Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 24.04.2007, Az.: 1 KN 22/07

Wiederaufleben einer Veränderungssperre bei Unwirksamkeit eines Bebauungsplanes; Zulässigkeit einer neuerlichen Veränderungssperre; Bordelle als besonderer Nutzungstyp im Sinne der Baunutzungsverordnung (BauNVO); Rechtsverbindlicher Abschluss der Bauplanung; Formelle Voraussetzungen für die Wirksamkeit eines Bebauungsplanes; Vollständige Wiederholung eines Planverfahrens bei Unwirksamkeit eines Bebauungsplanes; Sicherung eines ergänzenden Verfahrens zur Inkraftsetzung eines Bebauungsplanes

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
24.04.2007
Aktenzeichen
1 KN 22/07
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2007, 33506
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2007:0424.1KN22.07.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
BVerwG - 01.08.2007 - AZ: BVerwG 4 BN 34.07

Fundstellen

  • BauR 2007, 2024-2030 (Volltext mit amtl. LS)
  • BauR 2007, 1614 (amtl. Leitsatz)
  • IDAI 2007, 8-9

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Eine Veränderungssperre tritt mit Bekanntmachung "ihres" Bebauungsplanes auch dann gem. § 17 Abs. 5 BauGB außer Kraft, wenn die Gemeinde alsbald nach der Bekanntmachung die Fehlerhaftigkeit des Plans erkennt (hier: Auseinanderfallen von Festsetzungsinhalt und -willen; fehlerhafte Ausfertigung).

  2. 2.

    Die Gemeinde hat allerdings die Möglichkeit, das ergänzende Verfahren durch eine neue Veränderungssperre zu sichern.

  3. 3.

    Zum berechtigten Interesse, das Außerkrafttreten einer Veränderungssperre feststellen zu lassen.

Tatbestand

1

Der Antragsteller begehrt die Feststellung, die erste Veränderungssperre, mit der die Antragsgegnerin die Umnutzung von Räumen zum Betrieb eines Bordells verhindert habe, sei mit Inkrafttreten des entsprechenden Bebauungsplanes außer Kraft getreten. Außerdem erstrebt er die Feststellung, dass die erste und die folgende zweite Veränderungssperre jeweils rechtswidrig gewesen seien, weil der bei ihrem Erlass bestehende Planentwurf mit dem Ausschluss von Vergnügungsstätten gar keine Festsetzung enthalten habe, mit der Bordelle hätten verhindert werden können; diese seien nämlich keine Vergnügungsstätten. Außerdem habe es am Sicherungsbedürfnis gefehlt.

2

Der Antragsteller ist Pächter des Grundstücks Ernst-Böhme-Straße E. in B. (Flurstück 197/79 u. a., Flur 5 der Gemarkung F.). Das Grundstück lag östlich der Ernst-Böhme-Straße im Geltungsbereich des Bebauungsplanes der Antragsgegnerin Nr. RH 28, der am 16. Juni 1966 in Kraft getreten war und als Nutzungsart Industriegebiet nach Maßgabe der BauNVO 1962 festsetzte. Das Areal liegt nördlich der Innenstadt von B. südlich der westöstlich verlaufenden BAB 2 unweit westlich des Bereichs, wo sich diese mit der BAB 391 kreuzt. Der auf dem Grundstück stehende Gebäudekomplex war zuvor von einem Betrieb des Baugewerbes, der Firma G., genutzt worden. Nach Aufgabe des Betriebs hatte das Gelände seit mehreren Jahren brachgelegen.

3

Ende Februar 2004 stellten verschiedene Behörden fest, dass an dem Gebäude, welches den westlichen Abschluss des genannten Komplexes bildet, Arbeiten vorgenommen wurden. Im Erdgeschoss sollte eine Gaststätte, in den drei Obergeschossen sollten je vier Zimmer nebst Nebenräumen eingerichtet werden, in denen sich Dirnen nach dem Prinzip eines so genannten "Laufhauses" aufhalten und prostituieren sollten. Das ist ein System, bei dem der Kunde/Freier von Zimmer zu Zimmer schreitend "das Angebot" in Augenschein nehmen und seine Wahl treffen kann. Mitarbeiter der Antragsgegnerin nahmen am 11. März 2004 eine Ortsbesichtigung vor und trafen dort den Antragsteller an. Der stellte sich als arbeitslos und/aber gewillt vor, eine "Ich-AG" zu gründen, um dort ein Bordell zu betreiben.

4

Auf Anregung der Antragsgegnerin beantragte er bei ihr am 27. Mai 2004 die Erteilung einer Baugenehmigung für Umbau und -nutzung des Gebäudes zu dem genannten Zweck. Diesen Antrag lehnte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 31. August 2004 unter Hinweis auf die hier angegriffene erste Veränderungssperre ab. Inhalt des künftigen Bebauungsplanes Nr. VH 29, der sich bereits in der Aufstellung befinde, werde voraussichtlich unter anderem der Ausschluss von Vergnügungsstätten und Bordellen sein.

5

Das genannte Gebiet zwischen der BAB 2 (E 30) im Norden, dem Mittellandkanal im Westen und der von Süden kommenden BAB 391 war durch eine ganze Reihe älterer Bebauungspläne überplant, welche die Nummern VH 6, 10, 11, 12, 13, 15, 24, 25, 26, 28, 29 und 30 trugen. Die Antragsgegnerin hatte sich bereits im Jahre 1994 mit Überlegungen getragen, dieses Gebiet erneut zu überplanen. Schon damals hatte sie beobachtet, großflächige Einzelhandelsbetriebe begännen sich in einem von ihr als beängstigend angesehenen Umfang für dieses verkehrstechnisch exzellent erschlossene Areal zu interessieren und dazu mit entsprechenden Folgen die Innenstadt zu verlassen. Das widersprach nach ihrer Einschätzung nicht nur ihrem Zentrenkonzept Einzelhandel, sondern drohte auch, "die inzwischen extrem knappen Flächenreserven in Gewerbe- und Industriegebieten", d. h. die Bereiche zu erschöpfen, die eigentlich dem produzierenden Gewerbe vorbehalten bleiben sollten. Diesen als städtebaulich nachteilig angesehenen Prozess, in dem Einzelhandel, Kinos und Vergnügungsstätten das produzierende Gewerbe infolge Finanzkraft verdrängten und durch ihre Umsiedlung zugleich zur Verödung der Innenstadt beitrugen, wollte sie durch die Umplanung eindämmen. Diese Überlegungen mündeten in ein Verfahren zur Aufstellung des Bebauungsplanes "Gewerbegebiet Hansestraße-Nord, Ernst-Böhme-Straße", VH 22. Dieser geriet nicht nur bis zum Satzungsbeschluss, sondern - nach entsprechenden "Maßgaben" der seinerzeit noch existierenden Bezirksregierung B. (Verfügung vom 5. September 1994) - bis zur Formulierung eines danach erforderlichen Beitrittsbeschlusses. Aus welchem Grunde dieser Planungsversuch nicht zu einem rechtsverbindlichen Abschluss gedieh, lässt sich den überreichten Unterlagen nicht entnehmen.

