Verwaltungsgericht Göttingen
Beschl. v. 15.11.2004, Az.: 8 C 2133/04

Ausschlussfrist; Hochschulvergabeverordnung; Hochschulzulassungsrecht; Studienplatz

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
15.11.2004
Aktenzeichen
8 C 2133/04
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2004, 50806
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen gegen die Rechtmäßigkeit der Ausschlussfristen gemäß § 2 Abs. 2 Hochschul-VergabeVO bei summarischer Prüfung nicht.

Gründe

1

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt, weil der Antragsteller bei der Antragsgegnerin nicht fristgerecht einen Antrag auf Zulassung zum Studium außerhalb der festgesetzten Zulassungszahlen gestellt hat.

2

Gemäß § 2 Abs. 2 der Verordnung über die Vergabe von Studienplätzen durch die Hochschulen vom 11.10.2000 (Nds. GVBl. S. 267), zuletzt geändert durch Verordnung vom 29.08.2002 (Nds. GVBl. S. 374) - Hochschul-VergabeVO -, muss ein Bewerber, der einen Studienplatz auf dem Gerichtswege außerhalb des Zulassungsverfahrens und der festgesetzten Zulassungszahl zu erreichen sucht, zuvor einen Aufnahmeantrag bei der Hochschule gestellt haben. Dieser Antrag muss dort innerhalb der jeweils geltenden Ausschlussfrist eingegangen sein, die für das Wintersemester gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 b Hochschul-VergabeVO bis einschließlich zum 15. Oktober eines jeden Jahres läuft. Der Antragsteller hat einen Antrag auf Zulassung außerhalb der festgesetzten Zulassungszahlen bei der Antragsgegnerin erst mit Schreiben vom 10.11.2004 und damit nach Ablauf der Ausschlussfrist eingereicht.

3

Der im vorliegenden sowie in einem Parallelverfahren unter Berufung auf Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs geäußerten Auffassung des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers, die Ausschlussfristen gemäß § 2 Abs. 2 Hochschul-VergabeVO seien verfassungswidrig, folgt das Gericht nicht. In dem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, das der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 15.04.2003 (1 BvR 710/03) zugrunde lag, hatte das Verwaltungsgericht für einen erst nach Vorlesungsbeginn bei Gericht eingereichten Antrag auf vorläufige Zulassung zum Studium einen Anordnungsgrund verneint. Das Bundesverfassungsgericht ordnete unter Vornahme einer Interessenabwägung die Einbeziehung der Beschwerdeführerin in das verwaltungsgerichtliche Vergabeverfahren an und führte zur Begründung aus, es werde im Hauptsacheverfahren zu klären sein, ob die Verneinung eines Anordnungsgrundes im Falle einer Antragstellung nach Vorlesungsbeginn mit Art. 19 Abs. 4 GG vereinbar sei. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (Beschl. v. 10.01.1997 - 7 CE 96.10035 -, n. v.) rügte eine Bewerbungsfrist mit der Begründung, der Zeitraum zwischen der Veröffentlichung der Zulassungszahlen und dem Fristbeginn sei zu kurz gewesen (vgl. Zimmerling/Brehm, Hochschulkapazitätsrecht, Rn. 334).

4

Der vorliegende Fall liegt anders. Das beschließende Gericht verneint nicht das Vorliegen eines Anordnungsgrundes. Es nimmt vielmehr an, dass die Voraussetzungen eines Anordnungsanspruchs nicht vorliegen, weil der Antragsteller eine zwingende im Verordnungswege getroffene Fristenregelung nicht beachtet hat. Für eine Verfassungswidrigkeit dieser Fristenregelung sieht die Kammer keinen Anhaltspunkt (s. auch Zimmerling/Brehm, a.a.O., Rn. 341). Insbesondere bestehen gegen die Anordnung von Ausschlussfristen keine grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken. Stichtagsregelungen stellen zwar ein formales Kriterium dar, das mit gewissen Härten verbunden sein kann und den Betroffenen aus den verschiedensten Gründen fragwürdig erscheinen mag. Sie sind jedoch als gesetzestechnisches Instrument kaum zu entbehren und deshalb grundsätzlich nicht zu beanstanden. Allerdings muss sich die Wahl des Stichtages am gegebenen Sachverhalt orientieren und die Interessenlage der Betroffenen angemessen erfassen (BVerfG, Beschl. v. 06.12.1988 - 1 BvL 5/85 u. a. -, BVerfGE 79, 212; vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 10.01.2000 - 1 BvR 1398/99 -, NJW 2000, 1480; Urt. v. 08.10.1985 - 1 BvL 17/83, 1 BvL 19/83 -, BVerfGE 70, 278). Dieses Erfordernis ist in Bezug auf die Ausschlussfristen des § 2 Abs. 2 Hochschul-VergabeVO gewahrt. Die Fristen betreffen Studienbewerberinnen und Studienbewerber, die einen Studienplatz auf dem Gerichtsweg außerhalb des Zulassungsverfahrens und der festgesetzten Zulassungszahl erlangen wollen. Der Verordnungsgeber erreicht mit der Frist das Ziel, diese Studienbewerber dazu anzuhalten, das für eine gerichtliche Geltendmachung ihres Begehrens notwendige Rechtsverhältnis zur Universität so frühzeitig zu begründen, dass ihnen ein ordnungsgemäßes Studium im gerade beginnenden Semester bei einer stattgebenden Entscheidung noch möglich ist. Dieses Ziel liegt sowohl im Interesse der Studienbewerber selbst als auch im Interesse der Universität an der Organisation eines ordnungsgemäßen Studienverlaufs. Demgegenüber belastet die Ausschlussfrist die Studienbewerber nicht über Gebühr, da ihnen nach erfolgloser Teilnahme am zentralen Vergabeverfahren regelmäßig - so auch im Fall des Antragstellers - genügend Zeit bleibt, um den Antrag auf Zulassung außerhalb der festgesetzten Zulassungszahlen rechtzeitig bei der Universität zu stellen. Eine Verletzung durch die Verfassung geschützter Rechte liegt in der Anordnung der Ausschlussfrist daher bei der im vorliegenden Verfahren nur möglichen summarischen Überprüfung nicht. Der Antragsteller hat auch nichts dazu vorgetragen, warum ihm eine rechtzeitige Antragstellung nicht möglich gewesen sein sollte, zumal der ablehnende Bescheid der ZVS bereits auf den 06. September 2004 datiert.

5

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung aus den §§ 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG.