Abs. 1 Satz 3 in Ergänzung zur Regelung in Abs. 1 Satz 2, wonach der Verwaltungsakt nicht nur für die Zukunft, sondern in bestimmten Fällen auch mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden kann und der damit dem Regelungsgehalt des § 70 Abs. 2 EStG entspricht, die zusätzliche Regelung, dass als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum in besonderen Fällen anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes gilt. Dass der Gesetzgeber diese Vorschrift auch nicht sinngemäß in § 70 EStG übernommen hat, kann sich nur daraus erklären, dass § 70 Abs. 2 und 3 EStG nur für die nach dem Regelungsgehalt der AOnicht erfassten Fälle eine Änderungsmöglichkeit geben sollte. Diese Änderungsmöglichkeit bietet, wie schon oben dargestellt ist, § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO.

18

c)

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) folgt nun aber aus der sprachlichen Bedeutung des Begriffs "Eintritt" und dem Bedeutungszusammenhang des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO mit § 173 Abs. 1 AO, dass sich der Vorgang ereignen muss, nachdem der Steueranspruch entstanden ist und bei Änderung eines Steuerbescheides, nachdem dieser Steuerbescheid ergangen ist. Die Voraussetzungen des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO liegen deshalb nicht vor, wenn das FA (hier die Familienkasse) - wie im Fall des § 173 Abs. 1 AO - lediglich nachträglich Kenntnis von einem bereits gegebenen Sachverhalt erlangt (BFH-Beschluss vom 19.07.1993 GrS 2/92, BFHE 172/66, BStBl II 1993, 897 m.w.N.; BFH-Beschluß vom 04.11.1998 IV B 146/97, BFH/NV 1999, 589 m. Nachw.,Tipke-Kruse § 175 AO, Rdnr. 7; ebenso schon zum Kindergeldrecht: Berlebach a.a.O., § 70 EStG, Rdnr. 27).

19

Danach war im Streitfall eine Änderung nicht mehr möglich, weil sich nach dem Erlass des (Änderungs-)Bescheides vom 20.02.1998 der Sachverhalt nicht nochmals (mit Rückwirkung) geändert hatte. Im Zeitpunkt des Erlasses dieses Bescheides war der kindergeldrechtliche Tatbestand mit Ablauf des Kalenderjahres 1997 endgültig dahin verwirklicht, dass für den Sohn der Kl'in für 1997 kein Kindergeldanspruch bestand. Die erforderliche Änderung hätte deshalb schon im Bescheid vom 20.02.1998 (mit) vollzogen werden müssen. Dieser Bescheid hatte nämlich den Bescheid vom 19.09.1996, mit dem Kindergeld von der nunmehr zuständig gewordenen Familienkasse weiterhin (ab 10/1996) für den Sohn gewährt wurde, insoweit geändert, als das Kindergeld ab Januar 1998 auf 0 DM festgesetzt wurde. Dieser Bescheid vom 20.02.1998 hat damit für die zurückliegende Zeit den Bescheid vom 18.07.1996 zwar inhaltlich unberührt gelassen, ihn aber gleichwohl, wenn auch lediglich für die Zukunft geändert. Er bleibt der nämliche Bescheid, der nur für die Zukunft einen anderen Inhalt erhalten hat.

20

d)

Die Rechtsnatur des Kindergeldbescheides als Dauerverwaltungsakt vermag hieran nichts zu ändern.

21

aa)

Die Besonderheit von Dauerverwaltungsakten liegt zwar darin, dass sie nicht nur für einen schon abgeschlossenen Zeitraum, sondern auch für die Zukunft Wirkung entfalten und deshalb auch sowohl für die Vergangenheit als auch die Zukunft geändert werden können müssen. Gleichwohl wird auch bei einer Änderung nur für die Zukunft lediglich der ursprüngliche Dauerverwaltungsakt modifiziert mit der Folge, dass der geänderte Dauerverwaltungsakt bis zum Zeitpunkt der Änderung in seinem bisherigen Umfang fortbesteht, sofern er nicht auch insoweit sogleich mit geändert wird. Für die zurückliegende Zeit wird damit der ursprüngliche Dauerverwaltungsakt aufrechterhalten, aberals Teil des jetzt gültigen Verwaltungsakts. Da jedenfalls der (Dauer-)Verwaltungsakt geändert wird, kommt es für spätere (weitere) Änderungen des nämlichen (Dauer-)Verwaltungsakts nach seiner Änderung, also mit dem Inhalt, den er nunmehr nach der Änderung hat, darauf an, welcher kindergeldrechtliche Tatbestand im Zeitpunkt der letzten Änderung endgültig verwirklicht war und inwieweit der verwirklichte Tatbestand der Verwaltung im Zeitpunkt des Erlasses des nunmehr zu ändernden Verwaltungsakts bekannt war. Änderungen für die zurückliegende Zeit sind deshalb nur dann noch möglich, wenn nach Erlass des zu ändernden Änderungsbescheides Tatsachen mit steuerlicher (kindergeldrechtlicher) Rückwirkung eintreten.

