Verwaltungsgericht Göttingen
Beschl. v. 17.11.2004, Az.: 2 B 316/04
Ansparen; einmalige Leistung; Sozialhilfe; unaufschiebbarer Bedarf
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 17.11.2004
- Aktenzeichen
- 2 B 316/04
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2004, 50831
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 21 Abs 2 S 1 BSHG
Gründe
Der xx - jährige geschiedene Antragsteller, der derzeit monatlich Arbeitslosenhilfe in Höhe von 543,85 € und Wohngeld in Höhe von 70,00 € bezieht, verzog zum 01.08.2004 von G. nach D., wo er für eine „Warmmiete“ von monatlich 260,00 € eine 50,00 qm große 2-Zimmer-Wohnung angemietet hatte. Zweimal monatlich sowie in der Hälfte der Ferienzeit besucht ihn sein ansonsten bei der geschiedenen Ehefrau des Antragstellers lebender xx - jähriger Sohn. Da die neu angemietete Wohnung unmöbliert war, stellte er im August 2004 bei dem in Sozialhilfeangelegenheiten namens und im Auftrag des Antragsgegners handelnden Flecken D. einen Antrag auf Gewährung einer einmaligen Beihilfe zur Anschaffung eines Sofas, zweier Sessel, eines Tisches, einer Tischdecke, einer Waschmaschine, eines Wäschetrockners, eines Fernsehers, eines Staubsaugers und von Bekleidung und Gardinen. Darauf - der entsprechende Bewilligungsbescheid wurde von den Beteiligten nicht vorgelegt - erhielt er am 24.08.2004 zunächst eine Beihilfe in Höhe von 206,50 € für die Beschaffung einer Waschmaschine und von Bekleidung. Hiervon erwarb der Kläger für 100,00 € eine Waschmaschine, für 66,50 € Bekleidung und für 40,00 € einen Satellitenreceiver.
Mit Bescheid vom 01.09.2004 erkannte der Flecken D. unter Ablehnung des weitergehenden Antrages einen Bedarf des Antragstellers für die Beschaffung von Sitzgelegenheiten (72,00 €), eines Wohnzimmertisches (51,00 €), von Gardinen (61,00 €), von Bekleidung (56,50 €), einer Waschmaschine (150,00 €), eines Fernsehgerätes (77,00 €), eines Kleiderschrankes (51,00 €) und eines Staubsaugers (40,00 €) grundsätzlich an. Er bewilligte dem Antragsteller eine Beihilfe in Höhe von 153,55 €. Dabei stellte er dem Einkommen des Antragstellers von monatlich 613,85 € einen Regelsatzbedarf von 296,00 € und seinen Unterkunftsbedarf von 260,00 € gegenüber, so dass sich für ihn ein verfügbares monatliches Einkommen zur Deckung weiteren Bedarfs in Höhe von 57,85 € errechnet. Unter Anwendung der Regelungen des § 21 Abs. 2 Satz 2 BSHG verfügte der Flecken D., dass der Antragsteller seinen Bedarf an Hausrat von insgesamt 558,00 € zunächst für 7 Monate, also in einem Umfang von 404,95 €, aus eigenem Einkommen zu decken habe, und dass lediglich der ungedeckte restliche Bedarf in Höhe von 153,55 € aus Sozialhilfemitteln zu tragen sei. Soweit die bereits am 24.08.2004 ausgezahlten 206,50 € diesen Betrag überstiegen, werde die damalige Bewilligung aufgehoben und die Differenz vom Antragsteller zurückgefordert. Insoweit hat sich der Antragsteller mit einer Verrechnung des Differenzbetrages mit seinem Wohngeldanspruch - was bereits geschehen ist - einverstanden erklärt. Über den gegen diesen Bescheid vom 01.09.2004 eingelegten Widerspruch hat der Antragsgegner bislang nicht entschieden.
Der Antragsteller hat am 10.09.2004 um die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nachgesucht. Er meint, dass der Antragsteller sein Einkommen falsch berechnet habe, so blieben die Besuche seines Sohnes bei ihm völlig unberücksichtigt. Die beantragten Gegenstände benötige er dringend. Schließlich benötige er eine neue Waschmaschine, da sein altes Gerät am 07.09.2004 kaputt gegangen sei.
Der Antragsteller beantragt,
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm einmalige Beihilfen zur Anschaffung eines Sofas, eines Wohnzimmertisches, eines Kleiderschrankes, eines Fernsehers, eines Staubsaugers und von Bekleidung und Gardinen sowie einer Waschmaschine zu bewilligen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Hinsichtlich der beantragten Beihilfe für eine Waschmaschine habe sich das Begehren erledigt, da das alte Gerät mittlerweile auf Kosten des Sozialamtes repariert und wieder funktionsfähig sei. Im Übrigen sei der streitbefangene Bescheid rechtsfehlerfrei ergangen. Der Umstand, dass zeitweise der Sohn des Antragstellers bei ihm lebe, habe auf die Einkommensberechnung keinen Einfluss, da dem Antragsteller notwendige Fahrtkosten bereits als einmalige Leistungen erstattet würden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und den Verwaltungsvorgang des Antragsgegners Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der Beratung.