6

Anfang 2003 begann die Antragsgegnerin ein neues Planaufstellungsverfahren. Ihr Verwaltungsausschuss beschloss am 25. März 2003, den hier interessierenden Bebauungsplan "Gewerbegebiet Hansestraße-Nord, Ernst-Böhme-Straße" Nr. VH 29 aufzustellen. Diesen Beschluss machte sie am 1. April 2003 ortsüblich bekannt. Sie beteiligte frühzeitig die Träger öffentlicher Belange im Herbst 2003. Die vorgezogene Bürgerbeteiligung fand in der Zeit vom 16. bis 20. Februar 2004 statt. Hierzu hatte die Antragsgegnerin ein rund 18 Seiten starkes Konvolut erstellt (u. a.: Bl. 27 ff. GA). Danach bestanden die Ziele der Planung zusammengefasst in Folgendem:

7

Insbesondere die Geltungsbereiche der Alt-Bebauungspläne VH 6, 10 bis 13, 15, 24 bis 26 und 28 bis 30 sollten durch den Plan VH 29 erfasst, darin allerdings in die Gebiete A bis F unterteilt werden. In dem hier interessierenden Gebiet F sollten ausgeschlossen werden Einzelhandelsbetriebe mit Ausnahme von Kiosken und bestimmten Kfz-Handelsbetrieben, Betriebe der Kraftfahrzeugverwertung sowie Kinos und Vergnügungsstätten. Mit diesen Festsetzungen sollten "die knappen Flächenreserven in Gewerbe- und Industriegebieten vor einer Inanspruchnahme durch isolierte, nicht integrierte, großflächige oder nicht großflächige Einzelhandelseinrichtungen" bewahrt werden. Diese sollten in der City, in den örtlichen Versorgungsbereichen der Stadtteile oder in anderenorts festgelegten Schwerpunkten für großflächige Einzelhandelsbetriebe untergebracht werden. Deren Ansiedlung im Bereich des neuen Bebauungsplanes gefährde das produzierende Gewerbe, weil diese Betriebe kraft ihres Finanzvermögens das Pachtpreisniveau durcheinander brächten und weniger leistungsstarke Gewerbebetriebe von ihren angestammten Standorten verdrängten. Außerdem führe deren Verlagerung in das Gewerbe- bzw. Industriegebiet sowohl zu einer städtebaulich unerwünschten Verödung der Innenstadt nach Geschäftsschluss als auch zu unerwünschten Verkehrsbewegungen in hierfür nicht vorgesehene Stadtgebiete. Für das Gebiet F komme hinzu, dass es sich um das älteste, am intensivsten genutzte und verkehrlich am günstigsten erreichbare des Planbereiches handele. Für diese Nutzungen solle das Gebiet weiterhin vorgehalten werden.

8

Während des Planaufstellungsverfahrens, aber noch vor der öffentlichen Auslegung des Planentwurfs (7. Oktober bis 7. November 2005) erschien ein Zeitungsartikel am 23. April 2004 (vgl. Bl. 51 GA) des Inhalts, eine "Gruppe von Geschäftsleuten" wolle im ehemaligen Verwaltungsgebäude des insolventen Bauunternehmens G. ein "Edelbordell" errichten. Damit sollten deren bislang in der Bruchstraße entfalteten Aktivitäten ver- und ausgelagert werden. Die Bruchstraße befindet sich in der Innenstadt nördlich des Bruchtorwalles und stellt - nach Darstellung des Antragstellers (vgl. Bl. 54 GA) - das stadtbekannte Bordellgebiet dar. Hintergrund der Aussiedlungsabsichten war nach dem zitierten Zeitungsartikel, dass eine Versicherung südlich der Bruchstraße ein höheres Gebäude errichtet hatte. Von dort, so hätten "Insider" berichtet, könne man möglicherweise "die Freier aus den Büros und Amtsstuben der City" bei ihrer "kurzen Entspannung" beobachten. Ausweislich eines weiteren Zeitungsartikels vom 7. Mai 2004 (Bl. 52 GA) hatte man bei der Antragsgegnerin sehr wohl gesehen, diese Art der Nutzung sei nicht unter den Begriff der Vergnügungsstätte, sondern unter die Rubrik "Gewerbebetrieb aller Art" zu fassen.

9

Der Bezirksrat F. -H. bat in seiner Sitzung vom 5. Mai 2004 um planerische Anstrengungen zur Unterbindung dieser Nutzungsart, weil diese geeignet sei, das Gewerbegebiet in Misskredit zu bringen. Außerdem sei zu befürchten, dass die Verkehrsgünstigkeit dieser "Liegenschaft" mit unabsehbaren Folgen osteuropäische LKW-Fahrer anlocke. Daher solle der Rat der Antragsgegnerin im Rahmen des laufenden Bebauungsplanes auch den Ausschluss von Bordellbetrieben und ähnlicher Anlagen verfolgen.

10

Der Bauantrag des Antragstellers vom 27. Mai 2004 war Anlass für den Rat der Antragsgegnerin, am 5. Juli 2004 für ein Gebiet die - erste - Veränderungssperre zu erlassen, welche u. a. das Pachtgrundstück des Antragstellers umfasst und um die die Beteiligten unter anderem zur Frage streiten, ob diese mit der Bekanntmachung des Bebauungsplanes "Gewerbegebiet Hansestraße-Nord, Ernst-Böhme-Straße" Nr. VH 29 vom 18. Mai 2005 außer Kraft getreten ist. Diese Veränderungssperre machte die Antragsgegnerin in ihrem Amtsblatt Nr. 5 vom 19. Juli 2004 (Seite 11) öffentlich bekannt.

11

Sechs Monate, nachdem der Antragsteller am 18. Januar 2005 zum vorliegenden Aktenzeichen einen Normenkontrollantrag gegen die - erste - Veränderungssperre gestellt hatte, teilte die Antragsgegnerin mit, den von ihrem Rat am 26. April 2005 als Satzung beschlossenen Bebauungsplan "Gewerbegebiet Hansestraße-Nord, Ernst-Böhme-Straße" VH 29 in ihrem Amtsblatt vom 18. Mai 2005, Seite 19, bekannt gemacht zu haben. Mit Schriftsatz vom 30. August 2005 machte sie allerdings geltend, der Bebauungsplan entfalte derzeit keine Rechtswirkungen. Denn in der bekannt gemachten Fassung habe man versehentlich die von ihrem Rat beschlossene, in den Ratsvorlagen enthaltene textliche Festsetzung vergessen, wonach dort auch die Nutzung durch Bordelle ausgeschlossen sein solle. Bekannt gemachter Festsetzungsinhalt und Festsetzungswille fielen daher auseinander. Das habe zur Folge, dass der Plan keine Rechtswirksamkeit entfalte. Dieser Mangel solle in einem ergänzenden Verfahren korrigiert werden. In der Zwischenzeit dauerten die Rechtswirkungen der - ersten - Veränderungssperre an.

12

Am 27. September 2005 beschloss der Rat der Antragsgegnerin die Durchführung eines ergänzenden Verfahrens, die neuerliche öffentliche Auslegung sowie eine weitere Veränderungssperre. Diese machte sie am 6. Oktober 2005 bekannt. In seiner Sitzung vom 20. Dezember 2005 beschloss der Rat der Antragsgegnerin den genannten Plan - diesmal unter ausdrücklichem Ausschluss von Bordellnutzungen für das Teilgebiet F - erneut als Satzung und maß seiner Inkraftsetzung Rückwirkung zum 18. Mai 2005 bei. Das machte sie in ihrem Amtsblatt Nr. 1 vom 9. Januar 2006 öffentlich bekannt.

13

Nachdem sich der Antragsteller zunächst in erster Linie gegen die Veränderungssperre gewandt hatte, begehrt er nunmehr in erster Linie die Feststellung, diese sei aufgrund der Bekanntmachung des Bebauungsplanes Nr. VH 29 "Gewerbegebiet Hansestraße-Nord, Ernst-Böhme-Straße" im Amtsblatt der Antragsgegnerin vom 18. Mai 2005 außer Kraft getreten. Das berechtigte Interesse an dieser Feststellung folge daraus, dass sich die Antragsgegnerin der Unwirksamkeit dieser Bekanntmachung berühme und daher für berechtigt angesehen habe, seinen Widerspruch gegen die Ablehnung seines Bauantrages (Bescheid vom 31. August 2004) im Widerspruchsbescheid vom 23. August 2005 unverändert und hauptsächlich mit der Begründung zurückzuweisen, die Wirkungen der Veränderungssperre dauerten trotz Bekanntmachung des Planes VH 29 am 18. Mai 2005 an. Inhaltlich ergebe sich die Richtigkeit seiner Rechtsposition aus § 17 Abs. 5 BauGB. Danach trete eine Veränderungssperre ungeachtet der Wirksamkeit des bekannt gemachten Bebauungsplanes außer Kraft. Das habe auch das Bundesverwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 28. Februar 1990 (- 4 B 174.89 -, NVwZ 1990, 656 = BauR 1990, 334 [BVerwG 28.02.1990 - 4 B 174/89] = BRS 50 Nr. 99) so gesehen.

14

Festzustellen sei des Weiteren die Unwirksamkeit der ersten und zweiten Veränderungssperre. Das dafür erforderliche Feststellungsinteresse ergebe sich aus seiner Absicht, den durch die Versagung der Baugenehmigung entstandenen Schaden gegen die Antragsgegnerin geltend zu machen. Diese habe die Ablehnung des Bauantrages allein, den Widerspruchsbescheid im Wesentlichen mit der Behauptung begründet, die erste Veränderungssperre sei wirksam. Materiell folge die Unwirksamkeit der Veränderungssperre daraus, dass diese nicht wirksam bekannt gemacht worden sei und zudem diese und die folgende zweite unter inhaltlichen Mängeln litten. Für sie habe bei dem ausschlaggebenden Zeitpunkt ihres Erlasses kein Sicherungsbedürfnis bestanden. Denn seinerzeit hätten nur Vergnügungsstätten ausgeschlossen werden sollen. Ein Bordell sei aber keine. In einem Gewerbegebiet seien Bordelle jedenfalls dann zulässig, wenn sie - wie hier - nach ihrer Lage, Umfang oder Anzahl mit seiner Eigenart zu vereinbaren seien. Anlass und Ziel der Veränderungssperre sei einzig das unzulässige Ziel gewesen, sein Vorhaben zu verhindern. Es komme hinzu, dass die Antragsgegnerin bei Erlass der Veränderungssperre kein Mindestmaß an positiven Planungsvorstellungen entwickelt habe, welche die Zulassung eines Bordells ausgeschlossen hätte.

15

Der Antragsteller beantragt,

  1. 1.

    festzustellen, dass die vom Rat der Antragsgegnerin am 5. Juli 2004 als Satzung beschlossene Veränderungssperre für das "Gewerbegebiet Hansestraße-Nord, Ernst-Böhme-Straße" (zum Bebauungsplan VH 29) mit Bekanntmachung des Bebauungsplanes "Gewerbegebiet Hansestraße-Nord, Ernst-Böhme-Straße" VH 29 im Amtsblatt der Stadt B. vom 18. Mai 2005 (Nr. 6, Seite 19) außer Kraft getreten ist,

  2. 2.

    ferner, dass die vom Rat der Antragsgegnerin am 5. Juli 2004 als auch am 27. September 2005 für das Gewerbegebiet Hansestraße-Nord, Ernst-Böhme-Straße - VH 29 - als Satzung beschlossenen Veränderungssperren unwirksam gewesen sind.

16

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Anträge abzulehnen.

17

Sie erwidert:

18

Der erste Feststellungsantrag sei schon unzulässig. Ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung bestehe nicht. Denn es sei in der Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt, ob Bordelle nicht doch unter den Begriff der Vergnügungsstätte fielen. Daher könne die begehrte Feststellung, die - erste - Veränderungssperre sei im Mai 2005 außer Kraft getreten, dem Antragsteller nicht von Nutzen sein. Zudem habe sie den Bebauungsplan Nr. VH 29 mit Rückwirkung (wieder) in Kraft gesetzt. Seine Ausschlusswirkungen erfassten damit auch ihren Widerspruchsbescheid vom 23. August 2005.

19

Dieser Antrag sei zudem unbegründet. Denn ihr Bebauungsplan VH 29 sei in der am 18. Mai 2005 bekannt gemachten Version aus den oben genannten Gründen unwirksam gewesen. Daher habe das Sicherungsbedürfnis für die erste Veränderungssperre fortbestanden und sei diese mit der Bekanntmachung vom 18. Mai 2005 nicht außer Kraft getreten. Insofern sei der Fall dem Sachverhalt vergleichbar, in dem ein Plan von der Aufsichtsbehörde nur zum Teil genehmigt worden sei.

20

Der zweite Feststellungsantrag sei unbegründet. Ihre Planungsabsichten habe sie zum Zeitpunkt, als ihr Rat die Veränderungssperre beschlossen habe, hinreichend konkret niedergelegt gehabt. Zudem sei es nicht verboten, den Inhalt des zukünftigen Planes noch während des Aufstellungsverfahrens zu ändern. Das könne auch durch die Äußerungen geschehen, welche während der Aufstellung der Veränderungssperre abgegeben worden seien. Diese belegten, dass sich ihr Rat das Anliegen des Bezirksrates zu Eigen gemacht habe, Bordelle aus den in der beschlossenen Planbegründung aufgeführten Gründen im Gewerbegebiet auszuschließen.

21

Wegen der Einzelheiten von Vortrag und Sachverhalt wird auf die gewechselten Schriftsätze und die beigezogenen Planaufstellungsvorgänge verwiesen, welche in ihren wesentlichen Teilen Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

22

Der erste Feststellungsantrag hat Erfolg, der zweite dagegen nicht.

23

Der erste Feststellungsantrag ist entgegen der Annahme der Antragsgegnerin zulässig. An der grundsätzlichen Statthaftigkeit eines solchen Antrags bestehen keine Zweifel. Zu bejahen ist auch das in Anlehnung an § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO zu bestimmende, berechtigte Interesse an der erstrebten Feststellung. Dies ist schon dann gegeben, wenn dem Antragsteller mit einer antragsgemäßen Entscheidung "gedient" ist, d. h. wenn sie in einem anderen rechtlichen Zusammenhang von Nutzen ist/sein kann. Es fehlt erst dann, wenn dies verlässlich auszuschließen ist.

24

Eine antragsgemäße Bescheidung kann dem Antragsteller von Nutzen sein. Denn er äußert die - nicht zu widerlegende und nicht unrealistisch erscheinende - Absicht, sich wegen der Ablehnung seines Baugesuchs vom 27. Mai 2004 bei der Antragsgegnerin finanziell erholen zu wollen. Diese hatte ihren Ablehnungsbescheid vom 31. August 2004 ausschließlich, ihren Widerspruchsbescheid vom 23. August 2005 in der Hauptsache auf die Erwägung gestützt, die - erste - Veränderungssperre sei (unverändert) gültig. Bei einer antragsgemäßen Feststellung stünde dann gemäß § 121 VwGO zwischen diesen Beteiligten fest, dass das nicht zutrifft und damit möglicherweise ein haftungsbegründender Tatbestand gegeben ist.

25

Das Feststellungsinteresse fehlt auch nicht (etwa) deshalb, weil die Antragsgegnerin in ihrem Widerspruchsbescheid vom 23. August 2005 (vgl. Bl. 214 GA) Folgendes ergänzend ausgeführt hatte:

26

"Hilfsweise ist weiterhin festzustellen, dass die planungsrechtliche Einstufung von Bordellen nicht höchstrichterlich geklärt ist. Der beabsichtigte Betrieb wird als Vergnügungsstätte eingestuft. Als solcher wäre er in dem Gebiet unzulässig."

27

Das ließe das Feststellungsinteresse erst dann entfallen, wenn mit Sicherheit angenommen werden könnte, diese Hilfserwägung greife durch, weil Bordelle dem Begriff der (im Bebauungsplan VH 29 von Anfang an ausgeschlossenen) Vergnügungsstätten unterfielen. Das ist indes gerade nicht der Fall. Vielmehr besteht über diese Frage in einem Umfang Streit, dass die antragsgemäße Bescheidung dem Antragsteller von Vorteil sein kann. Das Bundesverwaltungsgericht vertritt in (wohl) ständiger Rechtsprechung die Auffassung, Bordelle, in denen die Dirnen - wie hier - nicht wohnen, unterfielen dem Begriff des "Gewerbebetriebs aller Art" im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO. Für eine frühere Fassung der Baunutzungsverordnung hatte es dies in seinem Urteil vom 25. November 1983 (- 4 C 21.83 -, BVerwGE 68, 213 = BauR 1984, 145 = NJW 1984, 1574 = BRS 40 Nr. 52) angenommen. Das hatte das Bundesverwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 28. Juni 1995 (- 4 B 137.95 -, NVwZ-RR 1996, 84) für die Fassung der BauNVO 1990übernommen. Auch wenn Gegenstand dieses Beschlusses die Wohnungsprostitution ist, heißt es unter Hinweis auf die genannte Entscheidung unverändert, nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei ein Bordell grundsätzlich ein gewerblicher Betrieb.