22

bb)

Die Änderung oder Aufhebung eines Dauerverwaltungsakts lediglich (oder ausdrücklich nur) für die Zukunft kann auch nicht etwa als selbständiger, neuer Verwaltungsakt beurteiltwerden, der - bildlich gesprochen - gleichsam vom bisherigen Dauerverwaltungsakt abgeschnitten wird und deshalb isoliert zu betrachten wäre, sodass es für den alten Verwaltungsaktsteil auf den Zeitpunkt dessen Erlasses ankäme, deshalb insoweit die Voraussetzungen des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO doch vorlägen. Eine so verstandene Teilbarkeit eines Dauerverwaltungsaktes würde ihrerseits einschließen, dass es für den Erlass des in die Zukunft gerichteten neuen Teils keiner Änderungsvorschrift bedürfte. Dem widerspricht aber, dass der Gesetzgeber wegen der Besonderheit der Kindergeldbewilligung als Dauerverwaltungsakt gerade besondere Änderungsvorschriften vorgesehen hat.

23

e)

Selbst wenn man aber der oben abgelehnten Auffassung folgen wollte, nach der bei Überschreiten des Grenzbetrages in § 32 Abs. 4 S. 2-7 EStG eine Änderung mit Wirkung ab Beginn des abgelaufenen Jahres nach § 70 Abs. 2 EStG möglich wäre, wäre das Ergebnis kein anderes.

24

Auch diese Vorschrift ist wie § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO im Bedeutungszusammenhang mit § 173 Abs. 1 AO zu sehen und auch hier ist die sprachliche Bedeutung des Begriffs "eintritt" (Soweit in den Verhältnissen, die...maßgebend sind,...Änderungen...eintreten, ist...) zu berücksichtigen, so dass das Auslegungsergebnis mit dem zu § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO notwendig identisch sein muß.

25

f)

Der Senat verkennt nicht, dass die Entscheidung Probleme für die Familienkassen mit sich bringt, die für die Zukunft eine schnelle Entscheidung herbeiführen müssen, um die unberechtigte Auszahlung von Kindergeld für die Zukunft möglichst schnell zu unterbinden, auf der anderen Seite aber, unter Umständen auch im Interesse der Kindergeldberechtigten, für die Entscheidung über den bereits abgelaufenen Zeitraum längere Zeit benötigen, um ggf. auch weitere Ermittlungen durchzuführen. Dieser möglicherweise rechtspolitisch unerwünschte Effekt rechtfertigt es aber nicht, für das Kindergeldrecht das bestehende Verfahrensrechtanders als für den Bereich des Steuerrechtes auszulegen. Die entstandene Problematik ist letztlich eine - möglicherweise nicht gesehene und nicht gewollte - Folge der Verlagerung des Kindergeldrechts in das Einkommensteuerrecht und damit in denverfahrensrechtlichen Regelungsbereich der Abgabenordnung. Lösungen können deshalb insoweit nur in der bestehenden Verfahrensordnung gefunden werden (z.B. in Ausbildungsfällen zunächst vorläufige Festsetzung nach § 165 Abs. 1 AO im Hinblick auf die noch ungewisse Höhe der eigenen Einkünfte und Bezüge eines Kindes); bei Änderung für die Zukunft weiterhin vorläufige Festsetzung gemäß § 165 Abs. 1 AO, solange der Gesetzgeber nicht Abhilfe durch eine gesetzliche Neuregelung schafft, die bei Ausschöpfung des bestehenden Verfahrensrechts indes nicht unbedingt angezeigt ist.

26

g)

Eine Änderung nach § 70 Abs. 3 EStG scheidet schon deshalb aus, weil die mit Ablauf des Kalenderjahres nunmehr rückwirkendeingetretene materielle Fehlerhaftigkeit nach dem Inhalt dieser Vorschrift ohnehin nur mit Wirkung für die Zukunft beseitigt werden könnte.

27

h)

Die Voraussetzungen für eine Änderung nach § 173 Abs. 1 AO liegen ebenfalls nicht vor, da dem Bekl. nach Erlass des Änderungsbescheides vom 20.02.1998 keine Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt geworden sind, die zur Versagung des Kindergeldes führen müssen. Das Überschreiten des Grenzbetrags war zu diesem Zeitpunkt bereits bekannt.

28

Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.

29

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 135 Abs. 1, 136 FGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 151 Abs. 3 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).