Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 02.02.2017, Az.: L 11 AS 983/16 B ER

Gewährung von Kosten für Unterkunft und Heizung; Gewährung der Hilfe für junge Volljährige; Erteilung einer Zusicherung; SGB-II-Leistungen; Kosten der Unterkunft und Heizung; Einstweiliger Rechtsschutz; Vorläufige Zusicherung

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
02.02.2017
Aktenzeichen
L 11 AS 983/16 B ER
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2016, 35141
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2017:0202.L11AS983.16B.ER.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Hildesheim - 04.11.2016 - AZ: S 15 AS 4245/16 ER

Redaktioneller Leitsatz

1. Auch eine auf der Grundlage einer einstweiligen Anordnung "vorläufig" erteilte Zusicherung entfaltet dieselbe rechtliche Wirkung wie eine "endgültige".

2. Maßgeblich ist insoweit, dass auch die rechtlichen Auswirkungen einer "vorläufigen" Zusicherung spätestens mit Anmietung der Wohnung nicht mehr für die Vergangenheit korrigierbar sind.

Tenor:

Der Beschluss des Sozialgerichts Hildesheim vom 4. November 2016 wird wie folgt neu gefasst:

Der Antragsgegner wird verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig und dem Grunde nach und unter dem Vorbehalt der Änderung der tatsächlichen Verhältnisse beginnend am 1. Dezember 2016 die Aufwendungen für ihre Wohnung im F. 34 D in G. H. für einen Zeitraum von längstens 6 Monaten zu gewähren.

Im Übrigen wird die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Hildesheim vom 4. November 2016 zurückgewiesen.

Der Antragsgegner hat die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin beider Rechtszüge zu tragen.

Gründe

I.

Streitig ist eine Verpflichtung des Antragsgegners zur Gewährung von Unterkunftskosten nach dem Sozialgesetzbuch - Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II).

Die am I. geborene Antragstellerin befindet sich seit dem 4. August 2016 bei den Berufsbildenden Schulen H. in einer berufsfachlichen Ausbildung zur Pflegeassistentin. Mit Bescheid vom 30. September 2016 bewilligte der Beigeladene für diese Ausbildung Leistungen nach Maßgabe des § 12 Abs 1 Nr 1 Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) für die Zeit von August 2016 bis Juli 2017 i.H.v. 153,- Euro monatlich.

Der Beigeladene gewährt der Antragstellerin auch Hilfe für junge Volljährige nach § 41 Achtes Buch - Sozialgesetzbuch - Kinder- und Jugendhilfe (SGB VIII) durch den Einsatz einer ambulanten Betreuungshelferin mit max. 5 Wochenstunden. Hintergrund dieser und der bereits in der Vergangenheit erfolgten Jugendhilfe sind Schwierigkeiten im Zusammenleben der Antragstellerin mit ihrer Mutter. Ausweislich von zwei fachlichen Stellungnahmen der Jugendhilfe des Beigeladenen (Fachbereich für Kinder, Jugend und Familien) vom 12. Mai und 27. September 2016 (Bl. 9, 22 BA) gab es immer wieder starke Konflikte und Eskalationen zwischen der Antragstellerin und ihrer Mutter mit der Folge von phasenweisen Auszügen bzw. Inobhutnahmen der Antragstellerin in einer Jugendhilfeeinrichtung. Kurze Ruhephasen wechselten sich mit später länger andauernden Eskalationsphasen ab, bei denen es neben verbalen Entgleisungen auch bereits mehrfach zu körperlichen Auseinandersetzungen gekommen war. Die Unterbringung der Antragstellerin in einer Gruppeneinrichtung sei altersbedingt nicht mehr möglich. Ein schnellstmöglicher Umzug in eine eigene Wohnung wurde dringend empfohlen.

Eine Ende Mai 2016 von der Antragstellerin bei dem Antragsgegner beantragte Zusicherung zum Umzug in die Wohnung J. 9 in K. lehnte der Antragsgegner durch Bescheid vom 27. Juni 2016 und Widerspruchsbescheid vom 31. August 2016 ab, da der Beigeladene als zuständiger Träger der Jugendhilfe die Sicherstellung des Lebensunterhaltes zu leisten habe. Die Antragstellerin hat dagegen beim Sozialgericht (SG) Hildesheim unter dem Az.: L. Klage erhoben.