28

Nun wird zwar in der Literatur zum Teil angenommen, seit Aufnahme von Vergnügungsstätten als besonderen Nutzungstyp in die BauNVO 1990 unterfielen Bordelle diesem besonderen Nutzungstyp (vgl. z. B. Stühler, NVwZ 2000, 990; Brügelmann-Ziegler, Stand 1994, § 8 Rdnr. 49 und § 4a Rdnr. 70). Zum Teil finden sich eher ambivalente Bemerkungen wie namentlich bei Ernst/Zinkahn/Bielenberg (BauNVO, Komm., § 8 Rdnr. 9a, S. 28; § 4a Rdnr. 58, S. 27; § 7 Rdnr. 24). Eher der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts neigen zu unter anderem Janning (BauR 2005, 958 [BVerwG 19.08.2004 - 4 C 16/03]) und Gelzer/Birk (Bauplanungsrecht, 6. Aufl. 2001, Rdnr. 1581).

29

Der Senat hat keinen zwingenden Anlass, diese Frage abschließend zu beantworten. Sie stellt sich hier lediglich im Zusammenhang mit der Zulässigkeitsvoraussetzung, ob eine stattgebende Entscheidung (positive Feststellung) dem Antragsteller von Nutzen sein kann. Das wäre nur dann zu verneinen, wenn schon eindeutig jetzt auf der Hand läge, der Antragsteller könne mit einer stattgebenden Entscheidung "nichts anfangen". So ist es nach den vorstehenden Ausführungen aber nicht. Gerade wenn - wie dargelegt - triftige Anhaltspunkte für die Annahme vorliegen, das Bundesverwaltungsgericht ordne Bordelle, in denen die Dirnen (wie hier) nicht wohnen, unverändert als Gewerbebetriebe der allgemeinen Art ein, kann der Antragsteller seine Chancen, für die negative Bescheidung seines Bauantrages finanziellen Ausgleich zu erlangen, verbessern, wenn die mit dem ersten Hauptantrag erstrebte Feststellung ausgesprochen wird.

30

Das berechtigte Interesse an der erstrebten Feststellung lässt sich schließlich nicht mit der Erwägung verneinen, die Antragsgegnerin habe ihrem - am 9. Januar 2006 bekannt gemachten - Satzungsbeschluss vom 20. Dezember 2005 Rückwirkung zum 18. Mai 2005, dem Tag der ersten Bekanntmachung ihres Bebauungsplanes Nr. VH 29 beigemessen. Denn es ist amtshaftungs- und entschädigungsrechtlich nicht eindeutig, dass diese Rückwirkung Ersatzansprüche für Schäden entfallen lässt, die dadurch entstanden sind, dass jedenfalls zum Zeitpunkt des Widerspruchsbescheides (23. August 2005) ein mit Rückwirkung versehener Satzungsbeschluss noch nicht vorlag und auch die nachfolgende Veränderungssperre erst unter dem 27. September 2005 beschlossen worden ist. Es kommt hinzu, dass die Wirksamkeit des am 20. Dezember 2005 neuerlich als Satzung beschlossenen Bebauungsplanes erst im Normenkontrollverfahren 1 KN 63/07 zu klären sein wird. Mit der hierfür allein ausreichenden Verlässlichkeit und Eindeutigkeit lässt sich daher nicht absehen, die erstrebte Feststellung werde dem Kläger nicht von Nutzen sein können.

31

Fristen brauchte der Antragsteller für die Stellung des Hauptantrages zu 1. nicht zu beachten (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.7.1999 - 6 C 7.98 -, BVerwGE 109, 203 = DVBl. 1999, 1660 = NVwZ 2000, 63).

32

Der erste Feststellungsantrag ist auch begründet.

33

Die vom Rat der Antragsgegnerin am 5. Juli 2004 beschlossene Veränderungssperre ist mit der Bekanntmachung des Bebauungsplanes VH 29 "Gewerbegebiet Hansestraße-Nord, Ernst-Böhme-Straße" vom 18. Mai 2005 außer Kraft getreten. Das ergibt sich aus § 17 Abs. 5 BauGB. Diese Vorschrift lautet:

34

"Die Veränderungssperre tritt in jedem Fall außer Kraft, sobald und soweit die Bauleitplanung rechtsverbindlich abgeschlossen ist."

35

Rechtsverbindlich abgeschlossen ist die Planung dann, wenn der Bauleitplan dem Planunterworfenen mit dem Anspruch auf Verbindlichkeit gegenübertritt. Dieser Zeitpunkt ist mit dem der Bekanntmachung identisch (§ 10 Abs. 3 Satz 4 BauGB; ebenso Brügelmann-Grauvogel, BauGB, Komm., Stand April 1996, § 17 Rdnr. 63). Das entspricht nicht nur der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. insbesondere den vom Antragsteller zutreffend zitierten Beschluss des BVerwG vom 28.2.1990 - 4 B 174.89 -, ZfBR 1990, 158 = BauR 1990, 334 [BVerwG 28.02.1990 - 4 B 174/89] = NVwZ 1990, 656 = BRS 50 Nr. 99; ähnlich wohl schon Urteil des BVerwG vom 26.10.1984 - 4 C 53.80 -, BVerwGE 70, 227 = NVwZ 1985, 563), sondern auch Sinn und Zweck der Veränderungssperre. Dieser erschöpft sich darin zu verhindern, dass sich während des Verfahrens zur Aufstellung eines Bebauungsplanes rechtliche oder tatsächliche Veränderungen einstellen, welche die Erreichung des Planungsziels gefährden (können). Eine Richtigkeitsgewähr übernimmt die Veränderungssperre hingegen nicht. Sie ist insbesondere nicht, wie die Antragsgegnerin meint, dazu bestimmt, die Planungsabsichten der Gemeinde bis zum endgültigen Erweis ihrer Rechtmäßigkeit zu flankieren.

