Finanzgericht Niedersachsen
Beschl. v. 06.04.1999, Az.: X 644/98 V
Voraussetzungen für die Eröffnung des Finanzrechtsweges; Durchsuchung von Räumlichkeiten einer Sparkasse aufgrund eines Durchsuchungsbeschlusses und Beschlagnahmebeschlusses; Einleitung eines steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 06.04.1999
- Aktenzeichen
- X 644/98 V
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1999, 19483
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1999:0406.X644.98V.0A
Rechtsgrundlagen
- § 30a AO
- § 33a Abs. 1 Nr. 1 FGO
Verfahrensgegenstand
Rechtsweg zu den Finanzgerichten
Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung
Unterlassung
Der X. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts hat
durch
den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht ...,
den Richter am Finanzgericht ... und
den Richter am Finanzgericht ...
am 06. April 1999beschlossen:
Tenor:
Das Verfahren wird gem. § 70 FGO i.V.m. § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG an das für die Entscheidung zuständige Amtsgericht in ... verwiesen.
Gründe
1.
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob für das Begehren der Antragstellerin der Finanzrechtsweg gegeben ist.
Aufgrund eines Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlusses des Amtsgerichts vom 09. März 1998 (Az. 2a Gs 147/98) durchsuchte der Antragsgegner die Räumlichkeiten der Sparkasse ..., beschlagnahmte diverse Unterlagen und fertigte anläßlich der Sichtung von Unterlagen diverse Aufzeichnungen. Der Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss erging in einem Ermittlungsverfahren gegen namentlich bekannte und noch unbekannte Kunden und unbekannte Mitarbeiter der Sparkasse ... wegen Verdachts der Beihilfe zur Einkommen-, Vermögen, Umsatz- und Gewerbesteuerhinterziehung sowie des Solidaritätszuschlages ab 1992 zugunsten von namentlich noch nicht bekannten Anlegern. Neben der Durchsuchung aller Grundstücke und Räumlichkeiten der Sparkasse ... ordnete der Beschluss die Beschlagnahme seit 1992 entstandener Unterlagen an, die im Zusammenhang mit einem nicht ordnungsgemäß bekundeten Geld- und/oder Wertpapier-Transfer (einschließlich Depot- und Tafelpapierübertragung) zu und von der Norddeutschen Landesbank ... in L. stehen bzw. die zur Identifizierung der den nicht ordnungsgemäß bekundeten Transfer benutzenden im Verdacht der Steuerhinterziehung und der Beihilfe dazu stehenden Personen dienen können. U.a. ordnete der Beschluss unter der Nr. 2.19 die Beschlagnahme aller Unterlagen über den An- und Verkauf von Tafelpapieren an.
Bei der Überprüfung eines Verrechnungskontos der Sparkasse ... anläßlich der Durchsuchung stellten die zuständigen Steuerfahnder fest, dass am 15.09.1992 eine Barauszahlung über DM 38.776,- aufgrund des Verkaufes eines Tafelpapiers an die Sparkasse ... erfolgt und gleichzeitig eine Gutschrift in Höhe desselben Betrages für das Konto Nr. ... getätigt worden war. Nachforschungen ergaben, dass es sich dabei um das Konto der Antragstellerin handelte. Da diese im Jahre 1992 keine Einkünfte aus Kapitalvermögen deklariert hatte, sah der Antragsgegner den Verdacht der Steuerhinterziehung als gegeben an und leitete ein steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen die Antragstellerin ein. Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens forderte der Antragsgegner die Antragstellerin u.a. auf, eine Aufstellung von allen Banken, zu denen sie Geschäftsbeziehungen unterhielt, für die Zeit ab 01.01.1987 über alle Konten und Depots beizubringen sowie eine Erklärung der jeweiligen Bank, dass außer den vorstehend genannten Konten keine weiteren Konten geführt werden bzw. wurden (sogenannte Negativerklärungen).
Die Antragstellerin ist der Auffassung, der Durchsuchungs- und Ermittlungsbeschluss des Amtsgerichts ... vom 09. März 1998 sei keine Rechtsgrundlage für die Maßnahme des Antragsgegners. Abgesehen davon, dass hier ein Verstoss gegen § 30a AO vorliege, fehle jeglicher Bezug zum eigentlichen Ermittlungsverfahren, anläßlich dessen der Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss vom 09. März 1998 ergangen sei. Der Antragsgegner habe seine Kompetenzen überschritten und dürfe die von ihm beschlagnahmten Unterlagen und gefertigten Aufzeichnungen - jedenfalls soweit es die Antragstellerin betreffe - nicht verwenden. Insofern sei auch der Finanzrechtsweg gegeben, da ein konkreter Bezug zum Strafverfahren, aufgrund dessen der Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss vom 09.03.1998 ergangen sei, nicht bestehe.
Die Antragstellerin beantragt,
dem Antragsgegner zu untersagen, die anläßlich der Durchsuchung der Sparkasse ... aufgrund des Beschlusses des Amtsgerichts ... vom 09. März 1998 (Az. 2a GS 147/98) in Beschlag genommenen Unterlagen, gefertigten Aufzeichnungen und gewonnenen Erkenntnisse zu verwerten, soweit sie die Antragstellerin betreffen;
hilfsweise,
den Rechtsstreit an das Amtsgericht ... zu verweisen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Rechtsstreit an das Amtsgericht ... zu verweisen.