Im September 2016 beantragte die Antragstellerin unter Bezugnahme auf die Schwierigkeiten im Zusammenleben mit ihrer Mutter bei dem Antragsgegner eine Zustimmung zum Umzug in die Wohnung F. 34 D in G. H ...

Die Antragstellerin hat am 4. Oktober 2016 beim SG Hildesheim die Gewährung vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutzes nachgesucht. Sie könne vor dem Hintergrund der fortgesetzten Auseinandersetzungen mit ihrer Mutter nicht mehr auf die gemeinsame Wohnung verwiesen werden. So sei es am 27. September 2016 erneut zu einer gewalttätigen Auseinandersetzung mit dem Ergebnis der Einschaltung der Polizei gekommen. Sie halte sich vorübergehend bei einer Freundin auf und benötige kurzfristig eine eigene Wohnung. Es liege ihr ein Wohnungsangebot der M. Wohnungsbaugesellschaft für die Wohnung F. 34 D, G. H. vor. Die Wohnung sei 42,19 qm groß, die Miete betrage 247,- Euro, die Betriebskosten betrügen 90,- Euro und die Heizkosten 30,- Euro monatlich. Mietbeginn sei der 1. Dezember 2016.

Mit Beschluss vom 4. November 2016 hat das SG Hildesheim den Antragsgegner verurteilt, der Antragstellerin eine Zusicherung zum Umzug in die Wohnung F. 34 D in G. H. zu erteilen und vorläufig und dem Grunde nach Kosten für Unterkunft und Heizung bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens zu übernehmen. Zur Begründung hat das SG angegeben, dass der Antragsgegner nach § 22 Abs 5 Satz 2 Nr 1 SGB II zur Erteilung der Zusicherung verpflichtet sei, da die Antragstellerin aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung ihrer Mutter verwiesen werden könne. Dies ergebe sich aus den fachlichen Stellungnahmen des Jugendamtes des Beigeladenen. Die Zusicherung habe zur Folge, dass der Antragsgegner die Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug anzuerkennen habe. Es bestehe kein Anspruchsausschluss nach § 7 Abs 5 SGB II. Da der Antragstellerin BAföG-Leistungen auf der Grundlage des § 12 Abs 1 Nr 1 BAföG bewilligt worden seien, komme die Rückausnahme nach § 7 Abs 6 Nr 2 SGB II zum Tragen. Soweit der Beigeladene der Antragstellerin Hilfeleistungen für junge Volljährige auf der Grundlage des § 41 SGB VIII gewähre, begründe dies keinen Anspruch auf Geldleistungen und schließe nicht die Regelungen des SGB II aus. Aufgrund der Widerspruchseinlegung mit nachfolgender Klageerhebung sei der Ablehnungsbescheid vom 27. Juni 2016 nicht bestandskräftig geworden und stehe daher der Gewährung einstweiligen gerichtlichen Rechtsschutzes nicht entgegen. Auch die für die Erteilung einer Zusicherung nach § 22 Abs 5 SGB II als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal vorausgesetzte Angemessenheit der Unterkunft sei gegeben. Mangels eines schlüssigen Konzepts des Antragsgegners seien insoweit die Werte der Wohngeldtabelle nach § 12 WoGG zuzüglich eines Sicherheitszuschlags i.H.v. 10 v.H. maßgeblich (Ein-Personen-Haushalt in Einbeck, Mietstufe 1 = 312,- Euro zuzüglich 10 v.H.). Die Kosten für die Wohnung von 247,- Euro zuzüglich 90,- Euro Betriebskosten lägen unter dem sich danach ergebenen Wert. Auch die Höhe der Heizkosten sei angemessen. Die Eilbedürftigkeit ergebe sich, da das Wohnungsangebot nur bis zum 10. November 2016 gelte. Die vorläufige Leistungsgewährung sei bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens zu befristen gewesen. Soweit die Antragstellerin eine Regelung für die nächsten 7 Jahre begehrt habe, sei dies ein unangemessen langer Zeitraum, so dass ihrem Begehren insoweit kein Erfolg zukomme.

Gegen den ihm am 10. November 2016 zugestellten Beschluss richtet sich die am 11. November 2016 beim Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen eingelegte Beschwerde des Antragsgegners.