36

Ein schützenswertes Interesse der Gemeinde, über das Datum der Bekanntmachung ihres Bauleitplanes hinaus gegen Veränderungen der rechtlichen oder tatsächlichen Situation geschützt zu werden, besteht nicht. Es liegt vielmehr ausschließlich in ihrer Risikosphäre, ob sich ihre Planung als wirksam oder - entweder im Rahmen einer Normen- oder einer Inzidentkontrolle - als unwirksam erweist. Die Veränderungssperre ist kein Instrument, mit dem sich die Gemeinde gegen dieses Risiko wappnen kann. Sinn und Funktion bestehen ausschließlich darin, ein laufendes Planaufstellungs- oder -änderungsverfahren innerhalb der in § 17 Abs. 1 und 2 BauGB bestimmten Maximalzeit gegen Veränderungen gesichert zu sehen. Dementsprechend beendet § 17 Abs. 5 BauGB ihre Rechtswirkungen schon mit dem formalen und nicht erst mit dem/einem inhaltlich nicht zu beanstandenden Abschluss des Planaufstellungsverfahrens. Eine weitergehende Sicherungswirkung wäre auch mit dem Eigentumsgrundrecht nicht zu vereinbaren. Es bedeutet schon eine erhebliche Einschränkung der Möglichkeiten, das Grundeigentum zu nutzen, wenn dem nur eine Planungsabsicht, aber noch keine Planung entgegensteht, welche mit dem Anspruch auf Rechtsverbindlichkeit auftritt. Eine noch weitergehende Einschränkung der Möglichkeiten zur Ausnutzung des Grundeigentums ist nicht zu rechtfertigen. Sie verstieße zudem gegen das Gebot der Normenklarheit. Denn § 17 BauGB ist gerade Ausdruck des Gedankens, der Grundeigentümer möge taggenau errechnen können, wann die Wirkungen eines städtebaurechtlichen Sicherungsinstruments enden, welches, wie weiter unten darzulegen sein wird, an nicht eben viele materielle Voraussetzungen gebunden ist. Wegen der einschneidenden Folgen dieses Instruments werden seine Wirkungen in § 17 Abs. 1 BauGB auf grundsätzlich zwei Jahre begrenzt und Verlängerungen (jedenfalls) in das vierte Jahr an strenge Voraussetzungen geknüpft (§ 17 Abs. 2 BauGB: besondere Umstände). Es wäre mit dem damit verbundenen Gebot der Rechtssicherheit nicht zu vereinbaren, dem Grundstückseigentümer trotz Bekanntmachung des Planes und trotz des Umstandes, dass eine Inzidentkontrolle nicht an die in § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO bestimmte Frist gebunden ist, die Rechtsfolgen aufzubürden, nur wegen der Erkenntnis der Gemeinde, ihr Plan sei (möglicherweise) unwirksam, die Folgen der Veränderungssperre weiter zuzumuten. Das gilt umso mehr, als der Gemeinde, wie nachstehend darzulegen sein wird, Möglichkeiten offen stehen, das ergänzende Verfahren durch neuerliche Veränderungssperre, möglicherweise auch durch eine Zurückstellung nach § 15 Abs. 1 BauGB und damit in zeitlich und räumlich eindeutig definierter Weise zu flankieren.

37

Der Einwand der Antragsgegnerin, wenn im Falle anderes gelte, dass nur Teile des Bebauungsplanes aufsichtsbehördlich genehmigt und in Kraft gesetzt worden seien, dann müsse das erst recht auch hier gelten, wo die Gültigkeit des Planes insgesamt nicht gegeben sei, hilft nicht weiter. Daraus ergibt sich sogar das gegenteilige Ergebnis. Dieser Sachverhalt wird durch den klaren Wortlaut des § 17 Abs. 5 BauGB ("...soweit ... rechtsverbindlich abgeschlossen ist.") erfasst. Er besagt lediglich, dass hinsichtlich der Teile, welche nicht durch Bekanntmachung ("formell") in Kraft gesetzt worden sind, die Veränderungssperre weiter gilt. Inhaltlich lässt sich diese Anordnung unverändert mit der Funktion der Veränderungssperre erklären, der Gemeinde (nur) bis zum förmlichen Abschluss des Planaufstellungsverfahrens "den Rücken freizuhalten" und zu verhindern, dass während des Planaufstellungsverfahrens Genehmigungen erteilt und Baumaßnahmen durchgeführt werden, welche die Erreichung des Planziels gefährden. Denn soweit der Plan nicht genehmigt worden ist und dementsprechend nicht mit Rechtsverbindlichkeit hat versehen werden können, ist das Planaufstellungsverfahren in diesem Umfang eben noch nicht abgeschlossen. Der fehlende Abschluss des Planaufstellungsverfahrens - beispielsweise durch Teilversagung einer dazu erforderlichen Genehmigung - führt nicht etwa zu einem Verbrauch des Planaufstellungsbeschlusses (vgl. dazu Senatsbeschluss v. 18.2.2005 - 1 LA 11/04 -, V.n.b.; das nachfolgende Berufungsverfahren zum Aktenzeichen 1 LB 32/05 hat sich in der mündlichen Verhandlung durch Vergleich erledigt). Vielmehr ist es nun an der Gemeinde zu entscheiden, ob sie das Planaufstellungsverfahren fortsetzt oder mit der Folge endgültig aufgibt, dass auch die Rest-Veränderungssperre ihre Wirkung verliert. Mit der materiellen Richtigkeit des "Planstumpfes" hat das nichts zu tun. Aus der Regelung des § 17 Abs. 5 BauGB ergibt sich damit im Gegenteil, die Veränderungssperre verliere ihre Rechtswirkungen in jedem Fall und insoweit, als der Plan durch Bekanntmachung formell in Kraft gesetzt worden ist. Nur hinsichtlich des Teils, für den die Gemeinde dies - aus welchen Gründen auch immer - zu tun unterlassen hat, bleibt sie in Kraft, soweit nicht die in § 17 Abs. 1 und 2 BauGB bezeichnete Höchstdauer überschritten wird. Der von der Antragsgegnerin gezogene Erst-Recht-Schluss ist also nicht gerechtfertigt.

38

Die Antragsgegnerin kann schließlich keine ihr positiven Rechtsfolgen aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 30. November 2006 (- III ZR 352/04 -, ZfBR 2007, 263 = BauR 2007, 440 <LS>) ableiten. Im dort behandelten Fall hatte sich zwar auch herausgestellt, dass der Ursprungsplan wegen Ausfertigungsmangels unwirksam war. Diese Entscheidung betrifft jedoch die Wirksamkeit der Veränderungssperre in einem Stadium, in dem der "Änderungs-Bebauungsplan" noch erstellt werden sollte, und nicht den Zeitraum, in dem dieses Verfahren durch Bekanntmachung abgeschlossen worden ist.

39

Der zweite Feststellungsantrag ist hingegen unbegründet.

40

Er ist zwar zulässig. Weil die Antragsgegnerin als Bauaufsichtsbehörde die Ablehnung des Bauantrages ausschließlich (Bescheid vom 31. August 2004) bzw. hauptsächlich (Widerspruchsbescheid vom 23. August 2005) auf die Wirksamkeit der - ersten - Veränderungssperre gestützt hätte, wäre die erstrebte Feststellung dem Antragsteller aus den vorstehend genannten Gründen von Nutzen. Dasselbe gilt hinsichtlich der zweiten, am 27. September 2005 als Satzung beschlossenen zweiten Veränderungssperre. Allein der Umstand, dass die Antragsgegnerin in der Widerspruchsentscheidung hilfsweise einen Ausschluss daraus abgeleitet hat, dass das Bordell als Vergnügungsstätte anzusehen sei und jedenfalls solche dort planerisch ausgeschlossen worden seien, führt nicht zum Fortfall des berechtigten Interesses an der begehrten Feststellung. Denn nach den vorstehenden Ausführungen ist es zumindest diskussionswürdig, ob diese Auffassung zutrifft oder die erstrebte Nutzung nicht eher als sonstiger Gewerbebetrieb einzustufen ist. Zudem unterliegt es erheblichen Zweifeln, ob der am 18. Mai 2005 bekannt gemachte Plan trotz der von der Antragsgegnerin geltend gemachten/erkannten Mängel - Auseinanderfallen von Planinhalt und -willen; fehlerhafte Ausfertigung - jedenfalls hinsichtlich der Festsetzungen als teilweise wirksam angesehen werden kann, welche der Rat "auf jeden Fall" hatte treffen wollen (Ausschluss von Vergnügungsstätten).

41

Der Antrag ist insoweit jedoch nicht begründet. Die Angriffe gegen die Wirksamkeit der am 5. Juli 2004 und 27. September 2005 beschlossenen Veränderungssperren greifen nicht durch.

42

Die für ihre Wirksamkeit geltenden formellen Voraussetzungen liegen vor. Hierfür sind erforderlich - erstens - ein wirksamer Beschluss mit dem Inhalt, einen Bebauungsplan aufzustellen, zu ändern oder aufzuheben, zweitens seine ortsübliche Bekanntmachung, drittens der Beschluss über die Veränderungssperre in der "richtigen Reihenfolge" (er darf frühestens zusammen mit dem Beschluss zu Nr. 1 gefasst werden, nicht aber davor (vgl. BWVGH, Urt. v. 28.10.1999 - 5 S 439/98 -, ESVGH 50, 153 <LS>; VGHBW-LS 2000, Beil. 2, B 6) und viertens die ortsübliche Bekanntmachung des Beschlusses über die Veränderungssperre; dies darf nicht vor der Bekanntmachung des Planaufstellungsbeschlusses geschehen, wohl aber gleichzeitig mit diesem.