II. Der Antrag hat nur im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
Unzulässig ist er, soweit der Antragsteller um eine einmalige Beihilfe (150,00 €) für die Anschaffung einer neuen Waschmaschine und um Aufwendungen für Bekleidung (56,50 €) streitet. Ersteres Begehren hat sich im Laufe des Rechtsstreits nach erfolgreicher Reparatur der Maschine erledigt.
Allerdings hat der Antragsteller hieraus keinerlei prozessuale Konsequenzen gezogen, obwohl der Antragsgegner die Erledigung mit Schriftsatz vom 28.10.2004 dem Gericht mitgeteilt hatte.
Seinen Bekleidungsbedarf hat der Antragsteller nach eigenen Vorbringen aus der bereits am 24.08.2004 erfolgten Zahlung des Sozialamtes selbst gedeckt; deshalb war ein Rechtschutzbedürfnis für die Geltendmachung dieser Position bereits bei Antragstellung bei Gericht nicht (mehr) gegeben.
Im Übrigen ist der Antrag zulässig und auch begründet.
Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen werden, wenn diese Regelung, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Es müssen daher das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen für den behaupteten Anspruch (sog. Anordnungsanspruch) sowie eine existentiellen Notlage, die die sofortige Befriedigung des Anspruchs erfordert (sog. Anordnungsgrund), glaubhaft gemacht werden. Dies ist dem Antragsteller gelungen.
Einmalige Leistungen sind gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) auch dann zu gewähren, wenn der Hilfesuchende zwar keine laufenden Leistungen zum Lebensunterhalt benötigt, seinen Lebensunterhalt jedoch aus eigenen Kräften und Mitteln nicht voll bestreiten kann. Dieser Fall liegt hier vor. Das Einkommen des Antragsteller in Form von Arbeitslosenhilfe und Wohngeld in Höhe von monatlich 613,85 € reicht zwar noch aus, um seinen monatlich wiederkehrenden, laufenden Bedarf in Höhe von 556,00 € zu decken. Er kann allerdings mit dem verfügbaren monatlichen Einkommensüberschuss in Höhe von 57,85 € (um den sein Einkommen seinen laufenden Bedarf übersteigt) den notwendigen Lebensunterhalt in Bezug auf einmalige Anschaffungen - er beträgt 352,00 € - nicht in vollem Umfang sicher stellen. Bei der Bemessung der deshalb dem Antragsteller zustehenden Sozialhilfeleistung erwartet der Gesetzgeber allerdings vom Hilfesuchenden, dass er für die Beschaffung von Hausrat grundsätzlich gemäß § 21 Abs. 2 Satz 2 BSHG den Einkommensüberschuss anspart, den er innerhalb eines Zeitraums von bis zu sechs Monaten nach Ablauf des Monats, in dem über die beantragte Hilfe entschieden worden ist, erwirtschaftet. Im Rahmen der Anwendung des § 21 Abs. 2 BSHG eine Einkommensüberschreitung von mehr als einem Kalendermonat anzurechnen, setzt allerdings voraus, dass der vom Hilfesuchenden geltend gemachte Bedarf seiner Art nach nicht unaufschiebbar ist (vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 27.1.1988 - 4 A 141/85 -, FEVS 39, 311; OVG Berlin, Urteil vom 28.1.1982 - 6 S 2.82 -, FEVS 32, 186). Denn nur so kann vermieden werden, dass wegen eines Mangels an bereiten Mitteln ein geltend gemachter Bedarf vom Hilfesuchenden tatsächlich nicht befriedigt werden kann.
In Anwendung der vorstehenden Rechtsgrundsätze geht die Kammer hier davon aus, dass der Antragsteller auf die sofortige Anschaffung sämtlicher im Tenor unter a) bis f) aufgeführten Gegenstände angewiesen war und ist (VGH Mannheim, Urteil vom 12.09.1999 - 7 S 1966/98 -, JURIS) und deshalb ein Ansparen ihm nicht zumutbar ist.
Als der Antragsteller die Wohnung in D. bezogen hatte, verfügte er über keinerlei nennenswerte Einrichtung. Das geht aus dem Verwaltungsvorgang unzweifelhaft hervor. Im Schreiben an die Widerspruchssachbearbeiterin vom 10.09.2004 heißt es: „Herr B. steht gewissermaßen vor einer Ersteinrichtung“. Dies macht deutlich, dass es sich bei dem beantragten und hier streitbefangenen Hausrat nicht um Ersatzbeschaffungen, die ggf. einige Zeit warten können, handelt, sondern um Dinge, die für ein menschenwürdiges Wohnen nach sozialhilferechtlichen Maßstäben unverzichtbar sind. Ist deshalb der gesamte (im Tenor aufgeführte) Bedarf sofort zu befriedigen, kommt ein Ansparen nicht in Frage.
Gem. § 3 Abs. 1 Satz 1 BSHG richten sich Art, Form und Maß der Sozialhilfe nach den Besonderheiten des Einzelfalles. Da der Antragsteller in der Vergangenheit mit der Anschaffung des ihm nicht bewilligten Satellitenreceivers aus Mitteln, die anderweitig zweckgebunden waren, gezeigt hat, dass der nicht nur sozialhilferechtlich notwendigen Bedarf befriedigt, räumt die Kammer dem Antragsgegner die Möglichkeit ein, im Ermessenswege nach erneuter Prüfung darüber zu befinden, ob der Bedarf durch Hergabe von Wertgutscheinen oder Bargeld zu decken ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 155 Abs. 1, 188 S. 2 VwGO.