Zur Begründung macht er geltend, dass der Beschluss keinen vollstreckungsfähigen Inhalt habe. Es sei nur eine Verurteilung dem Grunde nach erfolgt; der Tenor sei zu unbestimmt. Der Beschluss stelle sich auch als inhaltlich rechtswidrig dar. Denn die Unterkunft sei unangemessen. Da für seinen Bereich kein schlüssiges Konzept bestehe, sei insoweit auf die Werte der Tabelle nach § 12 WoGG - jedoch ohne einen Sicherheitszuschlag - zurückzugreifen. Die Verpflichtung zur Leistungsgewährung sei für einen zu langen Zeitraum ausgesprochen worden; aller Erfahrung nach müsse bis zum Abschluss der Hauptsache mit einem Zeitraum von 5 Jahren gerechnet werden. Da im Ergebnis eine Vorwegnahme der Hauptsache stattfinde, habe das SG nicht auf der Grundlage einer nur summarischen Prüfung entscheiden dürfen. Die Antragstellerin habe zeitgleich am 24. September 2016 bei dem Beigeladenen einen Antrag auf Leistungen nach dem SGB VIII gestellt, so dass dieser als erstangegangener Träger vorrangig zur Leistung verpflichtet sei. Auch habe der Beigeladene vorrangig Jugendhilfeleistungen und damit auch Leistungen für die Unterbringung der Antragstellerin zu gewähren.

Der Antragsgegner beantragt,

den Beschluss des SG Hildesheim vom 4. November 2016 aufzuheben und den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abzulehnen.

Die Antragstellerin tritt dem Beschwerdebegehren des Antragsgegners entgegen.

Der Beigeladene hat von einer inhaltlichen Stellungnahme zur Beschwerde ausdrücklich abgesehen.

Mit Ausführungsbescheid vom 7. November 2016 hat der Antragsgegner der Antragstellerin mit der Maßgabe der Vorlage von Nachweisen eine Zusicherung zu den Aufwendungen für die Unterkunft F. 34 D in H. (247,- Euro Kaltmiete, 90,- Betriebskosten, 30,- Euro Heizkosten) erteilt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte sowie die von dem Antragsgegner als Verwaltungsvorgänge vorgelegten Unterlagen Bezug genommen. II.

Die Beschwerde des Antragsgegners ist nach §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und zulässig und führt zu einer Neufassung des Tenors des angegriffenen Beschlusses des SG Hildesheim vom 4. November 2016. In der Sache hat die Beschwerde keinen Erfolg.

Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach Maßgabe des § 86b Abs 2 Satz 2 SGG liegen vor. Eine solche scheitert nach zutreffender Feststellung des SG nicht infolge des Fehlens eines offenen Rechtsverhältnisses (vgl. S. 5 f. des angegriffenen Beschlusses). Darüber hinaus ist durch die erneute - und soweit ersichtlich bislang nicht verbeschiedene - Antragstellung im September 2016 auch ein neues offenes Rechtsverhältnis begründet worden. Der erkennende Senat sieht allerdings keine Grundlage dafür, den Antragsgegner zur Erteilung einer Zusicherung nach Maßgabe des § 22 Abs 5 SGB II, die im Gegensatz zur Zusicherung nach § 22 Abs. 4 SGB II materielle Tatbestandsvoraussetzung der Gewährung von Kosten für Unterkunft und Heizung (KdU) ist, zu verpflichten. Dies würde zu einer unzulässigen Vorwegnahme der Hauptsache führen. Denn auch eine auf der Grundlage einer einstweiligen Anordnung "vorläufig" erteilte Zusicherung entfaltet dieselbe rechtliche Wirkung wie eine "endgültige". Maßgeblich ist insoweit, dass auch die rechtlichen Auswirkungen einer "vorläufigen" Zusicherung spätestens mit Anmietung der Wohnung nicht mehr für die Vergangenheit korrigierbar sind (vgl. insoweit Keller in: Meyer-Ladewig, Keller, Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 86b Rn 31 m.w.N.; vgl. für eine Zusicherung gemäß § 22 Abs 4 SGB IILSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 26. April 2013 - L 5 AS 427/13 B ER; vgl. insoweit auch Sächsisches Landessozialgericht, Beschluss vom 26. Oktober 2015 - L 7 AS 932/15 B ER). Da vorliegend bei summarischer Prüfung jedoch davon auszugehen ist, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Zusicherung im Sinne des § 22 Abs 5 SGB II erfüllt wären (siehe sogleich), ist es geboten, den Antragsgegner zur Gewährung von Kosten für Unterkunft und Heizung für die Wohnung der Antragstellerin vorläufig und dem Grunde nach und unter dem Vorbehalt der Änderung der tatsächlichen Verhältnisse zu verpflichten. Durch eine derartige einstweilige Anordnung kann einerseits dem Gebot der effektiven (Eil-) Rechtsschutzgewährung genügt werden. Da andererseits die auf der Grundlage einer solchen Anordnung gewährten Leistungen der Natur der Sache nach unter dem Vorbehalt der Rückforderung stehen (vgl. Keller, a.a.O., § 86b Rn 22, 49), wird eine Vorwegnahme der Hauptsache vermieden. Sofern sich nachträglich herausstellt, dass der Antragstellerin die gewährten Leistungen nicht zustehen, ist sie zur Rückgewähr verpflichtet. Die Begrenzung der Leistungsverpflichtung auf sechs Monate (beginnend am 1. Dezember 2016) orientiert sich an dem in § 41 Abs 3 Satz 2 Nr. 1 SGB II zum Ausdruck kommendem Rechtsgedanken. Sollte nach Ablauf von sechs Monaten eine endgültige Klärung noch nicht erfolgt sein, wird der Antragsgegner zu prüfen haben, ob er zur Meidung einer weiteren einstweiligen Anordnung eine vorläufige Weiterbewilligung auszusprechen hat.