43

Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Der Antragsteller hatte zwar in der Antragsschrift vom 17. Januar 2005 (Seite 10) angekündigt, nach Akteneinsicht Angriffe gegen das Vorliegen der formellen Voraussetzungen vortragen zu wollen. Das hat er dann aber unterlassen. Insoweit bestehen auch keine durchgreifenden Zweifel. Denn nach den im Tatbestand wiedergegeben Daten hatte der Verwaltungsausschuss der Antragsgegnerin, was er wegen § 40 Abs. 1 Nr. 5 NGO durfte (nur für die abschließenden Entscheidungen gilt die Ratszuständigkeit) schon am 25. März 2003 den Aufstellungsbeschluss gefasst. An der Ordnungsmäßigkeit/Ortsüblichkeit seiner Bekanntmachung vom 1. April 2003 sind Zweifel nicht aufgetaucht.

44

Der Beschluss über die Veränderungssperre vom 5. Juli 2004 wurde sogar deutlich nach dem Planaufstellungsbeschluss gefasst. Der Antragsteller hat keine Anhaltspunkte für die Annahme vorgebracht, seine Bekanntmachung im Amtsblatt der Antragsgegnerin vom 19. Juli 2004 genüge nicht den formellen Anforderungen.

45

Die zweite Veränderungssperre wäre nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. nochmals Urteil vom 10.9.1976 - IV C 39.74 -, BVerwGE 51, 121 = BauR 1977, 31 = NJW 1977, 400 [BVerwG 10.09.1976 - IV C 39/74]) unter denselben Voraussetzungen zulässig wie die Verlängerung der am 5. Juli 2004 beschlossenen ersten Veränderungssperre.

46

Die Voraussetzungen für eine neuerliche Veränderungssperre liegen vor.

47

Der Abschluss des Planaufstellungsverfahrens durch die Bekanntmachung vom 18. Mai 2005 hatte trotz möglicher Mängel des bekannt gemachten Planes den Aufstellungsbeschluss nicht verbraucht. Der Senat hat dazu in seinem unveröffentlichten Einstellungsbeschluss vom 18. Februar 2005 - 1 LA 11/04 - das Folgende ausgeführt:

48

"Die Gemeinde trägt das Risiko seiner Gültigkeit unabhängig davon, ob der Mangel zu erkennen war. Wird der Bebauungsplan später für unwirksam erklärt, lebt die Veränderungssperre nicht wieder auf; sie wirkt auch nicht fort (vgl. BVerwG, B. v. 28.2.1990 - 4 B 174.89 -, NVwZ 1990, 656 = BauR 1990, 334 [BVerwG 28.02.1990 - 4 B 174/89] = BRS 50 Nr. 99; vgl. dazu auch Grauvogel, in: Brügelmann, BauGB-Komm., Stand April 1996, § 17 Rdnr. 63).

49

Das bedeutet indes aller Voraussicht nach nicht, dass sich damit alle Verfahrensschritte erledigen, die zur Aufstellung des Bebauungsplanes unternommen worden sind. Das ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

50

Es ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. z.B. B. v. 24.5.1989 - 4 NB 10.89 -, BauR 1989, 692 = BRS 49 Nr. 25) anerkannt, dass die Gemeinde das Planverfahren nicht vollständig wiederholen muss, wenn der Plan vom Normenkontrollgericht für unwirksam erklärt worden ist. Das durch § 215a BauGB ermöglichte ergänzende Verfahren braucht vielmehr erst an der Stelle einzusetzen, welche das Normenkontrollgericht als fehlerhaft angesehen hat. Das bedeutet hier, dass namentlich der Planaufstellungsbeschluss nicht wiederholt zu werden braucht. Zwar hat der Senat in seiner Normenkontrollentscheidung vom 15. März 2001 - 1 K 2405/00 - (aaO) angenommen, dass der Bebauungsplan der Beklagten Nr. 614 in Teilen deshalb unwirksam sei, weil die zu seiner Wirksamkeit erforderliche Darstellung im Flächennutzungsplan nicht enthalten und er daher nicht in Einklang mit § 8 BauGB aus diesem entwickelt sei. Das hat indes nicht zur Folge, dass die Beklagte auch den Aufstellungsbeschluss erneuern müsste. § 8 Abs. 3 BauGB ermöglicht es, einen Bebauungsplan aufzustellen und gleichzeitig den Flächennutzungsplan in einer Weise zu ändern, dass beide vor allem inhaltlich aufeinander abgestimmt aufgestellt werden (vgl. BVerwG, B. v. 3.10.1984 - 4 N 4.84 -, BVerwGE 70, 171 = NVwZ 1985 = 485 = BRS 42 Nr. 22). Das erfordert in zeitlicher Hinsicht nicht zwingend, dass der Beschluss zur Aufstellung eines Bebauungsplanes nur dann wirksam ist, wenn zumindest zeitgleich mit ihm ein solcher auf Änderung des bestehenden Flächennutzungsplanes gefasst worden ist. Es kommt nicht auf die zeitliche Abfolge, sondern die inhaltlich gleichzeitige Abstimmung an.

51

Daraus ergibt sich, dass die Wirksamkeit des Planaufstellungsbeschlusses vom 26. Februar 1996 durch die Senatsentscheidung vom 15.3.2001 - 1 K 2405/00 - nicht in Zweifel gezogen worden ist. Das aber reicht aus, um eine weitere Veränderungssperre beschließen zu können."

52

Daran ist festzuhalten.

53

Die Antragsgegnerin war nach dem Wortlaut des § 214 BauGB ("kann ...") zumindest berechtigt, im Interesse der Rechtssicherheit möglicherweise sogar verpflichtet, ein ergänzendes Verfahren zur Inkraftsetzung des Bebauungsplanes einzuleiten. Dieses Verfahren kann sie innerhalb der zeitlichen Grenzen, welche § 17 BauGB zieht, durch eine erneute Veränderungssperre sichern (vgl. Schrödter-Quaas/Kukk, BauGB, 7. Aufl. 2006, § 214 Rdnr. 68). Diese damit allein in zeitlicher Hinsicht gezogenen Grenzen wurden hier nicht überschritten. Nach der oben begründeten Auffassung war die erste Veränderungssperre vom 19. April 2004 (Bekanntmachung) bis zum 18. Mai 2005 (erste Bekanntmachung des Bebauungsplanes Nr. VH 29), d. h. 13 Monate lang wirksam. Die zweite Veränderungssperre trat mit ihrer Bekanntmachung vom 27. September 2005 in Kraft. Ihre Rechtswirkungen endeten mit neuerlicher Inkraftsetzung des Bebauungsplanes VH 29 am 9. Januar 2006. Das sind knapp weitere vier Monate. Die Gesamtzeit beträgt damit 17 Monate und einen Zeitraum, der die in § 17 Abs. 1 Satz 1 BauGB bestimmte Dauer von 24 Monaten nicht überschreitet.

54

Den für die Inkraftsetzung einer weiteren Veränderungssperre erforderlichen Beschluss hat der Rat der Antragsgegnerin am 27. September 2005 gefasst. Hinsichtlich seiner Bekanntmachung ergeben sich keine Beanstandungen.

55

Die materiellen Voraussetzungen für den Erlass der Veränderungssperren liegen ebenfalls vor. Die Veränderungssperre wird materiell im Wesentlichen nur daraufhin untersucht, ob ihr - erstens - ein Mindestmaß an konkretisierter Planungsabsicht zugrunde liegt und sie - zweitens - im Rechtssinne erforderlich ist. Sie muss sich hingegen nicht dem Abwägungsgebot stellen. Der in Aussicht genommene Bebauungsplan wird grundsätzlich nicht nach Art einer vorgezogenen Normenkontrolle geprüft (vgl. BVerwG, Beschl. v. 30.9.1992 - 4 NB 35.92 -, NVwZ 1993, 473). Eine Ausnahme gilt lediglich dann, wenn die Planungsabsichten mit den Mitteln des Städtebaurechts schlechthin nicht verwirklicht werden können; dann ist die Veränderungssperre nicht erforderlich.