Nach Auffassung des Antragsgegners handelt es sich im vorliegenden Fall nicht um eine Abgabenangelegenheit, so dass der Finanzrechtsweg nicht gegeben sei.In der Sache hält der Antragsgegner das Vorbringen der Antragstellerin für unbegründet, da hier der Verdacht einer Straftat gegeben sei, so dass sich die Antragstellerin nicht auf die Schutzvorschrift des § 30a AO berufen könne.
2.
Der angerufene X. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichtsist im Streitfall zu einer Sachentscheidung nicht befugt. Denn für die hier begehrte einstweilige Anordnung ist nicht der Finanzrechtsweg gegeben, sondern der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten. Nach § 33a Abs. 1 Nr. 1 FGO sind die Finanzgerichte zuständig in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten über Abgabenangelegenheiten. Gemäß § 33 Abs. 3 FGO findet diese Regelung hingegen auf das Straf- und Bußgeldverfahren keine Anwendung. Im hier zu entscheidenden Fall findet diese Abgrenzungsregelung Anwendung. Denn die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit von Maßnahmen der Finanzverwaltung, die nach Einleitung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens durchgeführt worden sind. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), der der Senat folgt, ist zur Erlangung vorläufigen Rechtsschutzes gegen solche Maßnahmen der Finanzrechtsweg nicht eröffnet, selbst wenn diese Maßnahmen der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen eines Steuerpflichtigen dienen (vgl.BFH-Urteil vom 20. April 1983 VII R 2/82 Bundessteuerblatt Teil II 1983, 482 ff.). Zwar ist der Klägerin zuzugestehen, dass sich das strafrechtliche Ermittlungsverfahren zunächst nicht direkt gegen sie gerichtet hat. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass sich das Ermittlungsverfahren nicht nur gegen Mitarbeiter sondern ausweislich des Rubrums des Beschlusses sowohl gegen namentlich bekannte und noch unbekannte Kunden als auch gegen unbekannte Mitarbeiter bei der Sparkasse richtete. Auch die Antragstellerin als zunächst noch unbekannte Kundin konnte daher Adressatin von Maßnahmen sein, die aufgrund des Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlusses zu ergehen hatten. Hinzu kommt, dass gem. Nr. 2.19 des vorstehend genannten Beschlusses alle Unterlagen zu beschlagnahmen waren, die zur Identifizierung der den nicht ordnungsgemäß bekundeten Transfer benutzenden im Verdacht der Steuerhinterziehung und der Beihilfe dazu stehenden Personen dienen können, insbesondere alle Unterlagen über den An- und Verkauf von Tafelpapieren. Dennnach Auffassung des Amtsgerichts waren diese Unterlagen geeignet, Aufschlüsse über zum Zwecke der Steuerhinterziehung ins Ausland transferierte Vermögenswerte zu geben. Wenn die Antragstellerin im Zuge der Ermittlungsmaßnahmen durch die Auswertung von Tafelpapiergeschäften als Kundin identifiziert wurde, die derartige Geschäfte getätigt hat, so kann sie als zunächst noch unbekannte Kundin als Adressatin des Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlusses vom 09.03.1998 unmittelbar in Betracht kommen. Gem. Nr. 2.19 jenes Beschlusses besteht darüberhinaus auch hinsichtlich der sichergestellten Unterlagen über den An- und Verkauf von Tafelpapieren seitens der Antragstellerin ein direkter Bezug zum strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, aufgrund dessen der Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss vom 09.03.1998 ergangen ist. Das hat letztlich auch dazu geführt, dass der Antragsgegner ein eigenständiges strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen die Antragstellerin eingeleitet hat.
Die Antragstellerin kann sich daher auch nicht auf die Rechtsauffassung des FG Baden-Württemberg vom 25. November 1996 (III V 37/96 EFG 1997, 519) berufen. Ebensowenig stellt sich die Frage, ob der Beschluss des Amtsgerichts vom 09. März 1998 rechtswidrig ist. Denn unstreitig hat die Antragstellerin keine Gründe vorgetragen, der Beschluss sei von ihr oder anderen Personen angefochten worden oder seitens der nächsthöheren Instanz aufgehoben worden.
Nach alledem handelt es sich beim vorliegenden Rechtsstreit nicht um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit über Abgabenangelegenheiten, sondern um eine Streitigkeit auf dem Gebiet des Straf- bzw. Strafverfahrensrechtes. Der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung hätte vielmehr gem. § 23 EGGVG bei demfür die Antragstellerin zuständigen ordentlichen Gericht gestellt werden müssen. Der Senat mußte den Rechtsstreit deshalb gem. § 70 FGO i.V.m. § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG, § 25 EGGVG an das zuständige Amtsgericht ... verweisen. Über die Kosten hat gem. § 17b Abs. 2 GVG das Amtsgericht ... zu entscheiden.
Dieser Beschluß ist unanfechtbar. (§ 70 Satz 2 Finanzgerichtsordnung - FGO-).