Es ist mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Antragsgegner der Antragstellerin eine Zusicherung nach Maßgabe des § 22 Abs 5 Satz 2 Nr 1 SGB II zu erteilen hat.

Zunächst sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die grundlegenden Voraussetzungen für eine Hilfegewährung nach Maßgabe des § 7 Abs 1 i.V.m. § 9 Abs 1 SGB II nicht erfüllt sind. Die Antragstellerin bezieht monatliche BAföG-Leistungen i.H.v. 153,- Euro, Kindergeld i.H.v. 190,- Euro und ab Januar 2017 Unterhalt von ihrem Vater i.H.v. 60,- Euro und ab Februar 2017 i.H.v. 173,- Euro monatlich (vgl. Schreiben des Beigeladenen an die Antragstellerin und an ihren Vater vom 4. und 19. Oktober 2016, BA). Damit steht ihr monatliches Einkommen bis einschließlich Dezember 2016 i.H.v. 343,- Euro, für Januar 2017 i.H.v. 403,- Euro und ab Februar 2017 i.H.v. 516,- Euro (ohne Berücksichtigung von Freibeträgen) zur Verfügung. Demgegenüber ist von einem monatlichen grundsicherungsrechtlichen Bedarf bis einschließlich Dezember 2016 i.H.v. 792,- Euro und ab Januar 2017 i.H.v. 797,- Euro auszugehen (Regelbedarf für Alleinstehende bis 31. Dezember 2016: 404,- Euro, ab 1. Januar 2017 409,- Euro; Miete und Betriebskosten: 247,- und 90,- Euro; Heizkostenabschlag gemäß Festsetzung der Stadtwerke H. GmbH vom 18. November 2016: 51,- Euro). Dass die Antragstellerin aufgrund der Begründung eines eigenen Hausstands außerhalb der Wohnung ihrer Mutter erhöhte Leistungen nach Maßgabe des § 12 Abs 2 BAföG bezieht, ist weder vorgetragen noch ansonsten ersichtlich (vgl. S. 3 des BAföG-Bescheides vom 30. September 2016, wonach sich der Förderbetrag allein aus dem Bedarf nach § 12 Abs 1 BAföG berechnet). Damit ist nach gegenwärtigem Stand davon auszugehen, dass sie nicht über ausreichende Mittel zur Bedarfsdeckung verfügt und somit grundsätzlich im Sinne der §§ 7 Abs 1, 9 Abs 1 SGB II anspruchsberechtigt ist. Der Antragstellerin sei an dieser Stelle jedoch dringend anheimgestellt, bei dem Beigeladenen als zuständiger BAföG-Behörde zu klären, ob sie erhöhte BAföG-Leistungen beanspruchen kann. Es besteht ansonsten die Gefahr, dass sie insoweit unrechtmäßig von dem Antragsgegner Leistungen erhält und sie sich möglicherweise Rückforderungs- oder evtl. Schadensersatzansprüchen aussetzt.