56

Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Zu den Angriffen des Antragstellers sind die folgenden Ausführungen veranlasst:

57

Die in Rede stehende Veränderungssperre ist von einem Mindestmaß an konkretisierten Planungsabsichten getragen. Insoweit gelten nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. z. B. Beschl. d. BVerwG v. 5.2.1990 - 4 B 191.89 -, NVwZ 1990, 558) die folgenden Grundsätze: Die Vorstellungen der Gemeinde dürfen sich nicht darin erschöpfen, dieses oder einige andere Vorhaben zu verhindern oder allein Zeit gewinnen zu wollen, in der Vorstellungen über die Gestaltung des in Rede stehenden Bereichs überhaupt erst entwickelt werden sollen. Denn die nachteiligen Wirkungen der Veränderungssperre wären vor dem Hintergrund des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG nicht erträglich, wenn sie nur der Sicherung einer Planung dienen sollte, deren Inhalt sich noch in keiner Weise absehen lässt. Erforderlich sind damit positive Planungsvorstellungen vom künftigen Planinhalt. Diese Planungsvorstellungen müssen allerdings noch nicht so weit gediehen sein, dass sie sozusagen den Inhalt des künftigen Bebauungsplans im Wesentlichen erkennen lassen. Das widerspräche dem Beteiligungsverfahren. Dieses soll ja gerade zu dem Zwecke, durch die Äußerung der Bürger und Behörden die Grundlage für eine sachgerechte Abwägung zu schaffen, d. h. in gewissem Umfang "ergebnisoffen" geführt werden. Die Pflicht, eine Veränderungssperre nur bei einem Mindestmaß an positiven Planungsvorstellungen einsetzen zu dürfen, schließt allerdings nicht aus, dass das positive Ziel darin besteht, den gegenwärtigen, nunmehr als begrüßenswert eingestuften Zustand zu erhalten. In einem solchen Fall darf die Veränderungssperre auch mit dem Ziel eingesetzt werden, mit der Verwirklichung des Bauvorhabens eine Veränderung des gegenwärtig vorhandenen Zustandes zu verhindern, d. h. die vorhandene und, wie sich nun zeigt, unzureichend gegen Veränderungen geschützte Situation im städtebaulichen Interesse zu konservieren. Da das Gesetz eine Begründung für die Veränderungssperre nicht vorschreibt, reicht es aus, wenn Sitzungs- oder sonstige Unterlagen die Planungsabsichten der Gemeinde so verlässlich dokumentieren, dass ausgeschlossen ist, die Gemeinde schiebe später Planungsziele nach.

58

Eine in Anwendung dieser Grundsätze vorgenommene Würdigung ergibt, dass beide Veränderungssperren nicht zu beanstanden sind. Im Tatbestand ist dargestellt worden, mit welcher Ausführlichkeit, die fast schon an eine fertige Planbegründung heranreicht, die Antragsgegnerin die mit dem Plan VH 29 und der Veränderungssperre zu sichernden Ziele die Antragsgegnerin schon am 5. Juli 2004 formuliert hatte. Die daraus zu ziehende Folgerung, die Veränderungssperre sei von ausreichend konkretisierten Planungsvorstellungen getragen, kann der Antragsteller nicht mit der Beobachtung in Zweifel ziehen, beim Erlass der ersten Veränderungssperre habe die Antragsgegnerin den Ausschluss von Bordellen noch nicht (ausdrücklich) verfolgt. Das trifft zwar zu. Es trifft des Weiteren auch zu, dass die Veränderungssperre eng an das im Zeitpunkt ihres Erlasses verfolgte Plankonzept gebunden ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 10.9.1976 - IV C 39.74 -, BVerwGE 51, 121 = BauR 1977, 31 = NJW 1977, 400 [BVerwG 10.09.1976 - IV C 39/74] = BRS 30 Nr. 76). Das heißt indes nicht, dass es der Gemeinde verwehrt ist, das Plankonzept aus Anlass der Bauabsichten weiterzuentwickeln, welche der Beweggrund für die Veränderungssperre waren. Es ist der planenden Gemeinde grundsätzlich nicht verwehrt, im Laufe des Planungsverfahrens auftretende Gesichtspunkte zu berücksichtigen und in den Planentwurf einzuarbeiten, welche die Erreichung des Planungsziels zu gefährden geeignet sind. Insoweit gelten dieselben Erwägungen, welche das Bundesverwaltungsgericht (a.a.O.) veranlasst haben, von der Gemeinde nur ein Mindestmaß positiver planerischer Vorstellungen zu fordern. Denn die Beteiligung Dritter im Planaufstellungsverfahren hat nicht zuletzt zum Ziel, deren Vorstellungen in die Gestalt einfließen zu lassen, welche der Plan am Ende erhält. Aus demselben Grund darf die Gemeinde - unter bestimmten Umständen muss sie dies sogar tun, wenn sie anderenfalls ihren Planungserfolg nicht zu erreichen vermag - Gesichtspunkte berücksichtigen, welche während des Planaufstellungsverfahrens auftauchen und geeignet sind, das Planungsziel zu gefährden. So hat der Senat auch im Einstellungsbeschluss vom 4. März 2003 - 1 KN 104/02 - (V.n.b.) ausgeführt, die Gemeinde brauche keine neue Veränderungssperre zu beschließen, wenn sie die bisherigen Planungsabsichten, d. h. ursprünglichen (Um-)Gestaltungsgedanken, wie sie in den bisher entstandenen Unterlagen dokumentiert worden seien, lediglich konkretisiere, fortschreibe oder weiterentwickle.

59

So liegt es hier. Der Zweck des Plans VH 29 bestand von Anfang an insbesondere darin, dem produzierenden Gewerbe und der industriellen Nutzung diese nach Einschätzung der Antragsgegnerin in ihrem Stadtgebiet besonders geeigneten, dazu ausgesprochen verkehrsgünstig gelegenen Flächen zu erhalten und sie vor dem Auftreten einer Konkurrenz zu schützen, deren Finanzkraft die ihre mit der Folge möglicher Verdrängungsprozesse übersteigt. Es liegt genau auf der Linie dieses Konzeptes, wenn die Antragsgegnerin das Auftreten von Bordellen aus diesem Grunde zu verhindern suchte. Zum ausdrücklichen Ausschluss von Bordellen hatte bislang lediglich kein Anlass bestanden; entsprechende Nutzungsabsichten waren für dieses Gebiet erstmals durch den Antragsteller geäußert worden. Ebenso, wie die Antragsgegnerin folglich dessen Baugesuch sogar zum Anlass hätte nehmen können, erstmals ein Verfahren zur Umplanung des Bereichs einzuleiten und dies mit einer Veränderungssperre zu flankieren, durfte sie - erst recht - diese aus neuer Richtung auftretende Gefährdung ihrer schon auf die Bahn gebrachten Umplanung zum Anlass nehmen, das Planverfahren durch Aufnahme eines weiteren Ausschlusstatbestandes anzureichern.