Wie das SG bereits zutreffend festgestellt hat, unterfällt die Antragstellerin nicht aufgrund des Bezuges von BAföG-Leistungen dem Leistungsausschluss des § 7 Abs 5 SGB II. Denn ausweislich des BAföG-Bewilligungsbescheids des Beigeladenen vom 30. September 2016 erfolgt die Leistungsgewährung unter Zugrundelegung eines Bedarfs für den Besuch einer Berufsfachschule nach Maßgabe des § 12 Abs 1 Nr 1 BAföG, so dass die Voraussetzungen der Rückausnahme vom Leistungsausschluss gemäß § 7 Abs 6 Nr 2 SGB II erfüllt sind.

Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass die Antragstellerin aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht mehr auf die Wohnung ihrer Mutter verwiesen werden kann (vgl. § 22 Abs 5 Satz 2 Nr 1 SGB II). Dies ist durch die fachlichen Stellungnahmen des Jugendamtes des Beigeladenen vom 12. Mai und 27. September 2016 belegt, auf die zur weiteren Begründung Bezug genommen wird (Bl. 9, 22 BA).

Der Gewährung von KdU-Leistungen steht nicht eine Unangemessenheit der Wohnung der Antragstellerin entgegen. Da der Antragsgegner nach eigenem Bekunden nicht über ein (wirksames) schlüssiges Konzept im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) verfügt, ist zur Beurteilung der Angemessenheit die Tabelle des § 12 WoGG heranzuziehen. Entgegen dem Antragsgegner ist nach der Rechtsprechung des BSG auch auf die Tabellenwerte des § 12 WoGG ein Sicherheitszuschlag i.H.v. 10 v.H. zu addieren (vgl. BSG, Urteil vom 10. September 2013 - B 4 AS 3/13 R). Dies gilt auch für ab 1. Januar 2016 gültigen Tabellenwert (vgl. etwa: LSG Bayern, Beschluss vom 18. Januar 2016 - L 7 AS 869/15 B ER; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 4. Juli 2016 und 24. November 2016 - L 9 AS 310/16 B ER und L 9 AS 941/16 B ER ), so dass die Wohnung der Antragstellerin kostenangemessen ist (zu den konkreten Zahlenwerten vgl. zutreffend Seite 6 des angegriffenen Beschlusses vom 4. November 2016). Darüber hinaus ist von der Angemessenheit der Heizkosten (51,- Euro monatlich laut Abschlagsrechnung der Stadtwerke H. GmbH vom 18. November 2016, Bl. 218 ff. GA; bzw. 30,- Euro ab Februar 2017 laut Rechnung vom 16. Januar 2017) auszugehen. Insoweit hat der Antragsgegner bereits nicht einmal vorgetragen, dass die Heizkosten einen vorliegend anzuwendenden Angemessenheitswert überschreiten (vgl. BSG, Urteil vom 12. Juni 2013 - B 14 AS 60/12 R).