60

Die Veränderungssperre ist entgegen der Annahme des Antragstellers auch im Rechtssinne "erforderlich". Für sie besteht ein Sicherungsbedürfnis. Dieses Sicherungsbedürfnis darf die Gemeinde schon dem Auftreten eines einzigen Vorhabens entnehmen, welches geeignet ist, die Erreichung des selbst gesteckten Planungsziels zu gefährden. Sie darf insbesondere mit einer Veränderungssperre auf ein konkretes Vorhaben reagieren. § 71 Abs. 1 NBauO sieht gerade deswegen und in Anerkennung der gemeindlichen Planungshoheit vor, dass der Bauantrag über die Gemeinde einzureichen ist. Damit soll nicht nur erreicht werden, dass die Gemeinde über die (Nicht-)Erteilung eines ggf. erforderlichen Einvernehmens befinden kann. Sie soll vielmehr auch die Möglichkeit erhalten zu entscheiden, ob das Vorhaben zwar einerseits dem geltenden Bauplanungsrecht entspricht, seine Verwirklichung jedoch ihren/solchen städtebaulichen Vorstellungen zu widersprechen droht, die sie bislang noch nicht in verbindliche Planungen hat umsetzen können. Das darf sie dann gerade mit Blick auf dieses eine konkrete Vorhaben durch Planaufstellungs-/-änderungsbeschluss und Veränderungssperre zu unterbinden versuchen (vgl. dazu unter anderem Nds. OVG, Urt. v. 17.2.2005 - 1 KN 125/04 -, V.n.b.). Die Gemeinde darf das Instrument der Veränderungssperre zudem auch dann schon einsetzen, wenn sie über die städtebauliche Situation bzw. die städtebaurechtliche Zulässigkeit des Vorhabens nicht vollständig im Klaren ist, aber ernstlich befürchten muss, das Vorhaben sei entgegen ihrer Würdigung (möglicherweise) doch mit dem derzeit geltenden Bauplanungsrecht, nicht aber mit ihren davon abweichenden städtebaulichen Zielen zu vereinbaren. Sie ist mit anderen Worten nicht verpflichtet abzuwarten, ob das geltende Städtebaurecht oder das, was sie nach ihren bisherigen Intentionen zu schaffen beabsichtigte, das fragliche Vorhaben zu verhindern geeignet ist. Sie darf durch Konkretisierung und Weiterentwicklung der Planungsabsichten mit flankierender Veränderungssperre vielmehr schon dann eingreifen, wenn sie ernstlich befürchten muss, das ihr durch den Bauantrag bekannt gewordene Vorhaben werde möglicherweise ihre Planungsabsichten durchkreuzen.

61

Daraus ergibt sich, dass der Angriff des Antragstellers das Sicherungsbedürfnis nicht entfallen lässt, der bei Stellung des Bauantrages festzustellende Stand des Planungsverfahrens habe den Ausschluss von Bordellen nicht vorgesehen. Denn der Inhalt des Bebauungsplanes steht erst am Ende fest. Und wenn sich - wie hier - während des Planaufstellungsverfahrens herausstellt, dass in dem zu überplanenden Gebiete weitere Entwicklungen drohen, welche die planende Gemeinde als Missstand einstuft, dann darf sie dieser Entwicklung gleich im laufenden Planungsverfahren Rechnung tragen. Das gilt erst recht dann, wenn der nunmehr beabsichtigte Ausschluss weiterer Nutzungsarten sozusagen "auf der Linie" der bisherigen Planungsabsichten liegt und diese aus Anlass des streitigen Vorhabens nur unwesentlich modifiziert/konkretisiert werden müssen. Gerade weil, wie oben dargelegt, über die bauplanungsrechtliche Einordnung von Bordellen (Vergnügungsstätten oder Gewerbebetriebe anderer Art) Streit besteht, durfte sich die Antragsgegnerin "auf die sichere Seite" begeben und den Ausschluss von Bordellen in ihr Planungsgerüst aufnehmen. Auch/gerade das ist geeignet, dort vorhandenes oder anzusiedelndes produzierendes Gewerbe und industrielle Nutzung gegen einen finanziell begründeten Verdrängungswettbewerb zu schützen.

62

Wenn der Antragsteller außerdem geltend macht, sein Vorhaben werde von den Veränderungssperren wirksam gar nicht erfasst, dann ist das grundsätzlich kein tauglicher Angriff gegen deren Wirksamkeit. Dann nämlich stellt er sich auf den Standpunkt, die Veränderungssperre sei zwar wirksam, seine Bauabsichten müssten aber gemäß § 14 Abs. 2 BauGB zugelassen werden. Das ist nicht Gegenstand des Normenkontrollverfahrens.

63

Es sind schließlich keine ausreichenden Anhaltspunkte für die Annahme gegeben, das Umplanungsvorhaben werde sich mit den Mitteln des Städtebaurechts unter keinen Umständen verwirklichen lassen. Die künftigen Festsetzungen des Bebauungsplanes, dessen Sicherung die Veränderungssperre dienen soll, werden grundsätzlich nicht nach Art einer vorgezogenen Normenkontrolle geprüft. Als Sicherungsmittel ungeeignet ist die Veränderungssperre erst dann, wenn sich jetzt schon verlässlich absehen lässt, dass sich die Vorstellungen der Gemeinde mit den Mitteln des Planungsrechts schlechterdings nicht verwirklichen lassen werden (vgl. BVerwG, Beschl. v. 21.12.1993 - 4 NB 40.93 -, NVwZ 1994, 685; Nds. OVG, Beschl. v. 15.10.1999 - 1 M 3614/99 -, BRS 62 Nr. 122 = BauR 2000, 73 = NST-N 1999, 382 = DVBl. 2000, 212 = ZfBR 2000, 141 = dng 2000, 31 = NuR 2000, 232 = NdsRpfl. 2000, 152 = NVwZ 2000, 1061).

64

Eine solche Annahme ist hier nicht gerechtfertigt. Schon aus der vom Antragsteller selbst überreichten Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Münster vom 25. November 1997 (- 10a D 131/97.NE -, JURIS, Abdruck GA Bl. 65 ff. GA) ergibt sich, dass der Gemeinde grundsätzlich die Möglichkeit offen steht, Veränderungssperren zur Sicherung des Planvorhabens einzusetzen, Bordelle in einem Gewerbegebiet auszuschließen (vgl. a. Senatsurt. v. 15.1.2004 - 1 KN 158/02 - Ausschluss von Bordellen, Dirnenunterkünften, Einrichtungen mit Sexdarbietungen und Spielhallen zum Schutze einer benachbarten, vom trading-down-Effekt bedrohten Wohnbebauung; vgl. a. Janning, BauR 2005, 958 [BVerwG 19.08.2004 - 4 C 16/03]: Ausschluss von Bordellen, bordellartigen Betrieben und Wohnungsprostitution in den Innenstädten). Dabei braucht auch hier nicht abschließend entschieden zu werden, ob Bordelle als Gewerbebetriebe aller Art im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO zu fassen sind. Es reicht aus, dass die Antragsgegnerin als planende Gemeinde mit der Möglichkeit rechnen musste, das Bundesverwaltungsgericht werde bei seiner Auffassung bleiben. Es ist ihr nicht anzusinnen, erst eine Klärung dieser Frage abzuwarten und später Bordelle als Unterart der gewerblichen Nutzung auf der Grundlage von § 1 Abs. 9 BauNVO auszuschließen.

65

Die zweite Veränderungssperre rechtfertigt sich inhaltlich aus denselben Erwägungen. Insbesondere war auch jetzt noch das Sicherungsbedürfnis gegeben. Das gilt selbst dann, wenn die Antragsgegnerin als Bauaufsichtsbehörde zwischenzeitlich verpflichtet gewesen wäre, die erstrebte Baugenehmigung wegen Außerkrafttretens der ersten Veränderungssperre zu erteilen.

66

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 155 Abs. 1 Satz 1, letzte Alt., 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 709 Satz 2, 711 Satz 2 ZPO. Beide Anträge halten sich wertmäßig in etwa die Waage. Beide Veränderungssperren stellen sich als ein andauernder Versuch der Antragsgegnerin dar, das Vorhaben des Antragstellers zu verhindern. Gegeneinander aufzuheben sind die Kosten nicht, weil die Antragsgegnerin nicht anwaltlich vertreten ist und ein solcher Kostenausspruch daher zu einer unzutreffenden Begünstigung der Antragsgegnerin führte (vgl. Eyermann-Rennert, VwGO, Komm., 12. Auflage, § 155 Rdnr. 4 am Ende).