Der erkennende Senat vermag darüber hinaus keine vorrangige Leistungsverpflichtung des Beigeladenen festzustellen, die einer Verpflichtung des Antragsgegners entgegenstünde. Zwar gewährt der Beigeladene ausweislich seiner Stellungnahme vom 1. November 2016 der Antragstellerin Hilfe für junge Volljährige im Sinne des § 41 SGB VIII. Für die Ausgestaltung dieser Hilfe gilt u.a. § 39 SGB VIII, so dass grundsätzlich eine Gewährung von Unterkunftsbedarfen als Unterhaltsleistungen durch den Beigeladenen in Betracht kommt (vgl. §§ 39 Abs 1, 2 SGB VIII). Allerdings kann der Senat im Rahmen einer summarischen Prüfung nicht feststellen, dass der Beigeladene zur Erbringung von Unterhaltsbedarfen verpflichtet ist, so dass der Vorrang der Leistungen nach dem SGB VIII greift, der Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende ausschließt (vgl. § 10 Abs 3 Satz 1 SGB VIII, § 12a SGB II). Denn insoweit ist insbesondere mangels konkreten Vortrags des Antragsgegners nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit nachvollziehbar, dass eine Unterkunftsgewährung identische Zielsetzungen verfolgt wie die ansonsten der Antragstellerin durch den Beigeladenen gewährte Hilfe für junge Volljährige (vgl. zu diesem Erfordernis als Voraussetzung für einen Anspruch auf Unterkunftskosten im Rahmen des § 41 SGB VIII: v. Koppenfels-Spieß, PK SGB VIII, § 41 Rn 27). Vor diesem Hintergrund sieht der erkennende Senat keinen Anlass, die Verpflichtung des Antragsgegners zur vorläufigen Gewährung von Unterkunftsbedarfen wegen Nachrangigkeit in Frage zu stellen. Dies gilt insbesondere deshalb, weil ganz offensichtlich Motivation des Antragsgegners für die Einlegung seiner Beschwerde die Klärung der Zuständigkeit bzw. der Trägerschaft für die Hilfeerbringung an die Antragstellerin ist. Diese Klärung hat jedoch zwischen ihm und dem Beigeladenen - ggf. im Rahmen des Erstattungsverfahrens (vgl. §§ 102 ff. Sozialgesetzbuch - Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - SGB X -) - und nicht zu Lasten der Antragstellerin im Rahmen einer Beschwerde im sozialgerichtlichen Eilrechtsschutz zu erfolgen.

Ebenso wenig ist eine Verpflichtung des Beigeladenen zur Leistungserbringung als erstangegangener Träger festzustellen. Insoweit hat der Antragsgegner selbst vorgetragen, dass am 24. September 2016 eine zeitgleiche Antragstellung erfolgt sei (Beschwerdeschrift vom 4. November 2016, Bl. 200 GA). Im Übrigen bestünde insoweit ein Ermessen des Beigeladenen (vgl. § 43 Abs 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch - Erstes Buch - Allgemeiner Teil - SGB I -), wobei Anhaltspunkte für eine Ermessensreduzierung nicht vorgetragen sind. Ein für eine Umwandlung des Ermessensanspruchs in einen gebundenen Anspruch erforderlicher Antrag der Antragstellerin liegt nicht vor (vgl. § 43 Abs 1 Satz 2 SGB I).

Soweit der Antragsgegner ferner geltend macht, dass im Rahmen der einstweiligen Anordnung eine Verpflichtung dem Grunde nach nicht möglich sei, da diese nicht vollstreckungsfähig bzw. zu unbestimmt sei, ist sein Vorbringen nicht als erheblich zu qualifizieren. Die Ausgestaltung einer einstweiligen Anordnung steht im Ermessen des Gerichts (§ 86b Abs 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 938 Abs 1 ZPO), so dass eine Verurteilung bzw. Verpflichtung dem Grunde nach ohne weiteres möglich ist (vgl. Keller, a.a.O., § 86b Rn 30). Zum anderen hat der Antragsgegner durch Erlass des Ausführungsbescheides vom 7. November 2016 gezeigt, dass er ohne weiteres in der Lage ist, eine dem Grunde nach ausgesprochene Verpflichtung sachgerecht umzusetzen. Im Übrigen gewährt diese Form der einstweiligen Leistungsverpflichtung ihm die Möglichkeit, bei ihrer Umsetzung von der Antragstellerin bezogenes Einkommen (BAföG, Kindergeld, Unterhalt) im Rahmen der Bedarfsermittlung zu berücksichtigen und auf spätere Änderungen zu reagieren.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Der erkennende Senat erachtet eine vollständige Kostentragung der außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin durch den Antragsgegner in beiden Rechtszügen für geboten (vgl. zur Befugnis des Rechtsmittelgerichts, die erstinstanzliche Kostenentscheidung auch zur Ungunsten des Rechtsmittelführers abzuändern: BSG, Urteil vom 10. September 1987 - 10 RAr 10/86). Entgegen dem SG ist bei verständiger Würdigung das Eilbegehren auf eine einstweilige Regelung und nicht auf eine Leistungsgewährung über einen Zeitraum von 7 Jahren gerichtet. Damit kann nicht von einem Unterliegen der Antragstellerin ausgegangen werden.

Dieser Beschluss ist nach Maßgabe des § 177 SGG unanfechtbar.